Elementarmathematik

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Elementarmathematik
1
Einleitung
Im Buch ’Virus Dynamics’ von M. Nowak und R. May findet man das Zitat:
... mathematics is no more, but no less, than a way of thinking clearly [3].
(... die Mathematik ist nichts mehr, aber nichts weniger, als eine Art, klar zu
denken.)
Wenn wir diese Art zu denken gut beherrschen, dann haben wir etwas, was uns
in vielen Lebenslagen helfen kann. Außerdem ist die Mathematik an und für
sich schön. Diese Vorlesung soll den Hörern wichtige Aspekte der Mathematik
nahebringen, die praktisch eingesetzt werden können und hoffentlich auch etwas
von der Schönheit des Fachs vermitteln.
2
Zahlen
Wer an Mathematik denkt, denkt sofort an Zahlen. Zahlen spielen in der Tat
eine zentrale Rolle in der Mathematik und in dieser Vorlesung sind sie unser erstes Thema. Es gibt verschiedene Arten von Zahlen und diese möchten wir Revue passieren lassen. Es gibt natürliche Zahlen, ganze Zahlen, rationale Zahlen,
reelle Zahlen und komplexe Zahlen. Jetzt wird beschrieben, was diese unterschiedlichen Arten von Zahlen sind und was man damit machen kann.
Die einfachsten Zahlen sind die natürlichen Zahlen
{1, 2, 3, 4, . . .},
(1)
die Zahlen, die wir in der Kindheit kennenlernen. Die Menge der natürlichen
Zahlen wird mit N bezeichnet. Wenn a und b natürliche Zahlen sind, dann
sind die Summe a + b und das Produkt ab auch natürliche Zahlen. Im Rahmen
der natürlichen Zahlen können wir aber nicht immer subtrahieren. Z.B. gibt es
2 − 3 als natürliche Zahl nicht. Anders gesagt, gibt es keine natürliche Zahl a
mit der Eigenschaft, dass 3 + a = 2. Die Lösung dieses Problems ist schon lange
bekannt. Wir können die Null einführen (wie es schon die alten Inder getan
haben) und die negativen Zahlen. Dann können wir 2 − 3 = −1 schreiben.
Wenn die natürlichen Zahlen durch die Null und die negativen Zahlen
{−1, −2, −3, −4, . . .},
1
(2)
erweitert werden, dann bekommen wir die ganzen Zahlen. Die Menge der ganzen
Zahlen wird mit Z bezeichnet. Im Rahmen der ganzen Zahlen ist die Subtraktion ohne Einschränkung möglich. Wenn a und b ganze Zahlen sind, dann ist
a − b immer sinnvoll. Durch eine Erweiterung des Zahlensystems haben wir uns
mehr Möglichkeiten geschaffen. Addition und Multiplikation sind immer noch
möglich, so dass durch die Erweiterung nichts verlorengegangen ist. Einige Autoren rechnen die Null zu den natürlichen Zahlen. Diese Alternative übernehmen
wir hier nicht. Wir bezeichnen die Menge der natürlichen Zahlen mit der Null
dazu als N0 , d.h. N0 = N ∪ {0}.
Im Rahmen der ganzen Zahlen ist die Division nur begrenzt möglich. Z.B.
gibt es 32 als ganze Zahl nicht. Es gibt keine ganze Zahl a mit der Eigenschaft dass 3a = 2. Diese Einschränkung kann aufgehoben werden in dem
wir die ganzen Zahlen durch die Brüche erweitern. Die Brüche, einschließlich
der ganzen Zahlen heißen rationale Zahlen. Das Wort ’rational’ hier soll nicht
als ’vernünftig’ interpretiert werden sondern kommt vom lateinischen ’ratio’
(Verhältnis). Die Menge der rationalen Zahlen wird mit Q bezeichnet. (Q
steht für Quotienten.) Die bekannten Regeln der Bruchrechnung erlauben es im
Rahmen der rationalen Zahlen die vier Grundrechenarten ohne Einschränkung
auszuführen bis auf die Tatsache, dass die Division durch Null nicht definiert
ist. Zusammenfassend, haben wir jetzt drei Zahlenarten N, Z, Q eingeführt mit
N ⊂ Z ⊂ Q.
