Tuberkulose Im Anhang (Seiten 9-15): Diagnostik

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Tuberkulose (TB, Tbc)
Tuberkulose
Definition
Durch Erreger des Mycobacterium tuberculosis-Komplexes
Dr. Macé Schuurmans, Oberarzt
Pneumologie
Universitätspital Zürich
18.5.2011
verursachte Infektionskrankheit, die durch Ausbildung
eines spezifischen Granulomgewebes (zentral verkäsend)
gekennzeichnet ist.
Im Anhang (Seiten 9-15):
Diagnostik der Tuberkulose
Macé M. Schuurmans
Klinik für Pneumologie, Universitätsspital Zürich
Therapeutische Umschau 2011; 68 (7)
Tuberkulose
Mycobacterium tuberculosis-Komplex
Mycobacterium tuberculosis
Mycobacterium bovis
The greatest infectious killer of all time
Mycobacterium africanum
Die WHO hat 1993 einen globalen Tuberkulosenotstand
Mycobacterium microti
ausgerufen.
Mycobacterium canetti
Ubiquitäre Mykobakterien und BCG gelten nicht als Erreger der Tbc
•
Epidemiologie
Geschichte
1839 wurde diese Erkrankung wegen der Vielfalt der
•1/3 der Weltbevölkerung ist infiziert
Symptome als einheitlich erkannt und Tuberkulose
• Jährlich erkranken 8-9 Millionen Menschen neu
genannt (Johann Lukas Schönlein)
• 5-10% der Infizierten erkranken an aktiver Tbc
• Jeder Erkrankte infiziert jährlich 10-15 weitere Personen
Armut, Migration, medizinische Unterversorgung und
HIV fördern die Ausbreitung
1882 Entdeckung des Erregers durch Robert Koch
1921 erste Impfung an Menschen (BCG)
Erreger der Tuberkulose
BCG-Impfung
• Unbewegliche, aerobe Stäbchenbakterien
Bacille Calmette-Guérin = attenuierter Lebendimpfstoff
• Schwach grampositiv
Nicht mehr empfohlen in Ländern mit niedriger Prävalenz
• Intrazelluläre Persistenz in mononukleären Phagozyten 
Umgehung des humoralen Abwehrmechanismus
• Mycolsäuren der Zellwand bedingen die Säurefestigkeit
Infektionswege der Tuberkulose
Klinik der Lungentuberkulose
Die Symptomatik der Tuberkulose ist uncharakteristisch
• Mensch zu Mensch-Übertragung infektiöser Aerosole
Trias: Husten, Auswurf, Nachtschweiss
• Endogene Reinfektion
Abgeschlagenheit, Müdigkeit
• Orale Infektion mit rohen Milchprodukten infizierter
Appetitlosigkeit, Gewichtsverlust
Rinder ( Pasteurisieren!)
subfebrile Temperaturen, Hämoptoe
Tuberculin-Skintest (TST)
=Mantoux Test
Intrakutane Injektion 2E PPD*
am volaren Vorderarm:
Quaddel muss entstehen
Querdurchmesser ablesen
nach 48-72 h
*PPD=Purified Protein Derivative
12
21.07.2011
T-Zell Antigene (Mykobakterien)
Mantoux Test- Limitationen
Ältester diagnostischer Test
Mantoux C. Presse Med 1910;18:10-13
RD1 Gen-Region:
Niedrige Spezifität (60%)
PPD als Antigen: Kreuzreaktivität mit
BCG- Impfstamm u. atyp.Mykobakterien
(falsch pos)
Tuberculosis
complex
Niedrige Sensitivität (60%)
In 20-50% bei aktiver TB negativ,
vor allem bei Immunsuppression und
Mangelernährung
ESAT-6: Early Secreted Antigenic Target (6kDa)
CFP-10: Culture Filtrate Protein (10kDa)
ESAT-6
CFP 10
Environmental strains
ESAT-6
CFP 10
M kansasii
+
+
M tuberculosis
+
+
M marinum
+
+
M africanum
+
+
M szulgai
+
+
M bovis
+
+
M
M
M
M
M
M
M
-
-
BCG
-
-
M leprae
+
+
Untersucher-abhängig
abcessus, M avium,
branderi, M celatum,
chelonae, M fortuitum,
gordonii, M intracellulare,
malmoense, M oenavense,
scrofulaceum, M smegmatis
terrae, M vaccae, M xenopi
Nicht reproduzierbar
Zwei Zeitpunkte notwendig (Ablesen)
Andersen P, Lancet 2000;356:1099-104
13
21.07.2011
14
Immunologische TB Tests
Antigenpräsentierende Zelle
PPD
Tuberkulin-Hauttest
(Mantoux)
TNF
IFN
IFN
Incubation at 37ºC
for 16-24 hours
Centrifuge tubes for 15
min
Röhrchen wiederholt nach Blutentnahme“Ueberkopfdrehen”
(nicht schütteln!)
16
Lymph/Mono +Antigen
IFN-
Anti-IFN-
21.07.2011
3x1mL blood collection
Keine Aufbewahrung im Kühlschrank!
T SPOT-TB
17
IFN- stable
refrigerated for at
least 4 weeks.
Messung der
Interferon- Aktivität
21.07.2011
Plasma
Lymph/Mono
Gel
Ec+Granulo
Stufe 1 – Blutentnahme und
Probenvorbereitung
Nil
Mitogen
TB
IL-8
IL-8
Messung der Induration
15
ESAT 6
CFP-10
Memory-T-Zellen von TBinfizierten Personen werden
aktiviert, wenn sie mit dem
Antigen in Kontakt kommen
In vitro Bluttest
TNF
QuantiFERON®-Gold In Tube
Wirkprinzip
T-GedächtnisZelle
MykobakterienAntigene
21.07.2011
markierte Anti-IFN-
21.07.2011
Primärinfektion
postprimäre Tuberkulose
Umgebungsuntersuchung
22
Tuberkulose: aktiv oder latent?
