Symptomatik VL Tics, Tourette-Syndrom Tics sind nicht-rhythmische, motorische Bewegungen oder Lautäußerungen, ohne das hierfür ein offensichtlicher Zweck zu erkennen ist. Sie sind unwillkürlich, plötzlich auftretend und rasch ablaufend, einzeln oder in Serie. Sie treten mehrfach am Tag auf und im periodische Wechsel hinsichtlich Anzahl, Häufigkeit, Art der Tics wie auch ihrer Ausprägung. Die Symptome können manchmal für Wochen oder Monate verschwinden, aber auch unvermutet wieder auftreten. Fallbericht einer Lehrerin Fallbericht einer Lehrerin Zunächst fiel Ben nicht weiter auf, er ist ein netter, freundlicher und ausgesprochen cleverer Junge. Doch nach etwa ein, zwei Monaten in der Schule begann er, mit den Augen zu zwinkern und eigenartig zu zucken. Ehrlich gesagt, machte ich mir ziemliche Sorgen, ob Ben vielleicht dem Schulalltag nicht gewachsen sein könnte. Bald stand die Diagnose fest: Tourette-Syndrom (TS). Noch nicht 100%ig, da Ben noch kein Jahr die Symptome zeigte, aber mit hoher Wahrscheinlichkeit. Die Mutter von Ben informierte mich darüber und mit Hilfe der Lehrerbroschüre der Tourette-Gesellschaft Deutschland versuchte ich herauszufinden, was das eigentlich bedeutet, einen Schüler mit TS in der Klasse zu haben. Fallbericht einer Lehrerin Die Eltern der Kinder informierte ich am Elternabend. Ich bin sehr froh, dass Bens Mutter diesem Schritt zugestimmt hat. So wollte ich verhindern, dass die Eltern aus dem, was ihre Kinder zu Hause aus der Schule und von Ben erzählten, die übelsten Geschichten spinnen würden. Im Frühjahr besserten sich Bens vokale Tics. Er wurde immer ruhiger und schließlich freuten wir uns alle, dass sich die Diagnose TS wohl als falsch herausgestellt hatte. Nach den Sommerferien starteten wir voller Freude ins neue Schuljahr – und Ben ticte wieder. Heftiger, als im vergangenen Jahr, ausgeprägter. Besonders fiel dies im Anfangsgottesdienst auf. Ich hatte die Religionslehrer, die den Gottesdienst leiteten, informiert, aber damit, dass Ben jede Handlung am Altar mit "Ja krass" und "Ja geil" kommentieren würde, hatte keiner gerechnet. Meiner Klasse fiel das nicht weiter auf, aber eine andere Klasse machte sich lautstark lustig über ihn. Mit Ben selber konnte ich nicht über seine Krankheit sprechen, er blockte völlig ab und wollte auch nicht, dass darüber in der Klasse geredet wurde. Inzwischen kamen aber zu seinen Zuckungen auch laute "Ja"-Schreie im Unterricht hinzu, so dass sich einige Mitschüler zu Recht gestört fühlten. Also schickte ich Ben mit der Nachricht "Please keep him for a while " zu unserer Schulsekretärin – denn schließlich las er inzwischen auch meine Handschrift recht sicher – und erklärte unterdessen der Klasse, dass Ben an einer Krankheit leide, die ihn zwinge, laut zu rufen oder zu zucken. Dass diese Krankheit im Grunde wie ein Schnupfen sei, da könne man schließlich ein Niesen auch nicht unterdrücken. Seine lauten Rufe wären also nichts weiter als ein "Wörterniesen", nur glücklicherweise nicht ansteckend. Damit war die Sache für die Kinder vom Tisch. Ben wurde, als er von seiner "Mission" zurückkam, noch ein Mal interessiert angesehen, aber danach nahm niemand mehr Anstoß an seinen Zwischenrufen. Dazu muss gesagt werden, dass diese Klasse über ein sehr hohes Maß an emotionaler Kompetenz und Empathiefähigkeit verfügt. Fallbericht einer