Es gibt noch eine weitere Klasse von Zahlen, die sehr wichtig sind, die reellen
Zahlen,
√ die mit R bezeichnet werden. Außer den rationalen Zahlen enthalten sie
z. B. 2 und die Kreiszahl π. Diese Zahlen sind notwendig für die Anwendungen
der Mathematik in den Naturwissenschaften und, innerhalb der Mathematik,
auf die Geometrie. Sie werden gebraucht, um die diagonale des Quadrats mit
Seitenlänge Eins oder den Umfang des Kreises mit Radius Eins auszudrücken.
Diese Zahlen sind keine rationalen Zahlen (was nicht offensichtlich ist). Auf diese
Dinge gehen wir später genauer ein. Die reellen Zahlen, die keine rationalen
Zahlen sind, heißen irrationale Zahlen.
Selbst innerhalb der reellen Zahlen hat die Gleichung z 2 = −1 keine Lösung.
Um dieses Problem zu umgehen führt man eine Größe i ein, die imaginäre
Einheit, mit der Eigenschaft i2 = −1. Es gilt auch (−i)2 = −1. Dann hat
unsere Gleichung zwei Lösungen. Man kann eine Klasse von Zahlen definieren,
die komplexen Zahlen, die auch i enthält. Sie wird mit C bezeichnet. Die
Zahlen der Form ai mit a reell heißen imaginär und die Bezeichnung ’reelle
Zahlen’ entstand als Gegensatz zum Begriff ’imaginäre Zahlen’.
2.1
Die reellen Zahlen
Wir haben jetzt von den reellen Zahlen gesprochen, nicht aber genau gesagt, was
sie sind. Ein anschauliches Bild der reellen Zahlen wird durch die Zahlengerade gegeben. Betrachten wir eine Gerade auf der ein Punkt (der Ursprung)
ausgezeichnet wird. Eine Richtung auf der Gerade wird als positiv deklariert.
Z. B. wird oft eine waagerechte Gerade genommen und die positive Richtung
als ’nach rechts’ gewählt. Der Ursprung wird mit der Zahl Null identifiziert.
2
Eine positive Zahl a wird mit dem Punkt identifiziert, der in positiver Richtung
im Abstand a zum Ursprung liegt. Eine negative Zahl a wird mit dem Punkt
identifiziert, der in negativer Richtung im Abstand −a zum Ursprung liegt. Auf
diese Weise bekommt insbesondere jede rationale Zahl eine Darstellung auf der
Zahlengerade. Wie schon angedeutet entsprechen aber nicht alle Punkte auf der
Gerade rationalen Zahlen.
Es ist relativ kompliziert, eine präzise und vollständige Definition der reellen
Zahlen zu geben und eine solche Definition kann im Rahmen dieser Vorlesung
nicht gebracht werden. Ein wesentlicher Umstand ist dass die rationalen Zahlen
in den reellen Zahlen dicht liegen. Das heißt, dass wenn a eine reelle Zahl
ist und > 0 es eine rationale Zahl b gibt, so dass der Abstand zwischen a
und b kleiner als ist. Man kann eine reelle Zahl beliebig gut durch rationale
Zahlen approximieren. Praktische Messungen in der realen Welt haben nur eine
endliche Genauigkeit. Wenn wir die Länge eines Stabs messen wird das Ergebnis
immer nur mit endlich vielen Dezimalstellen angegeben. Das heißt, das Ergebnis
ist eine rationale Zahl. Die reellen Zahlen sind trotzdem für die Anwendungen
der Mathematik von großer Bedeutung. Die Vorteile dieses Begriffs hängen
damit zusammen, dass wir ein intuitives Bild der Gerade in uns tragen. Eine
Definition der reellen Zahlen wurde erst 1872 von Richard Dedekind aufgestellt,
der damals Professor der Mathematik in seinem Geburtsort Braunschweig war.
