SWR2 Musikstunde

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SWR2 MANUSKRIPT
ESSAYS FEATURES KOMMENTARE VORTRÄGE
Was Sie schon immer über
Lieblingsstücke der Klassik wissen
wollten
… von Vivaldi bis Händel (1)
Von Susanne Herzog
Sendung:
Montag, 31. August 2015
9.05 – 10.00 Uhr
Redaktion: Ulla Zierau
Bitte beachten Sie:
Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere
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Musikstundenwoche KW 36
Montag, den 31. August 2015
Mit Susanne Herzog
Was Sie schon immer über Lieblingsstücke der Klassik wissen
wollten
… von Vivaldi bis Händel
Mit Susanne Herzog. Herzlich Willkommen zu einer Woche mit
„alten Bekannten“ der klassischen Musik: allesamt in besten
Interpretationen herausgeputzt und mit ihrer musikalischen
Entstehungsgeschichte im Gepäck. Was Sie schon immer über
Lieblingsstücke der Klassik wissen wollten, das erfahren Sie in dieser
Musikstundenwoche. Heute geht‟s los mit „best of“ von Vivaldi
über Bach bis Händel. 0„24
Titelmelodie
Bekanntestes Werk von Vivaldi? Keine Frage: das sind natürlich
seine „Vier Jahreszeiten“. Es gibt unzählige Aufnahmen dieser
Konzerte, aber Nigel Kennedy, das punkige „enfant terrible“ unter
den Geigern, hat 1989 alle Rekorde gebrochen: denn seine
zupackende Aufnahme mit dem English Chamber Orchestra
wurde der Hit schlechthin und hat sich millionenfach verkauft.
Aber es ist ähnlich wie wenn man zu viel Schokolade isst,
irgendwann reicht„s oder es wird einem sogar schlecht. Auch
Vivaldis Jahreszeiten kann man „über“ haben: und ganz
besonders dann, wenn man zum Beispiel gerade im Hotelfahrstuhl
steht, in die Lobby runter fährt und dabei mit einem Ohr einer
dudeligen und mit Schlagzeug unterlegten Version des Frühlings
lauschen muss, dann hat man bald keine Lust mehr auf diesen
Schlager des „prete rosso“. Dabei kann der nun wahrlich nichts für
solch seichte Bearbeitungen und vermutlich würde er sich im
Grabe umdrehen, wenn er seine Konzerte so hören müsste.
Aber es gibt auch viele Lichtblicke bei den Vivaldi Interpreten:
Fabio Biondi und Europa Galante gehören dazu. Sie spielen
Vivaldis Frühling farbig, aufregend und absolut mitreißend. 1‟10
1. Musik
Antonio Vivaldi
1. Satz aus: Concerto RV 269 “La primavera”
<1> 3‟02
Europa Galante
Fabio Biondi, Violine und Ltg.
Titel CD: Vivaldi: Il cimento dell‟armonia e dell‟inventione
Virgin Veritas, 7243 5 45465 2 5, LC 7873
5059 359
Der italienische Barockgeiger und Vivaldi Kenner Fabio Biondi ließ
gemeinsam mit seinem Ensemble Europa Galante die Vögel
zwitschern, die Quellen säuseln, Blitze zucken und Donner grollen:
unverkennbar Vivaldis Frühling, frisch und bildreich gespielt.
