Umwelt an die Börse - Christoph Matschie

Werbung
T H E M E N D E R R EP UB L I K
Umwelt an die Börse
Puts and Calls, Optionen, Zertifikate: Warum deutsche Klimapolitik schon bald mit den
Mitteln des Wertpapierhandels funktionieren könnte. Plädoyer für den Klimaschutz durch
Zertifikathandel / VON CHRISTOPH MATSCHIE, MATTHIAS JEGLITZA UND CHRISTOPH MAJEWSKI
ieser Beitrag ist ein Plädoyer für die zügige
Einführung eines zertifikatbasierten Handels
von Emissionsrechten. Die Möglichkeit, den
Klimaschutz durch marktwirtschaftliche Instrumente voranzutreiben, soll deutschlandweit modellhaft erprobt werden. Dieser Vorschlag hat gute
Gründe: Mit dem Klimaprotokoll hat sich die
Staatengemeinschaft auf einen international verbindlichen Rahmen, konkrete Handlungsziele und
Instrumente für die Begrenzung von Treibhausgasemissionen verständigt. In Kioto verpflichteten sich
die Industriestaaten, ihre Treibhausgasemissionen
im Zeitraum von 2008 bis 2012 um 5,2 Prozent unter das Niveau von 1990 zu senken. Die Europäsche
Union ist eine Reduktionsverpflichtung von 8
Prozent eingegangen. Im Rahmen des so genannten
„Burden-Sharing“-Abkommens wurde außerdem eine EU-interne Lastenteilung vereinbart. Deutschland hat dabei ein 21-prozentiges Minderungsziel
für die erste Verpflichtungsperiode akzeptiert.
Nach den gegenwärtigen Prognosen und ohne
Änderung der derzeitigen Politikstrategien würden
wir jedoch europaweit die Zielsetzung einer
Reduktion des CO2 Ausstoßes um 8 Prozent deutlich verfehlen. Wahrscheinlich ist sogar eine Zunahme der Emissionen um 1 Prozent. Das aber würde den Klimawandel verschärfen und hohe, bisher
kaum abschätzbare volkswirtschaftliche Kosten verursachen.
Umso dringender stellt sich die Frage nach geeigneten Instrumenten, um Treibhausgase zu reduzieren. Erste Schritte sind unternommen. Ein Mix aus
Steuern, Ordnungsrecht und direkter finanzieller
D
Förderung umweltfreundlicher Technologien soll
für mehr Energieeffizienz sorgen und damit klimaschädliche Gase vermindern.
Das Recht auf Luftverschmutzung kaufen?
Konzeptionell elegant, anderen umweltpolitischen
Instrumenten überlegen und von erheblichem
Potential, in der Praxis jedoch noch nicht umfassend
erprobt ist der Handel mit so genannten Emissionszertifikaten. Dahinter steht die Idee, die Nutzung
von Umweltressourcen – in diesem Fall Luft – an
den Besitz von verbrieften Rechten auf Umweltnutzung beziehungsweise an Emissionsrechte zu
knüpfen. Eine saubere Umwelt ist ein öffentliches
Gut, von dessen Nutzung niemand ausgeschlossen
werden kann, an dem aber auch keine unmittelbaren
Eigentumsrechte bestehen. Das macht die Einbeziehung von Umweltinteressen in die unmittelbare
Unternehmensentscheidung schwierig. Die Idee des
Emissionshandels setzt an dieser Stelle an. Die
Schaffung von handelbaren Eigentumsrechten geschieht hier über Emissionszertifikate. Sie berechtigen ihren Inhaber dazu, in einem festgelegten
Zeitraum eine vorher genau bestimmte Menge eines
(Schad-) Stoffes an die Umwelt abzugeben. Die
Festlegung der Anzahl der Zertifikate und der zulässigen Gesamtemissionsmenge ist Sache des Staates
oder einer Staatengemeinschaft. Diese Gesamtmenge wird dann an die in einem Gebiet ansässigen
Emittenten vergeben. Dies kann je nach Vergabeverfahren durch eine kostenlose proportionale
Zuteilung, durch Auktionsverfahren oder Misch-
BERLINER REPUBLIK 2/02
69
T H E M E N D E R R EP UB L I K
formen beider Ansätze geschehen. Jedes Unternehmen kann seine zulässigen Emissionsrechte selbst
nutzen oder – wenn es mehr Zertifikate besitzt als
benötigt – an andere Unternehmen veräußern. Die
vergebenen Emissionsrechte unterliegen dabei staatlicher Kontrolle um sicher zu stellen, dass niemand
mehr emittiert, als er an Rechten dazu besitzt.
