Verbinitiale Wortstellung in den Sprachen der Welt Eigenschaften verbinitialer Sprachen Anke Himmelreich [email protected] Universität Leipzig, Institut für Linguistik 26.10.2015 1 / 34 Inhaltsverzeichnis 1 2 3 Wortstellungskorrelationen 4 Andere Eigenschaften 5 Informationen Einführung Arten verbinitialer Wortstellungen 2 / 34 Inhaltsverzeichnis 1 Einführung 3 / 34 Einführung Welche Eigenschaften will ich testen? Wie teste ich die Eigenschaften? 4 / 34 Inhaltsverzeichnis 2 Arten verbinitialer Wortstellungen 5 / 34 VSO vs. VOS Was ist Subjekt, was ist Objekt? Wie ist Ordnung zwischen Subjekt und Objekt? Ist die Wortstellung fix oder frei? 6 / 34 V-initial vs. VP-initial Fragen Steht am Satzanfang eine VP oder nur ein V? Ist die verbinitiale Wortstellung durch Bewegung der VP oder von V zustande gekommen? Extraktion (Chung (2005)): Welche Konstituenten kann ich bewegen? VP-Bewegung → Nur S, nicht O lässt sich bewegen Konstituentennegation (Lee (2000)): Was kann man negieren? Welche Negationsmarker? VP satzinitial → VP lässt sich negieren, phrasaler Negationsmarker Koordination (Chung (2005)): Welche Konstituenten lassen sich koordinieren?: VP satzinitial → VP-Koordination möglich Skopus (Chung (2005)): Wie sind die Skopusverhältnisse zwischen V, S, O? VP-Bewegung → V 6> Subjekt VP-Bewegung → Satzoperatoren > Subjekt ... 7 / 34 Inhaltsverzeichnis 3 Wortstellungskorrelationen 8 / 34 Korrelationen Definition (Dryer, 1992, 87) If a pair of elements X and Y is such that X tends to precede Y significantly more often in VO languages than in OV languages, then <X,Y> is a correlation pair, and X is a verb pattener and Y an object pattener with respect to this pair. Bedeutung von Proportionen: ??? 9 / 34 Proportionen berechnen OV&XY OV&YX VO&XY VO&YX Area 1 6 8 5 0 Area 2 12 4 0 0 Area 3 1 2 3 4 Area 4 4 4 5 2 Formel: Proportion für XY Proportion(XY) = Anzahl(XY)/Anzahl(XY)+Anzahl(YX) Proportionen für XY: Area 1 Area 2 OV 0.42 0.75 VO 1.00 – Area 3 0.33 0.42 Area 4 0.50 0.71 10 / 34 Wortstellungen in Dryer (1992) Possessorstrukturen: Noun : Possessor = V : O Tempus-/Aspektpartikel: Keine Korrelation Komparativstrukturen: Adjektiv : Standard = V : O Tempus-/Aspektverben: Auxiliar : VP = V : O Adpositionalphrasen: Verb : PP = V : O Negationsverben: Auxiliar : VP = V : O Adverbien der Art und Weise: Verb : Adverb = V : O Komplementierer: Komplementierer : S = V : O Kopulakonstruktionen: Kopula : Prädikat = V : O Fragepartikel: Partikel : S = V : O Wollen“-Konstruktionen: ” wollen“ : VP = V : O ” Adjektive und Nomen: Keine Korrelation Adverbiale Subordinatoren: Subordinator : S = V : O Demonstrativpronomen: Keine Korrelation Pluralwörter: Pluralwort : N = V : O Degree-Ausdrücke: Keine Korrelation Verb und Subjekt: V:S=V:O Artikel: Artikel : N = V : O Negationspartikel: Keine Korrelation 11 / 34 Mögliche Erklärungen Head-Dependent-Theory Verb patterners are heads and object patterners are dependents. That is, a pair of elements X and Y will employ the order XY significantly more often among VO languages than among OV languages if and only if X is a head and Y is a dependent. Head Complement-Theory Verb patterners are heads and object patterners are complements. That is, a pair of elements X and Y will employ the order XY significantly more often among VO languages than among OV languages if and only if X is a head and Y is a complement. Branching-Direction-Theory Verb patterners are nonphrasal categories or phrasal categories that are not fully recursive, and object patterners are fully recursive phrasal categories in the major constituent tree. That is, a pair of elements X and Y will employ the order XY significantly more often among VO languages than among OV languages if and only if X is not a fully recursive phrasal category in the major constituent tree and Y is a fully recursive phrasal category in the major constituent tree. 12 / 34 Inhaltsverzeichnis 4 Andere Eigenschaften 13 / 34 Ergative Aliniierung Akkusativisch: NPext -Vi NPint -Vi NPext -Vt NPint -Vt nom akk Ergativisch: NPext -Vi NPext -Vt erg NPint -Vi NPint -Vt abs Aliniierung bzgl.: Kasus Kongruenz Syntax (z.B. Ellipse) 14 / 34 Kein Verb ‘”haben’” I HAVE = BE + leere Adposition als Schwester von S: Beispiel: ??? leere