Artikel lesen - 21st Century Symphony Orchestra

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Mittwoch, 30. März 2011 / Nr. 75
Kultur
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9
Horror und Humor auf einen Streich
FILMMUSIK Der Komponist
der «Herr der Ringe»-Soundtracks kann auch ganz anders:
Das 21st Century Orchestra
präsentierte die schaurigen
und die witzigen Seiten des
Howard Shore.
ROMAN KÜHNE
[email protected]
Etwas vom Positivsten, das ein mehrtägiges Festival leisten kann, ist eine
Einengung bei gleichzeitiger Öffnung.
So beschränkt sich das Festival Lord of
the Rings auf die Person des Komponisten Howard Shore – und öffnet gleichzeitig den Horizont, indem es über
Shores Vertonung des dreiteiligen
Blockbusters «Herr der Ringe» hinausweist. Des Komponisten Musik hat
nämlich wesentlich mehr zu bieten als
Hobbits, Orks und Ents. Am Montag
warf das 21st Century Orchestra verschiedene Spots auf Shores reiches
filmmusikalisches Schaffen.
Von Fliegen und Vampiren
Einen Namen schuf er sich vor allem als
Horrorfilmkomponist – vom bei uns
relativ unbekannten Film «The Brood»
(1979) bis zur Mutter aller Verwandlungsfilme «Die Fliege» (1986). Der
Soundtrack zu letzterem Film mag
noch relativ einfach und kaum sinfonisch in Erscheinung treten, seinen
Zweck erfüllt er jedoch perfekt. Vor
allem die nervenaufreibende, sich über
eine Ewigkeit hinziehende Schlusssteigerung offenbart ein grosses Gespür für
Spannungsbögen.
Der laute Knall zum Ende widerspiegelt, auch ohne Film, das fulminante
Finale, wo Veronica, angefleht von ihrem mutierten Liebhaber, diesen erschiesst. In solchen Stellen kann das
21st Century Orchestra unter ihrem
Dirigenten Ludwig Wicki seine Stärken
ausspielen. Die dramaturgische Zuspitzung, das Wüten in Blech und Schlagwerk liegen dem Ensemble. Subtilere
Momente und ausgeprägte Differenzierungen fehlen im ersten Teil.
Die nicht optimale Klangbalance verhindert im «Das Schweigen der Lämmer» (1991), dass filigranere Strukturen
sichtbar werden. Die Melodie hat Mühe
durchzudringen. Auch das Vampirepos
«Bis(s) zum Morgengrauen» forciert die
Tagen – hineinspielen, aber auch die
Kürze der Kompositionen. Zu schnell
werden die «Filme» gewechselt, kaum
ist es möglich, sich in die typische
Polo mit Dylan
in Sursee
Die Sehnsucht nach dem Himmel
FESTIVAL sk. Die Berner Mundart-
pop-Legende Polo Hofer soll am 24.
Juni vor Bob Dylans exklusivem
Schweizer Konzert am Summer
Sound Festival in Sursee spielen. Der
Veranstalter Taifun Music hat Hofer
für einen Auftritt angefragt.
Allerdings gibt es ein Problem:
Polo Hofer spielt am selben Tag mit
seiner Band schon am Jugendfest im
aargauischen Boniswil – knapp 23
Kilometer und 28 Autominuten von
Sursee entfernt. «Wir versuchen alles,
um das Unmögliche möglich zu machen», sagt Polo Hofer dazu. «Irgendwie wird es klappen», sagt Organisator Martin Lüthy von Taifun Music.
Denn das Konzert in Boniswil beginnt erst um 21 Uhr, jenes in Sursee
aber bereits um 19.30 Uhr.
Album mit Dylan-Songs
«Bob und ich auf einer Bühne. Damit
würde für mich ein Traum wahr»,
sagt Polo Hofer. «Dylan ist für mich
der Grösste.» Auch deshalb veröffentlicht der Sänger diesen Frühling
ein Album mit Dylan-Songs, die Polo
übersetzt hat und neu interpretiert.
Noch vor einem Monat zweifelte er
daran, dass das Album rechtzeitig
zum 70. Geburtstag des Meisters (am
24. Mai) fertig wird. Jetzt bestätigt das
Label Sound Service den Release für
den 27. Mai. «Es ist das beste DylanAlbum, das je in der Schweiz veröffentlicht wurde», verspricht Rolf Widmer von Sound Service. Am 16. April
wird Polo Hofer in der SF-Sendung
«Alperose» eine erste Kostprobe seiner Dylan-Hommage präsentieren.
Das 21st Century Symphony Orchestra spielt unter der Leitung von
Dirigent Ludwig Wicki Werke von Komponist Howard Shore.
Bild Nadia Schärli
Instrumentalisten bis zu ihrer Lautstärkengrenze, worunter teilweise die
Klangqualität und Präzision leidet. Da
mag einerseits die starke Beanspruchung der Musiker – 12 Konzerte in 10
Das Wüten in Blech
und Schlagwerk liegt
dem Ensemble.
KINO Der Film holte einen
Oscar. Doch die Werke der
Dänin Susanne Bier ernten oft
geteilte Kritiken. Auch dieses.
Der Name der dänischen Regisseurin
Susanne Bier («Open Hearts») steht für
anspruchsvolle Themen und ungebrochenes Pathos. Im Zentrum des neuen
Films «In A Better World», soeben
ausgezeichnet mit dem Oscar für den
besten nicht englischsprachigen Film,
steht ein einander entfremdetes Ehepaar: Anton (Mikael Persbrandt) ist Arzt
und arbeitet während mehrerer Monate
im Jahr in einem afrikanischen Flüchtlingslager. In Dänemark kümmert sich
derweil seine Frau Marianne (Trine
Dyrholm) um die beiden Kinder.