Was Zertifikate attraktiv macht
Markt entstandenen Zertifikatpreis nicht übersteigen. Dabei werden Emissionen von denjenigen vermieden, denen es am leichtesten fällt. Unternehmen die aufgrund ihrer Produktionsstruktur kein
oder nur ein geringes Reduktionspotential besitzen,
werden – anders als im Fall von Emissionsgrenzwerten – nicht zur Schadstoffreduzierung gezwungen. Sie haben ferner die Möglichkeit, über die
Anfangsausstattung hinaus benötigte Zertifikate
Zertifikate sind ökologisch treffsicher: Zertifikate
werden nur im Umfang der erlaubten Gesamtbelastung ausgegeben. Eine hinreichende Kontrolle
und Messung vorausgesetzt, ist damit das umweltpolitische Ziel mit Sicherheit erreichbar. Der Handel
mit solchen Zertifikaten weist besonders dann
Vorteile gegenüber anderen umweltpolitischen
Instrumenten auf, wenn eine aktive Reduzierung der
existierenden Umweltbelastung erzielt werden soll.
Dafür werden die ausgegebenen Zertifikate einer
zeit- und mengenmäßig klar definierten Entwertung
unterzogen. Die Emittenten werden damit gezwungen, der Größenordnung der stattgefundenen Abwertung entsprechend, Zertifikate nachzukaufen
oder Emissionen zu vermeiden. Werden die Abwertungsschritte mit dem nötigen zeitlichen Vorlauf
und auf lange Frist festgelegt, können die betroffenen Unternehmen ihre Anpassungsstrategie langfristig planen.
Zertifikate sind ökonomisch effizient: Durch die
Vorgabe der Menge der zulässigen Emissionen werden Verschmutzungsrechte zu einem knappen
Produktionsfaktor – wie Arbeit oder Kapital.
Folglich werden sie in die Kostenstruktur des
Unternehmens einbezogen. Um die damit entstehenden Kosten so gering wie möglich zu halten,
werden die Emittenten bestrebt sein, den Schadstoffausstoß ihres Unternehmens zu reduzieren.
Ein Anreiz dazu besteht, so lange die Kosten der
Schadstoffvermeidung oder -reduzierung den am
70
BERLINER REPUBLIK 2/02
P ET E R W I D M A N N
>>>
Wer es richtig rauchen la ssen
will, muss in Zukunft handeln
am Markt zu erwerben. Durch den Kauf an anderer
Stelle eingesparter Zertifikate tragen also auch sie
zur Erreichung des gesellschaftlich gewollten
Emissionsniveaus bei. Die Begrenzung oder
Verringerung von Schadstoffemissionen kann auf
dem Weg des Emissionshandels folglich auch mit
THEMEN DER REPUBLIK
den geringsten volkswirtschaftlichen Kosten erfolgen.
Einführung eines verbindlichen EU-weiten Zertifikathandels zum Jahr 2005 vor. Der Entwurf der
EU-Kommission gibt dabei einen ersten Rahmen
Zertifikate setzen Innovationsanreize: Ein Anreiz vor. Wesentliche Fragen der Ausgestaltung des Syszur technischen Weiterentwicklung von Produk- tems sind jedoch noch offen. Sie müssen jetzt weiter
tionsanlagen ergibt sich aus der Tatsache, dass beim diskutiert und entschieden werden.
Zertifikathandel die restliche Verschmutzung mit
Wir schlagen daher vor, im Rahmen eines natioKosten belastet wird. Für den verbleibenden Schad- nalen Modellprojektes den Handel mit Umweltstoffausstoß müssen Zertifikate erworben werden. Es zertifikaten zu erproben. Der Zertifikathandel sollte
liegt also im eigenen Interesse der Emittenten durch sich auf die im Klimaprotokoll genannten klimaInvestitionen in neue Technologien ihre Emissionen schädlichen Gase erstrecken. Mit dem Pilotprojekt
und damit ihren Zertifikatsbedarf zu reduzieren.
beabsichtigen wir, die offenen Fragen einer praktiAuf bundesdeutscher Ebene hat bereits eine schen Ausgestaltung des Handelssystems zu klären.
