Industrie-Applikationen

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BSE – eine Rinderseuche
verändert die Gesellschaft
Dr. Burkhard Ziebolz
Science Communications, Roche Diagnostics
E Als 1985 erstmals eine neuar-
tige neurologische Erkrankung
bei Rindern in Großbritannien
beobachtet wurde, war niemandem die Tragweite dieser Beobachtung klar. Die erkrankten Tiere zeigte ängstliche bzw. aggressive Reaktionen, ihr Gang wirkte unkoordiniert, und sie stürzten sogar. Außerdem reagierten
sie extrem empfindlich auf Berührung und Geräusche. Die
Krankheit endete nach ein paar
Monaten mit dem Tod der Tiere. Bei der Untersuchung der Kadaver fanden sich schwammartige („spongiforme“) Veränderungen im Zentralnervensystem –
das gab der Krankheit den Namen Bovine Spongiform Encephalopathy (BSE). Die Symptome waren ähnlich der Scrapie,
einer schon seit längerer Zeit
bekannten Krankheit bei Schafen und Ziegen.
Wie entstand BSE, und wie
verbreitet sich diese Krankheit?
Neuere Untersuchungen führen
BSE auf veränderte Bedingungen in der britischen Tierkörperbeseitigung bzw. -verwertung
zurück. Offenbar wirkten dabei
mehrere Faktoren zusammen –
die hohe Scrapie-Inzidenz, die
Verfütterung von Tierkörpermehl
an Wiederkäuer, sowie Veränderungen in der Tierkörpermehlproduktion. Über die Verfütterung infektiösen Tiermehles wurden „Rinder-adaptierte ScrapieErreger“ von Schaf auf Rind
übertragen. In Großbritannien
kam es in der Folge zu einem
seuchenartigen Auftreten der
BSE, das in den Jahren 1992/93
seinen Höhepunkt erreichte. In
einer Reihe anderer Länder
wurden ebenfalls BSE-Fälle
nachgewiesen. Seit 1994 gehen
die BSE-Fälle statistisch zurück,
eine Folge des Verbotes der Tiermehlfütterung an Wiederkäuer.
BSE gehört zu den sogenannten „Transmissiblen Spongifor-
men Enzephalopathien“ (TSE),
von denen auch andere Tierarten befallen werden können.
Die oben beschriebene Scrapie
(engl. to scrape = sich kratzen) wurde bei Schafen und Ziegen schon
1732 in England bzw. 1759 in
Deutschland beobachtet. Wie sie
übertragen wird, ist zum Teil
noch unklar. Die Infektion vom
Muttertier auf das Lamm könnte über die Plazenta laufen;
auch über die Milch wäre eine
Infektion möglich, wurde aber
bisher nicht nachgewiesen. Innerhalb einer Herde dürfte sich
Scrapie hauptsächlich dadurch
verbreiten, dass infektiöse Nachgeburtsteile gefressen werden.
Die Empfänglichkeit jedes Tieres für Scrapie wird durch eine
Kombination genetischer Einflüsse und verschiedener Erregervarianten beeinflusst.
TSE kommt auch bei anderen in Gefangenschaft gehaltenen Tieren vor. In allen Fällen
geht man von einer Infizierung
über das Futter aus. Bei Nerzen
tritt sporadisch TME (Transmissible Mink Encephalopathy) auf (erstmals 1947 in den
USA beobachtet); einige Antilopenarten wie Nyala oder Großes Kudu in britischen Zoos
sind ebenfalls von einer TSEForm betroffen, und FSE, Feline spongiforme Enzephalopathie, tritt offiziell seit 1990 in
Großbritannien bei Hauskatzen
sowie Raubkatzen in Zoos auf.
Einige Wildwiederkäuer in bestimmten Regionen Colorados
und Wyomings erkranken an
Chronic Wasting Disease (CWD),
einer eigenständigen Form der
TSE. Die Krankheit wurde sowohl bei freilebenden als auch
in Gefangenschaft gehaltenen
Tieren festgestellt, daher kann
ein Zusammenhang mit der Verfütterung von Tierkörpermehlen
wohl ausgeschlossen werden.
Aber auch der Mensch ist be-
Abb.1: Schematische Darstellung des Prionics-Check (Bildnachweis: Prionics AG, Zürich)
troffen, die Folgen für die Gesellschaft sind unübersehbar.
BSE hat unser Ernährungsverhalten so schnell verändert wie
nichts anderes in den letzten
zwanzig Jahren und stellt die
Rindfleischproduzenten vor ernste Probleme. Mehr als 60 Prozent der Deutschen sehen in
der Rinderseuche ein Risiko für
ihre eigene Gesundheit, jeder
zweite geht davon aus, in der
Vergangenheit bereits Fleisch
oder fleischhaltige Produkte mit
BSE-Erregern verzehrt zu haben. 13 Prozent der Befragten
wollen künftig ganz auf Fleisch
verzichten.