Elias (Markus Rygaard), der ältere der
zwei Knaben, wird in der Schule gehänselt und fühlt sich hilflos. Als der
zwölfjährige Christian (William J. Nielsen) in seine Klasse kommt, gewinnt er
jedoch einen Freund. Christian ist nach
dem Tod der Mutter mit seinem Vater
Claus (Ulrich Thomsen) in die Nähe
gezogen. Als er einen von Elias’ Quälgeistern verprügelt, werden beide mit
ihren Eltern zu einem Schulgespräch
aufgeboten, und es ist nicht das letzte
Mal, dass sich Anton, Marianne und
Claus wegen ihrer Kinder Sorgen machen müssen.
Grosse Themen
Regisseurin Susanne Bier scheut sich
nicht, in ihren Filmen rohe Emotionen
Stimmung einzufühlen. Erst im Finale
der Vampir-Selektion findet das Orchester zu einer überzeugenden Leistung. Ausgehend vom grossen Auftritt
der Perkussionisten, wird eine fulminante Steigerung kreiert, die in einem
brillanten Waldhorngetöse ihr Ende findet. Ein erster Höhepunkt des Abends.
Fast noch unbekannter ist Howard
Shore als Komödienkomponist. So
stammt zum Beispiel die Musik zu
«Mrs. Doubtfire» aus seiner Feder. Die
Komik des Ex-Mannes, gespielt von
Robin Williams, der nicht von seiner
Familie lassen kann und sich als Kindermädchen verkleidet im Haus einschleicht, wird vom Orchester in warme
Töne gegossen. «Prelude To A Kiss»
(Zauberhafte Zeiten) ermöglicht es dem
Orchester, seine gesanglichen Qualitäten auszubreiten. Eine vibrierende Ausstrahlung, die auch in «Big» nahtlos
weitergeführt wurde.
Die grösste Überraschung war jedoch
die Musik zum schrägen Film «Ed
Wood». Tim Burton setzte mit diesem
Opus dem Regisseur Ed Wood ein
Denkmal. Shore schuf die schräge Musik für den wirren Protagonisten.
Hauptinstrument ist das elektronische
Theremin. Dieses wird berührungslos
gespielt, entscheidend ist der Abstand
der Hände zu zwei Antennen. Im Kontrast zwischen der intensiven Rhythmusgruppe und dem sphärischen Theremin oder im witzigen Spiel von Syn-
thesizer und gedämpfter Trompete entstand eine Musik, die dem Orchester
viel Platz zum Atmen liess.
Eine Weltpremiere
Das Publikum war begeistert und erhielt als Zugabe die Weltpremiere «Use
Well The Day», ein Stück, das es nie auf
die Leinwand schaffte, gesungen von
der «Herr der Ringe»-Interpretin Kaitlyn
Lusk. So ermöglichte das Konzert einen
tiefen Einblick in das Schaffen des
Komponisten Howard Shore.
HINWEIS
Festival The Lord of the Rings, KKL Luzern:
weitere Konzerte bis Sonntag, 3. April.
www.21co.ch, www.kkl-luzern.ch
darzustellen oder existenzielle Fragen
zu diskutieren.
Auch ihre neue Produktion dreht sich
um «grosse» Themen wie Gerechtigkeit,
Gewalt und Liebe; hier in Form eines
vielstimmigen Dramas, das sich aus
individuellen Dramen zusammensetzt:
einem Familien-Drama, einem EheDrama, einem Schüler-Drama, einem
Trauerarbeit-Drama, einem Rache-Drama, einem Lebensmitte-Drama, einem
Nord-Süd-Drama und gar einem Diskriminierungs-Drama (Anton und seine
Familie sind als Schweden Ausländer in
Dänemark, man lässt es sie spüren!).
Manipulation des Zuschauers
Nicht alle Geschichten vermögen dabei
zu überzeugen. Während einem Antons
Zerrissenheit zwischen seiner idealistischen Mission als Arzt in Afrika und
dem drohenden Scheitern seiner Ehe
oder Mariannes Einsamkeitsgefühle
nahegehen, strapazieren die Ereignisse
um Elias und Christian in ihrer schulbuchmässigen Erbaulichkeit die Geduld erheblich, so wie überhaupt die
unverblümte Manipulation der Zuschauergefühle manchmal ärgerlich ist.
Von der schematischen Anlage der
Handlung abgesehen, erweist sich «In A
Better World» gleichwohl als intelligentes Melodram, an dem es viel zu
bewundern gibt: Zu nennen wären die
hervorragenden Darstellerinnen und
Darsteller (nicht zuletzt in den Kinderrollen); da wäre auch die makellose
Inszenierung, die immer alle Handlungsfäden in der Hand behält und die
Spannung geschickt dosiert, oder die
eindrückliche Kameraarbeit.
Toll gespielt: Der gehänselte Aussenseiter
Elias (links) und sein Beschützer Christian.
PD
Zwar scheitert der Film wohl an
seinem (impliziten) Anspruch, eine Art
europäisches Zeitbild zu entwerfen –
nach einem mutigen, weit ausgreifenden ersten Akt dominieren bald einmal
simple Hollywood-Konventionen –, er
behauptet sich aber gleichzeitig durch
einen gestalterischen Elan, der auch
dieses Scheitern noch in packendes
Kino verwandelt.
★★★★✩
PETER MOSBERGER
[email protected]
HINWEIS
«In A Better World» läuft ab morgen im Kino
Gotthard, Zug. Der Luzerner Start ist noch offen.
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