21.07.2011
Immun-Antwort bei TB Infektion und Erkrankung
ANTWORT
Nur 10% der mit M. Tbc infizierten erkrankt klinisch (=aktive
TB) früh nach Ansteckung
Zellvermittelte
Immunität
90% der Infizierten bleiben klinisch gesund, es kommt zu
einer klinisch stummen Immunantwort (latente TB)
- mögliche spätere Aktivierung der TB in ca. 10%
im Verlaufe des Lebens
- Immunsuppresion begünstigt die Aktivierung: z.B.
HIV-Infektion, immunsuppressive Medikamente (Steroide),
Diabetes, Silikose
“Mycobacterial
Load”
Latente TB
Infektion
23
21.07.2011
24
21.07.2011
Erkrankung
ZEIT
Latente Infektion  Erkrankung?
Endogene Reinfektion
Resistenzmindernde Faktoren
• Malnutrition
• Hohes Lebensalter
• Alkoholismus, Drogenabhängigkeit
• Diabetes
• Kortikosteroide, Immunsuppressiva, Zytostatika
• Masern, Keuchhusten
• Silikose
• AIDS
• Maligne konsumierende Erkrankungen
Zusätzliche
Risikofaktoren:
26
Tuberkulosestadien
• Primärtuberkulose: Alle Krankheitserscheinungen im Rahmen der Erstinfektion mit Tb
21.07.2011
Horsburgh CR. NEJM 2004;350:2060-7
Formen der Primärtuberkulose
• Primäraffekt oder Primärherd
• Primärkomplex
• Primärherdphthise (Phthisis = Schwund  Schwindsucht)
• Postprimärtuberkulose: Alle Krankheits• Progressiver Primärkomplex/ Hiluslymphknoten-Tbc
verläufe, die sich nach vorübergehender Kontrolle
• Lymphonoduläre Perforationsphthise
der Infektion durch das Immunsystem entwickeln
• Miliar-Tuberkulose
Primäraffekt und Primärkomplex
Hiluslymphknotentuberkulose
• Erreger werden eingeatmet
Lymphogene Ausbreitung der Erreger über die
• Typische granulomatöse Gewebereaktion in dem
regionären Lymphknoten hinaus auf die nachgebetroffenen meist subpleural gelegenen Lungen-
schalteten paratrachealen und tracheobronchialen
areal (= Primäraffekt)
Lymphknoten
• Miteinbezug des regionären Lymphknotens durch
lymphogene Verschleppung der Erreger (= Primärkomplex)
Komplikation: Stenosen von Bronchien
Miliar-Tuberkulose
Postprimärtuberkulose
Hämatogene Streuung der Erreger, meist in folgende Organe:
Manifestation
- Lunge (sog. Simon-Spitzenherde)
- Meningen
- Leber/Milz
• Pulmonale Tbc, ca. 85% der Fälle
• Extrapulmonale Tbc, ca. 15% der Fälle
- Nieren
- Nebennieren
- Chorioidea der Augen
1. Periphere Lymphknoten
2. Urogenitaltrakt
3. Knochen/Gelenke
Komplikation: Sepsis Landouzy bei fehlender Abwehr
Tuberkulöse Kaverne
Komplikationen der Kavernösen LungenTbc
• Bronchogene Streuungsgefahr für den Patienten
Erhält ein eingeschmolzenes käsiges Lungenareal
• Lungenblutung ( mykotisches Aneurysma)
Anschluß an einen Brochus, so kann sich der
• Spontanpneumothorax, Pleuraempyem
Inhalt nach aussen entleeren: zurück bleibt ein
• Sekundäre Erregerbesiedlung (z.B. Aspergillus)
luftgefüllter Hohlraum (Kaverne).
• Kavernenwandkarzinom
Hochinfektiöse offene Lungen-Tbc
• Respiratorische Insuffizienz und Cor pulmonale
• Sekundäre Amyloidose
Mikroskopischer Nachweis:
 Anreicherung
 Ziehl-Neelsen-Färbung, Auramin-Färbung
Kultureller Nachweis
 es müssen mindestens 104 Keime/ml vorhanden
sein, um ein positives Ergebnis
Anzucht auf festen Nährböden (Nachweis nach 3-4
zu erhalten
 zwischen Tuberkulosebakterien und ubiquitären
Mykobakterien kann nicht unterschieden werden
 ein positiver Befund aus dem Sputum ist trotzdem
nach dem Infektionsschutzgesetz meldepflichtig!
Wochen)
Anzucht in Flüssigmedium mit Fluoreszenzsystem
(Nachweis nach 1-2 Wochen)
Nukleinsäure-Nachweis:
Polymerase-chain-reaction (PCR) innerhalb von 1-2 Tagen
Immer nur in Ergänzung zur Mikroskopie und Kultur
Materialgewinnung bei V. a. Lungentuberkulose:
Sputum (3x morgens nüchtern)
Reizsputum (nach Inhalation mit 3,0% NaCl- Lösung)
Bronchialsekret
Restriktionfragmentlängen-Polymorphismus (DNAFingerprinting): Infektionsketten aufgeklärt
Magensaft (Kinder)
2-5 ml nativ
Therapie 2+4 Monate: „2HRZE/4HR“
Materialgewinnung bei V. a. extrapulmonale TBC:
Biopsien, OP-Präparate (in NaCl-Lösung)
Punktate, Sekrete (20 ml nativ)
Liquor (2-3 ml, nativ)
Stuhl nativ
Blut (nur bei HIV, nativ)
Wiederholungtherapie (empirisch)
MDR-Tbc: Daran denken bei...
 Annahme einer SDR oder MDR TB:
2 Monate: H - R - E - Z + S
dann 1 Monat H - R - E - Z,
dann 5 Monate H - R – E
Kurz: „2HRZES/1HRZE/5HRE“
Resistenzprüfung!