Seine Konstruktion, der ’Dedekindsche Schnitt’ wird bis heute verwendet.
Jetzt soll gezeigt werden, warum die rationalen Zahlen für die Geometrie
nicht ausreichen. Die alten Griechen
√ wussten, dass die Diagonale eines Quadrats
der Seitenlänge Eins die Länge 2 hat, und dass diese Zahl irrational ist. Der
Beweis ist ein sogenannter ’indirekter Beweis’ oder Beweis durch Widerspruch.
Man nimmt an, dass eine bestimmte Aussage wahr sei und leitet aus dieser
Aussage durch logische Schritte einen Widerspruch. Daraus schließt man, dass
die Annahme
√ falsch gewesen sein muss. Im Beispiel, das uns interessiert führt die
Annahme,
2 sei rational zu einem Widerspruch und damit ist bewiesen, dass
√
2 irrational ist. Bevor wir den Beweis durchführen machen wir auf folgende
Umstände aufmerksam.
(i) Wenn a eine positive rationale Zahl ist, dann kann sie in der Form p/q
geschrieben werden mit p und q aus Z. Dabei darf angenommen werden, dass
p und q positiv sind. Weil wenn p negative wäre, wäre q auch negativ und man
könnte p und q durch −p und −q ersetzen. Wenn p und q positiv sind können
wir weiterhin anehmen, dass p die kleinste Zahl ist für die es ein solches Paar
(p, q) gibt. In dem Fall sind p und q nicht beide gerade. Weil sonst könnten wir
sie durch (p/2, q/2) ersetzen.
(ii) Wenn eine ganze Zahl a gerade ist, dann ist definitionsgemäss a = 2b für
eine ganze Zahl b. Dann ist a2 = 4b2 = 2(2b2 ) auch gerade. Wenn dagegen a
ungerade ist, dann ist a = 2b + 1 für eine ganze Zahl b und a2 = (2b + 1)2 =
2(2b2 + 2b) + 1 auch ungerade. Zusammenfassend, eine ganze Zahl a ist gerade
2
genau dann wenn
√ a gerade ist.
Satz Die Zahl 2 ist irrational. √
Beweis Wenn
√ wir annehmen, dass 2 rational ist, dann gibt es ganze Zahlen p
und q mit 2 = pq . Wir können nach (i) annehmen, dass p und q positiv sind
3
und nicht beide gerade. Quadrieren und mit q 2 multiplizieren gibt p2 = 2q 2 .
Deshalb ist p2 gerade. Es folgt aus der obigen Diskussion, dass p gerade ist,
also p = 2r für eine ganze Zahl r. Deshalb ist 4r2 = 2q 2 und q 2 = 2r2 . Daraus
folgt, dass q 2 und deshalb auch q gerade ist. Die Zahlen p und q sind also beide
gerade, was unserer Annahme widerspricht. Damit ist der Beweis geführt.
Es ist viel schwieriger zu beweisen, dass π irrational ist. Der erste Beweis stammt
vom schweizer Mathematiker Johann Heinrich Lambert im Jahr 1761.
3
Der Goldene Schnitt
Der Goldene Schnitt ist ein Verhältnis von Längen, das in der Kunst als besonders schön gilt. Sie kommt auch an vielen Stellen in der Natur vor, z.B. bei der
Blattstellung von Pflanzen (Phyllotaxis).
3.1
Definition des Goldenen Schnitts
Der Goldene Schnitt wird durch eine Art definiert, eine Strecke zu schneiden,
liefert aber am Ende eine reine Zahl.