Eine Interpretation, in der ich mir die „Vier Jahreszeiten“ von Vivaldi
sehr gerne anhöre und ich hoffe, dass Sie diese Woche noch so
einige Anregungen zu besonders interessanten Interpretationen
von „alten Lieblingsstücken“ bekommen, die sie ansonsten
vielleicht gar nicht mehr so gern hören. „Lieblingsstücke“,
„Klassische Hits“, „Best of“: das sind die Klassenschlager, das was
eben die meisten Leute am liebsten hören. Wenn Sie jetzt vielleicht
skeptisch werden: auch hinter Populärem kann sich ja gute, sogar
hervorragende Musik verstecken. Die man aber oft erst wieder
schätzen kann, wenn man sie wirklich gut gespielt hört. Meist sind
„best of“ Stücke wie einzelne Puzzleteile völlig aus dem
Zusammenhang gerissen und oft dann noch in seichter Manier
irgendwie bearbeitet. Die Musikstunde erzählt also diese Woche
Entstehungsgeschichten von klassischen Hits, präsentiert sie
außerdem in ausgewählten Interpretationen und macht damit
vielleicht Lust, diese Musik wieder zu hören. Und übrigens: natürlich
sind die „Lieblingsstücke“ von mir ziemlich subjektiv ausgewählt,
man könnte locker noch eine zweite Musikstundenwoche damit
füllen! 1„20
2. Musik
Antonio Vivaldi
2. und 3. Satz aus: Concerto RV 315 “L‟estate”
<5> 2„18
<6> 2„15
Giuliano Carmignola, Violine
Venice Baroque Orchestra
Andrea Marcon, Ltg.
Sony classical, SK 51352, LC 06868
Ein schlafender Hirte und Donnergrollen, das bereits das tosende
Gewitter ankündigt, das dann folgt: Vivaldis zweiter und dritter Satz
aus dem Sommerkonzert mit dem Geiger Giuliano Carmignola
und dem Venice Baroque Orchestra unter der Leitung von Andrea
Marcon.
Als Vivaldi Anfang des 18. Jahrhunderts seine „Quattro Stagioni“
schrieb, waren diese vier Konzerte neu und faszinierend für die
Zeitgenossen: lautmalerische Effekte, Szenen wie in der Oper und
entfesselte Virtuosität verbanden sich im Rahmen von
Solokonzerten, deren Form Vivaldi stets neu und erfindungsreich
auslotete, zu mitreißender, bildhafter Musik. Verdeutlicht hat
Vivaldi seine musikalische Darstellung der Jahreszeiten zusätzlich
durch beschreibende Sonette, die er wahrscheinlich sogar selbst
verfasst hat. Und mehr noch: Vivaldi nimmt seine Interpreten
regelrecht an die Hand: denn mit einzelnen Großbuchstaben
kennzeichnet der Komponist einzelne oder mehrere Zeilen seiner
Sonette und schreibt diese Buchstaben dann an die jeweilige
Stelle der Noten, die den Inhalt dieser Zeilen ausdrückt. Besonders
deutlich kann man das zum Beispiel im ersten Satz von Vivaldis
Winterkonzert nachvollziehen: Buchstabe A „Vor Kälte zittert man
inmitten eisigen Schnees“: die klirrende Kälte, Schnee und Eis
werden im ersten tutti Ritornell durch starre Akkorde der Streicher
und des Cembalos dargestellt, dann folgt bei Buchstabe B „der
bitterkalte Wind“: mit wilden 32tel der Solovioline braust einem der
unangenehme kalte Wind um die Ohren. Buchstabe C ist beim
folgenden Ritornell notiert: „Man läuft mit den Füßen unablässig
stampfend“ hier beschleunigt sich die Bewegung des Anfangs, so
dass man sich gut das Stampfen mit den Füßen vorstellen kann.
„Und wegen des strengen Frostes klappert man mit den Zähnen.“
heißt es schließlich. Das ist am Ende unüberhörbar, wenn die
Solovioline die Zähne klappern lässt. 1„47
3. Musik
Antonio Vivaldi
1. Satz aus: Concerto RV 297 “L‟inverno”
<10> 3‟11
Europa Galante
Fabio Biondi, Violine und Ltg.
Titel CD: Vivaldi: Il cimento dell‟armonia e dell‟inventione
5059 359
Hoffentlich ist Ihnen nicht kalt geworden so wunderbar
lautmalerisch wie Fabio Biondi hier mit seinem Europa Galante den
ersten Satz aus Vivaldis L‟Inverno, aus dem Winterkonzert gespielt
hat.