Lehrerin In Absprache mit seinen Eltern informierte ich das Kollegium über Bens Krankheit. Ich bat die Kollegen, in ihren Klassen das Thema anzusprechen und den Kindern zu erklären, dass Ben nichts für seine Tics könne. Danach ist mir nicht mehr zu Ohren gekommen, dass er gehänselt worden wäre oder Ähnliches. Ich schickte Ben noch einmal zur Schulsekretärin und redete mit meiner Klasse. Ich erklärte den Kindern, dass Ben das Tourette-Syndrom immer noch habe, dass er deswegen wieder mit seinen Zwischenrufen begonnen habe, aber dass er immer noch ein "cooler Typ" sei. Und wer meiner Meinung sei, der könne ihm das auch ruhig einmal sagen. Als Ben das Klassenzimmer wieder betrat, wurde er gleich von einer Schülerin mit "Hey, Ben, ich finde dich cool!" begrüßt. Und der Rest der Klasse stimmte ein. Ich habe selten ein so stolzes und glückliches Kind gesehen wie Ben in diesem Moment! 1 Fallbericht einer Lehrerin Vor einiger Zeit kam bei Ben zu den vokalen Tics noch das "Touching" dazu. Besonders fiel mir das auf, als ich mit der Klasse die Bücherei besuchte. Die Kinder saßen auf dem Boden und hörten der Bibliothekarin zu, als Ben immer wieder den Rücken des Jungen vor ihm berühren musste. Dem missfiel dies sehr. Im Stuhlkreis hatte Ben den beiden Mädchen links und rechts von sich mitten im Erzählen plötzlich mit der linken und rechten Hand "synchron" auf die Wange gepatscht. Interessanterweise nahmen die Mädchen davon keine Notiz, sondern erzählten einfach weiter. Als ich Ben erklärte, dass wir mit den Kindern darüber reden müssten, dass diese Berührungen auch wieder ein Tic seien, blockte er wieder ab und bat mich, während ich mit der Klasse sprach, mit seinem Freund auf dem Flur warten zu dürfen. So machten wir es auch und wieder fanden die Kinder es in Ordnung und akzeptierten Bens Tic. Fallbericht einer Lehrerin Inzwischen hat sich alles sehr gut eingespielt, Ben bekommt seinen Rüffel, wenn er Quatsch macht oder ratscht wie alle anderen Kinder auch, wenn er tict, ignorieren wir das und wenn ich nicht sicher bin, frage ich nach: "Ben, war das ein Tic oder hast du nur Blödsinn gemacht?" und meistens erkennt man schon an seinem Grinsen, ob eine Ermahnung berechtigt war oder nicht! Außerdem haben seine Eltern den Zucker aus seiner Ernährung verbannt, so dass Ben, wenn wir einen Geburtstag in der Klasse feiern, statt Kuchen oder Süßigkeiten zuckerfreie Lollis bekommt. Auch damit haben besonders seine Eltern sehr gute Erfahrungen gemacht. Ein Kind mit Tourette-Syndrom in der Klasse zu haben ist sicher nicht einfach, es kostet Kraft und Nerven. Aber die Zusammenarbeit mit Bens Eltern klappt wirklich wunderbar, sie versorgen mich mit allen notwendigen Informationen. Fallbericht einer Lehrerin Die Vorweihnachtszeit hatte für uns wenig Besinnliches. Die Aufregung um die bevorstehende Weihnachtsfeier mit den Eltern, die Wunschzettel, die noch geschrieben werden mussten und die heiß ersehnten Ferien sorgten für ordentlichen Wirbel in der Klasse. Diese Aufregung schlug sich im hektischen Verhalten aller Kinder nieder, zeigte sich aber am deutlichsten in Bens Verhalten. Er ticte häufiger und lauter. Ich geriet langsam an meine Grenzen und dementsprechend ungeduldig reagierte ich auf die Klasse – und eben auch auf Ben und seine Tics. An einen strukturierten Tagesablauf war nicht zu denken, aber