SZ-Landkreisausgaben Samstag, 29. März 2014 Konzertkritik Bayern Region Seite 50DAH,EBE,ED,FS,FFB,München Süd,STA,Wolfrhsn. Seite R20München City,München Nord,München West Seite R18 Es zirpt, es dröhnt, es hüpft Der Hip-Hop-Schönling Left Boy will überall sein, nur nicht hinten. Jetzt gibt der in New York lebende Österreicher ein erstes Gastspiel in München von stefan weiss D er Look ist Programm: Neongrelle Sportschuhe, enge Röhrenjeans, Holzfällerhemd oder XLTanktop, darüber die Vintage CollegeJacke, Undercut mit Basketball-Mütze und natürlich der allen Ernstes getragene Fussel-Moustache. Es ist dieser spezielle New Yorker Hipster-Schick, der wilde Stilmix zwischen White-Trash und Großstadt-Bohème, der sich nicht nur im Aussehen, sondern auch in der Musik von Left Boy widerspiegelt. Left Boy, das steht musikalisch für Experiment nach Plan, für zirpenden Woo-Woo-Wohfühl-Rap, dröhnenden Dubstep-Beats und rasanten Drum and Bass. Ästhetisch irgendwo zwischen Justin Timberlake und Eminem, nur hüpfender, quirliger, verspielter. Er ist irgendwie zum Zungenschnalzen, dieser 25-Jährige, der mit selbst gebastelten Youtube-Videos schon seit 2010 Millionen an Klicks einsammelt. Image-mäßig stößt Left Boy in das selbe Horn, das hierzulande von Rappern wie Casper und Cro gespielt wird: Süße Spaßmusik für die Mittelschicht-Kids, denen Gangsta-Rap zu wütend klingt und Intellektualität noch nicht so wichtig ist. Sie sind vor allem Mädchenschwärme, diese neuen Hip-Hop-Schönlinge, bei denen das im Genre obligate Macho-Gehabe entweder gar nicht oder subtil-verblümt daherkommt. Left Boy hat nach langem Herum- und Ausprobieren, einem Mixtape und einer Reihe an LiveKonzerten nun sein erstes Album auf den Markt gebracht. „Permanent Midnight“ heißt es, und eingeschlagen hat es vorerst vor allem in Österreich. Dort nämlich wurde Left Boy, der bürgerlich Ferdinand Sarnitz heißt, 1988 geboren. Es ist wohl nicht ganz fair, es immer dazuzusagen, aber Ferdinand Sarnitz’ Vater ist eben auch kein Unbekannter. André Heller heißt er. Und weil der Wiener Großkünstler lange vor Zirkusshows wie Afrika! Afrika! auch als Liedermacher begann, muss man es schon Meister der Selbstinszenierung: Ferdinand Sarnitz, alias Left Boy, aus New York. erwähnen. Nun macht der Sohn also auch Musik. Abgesehen vom respektvollen, aber, sagen wir, lockeren Umgang mit dem weiblichen Geschlecht, verbindet Left Boy stilistisch eher wenig mit seinem alten Herren, den er auch liebevoll als „besten Freund“ bezeichnet. Mit den schwermütigen Austro-Chansons André Hellers hat Ferdinand Sarnitz nichts am Hut. Der Zeitgeist ist dem Künstler-Sohn wichtig – Left Boy will überall sein, nur nicht hinten. In Wien aufgewachsen, zog es Sarnitz mit 18 Jahren nach New York, um DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de Tontechnik zu studieren. Bald landete er in einer Künstler-WG im Stadtteil Brooklyn. „Jack Sparrow“ – eine Nintendo-Rap-Version des Fluch-der-KaribikThemas – wurde mit sechs Millionen Youtube-Klicks ein erster Achtungserfolg. Drei Jahre ist das nun her – und obwohl sich die Songs inhaltlich immer noch größtenteils zwischen Party und „Bitches“ bewegen, zeigt Left Boy auf „Permanent Midnight“ musikalische Tiefe. Die Platte beginnt untypisch abwartend, fast schleppend, steigert sich aber nach hinten hinaus und kulminiert FOTO: WARNER MUSIC in den Radio-tauglichen Singles „Get it right“, „Security Check“ und „Left Boy’s coming“. Bemerkenswert: Seine Videos, die wohl zum Kreativsten gehören, was man im US-Rap seit Eminems „Without Me“ gesehen hat. Auch wenn Left Boy zum Durchbruch in den USA noch ein gutes Stück fehlt, seine alte Heimat – die nach Falco im Pop nicht mehr viel mitzureden hatte – feiert den WahlNew Yorker schon heute ganz groß. Left Boy, Samstag, 29. März, 20 Uhr, Tonhalle (ausverkauft) A56811689 ubrandmueller