BSE – Diagnostik - Schulen

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Andreas F. Béguin, Edwin Scheiber1
BSE – Diagnostik2
Am 6.12.2001 ist auch in Österreich ein BSE-Fall aufgetreten. Dieser aktuelle, aber traurige
Anlass rückt Diskussionen um BSE-Erkrankungen und die Diagnostik wie auch
Möglichkeiten der Prävention ins öffentliche Licht. Im Folgenden sollen die drei Tests, die
für die Untersuchung von Rindern auf BSE in der Europäischen Union zugelassen sind, mit
den jeweiligen Vor- und Nachteilen kurz vorgestellt werden. Dazu gehören das Enfer TSE
Diagnostic Kit®, der Platelia® BSE und der Prionics® - Check WESTERN.
TSEs
Transmissible
spongiforme
Encephalopathien
(TSEs)
sind
neurodegenerative Erkrankungen, die bei
den
erkrankten
Lebewesen
Verhaltensstörungen
auslösen
und
unweigerlich zum Tod führen. Zu dieser
Gruppe gehört unter anderem die bovine
spongiforme Encephalopathie (BSE).
Ihren Namen haben die transmissiblen
(übertragbaren)
spongiformen
c
Encephalopathien daher, dass bei dieser Abb. 1: Struktur von PrP . α1, α2 und α3 bezeichnen
Krankheit
spongiforme die α-Helices, die blauen, gegenläufigen Pfeile das
(schwammartige) Deformationen im antiparallele β-Faltblatt. Die Zahlen geben die Stelle
der jeweiligen Aminosäure auf der Kette an.
Gehirn
auftreten.
Diese
Löcher
erschweren die Weiterleitung von
Signalen durch das Gehirn.3
Derzeit wird vom Großteil der Forscher von einem neuartigen
Krankheitserreger als Ursache der Krankheit ausgegangen: Dem Prion
– Protein (PrP). Das Wort „Prion“ steht für „proteinaceous infectious
agens“4. Dieses Protein existiert in zwei unterschiedlichen Faltungen:
einer „normalen“, die in allen Säugetierzellen existiert, und einer
krankmachenden, die unter anderem BSE auslösen kann. Diese
pathogene Variante des Proteins wird PrPSc (Scrapie5 causing Prion
Protein) genannt. PrPSc ist im Gegensatz zum normalen PrPC gegen
die Wirkung des Enzyms Protease K resistent6. Es wird vermutet, dass
die Krankheit sich verbreitet, indem ein PrPSc ein PrPC in die
pathogene Form zwingt. Auf welche Weise die Akkumulation von
PrPSc im Gehirn dann zum Tod führt, ist größtenteils noch unbekannt.
Abb. 2: Vermutete
Struktur von PrPSc
1 Sir-Karl-Popper-Schule am Wiedner Gymnasium, Wiedner Gürtel 68, 1040 Wien
2 Dieser Artikel ist eine Zusammenfassung der wesentlichen Inhalte der von Andreas Béguin im Schuljahr 2001/02 an der Sir-KarlPopper-Schule am Wiedner Gymnasium im Fach Chemie vorgelegten Fachbereichsarbeit mit dem gleichen Titel.
3 www.mad-cow.org/UKCJD/CJD_news65.html , 1.12.01
4 Dieser Begriff wurde zuerst von S.B. Prusiner geprägt, der auch die Hypothese des infektiösen Proteins entwickelte und dafür 1997 den
Nobelpreis erhielt. z.B.: Prusiner SB: Prionen-Erkrankungen. Spektrum der Wissenschaft 1997, Dossier: Seuchen: 66-74
5 Scrapie, zu Deutsch Traberkrankheit, ist eine TSE bei Schafen, die bereits seit über 200 Jahren bekannt ist.
6 Proteasen sind Enzyme, die Proteine in ihre Aminosäuren zerlegen und diese so für neue Proteinsynthesen verfügbar machen.
Prionics® - Check WESTERN
Um das pathogene Prion PrPSc (Scrapie causing prion protein) im Hirnstamm eines Rindes
nachzuweisen, verwendet der Prionics® - Check zwei Kriterien: Die teilweise Resistenz des
Proteins gegen Protease K die relative Molekülmasse und des Reststücks nach dem ProteaseVerdau von 27 – 30. Dazu wird der homogenisierten Probe zunächst die Protease hinzugesetzt
und danach eine Gelelektrophorese durchgeführt. Die Proteinbruchstücke werden auf eine
PVDF-Membran7 übertragen. Anschließend wird der nach dem Molekulargewicht
aufgetrennten Proteinmischung der monoklonale Antikörper 6H4 zugesetzt, um das Prion Protein nachzuweisen.