1. Patienten, die nach 4 Monaten Therapie positiv bleiben oder wieder
werden
2. Patienten die eine TB Vortherapie hatten
3. Patienten mit Kontakt zu MDR TB Patienten
4. Patienten mit Kontakt zu Patienten, die unter DOT Therapie an TB starben
5. medizinisches Personal
6. HIV-Patienten
7. Patienten aus Gefängnissen mit hoher MDR TB Rate
Therapie der MDR-TB
 Die Therapie basiert auf 5 Standardmedikamenten
 Man kann auch mit mehr als 5 Medikamenten beginnen
 Maximal Dosis muss angewendet werden
 Parenterale Madikamente werden noch 6 Monate nach
Kulturnegativität gegeben
 Dauer der Therapie 18 – 24 Monate und dann noch 18
Monate nach Kulturkonversion
Nebenwirkungen / Isolation
bei Hepatitis oder anderen NW:
Absetzen der gesamten Therapie bei Anstieg der Transaminasen um
das 3-fache
warten bis Werte normalisiert
erneuter Start mit H in halber Dosis unter Laborkontrolle, nach 3d
volle Dosis, genauso weiter mit anderen Tuberkulostatika
Infektiosität / Isolierung:
gering, Schwebeteilchen 1-5 µm bis zu 23 Tagen in Luft  Lüften
FFP 3 Masken, bei Untersuchung Patient mit Mundschutz
ohne Husten keine Keimverbreitung
 DOT
Tuberkulose: Diagnostik-Zusammenfassung
V.a. aktive Tuberkulose: Erreger-Nachweis baldmöglichst (Sputum,
Bronchoskopie, Biopsie, Direktpraeparat, Kultur, PCR)
Erregernachweis-> Erreger-Typ, Resistenzprüfung, rechtfertigt
langdauerned Therapie (NW!)
Interferon-Test: kein diagnostisches Instrument für aktive TB, kein guter
Ausschluss-Test (kann neg sein bei aktiver TB!)
Kontaktpersonen bei offener TB: Umgebungsuntersuchung: 8 Wochen nach
Kontakt: Mantoux-Test, wenn unklar Interferon-Bluttest: Dokumentation der
Konversion (Basisinformation für prophylakt. Behandlung mit INH für 9
Monate)
45
21.07.2011
TB or not-TB?
That is the question!
DANKE!
Referenzen: Ther Umsch. 2011 Jul;68(7):369-375
Kriterien für Aufhebung der Isolation
© 2011 by Verlag Hans Huber, Hogrefe AG, Bern
Therapeutische Umschau 2011; 68 (7): DOI 10.1024/0040-5930/a000179
Übersichtsarbeit
Klinik für Pneumologie, Universitätsspital Zürich
Macé M. Schuurmans
Diagnostik der Tuberkulose
Unerklärter Husten von mehr als 2 – 3 Wochen oder Patienten mit einem hohen
Risiko für eine Tuberkulose (TB) sollten zeitnah im Hinblick auf eine mögliche
Tuberkulose-Erkrankung abgeklärt werden: Thoraxröntgenbild, 3 Sputumproben für Direktnachweis und TB-Kultur sind die ersten diagnostischen Schritte. Bei
fehlendem Ansprechen auf eine Antibiotikatherapie und negativem Direktpräparat sind weitere diagnostische Schritte zu erwägen, insbesondere die Sputumprovokation mit hypertoner Kochsalzlösung oder die bronchoskopische Probegewinnung. Immunologische und molekulare Diagnosemöglichkeiten ergänzen
die Basisdiagnostik besonders bei positivem Direktpräparat oder hohem Ver-
steckend ist. Eine Reaktivierung der
Infektion erfolgt bei Immunkompetenten in zirka 10 % der Betroffenen
zeitlebens, wobei diverse Krankheitszeichen auftreten und die Patienten als
ansteckend gelten (postprimäre Tuberkulose; Tab. 1). Bei Immundefekten ist
die Reaktivierungsrate erheblich erhöht, so zum Beispiel bei HIV-Infektion in 10 – 15 % der Betroffenen pro Jahr.
dacht auf TB bei negativen Sputumproben. Dabei kann einerseits eine Typendifferenzierung der Mykobakterien erfolgen, anderseits können in gewissen Situa-
Ärztliche Primär-Diagnostik
tionen Antibiotikaresistenzen rasch identifiziert werden. Die Schutzmaßnahmen
bei vermuteter oder bestätigter TB sind sowohl für Kontaktpersonen als auch für
das medizinische Personal entscheidend, da die Infektion beim Husten durch
Aerosolbildung übertragen wird. Gewisse Kriterien sollten erfüllt sein damit im
Spital die Isolationsmaßnahmen aufgehoben werden können.
Einleitung
Hochrechnungen ergeben, dass ein
Drittel der Weltbevölkerung mit Tuberkulosebakterien infiziert ist. Dabei ist
die Mehrheit ohne Symptome, d. h. es
handelt sich um eine latente Tuberkulose-Infektion. Davon zu unterscheiden ist die eigentliche TuberkuloseErkrankung, welche bei Lungenbeteiligung mit Husten zur Infektions-Übertragung führen kann.
Die frühe Diagnose und Behandlung
einer pulmonalen Tuberkulose-Erkrankung (kurz Tuberkulose oder TB) ist
ein entscheidender Beitrag zur Reduktion der Tuberkulose-Infektionen und
deren Ausbreitung. Die TB ist eine bakterielle Infektionskrankheit, welche
durch Mykobakterien hervorgerufen
wird: Mycobacterium (M.) tuberculosis, M. bovis, M. africanum und M.
microti werden zusammengefasst als
„Mycobacterium tuberculosis complex“
bezeichnet. Am häufigsten beteiligt ist
jedoch das Mycobacterium tuberculosis (MTB), welches vorzugsweise die
Lunge befällt, in der Regel Husten verursacht und durch Inhalation eines Aerosols übertragen wird (Tröpfcheninfektion).