Arbeitsgemeinschaft aus Vertretern der Wirtschaft, Die Ergebnisse müssen dann in die Konkretisierung
Politik, Verwaltung und Nichtsstaatlichen Orga- des Emissionshandels auf europäischer und internanisationen im Auftrag der Bundesregierung begon- tionaler Ebene einfließen. Auf diese Art und Weise
nen, die konzeptionelle Ausgestaltung eines Emis- können wir nicht nur die zukünftig gültigen Regeln
sionshandels zwischen Unternehmen umfassend zu besser beeinflussen, wir sammeln auch frühzeitig
diskutieren. Ziel dieser Diskussion ist es, den Know-how und sichern damit unsere WettbewerbsEmissionshandel für die Erreichung des deutschen fähigkeit.
Klimaschutzzieles nutzbar zu machen.
In der Pilotphase sollte die Teilnahme freiwillig
Auch auf internationaler Ebene setzt man auf die sein. Innovatives Verhalten soll sich dabei lohnen.
Effizienz des Emissionshandels. So sieht das Kioto- Denkbar wäre, die Teilnehmer am Zertifikathandel
Protokoll verschiedene flexible Mechanismen vor, für die Dauer des Modellversuches von der Zahlung
unter anderem den internationalen zwischenstaatli- der Ökosteuer freizustellen. Über solche finanziellen
chen Emissions-handel. Dieser erlaubt den Indus- Anreize für das unternehmerische Engagement kann
trieländern, vom Kioto-Protokoll zugestandene aber es gelingen, eine ausreichende Teilnehmerzahl und
nicht selbst ausgenutzte Emissionsrechte an andere damit einen funktionsfähigen Markt sicherzustellen.
Industrieländer zu verkaufen. Der Emissionshandel Eine erste Überprüfung hat ergeben, dass diese
hat auch hier das Ziel, die Emissionsreduktionen Freistellung vor dem Hintergrund der Beihilferegedort vorzunehmen, wo sie mit den geringsten Kosten lung der Europäischen Union rechtlich möglich ererreicht werden können. Auf diese Weise kann das scheint. Steigt ein Unternehmen aus, ist die Ökogesetzte ökologische Ziel ökonomisch effizient er- steuer rückwirkend zu erbringen. Über einen Verreicht werden. Im Rahmen des Kioto-Protokolls soll rechungsmodus, der eine Überführung der in der
der internationale Handel mit Emissionen im Jahr Pilotphase erworbenen Zertifikate in ein verbindli2008 verbindlich starten. Es obliegt den einzelnen ches nachfolgendes Handelssystem ermöglicht, sollStaaten, ob und in welchem Maße sie die flexiblen ten wir weitere Vorteile für innovative Unternehmen
Instrumente des Protokolls selbst anwenden. In gewährleisten.
Europa wurden bereits erste Schritte in Richtung
Es gibt kaum einen Zweifel: der Emissionshandel
Emissionshandel unternommen: Ein Richtlinien- kommt. Jetzt müssen wir die Chance nutzen, ihn mit
entwurf der Europäischen Kommission sieht die zu gestalten. ■
BERLINER REPUBLIK 2/02
71
BESTELLCOUPON
Die Berliner Republik erscheint alle zwei Monate.
Das Einzelheft kostet 5,00 EUR zuzüglich 1,53 EUR
Versandkosten.
Die Berliner Republik gibt es auch im Jahresabofür
30,- EUR frei Haus. Studierende zahlen 25,- EUR
frei Haus.
Bestelladresse:
Berliner vorwärts Verlagsgesellschaft mbH
Stresemannstraße 30
10963 Berlin
Tel. (030) 255 94-130
Fax (030) 255 94-199
E-Mail: [email protected]
Ich bestelle:
❑ die nächste Einzelausgabe der Berliner Republik
zum Preis von 5,- EUR zuzüglich 1,53 EUR
Versandkosten.
❑ das Jahresabo* der Berliner Republik ab der nächsten Ausgabe zum Preis von 30,- EUR frei Haus
und erhalte eine exklusive Buch-Prämie
❑ das Jahresabo für Studierende ab der nächsten
Ausgabe der Berliner Republik zum Preis von
25,- EUR frei Haus (bitte Nachweis beilegen).
Firma
Vorname
Name
Straße
PLZ und Ort
Telefon/Telefax
eMail
Datum und Unterschrift
* Das Abo verlängert sich um ein Jahr, sofern es nicht
spätestens drei Monate vor Ablauf gekündigt wird.
Diese Bestellung kann innerhalb einer Woche gegenüber der Berliner vorwärts Verlagsgesellschaft mbH,
Stresemannstraße 30, 10963 Berlin widerrufen
werden. Es gilt das Datum des Poststempels.
Herunterladen