Definition Eine Strecke der Länge s > 0 wird im Goldenen Schnitt s = a + b
geteilt, wenn sich die ganze Länge s zum größeren Abschnitt a wie dieser zum
kleineren Abschnitt b verhält. Das heißt, es ist
a
s
= .
a
b
(3)
Aus dieser Beziehung folgt, dass
s
a
=
,
a
s−a
a 2
s
+
a
−1=0
s
(4)
Die Formel für die Lösung einer quadratischen Gleichung liefert
1 1√
a
=− ±
5.
s
2 2
(5)
Eine dieser Lösungen ist negativ und deshalb für das ursprüngliche Problem
nicht relevant. Die andere ist
a
1 √
= ( 5 − 1) = 0, 618 . . . .
(6)
s
2
Die Zahl
Φ=
a
s
= = 1, 618 . . .
b
a
(7)
ist das Goldene Verhältnis.
Es wird manchmal behauptet, dass bei bestimmten schönen Gebäuden das
Verhältnis der Dimensionen das Goldene Verhältnis ergibt (z. B. das Parthenon
in Athen, der Dom von Florenz, Notre Dame in Paris). Es gibt aber anscheinend keine Dokumente die belegen würden dass beim Bau an so etwas
4
bewusst gedacht wurde. Vielleicht war es der unbewusste Sinn des Architekten
nach Schönheit. In der Natur findet man das Goldene Schnitt bei der Anordnung
der Blätter bestimmter Pflanzen. Der Goldene Winkel ist, in Grad ausgedrückt,
360
Φ . Bei bestimmten Pflanzen wo die Blätter um einen Stiel herum angeord
net sind ist der Winkel zwischen aufeinanderfolgen Blättern 360 1 − Φ1 . Nach
einer Theorie erreicht die Pflanze dadurch, dass die Blätter sich möglichst wenig
überdecken und sich dadurch bei der Photosynthese möglichst wenig gegenseitig
behindern.
3.2
Harmonische Rechtecke
Ein Rechteck heißt harmonisch wenn die Längen der Seiten a, b mit a > b so
a
. In diesem Fall gilt ab = Φ. Wenn man ein Rechteck in
sind, dass ab = a+b
ein Quadrat und einen Rest zerlegt und das Verhältnis der Seiten beim Rest
so ist wie beim ursprünglichen Rechteck, dann ist das ursprüngliche Rechteck
harmonisch.
3.3
Vergleich mit der DIN-Norm für Papierformate
Wie werden die üblichen Papierformate (A0, A1, A2, A3, A4, . . .) definiert? Sie
haben die Eigenschaft, dass wenn man ein Blatt in einem dieser Formate halbiert, das Ergebnis ein Blatt im nächsten Format der Reihe ist. Alle Formate
der Reihe haben das gleiche Verhältnis der Breite zur Länge. Dieses Verhältnis
kann man folgendermassen berechnen. Wenn Länge und Breite des ersten Blattes a und b sind, dann ist die Bedingung die erfüllt werden muss ab = 2b
a . Daraus
√
a
folgt, dass b = 2. Um zu wissen, wie groß die einzelnen Blätter sind muss man
noch wissen, wie groß eins der Formate ist. Es wird festgelegt, dass das A0-Blatt
die Fläche ein Quadratmeter haben soll. Die Länge des A0-Blatts ist dann die
vierte Wurzel aus zwei. Sie ist nicht rational und insbesondere keine ganze Zahl
von Millimetern. In der Praxis arbeitet man mit einer gewissen Toleranz. Der
Richtwert ergibt eine Fläche von 999.949 Quadratmillimetern.