Nur eine Minderheit (5 – 10 %) der Personen entwickelt nach Aufnahme des
MTB eine manifeste Tuberkulose-Erkrankung. In der Regel verläuft die
Primärinfektion unbemerkt (asymptomatisch) oder mit geringen unspezifischen Symptomen (oligosymptomatisch, Tab. 1), wobei das Immunsystem
auf den intrazellulären Erreger reagiert
und die Ausbreitung der Erreger durch
eine entsprechende immunologische
Reaktion begrenzt wird. Es kommt zu
einer lokalen Kontrolle des Infektgeschehens, wobei die Erreger entweder
ganz eliminiert werden oder eine immunologische Kontrolle der Ausbreitung stattfindet. Dabei gehen die MTB
meist in einen metabolischen Ruhezustand über. Bei fehlenden Krankheitszeichen und unauffälligem Thoraxröntgenbild wird dann von einer
latenten Tuberkuloseinfektion (LTBI)
gesprochen, welche als solche nicht an-
Aus epidemiologischer Sicht ist bei
niedriger TB-Inzidenz (Schweiz: 500 –
600 Neuerkrankungen /Jahr) und dem
Verzicht auf ein allgemeines Screeningprogramm (keine Schirmbildkontrollen mehr) die Frühdiagnose und
Frühbehandlung besonders wichtig
[2]. Die Frühdiagnose ist nur dann
möglich, wenn die Verdachtsdiagnose
„TB“ überhaupt gestellt wird und dann
entsprechende Abklärungschritte zeitnah eingeleitet werden (Sputumuntersuchungen, Thoraxröntgenbild, siehe
unten). Die Diagnostik bei TB-Verdacht sollte möglichst rasch erfolgen.
Die Weltgesundheitorganisation (WHO)
empfiehlt für die TB-Diagnostik ein
standardisiertes Vorgehen (Tab. 2) [3].
Für die Schweiz sind Empfehlungen im
„Handbuch Tuberkulose“ festgehalten,
welches von der Lungenliga Schweiz
und dem Bundesamt für Gesundheitswesen herausgegeben wird [4]. Zudem
betreibt die Lungenliga Schweiz ein
TB-Beratungstelefon, welches Ärzten
einen erleichterten Zugang zu TB-Spezialisten ermöglicht.
Die Diagnose einer TB ist erst dann
möglich, wenn im klinischen Kontext
der Verdacht einer Tuberkulose-Erkrankung geschöpft und aktiv danach
gesucht wird. Hinweisend auf eine TB
können anamnestische Angaben, klinische Symptome und radiologische
Befunde sein.
369
Macé M. Schuurmans
370
Diagnostik der Tuberkulose
Übersichtsarbeit
Tabelle 1 Klinisches Bild der Tuberkulose [1]
Primärinfektionen
Postprimär Tuberkulose
(Lunge)
Beschwerden
+++
Husten
Müdigkeit/Unwohlsein
+
Gewichtsverlust
+
++
++
Nachtschweiß
++
Hämoptyse
+
Thoraxschmerzen
+
+
++
++
Befunde
Fieber
Rasselgeräusche
+
Dämpfung, Pleurareiben
+
Tuberkulinreaktion
+++
(nach 4 – 8 Wochen)
+++
(in 85 % der Fälle)
+
die Infekt-, Familien- und Reiseanamnese erhoben werden, sowie das Herkunftsland des Patienten bekannt sein.
Diese Informationen helfen, das Risiko
für eine TB besser abzuschätzen: Bei
Patienten mit hohem Risiko für eine Tuberkulose (Tab. 3) sollte auch bei unklaren respiratorischen oder AllgemeinSymptomen von weniger als 3 Wochen
Dauer und/oder unauffälligem Thoraxröntgenbild eine TB-Diagnostik veranlasst werden, da gerade bei Immunsuppression (z. B. HIV-Infektion) sowohl
die Klinik als auch die radiologischen
Zeichen fehlen können. Nachdem die
ärztliche Primär-Diagnostik zur Verdachtsdiagnose „TB“ geführt hat erfolgt die Labordiagnostik mit dem
primären Ziel mittels direktem Erregernachweis im Sputum laborchemisch und klinisch die Diagnose zu
bestätigen.
Thoraxaufnahme
Infiltrate der Lungenspitzen
+++
Kavernen
+++
Infiltration der Lungenbasen
++
Hilusvergrößerung
++
Probegewinnung für
Direktnachweis und TB-Kultur
+ + + = oft (> 50 %), + + gelegentlich, + selten
Anamnese, Symptome,
klinische Zeichen und das
Thoraxröntgenbild
Husten ist das Kardinalsymptom der
Tuberkulose (Tab. 1). Wenn der Husten
für mehr als 2 – 3 Wochen andauert und
mindestens ein zusätzliches Symptom
vorhanden ist (Fieber, Nachtschweiß,
Gewichtsverlust oder Auswurf mit oder
ohne Blut), dann sollte ein Thoraxröntgenbild angefertigt werden.
Bei einem pathologischen Röntgenbefund (z. B. lokalisierte Transparenzminderung im Bereich der Oberlappen
oder apikalen Unterlappen mit oder
ohne Kavität), sollte die Verdachtsdiagnose TB gestellt und die TB-Diagnostik eingeleitet werden. Radiologische
Labordiagnostik
Befunde können bei der TB vielfältig
sein und lassen zahlreiche Differentialdiagnosen zu. Trotzdem ist das Thoraxröntgenbild von großer Bedeutung:
Bei suggestiven Veränderungen ist die
TB-Diagnostik zu rechtfertigen und
bei unklaren radiologischen Pathologien sind weiterführende diagnostische Schritte möglich, wie z. B. eine
Computertomographie bei Tumorverdacht oder eine sonographisch-gesteuerte Punktion bei Pleuraerguss. Auch
in der TB-Diagnostik sind Vergleiche
mit früheren Thoraxröntgenbildern
nicht selten hilfreich, um vorbestehende Veränderungen zu verifizieren.
