BSE: Sicherheit von Milch und anderen Lebensmitteln Daxenberger A.: Tagungsband der Weihenstephaner Milchwirtschaftlichen Herbsttagung, Weihenstephan, 04.-05.10.2001 Zur Zeit stehen weder analytische Verfahren zur Verfügung, mit denen der Erreger von BSE exakt quantifiziert werden kann, noch ist die Infektionsdosis bekannt, die bei oraler Aufnahme des Erregers durch Mensch und Tier zu einer Übertragung von BSE führen kann. Die heutige BSE-Risikobewertung von Lebensmitteln beruht auf umfangreichen Infektionsversuchen mit Material BSE-erkrankter Tiere, die eine relative Bewertung verschiedener Gewebe und Körperflüssigkeiten ermöglicht. Als sensitivster Test für Infektiösität wird der intracerebrale Inokulationstest durchgeführt. Bei der Maus wird dabei 1000 mal mehr infektiöses Material benötigt als beim Kalb, um BSE zu übertragen. Dies wird mit der Speziesbarriere bzw. der nicht vollständigen Homologie der Prionen verschiedener Spezies erklärt. Bei der Maus ist beim oralen Infektionstest ist 200 000 mal mehr infektiöses Material notwendig als nach intracerebraler Inokulation (Magen-DarmBarriere). Es kann also gefolgert werden, dass zwischen oraler Infektion beim Mensch und intracerebralem Infektionstest beim Kalb bzw. bei der Maus ein Faktor steht von 1000 x 200000 bzw. 1000 bezüglich der benötigten Menge an infektiösem Agens. Die Infektionsversuche wurden durchgeführt mit Material BSE-erkrankter Rinder und Scrapie-erkrankter Schafe. Während für BSE Infektiosität nur nachgewiesen wurde für Hirn, Augen, Rückenmark und Dorssalwurzelganglien, weisen im Falle von Scrapie auch zahlreiche andere Gewebe Infektiosität auf. Aus Vorsorge werden bei der Risikoeinschätzung die Befunde anderer Prionenerkrankungen wie Scrapie auf BSE übertragen. Bei allen Infektionsversuchen konnte keine Infektiosität gezeigt werden u.a. für Milch, Kolostrum, Fleisch (Skelettmuskel), Fett, Bindgewebe, Haut, Vollblut. In Ammentierherden, in denen BSE verbreitet war, wurde keine Übertragung von BSE auf die Kälber beobachtet, was den Befund der nicht-Infektiösität von Milch und Kolostrum zusätzlich unterstreicht. Vor allem auf Grund der Befunde bei Scrapie (und grundsätzlicher Überlegungen) wurden Leber, Thymus, Knochenmark und Knochen in die Kategorie „niedrige Infektiösität“ sowie Darmkananl, Mandeln, Milz, Lymphknoten in die Kategorie „mittlere Infektiösität“ eingestuft. Aufgrund möglicher Kontamination beim Schlachtvorgang gilt Lunge auch als „hoch infektiös“. Das Risiko, das von bestimmten Lebensmitteln tierischen Ursprungs ausgeht, wird in der Präsentation diskutiert (z. B. Gelatine, Kalbsbries, Markklößchen). Forschungsbedarf im Sinne eines vorbeugenden Gesundheitsschutzes existiert hinsichtlich der Bindung von Prionen an Plasminogen und an Lymphocyten, die natürlicher Bestandteil von Milch sind. Aufgrund dieser Befunde die Bewertung von Milch als nicht-infektiös zu bezweifeln erscheint unangemessen, weil der Infektionsversuch theoretischen Überlegungen vorzuziehen sind im Falle der Übertragung biologischer Agenzien als Krankheitserreger. Zusätzliche Maßnahmen zum Schutz des Verbrauchers vor BSE werden in der EU praktiziert (z.B. Beseitigung von Risikomaterial, Veränderung der Schlachttechnik). Der letzte Schritt der Risiko-Analyse, die Risikokommunikation, gestaltet sich ungleich schwieriger. Der Verbraucher erwartet den Beweis der Unschädlichkeit seiner Lebensmittel, auch wenn der Beweis einer Nicht-Existenz (in diesem Falle der Übertragbarkeit von BSE in bestimmten Lebensmitteln) mit naturwissenschaftlichen Methoden nicht zu führen ist. Ferner muss dem Verbraucher das Wesen des vorsorglichen Verbraucherschutzes vermittelt werden. Vorsorgliche Maßnahmen sind nicht Ausdruck einer vermutlichen Gefährdung, sondern werden ergriffen, um zusätzliche Sicherheit zu schaffen, unabhängig davon, ob eine Gefährdung tatsächlich vorliegt. © Lehrstuhl für Physiologie, Letzte Änderung: 06.10.2009, Renate Schöpf