4
4.1
Die Fibonacci-Zahlen
Definition der Fibonacci-Zahlen
Leonardo da Pisa, Fibonacci genannt, war einer der ersten, der die indo-arabischen
Ziffern in Europa bekannt gemacht hat. In seinem Buch ’Liber Abbaci’ (um 1200
erschienen) hat er folgendes Beispiel beschrieben:
Ein bestimmter Mann hat ein Kaninchenpaar an einem Ort gehalten der auf
allen Seiten von einer Mauer umgeben war. Wie viele Kaninchenpaare können
in einem Jahr aus diesem Paar produziert werden wenn angenommen wird,
dass jedes Paar in jedem Monat ein weiteres Paar hervorbringt, welches ab dem
zweiten Monat fruchtbar wird?
5
Dieses Beispiel hat natürlich wenig mit Biologie und viel mit Mathematik
zu tun. Die Fibonacci-Folge (die schon vor mehr als 2000 Jahren von anderen
betrachtet wurde) wird folgendermassen definiert
Definition Die Fibonacci-Folge {Fn } wird rekursiv durch
F1 = F2 = 1,
(8)
Fn = Fn−1 + Fn−2 ,
n = 3, 4, . . .
(9)
definiert. Die ersten Elemente der Folge sind
1, 1, 2, 3, 5, 8, 13, 21, 34, 55, . . .
4.2
(10)
Goldener Schnitt und Fibonacci-Zahlen
Betrachten wir die Zahlen
√
1− 5
φ=
= −0, 618 . . . ,
2
Φ=
√
1+ 5
= 1, 618 . . . .
2
(11)
Die Zahl Φ ist nichts anderes als das Goldene Verhältnis. Die Zahlen φ und Φ
sind beide Lösungen der Gleichung x2 − x − 1 = 0. Von diesem Ausgangspunkt
können wir verschiedene Gleichungen für φ herleiten:
1 + φ = φ2
1 + 2φ = φ3 ,
4
1 + 2φ = 1 + φ + φ = φ + φ2 = φ(1 + φ) = φ3
2 + 3φ = φ ,
2 + 3φ = 1 + φ + 1 + 2φ = φ2 + φ3 = φ2 (1 + φ) = φ4
3 + 5φ = φ5 ,
3 + 5φ = 1 + 2φ + 2 + 3φ = φ3 + φ4 = φ3 (1 + φ) = φ5
5 + 8φ = φ6 ,
5 + 8φ = 2 + 3φ + 3 + 5φ = φ4 + φ5 = φ4 (1 + φ) = φ6
Diese Rechnung könnten wir beliebig lange weiterführen. Die gleichen Identitäten gelten für Φ, da Φ die gleiche Ausgangsleichung erfüllt wie φ. Hier baut
sich ein Muster auf, wo die Fibonacci-Zahlen zum Vorschein kommen. Wenn
wir die Gleichungen dieser Folge für φ von den entsprechenden Gleichungen für
Φ subtrahieren dann ergeben sich die Gleichungen
Φ2 − φ 2
Φ3 − φ 3
Φ4 − φ 4
Φ5 − φ 5
= 1,
= 2,
= 3,
= 5, usw.
(12)
Φ−φ
Φ−φ
Φ−φ
Φ−φ
√
In diesen Formeln können wir den Nenner durch 5 ersetzen. Durch diese
Überlegungen kommt man auf folgende Aussage, die von de Moivre und Binet
bewiesen wurde. (Die soeben gemachten Rechnungen beweisen den Satz nicht.)
Satz Zwischen den Fibonacci-Zahlen Fn und den Goldenen Zahlen φ und Φ
besteht der Zusammenhang
1
Fn = √ (Φn − φn ),
5
n = 1, 2, 3, . . .
Da |φ| < 1 folgt aus diesem Satz, dass für n groß Fn ungefähr gleich
6
(13)
√1 Φn
5
ist.
4.3
Binomischer Lehrsatz und Pascalsches Dreieck
Die Fakultät wird durch n! = 1 · 2 · 3 · . . . · n definiert. Die Binomialkoeffizienten
werden durch
n
n!
n
n
=
,
= 1,
=1
(14)
k
k!(n − k)!
0
n
definiert. In diesem Zusammenhang ist es auch günstig 0! = 1 zu definieren.