Da die Symptome und klinischen Zeichen der Lungentuberkulose oft uncharakteristisch sind, sollte besonders
Bei Verdacht auf Tuberkulose sollten
die diagnostischen Schritte ohne Verzug veranlasst werde, wobei der KeimNachweis mittels Kultur nach wie vor
der Gold-Standard ist und daher immer angestrebt werden sollte.
Dazu sollten primär eine sofortige Sputumprobe (unabhängig von der Tageszeit) und anschließend 2 morgendliche
Sputumproben abgenommen und als
Direktpräparat und TB-Kultur im Labor untersucht werden.
Bei fehlender Sputumproduktion ist
eine Sputum-Provokation durch Inhalation von hypertoner (3 %) Kochsalzlösung möglich, dabei muss aber beachtet werden, dass für anwesende
Personen im Falle einer aktiven TB eine
Übertragungsgefahr besteht und entsprechende Schutzmaßnahmen einzuhalten sind [4]. Alternativ könnten
bronchoskopische Proben (broncho-
Therapeutische Umschau 2011; 68 (7): 369 – 375
Übersichtsarbeit
Tabelle 2 Internationale Standards für die Tuberkulosediagnostik [gekürzt aus 3, 4]
1. Bei nicht anders erklärbarem Husten länger als 2 – 3 Wochen an Tuberkulose denken!
2. Immer mindestens 2, besser 3 Sputumproben auf Tuberkulose einschicken, mindestens eine davon aus Morgensputum
3. Bei Verdacht auf extrapulmonale Tuberkulose Präparat nicht nur für Zytologie/Histologie, sondern auch für Tuberkulosekultur entnehmen.
4. Bei tuberkuloseverdächtigem Thoraxröntgenbild immer Sputumkulturen auf Tuberkulose veranlassen.
5. Die Verdachtsdiagnose Tuberkulose soll auch bei negativem Sputumdirektpräparat bei verdächtigem Röntgenbild und
Nichtansprechen auf eine antibiotische Therapie während 1 – 2 Wochen (nicht mit Fluorochinolonen!) aufrechterhalten
und eine Tuberkulosetherapie eingeleitet werden, insbesondere bei HIV/AIDS-Patienten.
6. Bei Kindern mit positivem Tuberkulosehaut- oder allenfalls -bluttest und/oder Expositions- Anamnese und Röntgenbefunden: Kultur aus Sputum, Magensaft oder Bronchialsekret veranlassen.
alveoläre Lavage; BAL) gewonnen werden. Gelegentlich ist eine zusätzliche
Bildgebung mittels Computertomographie zur Lokalisationsdiagnostik notwendig, dies wird aber vom Lungenspezialisten veranlasst.
Manchmal haben die tuberkulösen Gewebeveränderungen keinen Anschluss
an das Bronchialsystem. Dann kann
eine Probeentnahme mittels Nadel-
punktion (z. B. Computertomographiegesteuerte) oder eine chirurgische Gewebebiopsie (z. B. videothorakoskopisch)
notwendig sein. Die Probe sollte dann
nicht nur der Pathologie sondern auch
an das TB-Labor für Direktnachweis
und Kultur verschickt werden.
Die Zusammenarbeit mit einem Labor
mit entsprechender Erfahrung und
Expertise in der TB-Diagnostik ist sehr
zu empfehlen. Die SputumprobenVerarbeitung (Anreicherung, Dekontamination, Färbungen und diverse
Kulturmethoden), die Beurteilung und
die erzielten Resultate sind auch davon abhängig, welche apparativen
Möglichkeiten zur Verfügung stehen
für die Weiterverarbeitung der Proben
im Falle eines positiven Direktnachweises.
Tabelle 3 Risikofaktoren und prädisponierende Faktoren bei Tuberkulose [modifiziert nach 1]
Risikofaktoren
(Faktoren, welche das Risiko
für eine Ansteckung erhöhen)
Kontakt zu einem kontagiösen Tuberkulosepatienten, Tuberkulintest von > 15 mm
Immigranten aus Ländern mit hoher Tuberkulose-Inzidenz
(Asien, Afrika, Lateinamerika, Russische Föderation)
Insassen von Institutionen, Randgruppen
Medizinisches Personal
Prädisponierende Faktoren
für eine Tuberkulose
(d. h. Erhöhung des Risikos,
bei gegebener Ansteckung die
Krankheit zu entwickeln)
HIV-Infektion
kürzliche Konversion des Tuberkulintests
Silikose
Diabetes
Chronische Niereninsuffizienz
maligne Erkrankungen (Kopf, Hals, Lungen, Lymphom)
Gastrektomie
Alkoholismus
Kachexie
Behandlung mit Steroiden oder Immunsuppressiva
alte unbehandelte Tuberkulose (Folgen)
IV-Drogen-Abusus
TNF-alpha-Hemmer
371
Macé M. Schuurmans Diagnostik der Tuberkulose
372
Übersichtsarbeit
Direktnachweis und TB-Kultur
Der mikroskopische Direktnachweis
im Sputum ist eine Schlüsseluntersuchung, da sie eine rasche Erkennung
einer potentiell ansteckenden Infektion ermöglicht. Dabei wird Ziehl-Neelsen-Färbung oder Auramin-RhodaminFärbung angewendet. Die Färbung
verbleibt auch nach Behandlung mit
einer sauren Lösung, daher kommt der
Begriff „säurefeste Stäbchen“. Mit Vorteil erfolgt die Beurteilung des Direktpräparates unter Einsatz der Fluoreszenzmikroskopie (bessere Sensitivität
als konventionelle Mikroskopie). Mindestens 10 000 Keime/ml müssen im
Sputum vorhanden sein damit der Direktnachweis positiv wird. Patienten
mit niedriger Keimzahl im Sputum
werden mit dieser Methode häufig
übersehen, was insbesondere bei Patienten mit HIV-Infektion die Diagnostik erschwert.