Die Vorbehandlung mit Protease K ist
notwendig, da der Antikörper8 nicht
zwischen PrPC („cellular prion protein“) und
PrPSc unterscheiden kann. Erst furch die
Auftrennung der Proteinbruchstüche ist eine
eindeutige Identifizierung möglich. An den
monoklonalen Antikörper ist ein Enzym
gebunden, das bei Zugabe eines bestimmten
Substrats eine Chemolumineszenz zeigt.
Dies ermöglicht die Sichtbarmachung des
Testergebnisses durch eine konventionelle
Photoentwicklung. Ist im Bereich zwischen
den relativen Molekülmassen von 27 und 30
ein schwarzer Fleck zu sehen, war das Tier Abb. 3: Ein typisches Prionics®-Check
Testergebnis. Die nicht von Protease verdaute
BSE – positiv.
Der Prionics® - Check WESTERN zeichnet Probe ganz links dient zur Kontrolle der korrekten
Durchführung. Bei den negativen Proben ist ein
sich durch seine einfache Handhabung im dünner Strich zu erkennen: Das ist die Protease K.
Routinelabor aus. Die für den Laborbetrieb
geeignete Anfertigung der benötigten Geräte ermöglicht einen reibungslosen Ablauf der
Tests. Inzwischen haben die anderen Tests auf diesem Gebiet gleichgezogen, aber zu Beginn
der Massentestung war die einfache Handhabung ein entscheidender Wettbewerbsvorteil für
den Test. Der Prionics® - Check WESTERN war bereits im Jahr 1997, 4 Jahre vor Beginn
der serienmäßigen BSE – Tests, erhältlich. Aus diesen Gründen ist der Prionics® - Check
heute einer der meistverwendeten Tests.
Der wesentliche Unterschied des Prionics® - Check WESTERN zu den beiden anderen
zugelassenen Methoden besteht darin, dass dieser Test alle mit Sicherheit bekannten
Eigenschaften des PrPSc - Moleküls als Nachweiskriterien für die Krankheit heranzieht: Die
anderen Tests stützen sich nur auf die Proteaseresistenz, um PrPC von PrPSc zu unterscheiden.
Allerdings gibt es auch Einwände gegen die Verwendung des Prionics® - Check, so die
geringe Sensitivität des Tests. Für diese Schwachstelle gibt es zwei Gründe. Eine liegt am
verwendeten monoklonalen Antikörper. Gelegentlich treten unspezifische Bindungen
zwischen Proteinbruchstücken und dem Antikörper auf. Diese erschweren die Diagnose, da
sie den Ergebnisfilm „verrauschen“. Ein zweites Problem stellt die Art des Testergebnisses
dar. Der Nachweis geschieht visuell: Wurde nicht sauber genug gearbeitet, so ist das Ergebnis
nicht genau erkennbar. Eine quantitative Bestimmung von PrPSc in der Probe ist prinzipiell
unmöglich.
7 Polyvinylidendifluorid-Membran
8 Monoklonale Antikörper binden an ihr Ziel nur an einer Stelle. Sie können gentechnisch in Bakterien kostengünstig hergestellt werden,
binden allerdings unter Umständen auch andere Proteine als das Gesuchte.
Platelia® BSE
Der von Bio-Rad® vermarktete BSE-Test Platelia® BSE basiert auf einem Sandwich
Immunoassay. Bei dieser Testmethode wird das Prion mit Hilfe zweier monoklonaler
Antikörper nachgewiesen.
Der „Fangantikörper“ ist an einer Membran befestigt. Nach der Inkubation dieser Membran
mit der bereits mit Protease K behandelten Probe werden die ungebundenen Fragmente
abgewaschen. Danach dockt ein Nachweisantikörper an das Protein. An den
Nachweisantikörper ist kovalent ein Enzym gebunden, welches eine Farbreaktion auslösen
kann. War in der ursprünglichen Probe PrPSc enthalten, wird die Probenlösung am Ende des
Tests gelb. Die Intensität der Farbe ist direkt proportional zur Menge PrPSc in der Probe.
Dadurch wird eine Quantifizierung des PrPSc – Gehalts möglich. Dies erleichtert den
Vergleich mit anderen Testergebnissen bzw. Testmethoden.