genau den und jede Menge Geduld braucht Ben offenbar. In den offenen Phasen, bei den Proben des Weihnachtsspieles etwa, oder dem Basteln von Fensterdekorationen, kamen Bens Tics häufiger und stärker. Und in diesem Chaos mussten wir noch eine Lernzielkontrolle schreiben. Ben weigerte sich, allein im Nebenzimmer zu schreiben, also ließ ich ihn bei seinen Klassenkameraden und hoffte, sie würden sich durch seine Tics nicht zu sehr gestört fühlen. Doch kaum hatte ich die Blätter ausgeteilt, wurde Ben ruhig, ticte nicht mehr und arbeitete konzentriert bis zum Ende der Probe. Diese Beobachtung machte ich immer wieder: je freier und lockerer der Unterricht ist, umso schwerer fällt es Ben, mit seinen Tics klar zu kommen. Doch wenn er sich konzentrieren muss und ganz in einer Aufgabe versinken kann, scheint er seine Tics vergessen zu können und wird viel ruhiger. Deswegen versuche ich, immer ordentlich "Hirnfutter" für Ben in der Hinterhand zu haben. Symptomatik : Motorische Tics Einfache motorische Tics: • Augenblinzeln • Mundöffnen • Stirnrunzeln • Kopfschütteln • Schulterzucken • Zwerchfelltics • Bauchtics • Rumpftics Komplexe motorische Tics • Hüpfen • Treten • Klopfen • Kratzen • Echopraxie (zwanghaftes, automatisches Nachahmen und Wiederholen von vorgezeigten Handlungen und Bewegungen) • Kopropraxie (Zeigen unwillkürlicher, obszöner Gesten , z. B. Herausstrecken der Zunge, Zeigen des Mittelfingers) Symptomatik: Vokale Tics Tourette-Syndrom Einfache vokale Tics: • Räuspern • Hüsteln • Schneuzen • Spucken • Grunzen • Bellen • in- und expiratorische Atemgeräusche Komplexe vokale Tics: • Schreien • Summen • Pfeifen • Palilalie (zwanghaftes Wiederholen von eigenen Wörtern und Sätzen) • Echolalie (zwanghaftes Wiederholen von Wörtern und Sätzen des Gesprächspartners) • Koprolalie ( zwanghaftes Wiederholen von Ausdrücke aus der Fäkalsprache) Fallberichte: • 1885 von dem Der Marquise de französischen Dampierre. Nervenarzt Dr. • Ihre Symptome Georges Gilles de la beinhalteten Tourette beschrieben unwillkürliche motorische Tics verschiedener Art und auch verschiedene Lautäußerungen einschließlich der Koprolalie und der Echolalie. 2 Klassifikation : Diagnostische Kriterien des Tourette-Syndroms • A. Während der Störung bestehen mindestens zwei motorische Tics und ein oder mehrere vokale Tics eine Zeit lang, aber nicht notwendigerweise ununterbrochen. • B. Die Tics treten viele Male am Tag auf, fast jeden Tag länger als ein Jahr, ohne Remission, die länger zwei Monate dauert. • C. Beginn vor dem 18. Lebensjahr Symptome des Tourette-Syndroms • Sensomotorische Vorgefühle (z. B. Stechen, Jucken, Muskelverspannung), erlebt als Unruhe, Drang und Enge • Kurzfristige Abnahme der inneren Unruhe durch Ausführen der Tics • Starke Schwankung der Symptomatik hinsichtlich Art, Intensität und Häufigkeit • Unter Stress, Angst, Freude oder Angst Zunahme der Symptomatik Zeitliche Entwicklung Symptome des Tourette-Syndroms • • • • • Häufigste Erstsymptome sind Gesichts- und Augentics Seltener treten vokale Tics plötzliches Einsetzen, kein erkennbarer Zweck normalerweise nicht willkürlich beeinflussbar, aber unterdrückbar Belastungen verstärken Tics, im Schlaf verschwinden sie Rituale/Zwanghaftes Verhalten: – Zählende Rituale. Einen Satz wiederholen, bis er “genau richtig” ist. – Sprechstörungen: Ungewöhnliche