Wird der Erregernachweis mittels einer
TB-Kultur des Sputums erbracht, ist
die Diagnose einer Tuberkulose gesichert und damit auch die Infektiosität
dokumentiert.
Die Gramfärbung stellt die Mykobakterien ungenügend dar, wobei sie als
schwach grampositiv zur Darstellung
kommen. Bei positivem Direktnachweis sollte eine Polymerase-Chain-Reaction (PCR)-Untersuchung für den
raschen Nachweis des MykobakteriumTyps (positiver Nachweis von MTB)
erfolgen, damit eine Therapie rasch
eingeleitet werden kann (möglich im
Sputum und in der BAL).
Die gleichzeitig angelegte TB-Kultur
des Sputums wird entweder konventionell verarbeitet (Löwenstein-Jensen
oder Ogawa Nährmedium, Resultat innert 2 Monaten) oder mittels automatisierter Methode unter Einsatz eines
Flüssigmediums kultiviert (BACTEC
MGIT = mycobacteria growth indicator tube), Resultat innert 2 Wochen).
Die Sputumkultur wird zur Bestäti-
gung des Bakteriumwachstums (viable und teilungsfähige Mykobakterien)
und zur Resistenzprüfung verwendet.
Erforderlich sind 50 – 100 Keime/ml im
Sputum für den positiven Nachweis
mittels TB-Kultur. Bei positiver Kultur
kann die Art des Mykobakteriums
identifiziert werden. Die Empfindlichkeitsprüfung des Erregers auf die wichtigsten Antituberkulotika sollte unbedingt verlangt werden. Bei dem
ohnehin schon zeitaufwendigen kulturellen Nachweis lohnt es sich, mit
einem spezialisierten Labor zusammen zu arbeiten, welches u. a. die automatisierte Methode anbietet.
Kultur-negative Tuberkulose
Bei fehlendem kulturellen Nachweis
kann von einem wahrscheinlichen Tuberkulosefall gesprochen werden, wenn
(a) die Identifikation von MTB mittels
DNA-Sonde (siehe unten) erfolgt ist,
oder (b) Mykobakterien im Direktnachweis erfolgt sind, oder (c) bei ärztlichem Entscheid, eine vollständige
antituberkulöse Therapie durchzuführen wenn zusätzlich bei diesen 3 Situationen die klinischen und radiologischen Befunde mit einer TB vereinbar
sind. Man spricht dann von einer Diagnosestellung ohne bakteriologische
Bestätigung und man sollte in solchen
Fälle erst nach Rücksprache mit einem
TB-Spezialisten eine antituberkulöse
Therapie durchführen bzw. den Patienten für ergänzende Untersuchungen
zur Diagnosesicherung überweisen [4].
Immunologische Tests
Es gibt immunologische Tests, welche
eine Immunantwort auf Bestandteile
von Mykobakterien anzeigen. Zu diesen Tests gehören der TuberkulinHauttest und der Interferon-GammaRelease Assay (IGRA). Beide Tests
können zur Diagnostik einer latenten
Tuberkuloseinfektion eingesetzt werden, wobei bei einem positiven Testresultat stets klinisch und radiologisch
eine aktive Tuberkulose ausgeschlossen werden muss.
Der Tuberkulin-Hauttest (THT, synonym: Mantoux-Test) ist ein in vivo Test,
bei dem eine definierte Menge gereinigter Antigene aus Mykobakterien in die
Haut gespritzt wird. Bei Personen mit
vorhergehendem Kontakt mit Mykobakterien kommt es innerhalb von
48 – 72h zu einer spezifischen T-Zellaktivierung (verzögerte Überempfindlichkeitsreaktion) mit einer tastbaren Verdickung der Haut (= Induration) und
oft auch zu einer lokalen Rötung. Die
Induration wird zur Testinterpretation
ausgemessen und wird als positiv bezeichnet, wenn eine definierte Indurationsgröße überschritten wird. Ab welchem Durchmesser ein Test als positiv
zu bewerten ist hängt ab vom relativen
Infektionsrisiko der Bevölkerungsgruppe, welcher der Patient angehört, z. B.
nicht-BCG-geimpfte Normalbevölkerung ≥ 10 mm, BCG-geimpfte Normalbevölkerung ≥ 15 mm und Personen
mit eingeschränkter Immunität (z. B.
HIV-Infektion) ≥ 5 mm [1, 5].
Ein positiver THT ist lediglich ein Hinweis für den vorausgegangenen Kontakt
mit Mykobakterien (d. h. durchgemachte Primärinfektion vor ≥ 8 Wochen).
Er kann nicht unterscheiden zwischen
einer latenten Infektion und einer
aktiven Tuberkulose-Erkrankung. Die
Verlässlichkeit des Tests ist zudem eingeschränkt durch die Anfälligkeit auf
Fehler bei der Durchführung (Injektion)
und Ablesung, sowie durch falsch-negative Testresultate bei schweren TBKrankheitsverläufen, wie z. B. einer Miliartuberkulose (eingeschränkte Sensitivität).
Eine Tuberkulose-Schutzimpfung mit
BCG und Kontakt mit atypischen Mykobakterien können auch zu einem positiven Testresultat führen (einge-
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Übersichtsarbeit
schränkte Spezifität). Bleibt bei einem
korrekt durchgeführten THT bei einer
immunkompetenten Person die Induration aus oder ist die Haut lediglich
gerötet ist eine Tuberkulose-Erkrankung unwahrscheinlich, aber nicht
ausgeschlossen. Zusammenfassend ist
der THT bei Erwachsenen für die Diagnostik der latenten Tuberkuloseinfektion einsetzbar.