„Il cimento dell‟armonia e dell‟inventione“: so nannte Vivaldi die
zwei Sammlungen der je sechs Konzerte, die 1725 in Amsterdam im
Druck erschienen. Die „Quattro stagioni“: sie bildeten die ersten
vier Konzerte dieses Drucks. „cimento“ kann man mit Wettstreit,
aber auch mit Wagnis oder Herausforderung übersetzen: für
Vivaldi bestand die Herausforderung darin, die „armonia“, also
das Kompositionshandwerk mit der „inventione“, der musikalischen
Erfindungskraft, der Fantasie zu kombinieren und an Erfindungskraft
da mangelt es den „Vier Jahreszeiten“ ja wahrlich nicht. Und
besonders bei der Verbindung von lautmalerischen Effekten mit
der Form des Konzerts findet Vivaldi verschiedenste Lösungen.
Hören wir den zweiten Satz des Winters: hier sind die einzelnen
Abschnitte des Sonetts nicht wie im ersten Satz auf Ritornell und
Soloepisoden verteilt, sondern auf die einzelnen Stimmen: draußen
regnet es: dargestellt vom pizzicato der tutti Violinen, aber ein
Feuer brennt im Kamin und die Solovioline räkelt sich dazu mit
einer wunderschönen Kantilene über den plätschernden Violinen.
1„21
4. Musik
Antonio Vivaldi
2. Satz aus: Concerto RV 297 “L‟inverno”
<11> 1‟47
Enrico Onofri, Violine
Il Giardino Armonico
Giovanni Antonini, Ltg.
Teldec, 4509-97127-2, LC 6019
5023 011
Der zweite Satz aus Vivaldis Winter Konzert gespielt von Enrico
Onofri gemeinsam mit Il Giardino Armonico und Giovanni Antonini.
Die „Vier Jahreszeiten“ sind übrigens nicht erst heute, sondern sie
waren schon im 18. Jahrhundert ein ganz großer Renner. Ganz
besonders in Frankreich. Von den Pariser Concerts spirituel bis zu
den königlichen Ohren von Ludwig XV. zwitscherten die Vögel aus
Vivaldis Frühling in Frankreich. Und so kam es zu einigen
Bearbeitungen: zum Beispiel hat der Oboist der Pariser Oper
Nicolas Chédeville ein Arrangement von Vivaldis Konzerten unter
anderem für Musette und Begleitung angefertigt. Ziemlich
ausgefallen, aber schon weit über eine Bearbeitung
hinausgehend ist die großangelegte Motette „Laudate Dominum“
von Michel Corrette aus dem Jahr 1766: die ganze Natur in all ihrer
Pracht, wie sie im Frühling stets von neuem erblüht, hebt hier an,
den Herrn zu loben und preisen. Und die Violinen, die den Vögeln
Gehör verschaffen, sie bekommen bei Corrette Gesellschaft von
der Sopranstin, die das Lob Gottes mit ihnen sozusagen um die
Wette singt. Der Frühling von Vivaldi ist unüberhörbar, aber eben
von Corrette nicht nur mit dem lateinischen Text unterlegt, sondern
durch Eigenes ergänzt. Hier ist der zweite Abschnitt dieser
ungewöhnlichen Komposition von Michel Corrette. 1„23
5. Musik
Michel Corrette
Ausschnitt aus: Laudate Dominum de coelis
<10> 6„10
Judith Gauthier, Sopran
La Maîtrise de Bretagne
Orchestre du Parlement de Musique
Martin Gester, Ltg.
Titel CD: Denoyé – Corrette d‟après Vivaldi
Ambronay, kein LC
5167 205
Judith Gauthier war die Sopranistin bei diesem Ausschnitt aus der
Motette „Laudate Dominum“ von Michel Corrette. Es sang La
Maitrise de Bretagne, begleitet vom Orchestre du Parlement de
Musique unter der Leitung von Martin Gester. Eine besonders
ausgefallende Bearbeitung, ja Erweiterung müsste man sagen,
von Vivaldis Frühlingskonzert.