Rhythmen, Intonierungen, Akzente, Intensität des Sprechens – Nachfragen und Vergewissern in ritualisierter Form Symptomatik • Erstmanifestation im Alter von 2-15 Jahren • Symptome können komplett verschwinden und durch neue ersetzt werden; • Meist Chronischer Verlauf, nicht selten in der Adoleszenz nachlassend. • Abnahme bei Konzentration auf eine Tätigkeit, Ablenkung, Entspannung (auch unter Alkoholeinfluss) • Bewusst und willkürliche Verzögerung der Tics bei Jugendlichen möglich, führt aber zur Zunahme der Anspannung Komorbidität Jankovic,J.2001. N Engl J Med; 345:1184-92 3 Komorbidität Komorbidität Chronische Tics TS ~42% ~33% Zwangssymptome Zwangsstörung ADHD Klassifikation nach ICD 10 • Vorübergehende TicStörung des Kindesalters (F95.0) • Chronische TicStörung (F 95.1) • Tourette Syndrom (F 95.2) • Andere bzw. nicht näher bezeichnete Tic-Störung (95.8) • Vollständiges Verschwinden der meist nur motorischen Tics nach spätestens einem Jahr • Mehr als ein Jahr dauernde chronische motorische oder vokale Tics • Mehr als ein Jahr dauernde motorische und vokale Tics Differentialdiagnosen • Epilepsie • Manierismen (bizarr aussehende, verzerrte, verschnörkelte Bewegungsabläufe ohne Sinn) • Konversionsstörungen • Bewegungsstörungen, wie z. B. Chorea Huntington, Dystonien (Bewegungsstörung, die mit Verkrampfung und Fehlhaltung einher geht), Myklonien, Tremor, und nach Schädigungen des ZNS (z. B. Enzephalitis oder Trauma) – nur 15 % der Erkrankten leiden nicht unter einer komorbiden Störung – Zwangsgedanken und –handlungen (30-60%) – ADHD (50%), Lernschwierigkeiten (24%) – Angststörungen (20%), Panikattacken (30%), Schlafstörungen (14-25%) – mangelnde Impulskontrolle, Selbstverletzungen (10-37%) – Depressive Symptome Diagnostik • Anamnese, Exploration der Eltern und des Kindes hinsichtlich der Kernsymptomatik (Qualität, Quantität, Lokalisation, Intensität, Verlauf) • Körperliche und psychologische Untersuchung • Verhaltensbeobachtung (strukturierte Verhaltensbeobachtung durch die Eltern) • ggf. Bildgebung • Neurophysiologie Klassifikation: Motorische und/oder Vokale Tics vorhanden JA Ausschluss organischer, pharmakologischer, neurologischer und komorbider psychiatrischer Ursachen JA Beginn vor dem 18.Lebensjahr und Dauer länger als 1 Jahr JA Bisher nur motorische oder nur vokale Tics NEIN Mindestens zwei motorische und ein vokaler Tics in Kombination NEI N vorübergehende Ticstörung JA Chronische Ticstörung JA TouretteSyndrom 4 Ursachen Prävalenz Kindes- und Jugendalter (bis 18.Lebensjahr) Tics (meist vorübergehend) Tourette-Syndrom Tourette-Syndrom m: 6-18% w: 3-11% m: 3-9 Fälle pro 10.000 E. w: ~ 1 Fall pro 10.000 E. 0,05-3% Genetik • Im einzelnen nicht geklärt. • Allgemein wird davon ausgegangen, dass die Pathogenese von Tics auf einer gestörten Modulation der neuronalen Aktivität in subkortikalen neuronalen Regelkreisen beruht. • Genetische Disposition • Immunologische Mechanismen (Streptokokkeninfektion) Neurobiologie • Vererbung: Hinweise für Hauptgen-Effekt in einzelnen Familien • Strukturelle Befunde: • Konkordanz: eineiige Zwillinge 53%, zweieiige 8% • Funktionelle Störungen: • Kandidatengenregionen auf 4q, 5q und 17q – Linksseitige Volumenminderung der Basalganglien – Verminderte Durchblutung und Metabolisierung der Basalganglien (Globus pallidus externus und nucleus subthalamicus) – Inhibitionsstörung