Bei Kindern hingegen ist die Chance
eines früheren Kontakts mit MTB als
gering einzustufen, sodass ein neu dokumentierter positiver THT durchaus
einer frischen Infektion entsprechen
kann. Da ein größerer Anteil der Infektionen im Kindesalter zur eigentlichen
TB-Erkrankung führt und schwere Verläufe ebenfalls häufiger zu beobachten
sind, ist ein positiver Tuberkulintest
bis zum Beweis des Gegenteils eine TBErkrankung.
In entwickelten Ländern hat der THT
bei Erwachsenen wegen oben-genannter Limitationen zunehmend an Bedeutung verloren, weil mit den in vitroTests eine neuere Methode vorliegt,
welche den Kontakt mit MTB zuverlässiger nachweist und somit zur Diagnostik der latenten Tuberkuloseinfektion geeignet ist.
Beim Interferon-Gamma-Release Assay
(IGRA) handelt es sich um einen in vitro-Test bei dem Abwehrzellen im Blut
mit einer Mischung von Antigenen von
MTB stimuliert werden. Ein vorausgegangener Kontakt mit MBT führt zu
einer vermehrten Produktion von Interferon Gamma, welches im Test mengenmäßig nachweisbar ist und sich
quantitativ von einer Negativ-Kontrolle unterscheidet. Innerhalb von 24 h
nach Antigenkontakt lassen sich sowohl im ELISA (Quantiferon-Gold-Test
in tube; (QFT-G-IT), Cellestis, Carnegie, Australien) als auch im ELISPOT
(T-SPOT.TB; Oxford Immunotec, Abingdon, UK) MTB-spezifische T-Zellen
als Ausdruck eines rasch aktivierbaren
immunologischen Gedächtnisses ge-
genüber MTB nachweisen. Zur Anwendung in beiden Testverfahren kommen
Antigene aus der RD-(„region of difference“-)1 im Genom von MTB [6]. Diese Region unterscheidet MTB von anderen Mykobakterien (mit Ausnahme
von M. kansasii, M. marinum, M. szulgai) und von den für die Impfung verwendeten BCG-Stämmen. Daher bleibt
der Test durch atypische Mykobakterien und die BCG-Impfantwort unbeinflusst, ein Vorteil gegenüber dem THT.
Zugelassen ist der Test für die Diagnostik der latenten Tuberkuloseinfektion.
Da der IGRA-Test ähnlich dem THT lediglich einen vorausgangenen Kontakt
mit Mykobakterien nachweisen kann
und das Ausmaß der Interferon-Gamma-Ausschüttung nicht ein verlässliches Maß zur Unterscheidung einer
latenten oder aktiven Tuberkuloseinfektion ist, muss eine ergänzende Diagnostik mit radiologischen Veränderungen und Keim-Nachweis zur
Diagnostik der Tuberkulose-Erkrankung erfolgen. Obwohl die diagnostische Sensitivität des IGRAs dem des
THT überlegen ist, ist die Sensitivität
nicht ausreichend hoch, damit er als
Ausschlusstest für eine Tuberkulose
dienen kann [7]. Ein negatives IGRATestresultat kann somit eine aktive
Tuberkulose nicht mit genügender
Sicherheit ausschließen.
Bei HIV-Infektion ist die Immunreaktion im THT und QFT-G-IT stark abhängig von der Anzahl CD4pos-Zellen,
was sich in einer erhöhten Anzahl
falsch negativer Resultate äußert. Der
T-Spot.TB-Test hingegen scheint aufgrund des Testverfahrens auch bei tiefen CD4pos-Zellzahlen diagnostisch
einsetzbar zu sein [8].
Molekulare Nachweismethoden
Verschiedene molekulare Nachweismethoden haben sich in der TB-Diagnostik der letzten Jahre für die Erre-
ger-Identifikation und Erfassung von
Antibiotikaresistenzen etabliert.
Der molekularbiologische Direktnachweis von MTB mittels PCR erlaubt die
Abgrenzung des Erregers gegenüber
anderen säurefesten Stäbchen wie Nichttuberkulöse Mykobakterien oder Nocardia, wobei das Testresultat meist
innert eines Tages vorliegt.
Wenn eine Therapie bei hohem Verdacht auf TB rasch eingeleitet werden
muss, dann ist diese Unterscheidung
sehr wichtig. Bei einem positiven Direktpräparat ist die Sensitivität im Falle von MTB nahezu 100 %, bei einem
negativen Direktpräparat mit später
nachgewiesener Tuberkulose ist die
Sensitivität von PCR im Direktpräparat
lediglich 60 – 70 % [1]. In der Regel ist
diese Methode dann sinnvoll einsetzbar, wenn ein positives Direktpräparat
vorliegt. Ist jedoch bei einem negativen
Direktpräparat der Verdacht auf eine
Tuberkulose sehr hoch (Risikogruppe),
dann kann ein positives PCR-Resultat
therapeutisch richtungsweisend sein
und eine entsprechende Zusatzdiagnostik ermöglichen. Zu den Nachteilen dieser Methode gehören die fehlende Aussage, ob die Nukleinsäuren
von toten oder lebenden Mykobakterien stammen und gelegentlich falsch
positive Resultate aufgrund von Kontamination der Proben.