Bis heute wird Vivaldi – zumindest von einem breiten Publikum - in
erster Linie mit seinen Jahreszeiten identifiziert. Bei Bach ist das
nicht so: da gibt es nicht ein Stück oder Teil eines Werks, das für
jedermann gleichbedeutend mit Bach ist: es gibt viele. Zwei davon
habe ich ausgewählt: die Air ist das erste. „Die Air“ – das klingt
nach Einzelstück und so wird es auch oft aufgeführt: als
herzzerreißendes Stück für Violine und Klavier.
Im Original ist es für Orchester und Teil einer Suite: der zweite Satz
von Bachs dritter Orchestersuite. Vier Orchestersuiten insgesamt
hat Bach geschrieben: eine Folge oft von Tanzsätzen, eröffnet von
einer Ouvertüre. Die dritte dieser Suiten hat Bach vermutlich
während seiner Zeit am Hof von Köthen komponiert und dann in
Leipzig mit seinem Collegium musicum bei seinen Konzerten im
Zimmermannschen Kaffeehaus wieder aufgegriffen. Das Publikum
lauschte zuerst der vollbesetzten Ouvertüre und dann folgte die
heute so berühmte Air, anschließend Gavotte I und II, Bourrée und
Gigue.
Der erste Ton der Violine, der bei der Air so „himmlisch“ langsam
anschwillt und bei dem in diversen Bearbeitungen im Hintergrund
nur eine Klavierbegleitung dahin plätschert, im Original ist dieser
wunderbare erste Ton in das Stimmengefüge des Orchesters
eingebettet und auch im weiteren Verlauf ist die Violinstimme
kunstvoll umrankt. 1„47
6. Musik
Johann Sebastian Bach
Air aus: Orchestersuite Nr. 3 in D-Dur 1068
2. <2> 4„35
Musica Antiqua Köln
Reinhard Goebel, Ltg.
Titel CD: J.S. Bach: 4 Ouvertüren Suites
DG, Archiv Produktion, 415 673-2, LC 0113
Privat CD
Der zweite Satz aus Bachs dritter Orchestersuite in D-Dur
Werkeverzeichnis1068, seine berühmte Air, die viel als Einzelwerk
und auch in Bearbeitungen gespielt wird, hier im Original gehört
mit Musica Antiqua Köln und Reinhard Goebel.
Apropos Bearbeitungen: ganz sicher kennen Sie Charles Gounods
„Méditation sur le Premier Prélude de Piano de S. Bach“: 1853
veröffentlicht und einige Jahre später wurde dann noch der Text
des Ave Marias unterlegt und so heißt es dann landläufig auch:
das „Ave Maria“: Ob Hochzeit oder Beerdigung, passt immer, rührt
garantiert zu Tränen.