im motorischen Cortex • Neurochemische Befunde: – Überaktivität des dopaminergen Systems Neurobiologie Psychosoziale Faktoren • Stress nicht kausal, jedoch Ticmodulierende Wirkung 5 Psychosoziale Folgen • Kinder mit Tics werden oft gehänselt und abgelehnt • Belastung der Eltern-Kind-Interaktion (z.B. elterliche Kritik an misslungenen Kontrollversuchen des Kindes), Schuldzuweisungen • Belastungssituation in der Schule (Ausgrenzung, unnötiger Druck, Überforderung) • Besondere Herausforderung während der Pubertät Therapie Therapie : Exploration der Symptomatik und Aufklärung über die Erkrankung • Anamneseerhebung: Eigen-und Fremdanamnese • Zeitliche Schwankungen der Frequenz, Art und Lokalisation von Tics • Verstärkende und abschwächende Faktoren • “Partielle” Unterdrückbarkeit • Assoziierte psychiatrische Störungen • Behandlungsmöglichkeiten • Verlauf und Prognose Pharmakotherapie • Therapieplanung und –begleitung in einer Hand • Multimodaler Therapieansatz • Erster Schritt: Aufklärung über die Störung – Information für Kind/Jugendlicher, Eltern und Verwandte, Lehrer Pharmakotherapie • Vor- und Kontrolluntersuchungen: körperliche Untersuchung, EEG, EKG, Routinelabor • Wahl des Pharmakons: Ausführliche Erläuterung der Nebenwirkungen • ein- uns ausschleichende Dosierung • deutliche, aber nicht vollständige Reduktion der Ticsymptomatik anstreben. Indikation: – Abhängig vom Schweregrad der Symptomatik und dem Leidensdruck – chronifizierter Verlauf (über 6 Monate) Therapie: Psychotherapieverfahren Symptomzentrierte Verhaltenstherapie Substanz 1. Wahl: Tiaprid (Tiapridex®) 2. Wahl: Pimozide (Orap®) Risperidon (atypisches Neuroleptikum) Sulpirid Fluoxetin (Fluctin®) plus Risperdal bei Tics und Zwängen Durchschnittl. Spezifische NebenTagsdosis wirkungen (Kinder / Erw.) 150-300 / 600 mg Müdigkeit, Schlafstörungen, Gewichtszunahme 0,5-4 mg /16mg Unruhe, Schwindel, Kopfschmerzen, EKGVeränderungen, Extrapyramidal-motorische Bewegungsstörung (EPMS) 1-4mg Gewichtszunahme, Galaktorrhoe Max. 10mg/kg pro Unruhe, Schlafstörungen, Tag Hypo- und Hypertonie, EPMS Bis 60mg pro Tag Entspannungsverfahren Selbstmanagement Wahrnehmungstraining Antistresstraining, Biofeedback-Techniken 6 Bewältigungsstrategien: Therapieplanung •Auslöser bzw. Verstärkung der Symptomatik durch Stress positiver sowie negativer) einschätzen und kontrollieren lernen •Kontrolle und Unterbrechung der Kette von Tic unterstützender oder erzeugender Reaktionen •Verstärker der Tic-Symptomatik: •Übermäßige Gewohnheit •Soziale Verstärkung •Tolerierung der Tics Programm der "Reaktionsumkehr-Motorische Gegenantwort: unangenehmen Tic durch eine Willkürbewegung "gegenhält" oder den Tic eher durch eine Bewegung, die sozial akzeptabler ist, ersetzt. Therapieerfolg Chirurgische Intervention Zielort für die Positionierung der Hirnelektrode: Nucleus accumbens Durch Ausschalten des Schrittmachers werden unerwünschten Antriebsstörungen und emotionalen Veränderungen behoben. Psychosoziale Unterstützung Empfehlungen für die Schule Entlastung in der Schule (Aufklärung in der Klasse über die Störung) 1) Beobachten Sie Ihren Schüler ganz genau, machen Sie sich Notizen! Wann treten Zuckungen, Schreie auf? Wie oft? Gibt es Auslöser dafür? Etwa Stress, Freude? Da häufig eine ADHS als komorbide Störung auftritt, besondere schulische Rahmenbedingungen notwendig 2) Sprechen Sie mit den Eltern! Zeigen Sie ihnen Ihre Aufzeichnungen, klären Sie ab, wie sich das Kind zu Hause verhält. Schulische Hilfen in Form von Nachteilsausgleich: Zusätzliche Zeitzugabe, Benutzung von Hilfsmittel, besondere Prüfungssituationen schaffen (z. B. Einzelprüfungen) 3) Informieren Sie die Eltern über mögliche Kinder- und jugendpsychiatrische Einrichtungen in Ihrer Umgebung. Ermutigen Sie sie, ihr Kind dort untersuchen zu lassen. 