Weiterführenden Diagnostik in
Speziallabors für TB-Diagnostik
und zukünftige Entwicklungen
Mittels einer Gen-Sonde ist eine Typendifferenzierung (von z. B. M. tuberculosis, M. avium intracellulare,
M. kansasii und M. gordonae) in wenigen
Stunden möglich, wobei eine speziesspezifische Hybridisierung von ribosomaler RNA von Flüssig- und Festmedienkulturen möglich ist. Bei einem
TB-Verdachtsfall aus einem Land mit
hoher Resistenzhäufigkeit und/oder
373
Macé M. Schuurmans Diagnostik der Tuberkulose
374
Übersichtsarbeit
Tabelle 4 Aufhebung der Isolierung von Patienten mit offener Tuberkulose [10]
1. Adäquat dosierte Behandlung mit klinischer Besserung während mindestens
zwei Wochen
2. Kein Husten mehr oder mindestens zweimalige konsekutive negative
Sputummikroskopie
3. Keine anamnestischen, klinischen, epidemiologischen oder bakteriologischen
Hinweise auf resistente Tuberkulosestämme
4. Gewährleistete Weiterbehandlung (kontrollierte Medikamenteneinnahme
oder keine Zweifel an der Compliance und gesicherte medizinische
Nachbetreuung)
5. Rückkehr in ein Milieu ohne Risikopersonen
(keine abwehrgeschwächten Personen oder Kleinkinder)
nach bereits früher durchgeführter TBBehandlung kann die direkte Bestimmung des für eine Resistenz auf Rifampicin (RIF) verantwortlichen Gens
(rpoB-Gen) innert weniger Stunden
den entscheidenden Hinweis auf resistente Mykobakterien liefern. Da eine
RIF-Resistenz meist mit einer Isoniazid-Resistenz einhergeht, kann die Verdachtsdiagnose MDR (multi-drug-resistente, auf Isoniazid und RIF resistente)
TB frühzeitig gestellt und eine Behandlung mit Reserveantibiotika eingeleitet
werden (4). Ein fast vollständig automatisiertes System (GeneXpert der Firma Cepheid) mit einer Einmalkartusche "XpertMTB/RIF" kann innert 2
Stunden mittels PCR-Technik sowohl
das MTB als auch eine RIF-Resistenz in
einer Sputumprobe detektieren.
Schließlich ist bei unklarer Typendifferenzierung auch die Sequenzierung des
Erregers möglich, wobei die DNA-Sequenz zur Identifikation dient. Auch
diese Methode ist speziellen Situationen vorbehalten.
Serologische Testverfahren zum Nachweis von Antikörpern gegen Mykobakterien haben bisher keinen Stellenwert
in der Klinik. Andere diagnostische
Verfahren, z. B. der Nachweis einer
TB durch einen molekularen „Fingerabdruck“ unterschiedlicher Antigene
oder Serumproteine bzw. Zytokine befinden sich in der klinischen Entwicklung.
Schutzmaßnahmen bei
vermuteter oder bestätigter
Tuberkulose
Zum Schutz des medizinischen Personals und der Mitpatienten müssen infektiöse TB-Patienten in einem Isolierzimmer initial behandelt werden. Zu
den Schutzmaßnahmen gehören auch
die Kennzeichnung der Infektionsbereiche und Masken für die Patienten,
die die Aerosolproduktion beim Husten verhindern. Für die Arbeitnehmer
sind persönliche Schutzmasken der
Schutzklassen FFP2 und FFP3 bereitzustellen.
Die Schutzmaßnahmen beim Umgang
mit Patienten mit vermuteter oder
bestätigter ansteckender Tuberkulose
(Früherkennung und Abklärung von Patienten mit Verdacht auf ansteckende
Tuberkulose; Isolierung von Patienten
im stationären Bereich; generell technische, organisatorische und personenbezogene Schutzmaßnahmen) sind in
der Publikation der SchweizerischenUnfall-Versicherungs-Anstalt (SUVA)
detailliert beschrieben [9].
Nicht nur im stationären Bereich sondern auch bei ambulanten Patienten
sollten bei Symptomen einer schweren
respiratorischen Infektionskrankheit
eine einfache, aber höchst wirkungsvolle Maßnahme getroffen werden: der
kranken Person eine Gesichtsmaske
abgeben, welche vor den Mund und
Nase getragen wird.
Tuberkulosekranke, welche eine korrekte Behandlung einnehmen und nicht
mehr husten sind für Nicht-immunsupprimierte Umgebungspersonen als nicht
ansteckend zu betrachten [2]. Die Aufhebung von Isolationsmaßnahmen im
stationären Bereich sollte gemäß Swiss
Noso-Publikation nach gewissen Grundsätzen erfolgen (Tab. 4) [10].
Die Punkte 1 – 4 gelten für alle Patienten. Punkt 5 muss erfüllt sein, falls initial eine sehr hohe Bakterienlast im
Sputum vorhanden war, kavitäre Lungenläsionen vorliegen, oder bei Aufhebung der Isolierung noch vereinzelte
säurefeste Stäbchen im Direktpräparat
sichtbar sind.
Diagnosing pulmonary tuberculosis
Unexplained cough for more than
2 – 3 weeks or patients considered to
be at high risk for tuberculosis (TB)
should be investigated in a timely
manner: Chest radiography and 3 sputum examinations for detection acidfast bacilli and TB cultures are essential first diagnostic steps. Pending
sputum results an antibiotic trial
(avoiding fluorochinolones) is warranted and if symptoms do not resolve
and the diagnosis remains unclear
then additional investigations are required to confirm or rule out pulmonary tuberculosis: sputum provocation by inhalation of hypertonic saline
or alternatively bronchoscopy may
provide samples to confirm TB or lead
to an alternative diagnosis.
Immunologic and molecular tests are
useful in specific situations to identify
previous contact with specific mycobacteria or identify drug-resistant
strains. Prompt diagnosis and treatment are important epidemiologic
measures to prevent transmission of
Therapeutische Umschau 2011; 68 (7): 369 – 375
Übersichtsarbeit
mycobacteria to contacts including
the medical personnel. Isolation measures take into account the transmission by aerosol and the viability of the
4.
mycobacteria and specific criteria
need to be met before these precautions can be abandoned.
5.
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der Tuberkulose, Schweiz Med Forum 2003; 5: 492 – 7.
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6.
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HIV infection. Eur Respir J. 2010
Mar; 35: 619 – 26.
9. «Tuberkulose am Arbeitsplatz: Gefährdung und Prävention», Suva
Publikation, 1999; 2869/35.
10. Swiss Noso Band 5, Nummer 1,
März 1998.
Korrespondenzadresse
Dr. med. Macé Schuurmans
Klinik für Pneumologie
C-HOER 27
Rämistraße 100
CH - 8091 Zürich
[email protected]
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