Birgt BSE wirklich eine Gefahr für den Menschen? Es gibt
starke Hinweise auf einen humanpathogenen Zusammenhang.
BIOspektrum . 4/01 . 7. Jahrgang
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1995 trat in Großbritannien erstmals bei Teenagern eine neuartige, tödlich verlaufende Form
der Creutzfeldt-Jakob Krankheit (CJD) auf. CJD war bis dato nur bei 50-75-Jährigen tödlich verlaufen. Schnell vermutet
man einen Zusammenhang mit
BSE, durch Infektionsversuche
mit BSE und CJD erhärtete sich
der Verdacht. Viele Wissenschaftler nehmen an, daß durch den
Verzehr BSE-verseuchten Fleisches die neue CJD ausgelöst
wird. In Großbritannien, dem
„BSE-Mutterland“, sind inzwischen über 90 Menschen daran
erkrankt bzw. gestorben. Ein besonders spektakulärer Fall in einem Dorf in Leichesterchire
ging kürzlich durch die Presse –
fünf CJD-Tote innerhalb eines
Jahres, deren einzige Gemeinsamkeit ihre Vorliebe für Rindfleisch war.
Als Erreger aller TSE-Erkrankungen wurden sogenannte Prionen identifiziert. Der Begriff „Prion“ stammt von Stanley B. Prusiner und steht für
„proteinaceous infectious particle“. Die von ihm unterstützte
Protein-only-Hypothese besagt,
daß ein Protein als Krankheitserreger der BSE fungiert.
Prionen werden die hauptsächlich im Zentralnervensystem
und in den Lymphorganen gebildet. Jedes Tier, und auch der
Mensch, hat sie normalerweise
in seinem Gewebe; wozu sie
gut sind, ist bis heute unbekannt. Einzelne Prionen können „entarten“, d. h. sie verän-
dern ihre Form und lösen dann
eine Kettenreaktion aus, die zur
BSE-Erkrankung führt. Die veränderten Prionen lagern sich in
großen Mengen in bestimmten
Gehirnarealen an und bewirken
eine langsame Degeneration des
Zentralnervensystems.
Da bis heute BSE im lebenden Tier nicht nachgewiesen
werden kann und klinische Untersuchungen lediglich eine Verdachtsdiagnose erlauben, erfolgt
der diagnostische Nachweis mittels verschiedener Verfahren im
ZNS geschlachteter bzw. verendeter Tiere.
Zur Bewältigung größerer
Untersuchungszahlen in einem
angemessenen Zeitraum wurden mittlerweile von verschiedenen Herstellern Schnelltests
entwickelt.
Der Prionics-Check Western,
ein BSE-Test von Roche Diagnostics, wurde von der jungen
Züricher Firma Prionics entwickelt. Er wird von Roche Diagnostics seit Februar 2001 in
den meisten wichtigen Märkten
der Welt verkauft. Die Angst
geht mittlerweile nämlich nicht
mehr nur in Europa um. Auch
in den USA, in Australien/Neuseeland und Asien ist man besorgt; Anfragen nach dem Prionics-Check aus diesen Regionen häufen sich.
Wie alle derzeit erhältlichen
Tests weist der von der EU empfohlene Prionics-Check BSEspezifische Prionen im Gewebe
geschlachteter Tiere nach. Der
Unterschied zu anderen Tests
Abb. 2: Querschnitt durch die Medulla oblongata (Stammhirn) eines Schafes
mit Scrapie; 400fache Vergrößerung. In den Nervenzellen liegen Hohlräume
unterschiedlicher Größe vor (Aufnahme: Dr. Dünser, Bundesanstalt für
Veterinärmedizinische Untersuchungen Linz).
BIOspektrum . 4/01 . 7. Jahrgang
liegt in der absoluten Zuverlässigkeit; seine Sicherheit ist aber
nicht der einzige Vorteil. Der
Test ist außerdem einfach in
der Handhabung und kommt
auch mit suboptimalem, sogar
mit schon zersetzem Probenmaterial zurecht, oder mit Gehirnmaterial von Tieren aus Tierkörperbeseitigungsanlagen, also auch von sogenannten „gefallenen Tieren“.
Der Vertrag, den Roche mit
Prionics abgeschlossen hat, umfasst nicht nur die Vermarktungsrechte für den PrionicsCheck, sondern auch eine For-
schungskooperation, z.B. für die
Entwicklung eines Tests zum
BSE-Nachweis an der lebenden
Kuh. Das eigentliche Ziel der
Zusammenarbeit von Roche und
Prionics ist jedoch keine Anwendung für die Tierarztpraxis,
sondern ein einfaches und zuverlässiges Verfahren zur Diagnose der menschlichen Creutzfeldt-Jakob Krankheit.
Dr. Burkhard Ziebolz
Science Communications
Roche Diagnostics
Sandhofer Str. 116, 68305 Mannheim
Tel. (0621) 759 8555
Fax (0621) 759 8830
[email protected]
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