Bei einer Studie im November 2001 konnte gezeigt werden, dass die Sensitivität des
Platelia® BSE vergleichbar mit der eines Tierversuchs ist.9 Dieser Tierversuch, der bis heute
als goldener Standard für BSE – Tests gilt, besteht darin, dass Hirnmaterial des zu testenden
Tieres in das Gehirn einer Maus injiziert wird. Nach ca. 230 Tagen entwickelt die Maus eine
BSE – ähnliche Erkrankung.
Allerdings hat es einen bedenklichen Zwischenfall bei der Anwendung des Platelia® BSE
gegeben: Im Dezember 2000 wurde bei einem definitiv BSE – positives Tier die Krankheit
nicht entdeckt.10
Enfer TSE Diagnostic Kit®
Das Testsystem des Enfer TSE
Diagnostic
Kit®
ist
ein
klassischer ELISA11. Dabei wird
ein polyklonaler Antikörper zum
Nachweis des Prions verwendet.
Ein solcher Antikörper wird
hergestellt, indem man pathogene
Prionen des Rinds in Kaninchen
injiziert. Das Immunsystem der
Kaninchen
bildet
daraufhin
polyklonale Antikörper gegen
den
körperfremden
Stoff.
Polyklonale Antikörper gegen
PrPSc können nur durch Injektion
des Reinstoffes in eine andere
Säugerart hergestellt werden, da
das Immunsystem des Rinds das
Rind-PrPSc – Molekül nicht als
körperfremd erkennt.
Abb. 4: Schema des ELISA - Nachweises von PrPSc mit dem
Testsystem von Enfer
9 Grassi J, Comoy E, Simon S, Créminion C, Frobert Y, Trapmann S, Schimmel H, Hawkins SAC, Moynagh J, Deslys JP, Wells GAH:
Rapid test for the preclinical postmortem diagnosis of BSE in central nervous tissue. Veterinary Record 2001; 149; 577-582
10 www.spiegel.de/spiegel/0,1518,113335,00.html “BSE: Blindflug ins Hirn, 18.11.01, [email protected]
11 Enzyme Linked Immunosorbent Assay
Die so hergestellten polyklonalen Antikörper binden an mehrere Stellen das Protein und
können deshalb schon geringe Mengen des Proteins nachweisen. Die gebundenen
Kaninchenantikörper werden mit Hilfe eines monoklonalen Antikörpers, der an alle
Kaninchenantikörper bindet, nachgewiesen. Zu diesem Zweck ist an diesen monoklonalen
Sekundärantikörper ein Enzym gebunden, das bei der Zugabe eines bestimmten Substrats eine
Chemolumineszenz ergibt. Aus der Intensität dieses Leuchtens wird der PrPSc – Gehalt der
Probe berechnet.
BSE-Tests am lebenden Tier
Testmethoden, die den Nachweis einer BSE-Erkrankung mit Hilfe leicht zugänglicher
Gewebe oder Körperflüssigkeiten lebender Tiere ermöglichen sind momentan sehr gefragt.
Solche Tests würden eine Feststellung des status quo der BSE-Epidemie in Europa erlauben.
Viele Firmen investieren in dieses Gebiet viel Geld. Derzeit scheint der Ansatz von Böhringer
Ingelheim Vetmedica der vielversprechendste zu sein.
Derzeit arbeitet die Firma an der Entwicklung eines BSE-Bluttests. Das Testprinzip besteht
darin, im Blut erkrankter Tiere Expressionsunterschiede verschiedener Markerproteine
nachzuweisen. Diese Proteine (Interferon γ, Lamininrezeptor, Lamininrezeptor – Precursor,
gesundes PrPC) werden von Blutzellen erkrankter Tiere in größerer Menge produziert als von
gesunden Tieren.
Als Nachweismethoden für die entsprechenden Markerproteine sind der ELISA und die RT –
PCR im Gespräch. Bei der RT – PCR (reverse transcriptase polymerase chain reaction)
macht man sich den Umstand zu Nutze, dass die Häufigkeit einer bestimmten RNA – Sequenz
in einer Zelle dem Expressionsgrad direkt proportional ist. Bei der Testung wird zunächst mit
Hilfe des Enzyms Reverse Transkriptase die gesamte RNA in cDNA (copy DNA) übersetzt.
Daraufhin wird mit Hilfe der PCR die cDNA-Sequenz des gesuchten Markers vermehrt. Die
vermehrte DNA wird untersucht. Dabei wird die Länge des Produkts gemessen und mit der
Länge des Markergens verglichen.