4) Möglicherweise handelt es sich um eine vorübergehende Ticstörung des Kindesalters, die sich wieder zurückbilden kann. Aber das muss geklärt werden! Es ist immer besser zu wissen, womit man es zu tun hat! Möglichkeit schaffen, „Tics auszuleben“. 7 Empfehlungen für die Schule 5) Steht die Diagnose, so sprechen Sie mit dem Kind. Klären Sie gemeinsam, zu welchen weiteren Schritten das Kind bereit ist. Oft sind gerade die Kinder der 1. und 2. Klasse überfordert mit ihrer eigenen Krankheit und möchten nicht darüber reden. Akzeptieren Sie auch diese Entscheidung. 5) Informieren Sie in Absprache mit dem Kind die Klasse. Vielleicht möchte es dabei sein, vielleicht reden Sie ohne es mit seinen Klassenkameraden. Machen Sie dem Rest der Klasse deutlich, dass das betroffene Kind nichts für seine Tics kann. Stellen Sie aber auch deutlich fest, dass der Schüler wegen seiner Krankheit keinen Freifahrtschein für Dummheiten oder Störungen des Unterrichts bekommt. 6) Unterbinden Sie Nachahmungen strikt! 7) Sprechen Sie das Thema "Tourette" nach Absprache mit den Eltern beim Elternabend an. Unterrichten Sie die anderen Eltern davon, dass Sie einen Schüler mit TS in der Klasse haben. Beruhigen Sie sie, dass ihre eigenen Kinder dadurch keinen Nachteil haben werden, sondern eher ihre soziale Kompetenz gestärktwird. Weitere Hilfen Empfehlungen für die Schule 8) Unterrichten Sie das Kollegium, damit auch in den anderen Klassen über TS gesprochen wird. Je mehr die Kinder über die Krankheit erfahren, desto weniger fürchten sie sie und greifen Ihren Schüler mit TS an oder verspotten ihn! 9) Ein Schüler mit Tourette ist ganz normal beschulbar. Sprechen Sie mit Ihrer Schulleitung darüber. Finden Sie gemeinsam Möglichkeiten, wie Sie sich und der Klasse, aber vor allem auch dem betroffenen Kind, Freiräume schaffen können, wenn die Tics zu anstrengend werden. Gibt es Zimmer, in die sich das Kind zurückziehen kann? Gibt es Kollegen, die es gesondert fördern können? Kann das Kind den Unterricht verlassen und sich vor dem Klassenzimmer oder im Pausenhof austicen? 10) Holen Sie sich Unterstützung! Ein Kind, das schreit und aufspringt, ist bestimmt nicht einfach zu unterrichten. Es kostet Nerven und Kraft. Reden Sie mit den Eltern und Kollegen, aber auch mit "Profis"! Tourette-Gesellschaft •Organisation von Informationsveranstaltungen für Laien und Fachleute und von wissenschaftlichen Tagungen. • Entwicklung und Verteilung von Informationsmaterial an Einzelpersonen, Fachleute und Organisationen im Bereich der Gesundheitsfürsorge, der Erziehung und der Administration. • Unterstützung von Forschungsaktivitäten, um schlussendlich die Ursache und die Heilbehandlung für ein TS zu finden und gleichzeitig dazu beizutragen, dass Behandlungsmöglichkeiten (z. B. Medikation) weiter verbessert werden. •Unterstützung von Betroffenen in allen Fragen ihrer Problemlage. 8