Adposition ist inkorporiert in BE Inkorporation nur bei Adjazenz möglich Adjazenz zwischen V und S in verbinitialen Sprachen nicht gegeben 15 / 34 Keine Doppelobjektkonstruktionen vP (1) v0 ... PP v CAUSE P0 DP Mary P DP PHAVE letter Doppelobjektkonstruktionen benötigen HAVE V1-Sprachen haben kein HAVE, deswegen keine Doppelobjektkonstruktionen 16 / 34 Argumente vs. Adjunkte Weglassbarkeit (Vorsicht!): (2) a. b. Bill left on Tuesday. → Bill left. Bill left home. → Bill left. Relativsätze: (3) a. b. Bill left on Tuesday. → Bill left, which happened on Tuesday. Bill left home. → *Bill left, which happened home. Einzigartigkeit: (4) a. Bill left [on Tuesday] [in the morning] [right before breakfast]. b. *Bill left [home] [the school] [the party]. 17 / 34 Inhaltsverzeichnis 5 Informationen Elizitation Korpusstudien 18 / 34 Woher Daten? I Literatur Experten Elizitation Korpus 19 / 34 Inhaltsverzeichnis 5 Informationen Elizitation Korpusstudien 20 / 34 Beispiele elizitieren Man versucht, Sprechern bestimmte Informationen zu entlocken“. ” Hilfsmittel: Bilder Sätze in anderer Sprache, die von Sprecher und Forscher verstanden werden (Übersetzungsaufgabe) Referenzbeispiel zur Analogiebildung Hinweise: Durch sprachliche Hinweise können bestimmte Konstruktionen auch ungewollt geprimet werden. Man kann nur Positivbeispiele elizitieren. Man kann nicht erfahren, ob bestimmte Sachen ungrammatisch sind. Dazu müssten Urteile elizitiert werden. Je mehr Sprecher desto besser. 21 / 34 Urteile elizitieren Man gibt dem Sprecher sprachliche Ausdrücke seiner Muttersprache vor. Diese sollen hinsichtlich ihrer NATÜRLICHKEIT bewertet werden. Vorsicht!: Der Begriff Grammatikalität“ ist eine bereits Teil ” der Interpretation der Ergebnisse Es muss eine Messskala erdacht werden: Einfachste Skala: gut, schlecht bzw. ja (Satz meiner Sprache), nein (nicht Satz meiner Sprache) Besser: Intervallskala mit ungerader Anzahl von Werten (es sollte immer einen Mittelwert geben) evtl. auch kontinuierliche Skala (keine festen Skalenwerte) Sprachbeispiele zu beurteilen ist ein unnatürlicher und damit meist ungewohnter Prozess. Dem Sprecher müssen Vorgehen und Skala anhand von Beispielen erklärt werden. Auch bietet sich eine Übungsphase an, in der die Sprecher die vorgegebene Skala auf ihr jeweiliges Sprachgefühl abbilden können. 22 / 34 Fragebogen gestalten Ein Fragebogen dient der systematischer Elizitation von Daten und/oder Urteilen. Ein Fragebogen sollte als Experiment gewertet werden, da der Versuchsleiter die Bedingungen über die Wahl der Beispiele kontrolliert. Daher sollte man die Kriterien für Experimente unbedingt beachten. Ein Fragebogen soll die Aufgabe erklären und die Daten mit einer Bewertungsmöglichkeit auflisten. Es kann hilfreich sein, die Möglichkeit anzubieten, ein Datum nicht zu bewerten ( keine Ahnung“ ankreuzen) und ” am Ende ein Kommentarfeld für mögliche Probleme zu hinterlassen. (Vor allem wichtig, wenn man als Versuchsleiter nicht vor Ort ist.) 23 / 34 Magnitude Estimation Magnitude Estimation Magnitude Estimation ist eine erweiterte Messmethode, mit der die Perzeption eines bestimmten Reizes auf den Menschen gemessen werden soll. Methodik: Die VP gibt an, wie stark sie den Reiz im Vergleich zu einem Referenzwert empfindet. Angewendet auf die Linguistik heißt das, dass wenn die VP ein Sprachbeispiel als doppelt so wohlklingend empfindet wie das Referenzbeispiel, weist sie dem Beispiel einen doppelt so hohen Wert zu. Die Skala ist infinit und kontinuierlich. Probleme: VPn tun sich oft schwer mit der Benutzung von hohen Werten. Zum Teil kehren sie für sich zu einer Intervall-Skala zurück. Magnitude Estimation benötigt eine längere Einführungs- und Übungsphase. Literatur: Bard et al. (1996), Featherston (2007), Featherston (2009) 24 / 34 Inhaltsverzeichnis 5 Informationen Elizitation Korpusstudien 25 / 34 Was ist ein Korpus? Sammlung von geschriebenen oder gesprochenen Texten einer Sprache (manchmal mehrerer Sprachen). Je nach Typ umfasst ein Korpus Texte eines Genre (z.B. Zeitungstexte) oder Texte verschiedener Genre. Die für die Sprachwissenschaft interessanten Korpora sind annotiert, d.h. es sind zusätzliche Informationen, wie z.B. über Wortarten, vorhanden. Diese Annotationen können auch morphosyntaktische oder – bei gesprochenen Korpora – phonologische Informationen beinhalten. 