Das Original nicht: das ist dafür aber der Beginn des unglaublichen
Kompendiums von Bachs Wohltemperierten Klavier. Und natürlich
steht dieses C-Dur Präludium auch nicht allein, sondern es folgt ihm
eine Fuge. Insgesamt 24 Präludien und Fugen umfasst der erste
Band des Wohltemperierten Klaviers, im zweiten Band dann
nochmal das Gleiche. Bach tritt damit eben mal den Beweis an,
dass die „Wohltemperierte Stimmung“, die Andreas Werckmeister
Ende des 17. Jahrhunderts eingeführt hatte, nicht reine Theorie
bleiben musste, sondern durchaus in der Praxis in allen Tonarten
anwendbar war. Wann sich Bach diese anspruchsvolle Aufgabe
stellte, weiß man nicht genau. Fest steht, dass der erste Band
seines Wohltemperierten Klaviers 1722 fertig war und Bach ihn
wunderbar zu seiner Bewerbung als Thomaskantor nach Leipzig
nutzen konnte. Denn im Vorwort schrieb er: das Werk sei gedacht,
„zum Nutzen und Gebrauch der Lehrbegierigen Musicalischen
Jugend…“ oder auch für erfahrene Schüler zum „besonderen“
Zeitvertreib. Schließlich sollte der zukünftige Thomaskantor nicht nur
für die Sonntage Kantaten schreiben und aufführen, sondern auch
die Thomaner unterrichten: ein Kompendium mit Präludien und
Fugen für die musikalische Jugend kam da sicher gut an. Obwohl
die Jugend ganz schön gut die Tasten beherrschen musste, um mit
dem Wohltemperierten Klavier von Bach klar zu kommen. Das
eröffnende C-Dur Präludium geht noch: vielleicht haben Sie es
früher mal selbst im Klavierunterricht gespielt: es ist ein Präludium,
das eben wirklich präludiert, die Akkorde also sozusagen einfach
auffächert. Doch die folgende Fuge hat es spieltechnisch bereits
in sich: sie verzichtet auf Zwischenspiele und ist thematisch sehr
dicht komponiert.2„24
7. Musik
Johann Sebastian Bach
Präludium und Fuge C-Dur BWV 846
aus: Das Wohltemperierte Klavier, Teil 1
<1> 2‟02
<2> 1„36
Titel CD: J.S. Bach Das Wohltemperierte Klavier I
Sony classical, 88697334522, LC 06868
5167 057
Martin Stadtfeld mit Präludium und Fuge in C-Dur aus dem ersten
Band des Wohltemperierten Klaviers von Johann Sebastian Bach,
Werkeverzeichnis 846.
Reisen wir auf der Fährte von musikalischen Hits von der Bachstadt
Leipzig weiter in die englische Metropole London. Dort war Georg
Friedrich Händel als Opernkomponist und -unternehmer tätig:
feierte Erfolge, musste aber auch herbe Niederlagen einstecken
und sich immer wieder mit Konkurrenten messen. Zum Beispiel bei
der Royal Academy of Music: dort konnte der italienische
Opernkomponist Giovanni Bononcini mit seinen ausdrucksvollen
Rezitativen und seinen melodiösen, einfachen Arien punkten.
Bereits 1694 hatte Bononcini noch für Rom eine Oper geschrieben,
woraus wir jetzt ein Rezitativ und eine Arie hören. Mal sehen, ob
Ihnen das irgendwie bekannt vorkommt. 0„54
8. Musik
Giovanni Bononcini
Frondi tenere - Ombra mai fu
aus: Xerse
<2> 3‟30
Simone Kermes, Sopran
Le Musiche Nove
Claudio Osele, Ltg.
Titel CD: Colori d‟Amore
Sony classical, 88697723192, LC 06868
5188 528
Simone Kermes sang: „Ombra mai fu“ mit Accompagnato
Rezitativ am Anfang begleitet von Le Musiche Nove und Claudio
Osele. „Ombra mai fu“ nicht von Händel, sondern von Bononcini.
Aber offensichtlich klingt es sehr ähnlich und das liegt schlicht und
ergreifend daran, dass Händel sich bei der ein oder anderen
melodischen und harmonischen Wendung bei Bononcini
„bedient“ hat.
Das berühmte „Largo“, das Händels Oper Serse eröffnet, es ist
übrigens gar nicht so langsam, es ist nämlich mit Larghetto
überschrieben. Ja und da besingt die Hauptfigur Serse auch keine
ferne Geliebte oder schwört der Dame seines Herzens ewige
Liebe. Nein: Serse richtet sein Liebeslied „Ombra mai fu“ an eine
Platane: „Nie war der Schatten einer Pflanze, lieblich und
angenehm süßer.“ Diese kuriose Liebeserklärung an einen Baum
geht auf die Historien von Herodot zurück, der berichtet, wie der
persische König Xerxes eine wunderschöne Platane entdeckt, den
Baum mit Gold schmücken lässt und einen Wächter zu seinem
Schutz aufstellt.