Satz (Binomischer Lehrsatz) Wenn a, b ∈ R und n ∈ N dann gilt
n
(a + b) =
n X
n
k=0
k
an−k bk .
(15)
Dieser Satz wird normalerweise durch vollständige Induktion bewiesen. Dieser
Beweismethode wenden wir uns im nächsten Abschnitt zu. Im Fall n = 1
reduziert sich der Satz auf die uninteressante Gleichung a + b = a + b. Dagegen
sind die Fälle n = 2 und n = 3 schon für algebraische Rechnungen sehr nützlich.
Sie lauten
(a + b)2 = a2 + 2ab + b2 ,
3
3
2
(16)
2
3
(a + b) = a + 3a b + 3ab + b .
(17)
Wenn wir (a + b)n für größere Werte von n auf diese Weise ermitteln wollten, dann könnten die Rechnungen langwierig werden. Sie lassen sich einfacher
sukzessiv durch die Verwendung der Identität
n+1
n
n
=
+
(18)
k
k−1
k
berechnen. Diese Identität bekommt eine geometrische Interpretation durch das
Pascalsche Dreieck. [In der Vorlesung wird das Dreieck angeschrieben.]
4.4
Restklassen nach Division
Definition Für zwei ganze Zahlen a, b ∈ Z und eine positive natürliche Zahl
m ∈ N schreiben wir
a ≡ b mod m
bzw.
a − b ≡ 0 mod m
(19)
genau dann, wenn a und b nach Division durch m den gleichen ganzzahligen
Rest lassen. Es sind also z. B. 1 ≡ 5 mod 2 und 5 ≡ 14 mod 3. Die Division
durch zwei teilt die natürlichen Zahlen N offenbar in zwei disjunkte Restklassen
ein. Es sind die Restklasse aller ungeraden Zahlen (die Division durch zwei lässt
den Rest 1) und die Restklasse aller geraden Zahlen (die Division durch zwei
lässt den Rest 0). Wir schreiben
0̄ = {. . . , 2, 4, 6, 8, 10 . . .},
1̄ = {. . . , 1, 3, 5, 7, 9 . . .}.
7
Analog zerlegt die Division durch 5 die Menge N in fünf einander disjunkte
Restklassen, deren Elemente durch den gemeinsamen Rest 0, 1, 2, 3 oder 4
charakterisiert sind:
0̄ = {. . . , 5, 10, 15, 20, 25 . . .},
1̄ = {. . . , 1, 6, 11, 16, 21 . . .},
2̄ = {. . . , 2, 7, 12, 17, 22 . . .},
3̄ = {. . . , 3, 8, 13, 18, 23, . . .},
4̄ = {. . . , 4, 9, 14, 19, 24 . . .}.
(20)
Wir wollen die Elemente einer solchen Restklasse als äquivalent ansehen, gekennzeichnet durch das Symbol ∼, schreiben also z. B.
5 ∼ 10,
5 ∼ 15 , 10 ∼ 15
usw.
(21)
für die Restklasse 0̄ bei Division durch 5. Für dieses Beispiel schreibt man
allgemeiner
a ∼ b genau dann, wenn a − b ≡ 0 mod 5.
(22)
Die hierdurch eingeführte Relation zwischen zwei Elementen a und b besitzt interessante Eigenschaften, die sie als sogenannte Äquivalenzrelation auszeichnen.
Definition Eine Äquivalenzrelation ist durch folgende Eigenschaften charakterisiert. Sie ist
reflexiv: es gilt stets x ∼ x
symmetrisch: wenn x ∼ y dann gilt auch y ∼ x
transitiv: wenn x ∼ y und y ∼ z dann gilt auch x ∼ z
Der Begriff der Äquivalenzrelation hat in der Mathematik viele Anwendungen.