26 / 34 Beispiele für Korpora DWDS-Kernkorpus (http://www.dwds.de/resource/kerncorpus/): Korpus der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, auf dessen Grundlage das Digitale Wörterbuch der deutschen Sprache des 20. Jahrhunderts (DWDS) erstellt wurde. Projekt Deutscher Wortschatz (http://wortschatz.uni-leipzig.de/): Deutscher Wortschatz Online. Enthält 35 Millionen Sätze mit 500 Millionen Wörtern. IDS-Korpora (http://www.ids-mannheim.de/kt/corpora.html): Korpora des Instituts für Deutsche Sprache. Es handelt sich um die weltweit größte Sammlung von deutschsprachigen Textkorpora als empirische Basis für die linguistische Forschung. Online-Recherche ist mit COSMAS II möglich. LIMAS-Korpus (http://www.korpora.org/Limas/): Repräsentatives Zeitschnittkorpus der deutschen Gegenwartssprache (Schriftsprache) von 1970: Es handelt sich um eine Auswahl von 500 Texten, respektive Textfragmenten, verschiedener Textsorten mit insgesamt 1 Million Wortformen. Das Korpus kann in seiner Gesamtheit im WWW recherchiert werden. Korpus Südtirol (http://www.korpus-suedtirol.it/index_DE): Eine Initiative zur Sammlung, Archivierung und korpuslinguistischen Erschließung von südtiroler deutschsprachigen Texten. Weitere Korpora: https://www.linguistik.hu-berlin.de/de/institut/ professuren/korpuslinguistik/links/korpora_links 27 / 34 Wozu Korpus untersuchen? Hauptzwecke: Frequenzuntersuchungen Untersuchungen der Produktivität Finden von Beispielen, Generalisierungen Untersuchung von Kontextvariablen 28 / 34 Wie Korpus untersuchen? Im Wesentlichen ist die Methodik das Zählen von Beispielen für eine bestimmte grammatische Konstruktion. Bei einem faktoriellem Design werden die Frequenzen für verschiedene Bedingungen verglichen. Die meisten Korpora sind digitalisiert, daher kann das Finden von Daten und Messen der Frequenz automatisiert erfolgen. Faustregel: Eine niedrige Frequenz deutet auf Inakzeptabilität hin, eine hohe Frequenz auf Akzeptabilität. 29 / 34 Vor- und Nachteile von Korpusstudien Vorteile: keine Abhängigkeit von Versuchspersonen relativ geringer Aufwand stark computergestützt, so wenig fehleranfällig Nachteile: Korpus nur Stichprobe einer Sprache: evtl. nicht repräsentativ (nicht alle Phänomene) Korpus enthält viele Daten, die für die Untersuchung nicht relevant sind Daten können fehlerhaft sein (Performanzfehler, absichtliche Normabweichungen) Unterschied zwischen Seltenheit und Ungrammatikalität nicht klar 30 / 34 Seminarverlauf: Übersicht November 2015 02.11.2015: Datenbanken & Poster 09.11.2015: Verbinitiale Sprachen in Afrika 16.11.2015: Keine Veranstaltung! 23.11.2015: Keine Veranstaltung! 30.11.2015: Verbinitiale Sprachen in Afrika/??? 31 / 34 Posteraufgabe Modulprüfung Erstelle ein Poster über eine verbinitiale Sprache: Allgemeine Informationen zur Sprache? Zusammenfassung relevanter Eigenschaften der Sprache? In welchem Verhältnis steht die Sprache und ihre Eigenschaften zu anderen verbinitialen Sprachen und deren Eigenschaften im Allgemeinen/in der Region/in der Sprachfamilie? Das Poster soll in einer 15-minütigen Präsentation vorgestellt werden. Aufgabe zum 02.11.: Erstelle ein abstraktes Konzept für so ein Poster in der Größe A1. 32 / 34 Referenzen I Bard, Ellen Gurman, Dan Robertson and Antonella Sorace (1996): ‘Magnitude Estimation of Linguistic Acceptability’, Language 72, 32–68. Chung, Sandra (2005): Properties of VOS languages. In: M. Everaert and H. van Riemsdijk, eds, The Blackwell Companion to Syntax. Blackwell Publishing, pp. 685–720. Dryer, Matthew S. (1992): ‘The Greenbergian Word Order Correlations’, Language . Featherston, Sam (2007): ‘Data in generative grammar: The stick and the carrot’, Theoretical Linguistics 33(3), 269–318. Featherston, Sam (2009): A scale for measuring well-formedness: Why syntax needs boiling and freezing points. In: S. Winkler and S. Featherston, eds, The fruits of empirical linguistics, Volume 1: Process. Mouton de Gruyter, Berlin, pp. 47–74. 33 / 34 Referenzen II Lee, Felicia (2000): VP Remnant Movement and VSO in Quiavini Zapotec. In: A. Carnie and E. Guilfoyle, eds, Syntax of Verb Initial Languages. Oxford University Press, pp. 143–162. 34 / 34