Händels Oper „Serse“ war jedoch trotz „Ombra mai fu“ kein Glück
beschert: nach ihrer Uraufführung am 15. April 1738 am King‟s
Theatre wurde sie nur noch fünf Mal gegeben. Die Kritik brachte
unter anderen Charles Burney auf den Punkt, wenn er von einer
„Mischung aus Tragikomödie und Possenreißerei“ sprach.
Denn kaum hat Serse mit „Ombra mai fu“ seine geliebte Platane
besungen, da stützt sich auch schon Romilda mit ihrem Spott auf
den König: „Schaut den Serse an, der in einen rauhen Baumstamm
verliebt ist. Und doch wird seine Liebe von nichts anderem erwidert
als von dem Gemurmel der Zweige.“
Wenn Andreas Scholl diese berühmte Arie singt, kann er sich als
Serse eigentlich verlieben in wen oder was er will, die Musik ist
einfach betörend schön. 1„50
9. Musik
Georg Friedrich Händel
Frondi tenere - Ombra mai fu
aus: Serse HWV 40
<2> 2„59
Andreas Scholl, Countertenor
Orchestra of the Age of Enlightenment
Sir Roger Norrington, Ltg.
Titel CD: Heroes
Decca, 466 196-2, LC 0171
5035 461
Ruhig und getragen eröffnet Händel seine Oper Serse mit „Ombra
mai fu“, hier gesungen von Andreas Scholl begleitet vom
Orchestra of the Age of Enlightenment unter der Leitung von Sir
Roger Norrington.
Bei der Uraufführung 1738 sang der Kastrat Caffarelli den Serse und
wird wahrscheinlich nicht gerade begeistert gewesen sein, dass er
da nicht durchweg als heroischer Herrscher in Erscheinung treten
konnte, sondern einen launischen König darzustellen hatte, über
dessen Liebe zu einer Platane man sich lustig machte. Nicht nur
wies das Libretto durchaus komische Momente auf, hinzu kam,
dass Händel nicht durchweg große da-capo Arien geschrieben
hatte, in denen die Protagonisten glänzen konnten, sondern oft
waren die Arien kurz und wiederholten den Anfang nicht.
Dennoch hielt der weitere Verlauf der Oper noch so einiges für
Caffarelli bereit: eine Liebesgeschichte nämlich mit Irrungen und
Wirrungen, mit Intrigen und Verkleidungen. Ohne die Geschichte
jetzt hier auszubreiten: Serse jedenfalls verliebt sich in Romilda, als
sie ihr Spottlied auf ihn singt, doch Romilda will den König nicht
haben: sie ist in seinen Bruder verliebt.
Serse versucht Romilda einzureden, sein Bruder habe eine andere
Geliebte gefunden. Aber Romilda bleibt standhaft und Serse
verliert langsam aber sicher die Geduld. „Se bramate d‟amar“
singt Serse: da wird Caffarelli seine Freude dran gehabt haben.
1„27
10. Musik
Georg Friedrich Händel
Se bramate d‟amar
aus: Serse HWV 40
<5> 5„13
Max Emanuel Cencic, Mezzosopran
I Barocchisti
Diego Fasolis, Ltg.
Titel CD: Handel Opera Arias
Virgin classics, 50999 6945740 1, LC 7873
5180 337
Max Emanuel Cencic und I Barocchisti unter der Leitung von
Diego Fasolis mit einer Arie aus dem Serse von Georg Friedrich
Händel. Der Oper, die nach der Ouvertüre mit der berühmten Arie
„Ombra mai fu“ beginnt.
Das war die erste Folge der klassischen Hits. Morgen geht es in der
SWR 2 Musikstunde weiter mit Lieblingsstücken von Mozart,
Beethoven und Schubert. Wenn Sie zum Beispiel erfahren
möchten, welchen „echten“ türkischen Marsch Mozart denn
vielleicht im Ohr gehabt hat, als er sein berühmtes „alla turca“
schrieb, dann hören Sie doch morgen in die Musikstunde rein. Mein
Name ist: Susanne Herzog. Tschüss und bis morgen.
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