Ein entscheidender Vorteil dieser Testmethode steht bereits fest: Es wird bei der
Analysemethode keine Protease K benötigt. Diese ist der größte Kritikpunkt an den
momentanen Testmethoden. Wird nämlich zu wenig Protease beigegeben, werden nicht alle
PrPC – Moleküle zerstört. Im Falle einer zu großen Menge Protease K wird jedoch
möglicherweise auch ein Teil der PrPSc – Moleküle zerstört. Die Proteasenmenge bleibt so bei
jedem BSE – Test ein Unsicherheitsfaktor.
Ausblick
Derzeit wird die Evaluierung von fünf neuen post-mortem BSE – Tests abgeschlossen. Unter
diesen hat der Prionics® - Check LIA (Luminiscence Immuno Assay) sehr hohe
Erfolgschancen , da er den Prionics® - Check WESTERN teilweise ersetzen wird. Der Test
basiert auf einem ELISA. Die Durchführung ist weniger zeitaufwendig und wird einen hohen
throughput erlauben.
Daneben ist die Entwicklung von BSE – Tests am lebenden Tier zur Marktreife von großer
Bedeutung, da so eine umfassende Testung der Rinder in der EU möglich wird.
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1
Abb. 2
Abb. 3
Abb. 4
www.integra-biosciences.com/Images/Prionen.jpg , 27.12.01
www.wellesley.edu/Chemistry/Chem101/aspirin/prion.jpg , 22.1.02
© Andreas Béguin, 21.11.01
Präsentation „TSE“ von Abbott, erhalten am 23.10.01 von Stephen Belcher
([email protected]) (übersetzt)
Literatur
TSEs allgemein
-
www.mad-cow.org/UKCJD/CJD_news65.html , 1.12.01
Cappai R, Jobling MF, Barrow CJ, Collins S: Structural Biology of Prions. Aus: Prions. A Challenge for
Science, Medicine and Public Health System. Contrib. Microbio. Basel (Karger Verlag) 2001:7;32-47
Welker E, Wedemeyer WJ, Scheraga HA: A role for intermolecular disulfide bonds in prion diseases?
Proceedings of the National Academy of Sciences USA 2001; 98(8);4334-4336
Knaus KJ, Morillas M, Swietnicki W, Malone M, Surewics W, Yee VC: Crystal structure of the human
prion protein reveals mechanism for oligomerization. Nature Structural Biology 2001; 8(9): 770-774
Riesner D: The Prion Theory: Background and Basic Information. Aus: Prions. A Challenge for Science,
Medicine and Public Health System. Contrib. Microbio. Basel 2001: 7;16
Telling GC, Scott M, Hsiao KK, Foster D, Yang SL, Torchia M, Sidle KCL, Collinge J, de Armond SJ,
Prusiner SB: Transmission of Creutzfeldt-Jakob disease from humans to transgenic mice expressing
chimeric human-mouse prion protein. Proceedings of the National Academy of Sciences USA 1994: 91;
9936-9940
Prionics® - Check WESTERN
-
Schaller O, Fatzer R, Stack M, Clark J, Cooley W, Biffinger K, Egli S, Doherr M, Vandevelde M, Heim D,
Oesch B, Moser M: Validation of a Western immunoblotting procedure für bovine PrPsc detection and its
use as a rapid surveillance method for the diagnosis of bovine spongiform encephalopathy (BSE). Acta
Neuropathologica 1999; 98: 437-443
Platelia® BSE
-
www.spiegel.de/spiegel/0,1518,113335,00.html “BSE: Blindflug ins Hirn, 18.11.01, [email protected]
Europäische Kommission: The Evaluation of Tests for the Diagnosis of Transmissible Spongiform
Encephalopathy in bovines (europa.eu.int/comm./food/fs/bse/bse12_en.html)
Deslys JP, Comoy E, Hawkins S, Simon S, Schimmel H, Wells G, Grassi J, Moynagh J: Screening
slaughtered cattle for BSE. Nature 2001; 409;476-478
BSE-Schnelltests. GIT Labor-Fachzeitschrift 2001; 45;23
www.bio-rad.com , Suchbegriff „BSE testing“
Grassi J, Comoy E, Simon S, Créminion C, Frobert Y, Trapmann S, Schimmel H, Hawkins SAC, Moynagh
J, Deslys JP, Wells GAH: Rapid test for the preclinical postmortem diagnosis of BSE in central nervous
tissue. Veterinary Record 2001; 149; 577-582
Enfer TSE Diagnostic Kit®
-
PowerPoint Präsentation “TSE” von Abbott Diagnostics (Herkules, USA)
Deutsche Dokumentation zum Enfer TSE Diagnostic Kit®
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