Diese Definition kann im Rahmen der Mengenlehre präzisiert werden. Wir fangen mit einer Menge X an. Die Produktmenge X × X ist die Menge aller
Paare (a, b) mit a, b ∈ X. Eine Relation auf X wird durch eine Teilmenge R
von X × X definiert. Die Relation heißt Äquivalenzrelation wenn folgende drei
Eigenschaften gelten, die den schon oben genannten Eigenschaften entsprechen.
Für jedes Element a ∈ X ist (a, a) ∈ R. Wenn (a, b) ∈ R, dann auch (b, a).
Wenn (a, b) ∈ R und (b, c) ∈ R dann ist (a, c) ∈ R. Die Beziehung zwischen den
zwei Schreibweisen ist, dass (a, b) ∈ R der Aussage a ∼ b entspricht.
Es werden jetzt verschiedene Rechenregeln für Restklassen ohne Beweis
angegeben.
Aus a ≡ b mod m und c ∈ Z folgt a + c ≡ b + c mod m
Aus a ≡ b mod m und c ≡ d mod m folgt a + c ≡ b + d mod m
Aus a ≡ b mod m und c ∈ Z folgt ac ≡ bc mod m
Aus a ≡ b mod m und c ≡ d mod m folgt ac ≡ bd mod m
Aus a ≡ b mod m und n ∈ N folgt an ≡ bn√mod m
Denken wir an den Beweis zurück, dass 2 irrational ist. In diesem Beweis
haben wir zwei Tatsachen verwendet. Die erste ist, dass wenn man eine rationale
8
Zahl in Form p/q schreibt mit ganzen Zahlen p und q man annehmen darf, dass
p und q nicht beide gerade sind. Es ist allgemeiner so, dass man annehmen kann,
dass p und q teilerfremd sind. Das heisst, es gibt keine natürliche Zahl r > 1, die
p
√und q teilt. Die einzige andere Eigenschaft der Zahl 2 die wir im Beweis, dass
2 irrational ist verwendet haben ist, dass eine Zahl n gerade ist genau dann
wenn n2 gerade ist. Dies ist die Aussage dass n ≡ 0 mod 2 genau dann, wenn
n2 ≡ 0 mod 2. In dem Fall, dass für eine andere Zahl k gilt, dass n ≡ 0 mod k
genau dann wenn n2 ≡ 0 mod k, dann kann man ähnlich argumentieren wie
im Fall k = 2. Dass die zweite Aussage aus der ersten folgt sieht man aus den
obigen Rechenregeln. Die Umkehrung kann man für einen gegebenen Wert von
k überprüfen, in dem man alle Fälle durchgeht. Z. B. im Fall k = 5.
2
2
12 ≡ 1 mod 5, 22 ≡ 4 mod
√ 5, 3 ≡ 4 mod 5, 4 ≡ 1 mod 5
Damit ist bewiesen dass 5 irrational ist und dass das goldene Verhältnis irrational ist.
5
Quellen
Im Sommersemester 2012 hat Steffen Fröhlich die Vorlesung Elementarmathematik an der Universität Mainz gehalten und ein Skript dazu geschrieben. Für
die Vorlesung Elementarmathematik in späteren Semestern hat Alan Rendall
dieses Skript nach seinem Geschmack abgeändert. Der vorliegende Text ist das
Ergebnis. Die Abschnitte 2-7 basieren auf dem Text von Fröhlich. Die Hauptquelle für die Abschnitte 9 und 10 ist das Buch von Clark und Holton [1]. Die
Hauptquelle für den Abschnitt 11 ist das Buch von Feller [2].
References
[1] Clark, J. und Holton, D. A. Graphentheorie. Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg.
[2] Feller, W. 1950 An introduction to probability theory and its applications.
Wiley, New York.
[3] Nowak, M. A. und May, R. M. 2000 Virus Dynamics. Oxford University
Press, Oxford.
[4] Singh, S. 2000 Fermats letzter Satz - die abenteuerliche Geschichte eines
mathematischen Rätsels. DTV, München.
9
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