V A R I A Feuilleton Kleopatra Im Spiegel des Okzidents In Genf sind zurzeit Gemälde, Skulpturen und Statuetten zu sehen, die sich mit dieser ungewöhnlichen Frau der Weltgeschichte befassen. V voller köstlicher Feigen, die Fantasie der Maler des 16. bis 18. Jahrhunderts am meisten inspiriert. Beliebteste Bissstelle ist eine der weißen Brüste – mal mit, mal ohne Blutströpfchen. Bei Arnold Böcklin führt Kleopatra die Schlange selbst an ihren Busen. Nur wenige gönnen ihr den Freitod durch einen mutigen Stich mit dem gezückten Dolch, wie Guido Cagnacci. Foto: Museum Roth or den Augen Caesars lässt Kleopatra bei einem Bankett ostentativ eine kostbare Perle in ihren Pokal fallen, damit sie sich im Wein auflöse. Welch unerhörte Verschwendung! Sie will damit dem römischen Herrscher beweisen, dass sie und ihr Land Ägypten unermesslich reich und es wert sind, Partner Roms zu sein. Der Italiener Giambattista Tiepo- Guido Cagnacci: Tod der Kleopatra, 1659, Öl auf Leinwand lo hat im 18. Jahrhundert gleich mehrere Bankett-Szenen mit der Perle gemalt, wobei er Kleopatra als dickliche, arrogante Matrone darstellt. Auch die holländischen Maler sehen Kleopatra, dem Stil der Zeit entsprechend, als fleischig-üppige Frau, jedoch mit zarten Brüsten, zwischen denen die Viper ihr Gift deponiert – später der Freitod der letzten ägyptischen Königin, kaum dreißigjährig. Ihr Tod ist in dieser Art zwar historisch nicht bewiesen. Doch hat die Viper, verborgen in einem Körbchen Bis zum 1. August sind in Genf im Museum Rath Gemälde, Skulpturen und Statuetten berühmter Künstler des 16. bis 18. Jahrhunderts zu sehen, die sich mit dieser ungewöhnlichen Frau der Weltgeschichte befassen. Ausgelöst wurde dieser Boom der Künstler durch Shakespeares „Caesar und Kleopatra“. Der viel ältere Caesar und die junge Kleopatra sind wohl das Berühmteste aller Liebespaare der politischen Weltgeschichte. Noch dazu waren beide vor gut 2 000 Jahren die jeweils füh- Jg. 101 Heft 22 28. Mai 2004 Deutsches Ärzteblatt renden Staatspersönlichkeiten der mächtigsten, rivalisierenden Reiche der westlichen Hemisphäre: Julius Caesar war Herrscher über das große Römische Reich, Kleopatra VII. Königin des ägyptischen Reiches, und zwar durch die Entscheidung Caesars, der 46 v. Chr. Alexandria erobert hatte und Thronstreitigkeiten zu ihren Gunsten entschied. Versteckt in einem zusammengerollten Teppich, hatte sie sich zu ihm bringen lassen. Nicht zuletzt diese List scheint Caesar sofort in Liebe zu ihr entflammt zu haben. Denn schön soll sie nicht gewesen sein. Doch klug, vielsprachig, politisch engagiert, dabei witzig und charmant. Im selben Jahr gebar sie Caesar einen Sohn, den sie Caisarion nannte. Bis zu Caesars Ermordung 44 v. Chr. lebte sie mit ihm in Rom. Keineswegs aber gab sie nach seinem Tod ihre politischen Ambitionen als Mitregentin eines vereinigten römisch-ägyptischen Reiches auf. Als sie drei Jahre später Marcus Antonius begegnete, der nun gemeinsam mit Octavian über Rom herrschte, ließ sie auch ihn sofort in Liebe zu ihr entflammen. Auf einem schwülstigen Lustbett lässt Johann Heinrich Tischbein d. Ä. Kleopatra aktiv Marcus Antonius verführen. Doch auch die stolzen Pläne mit dem Nachfolger Caesars erfüllen sich nicht. In der „Kleopatra im Spiegel der Kunst des Okzidents“ ist bis 1. August im Museum Rath, Place Neuve, CH-1204 Genf zu sehen. E-Mail: mah@ville ge.ch. Öffnungszeiten: 10 bis 17 Uhr, mittwochs 12 bis 21 Uhr, montags geschlossen. Eintritt: 9 sFr., reduziert 5 sFr., frei jeden ersten Sonntag im Monat. Der Katalog kostet 48 sFr. Seeschlacht bei Actium 31 v. Chr. gegen den Konkurrenten Octavian erlitt Antonius eine erbärmliche Niederlage, die Kleopatra von ihrem eigenen Schiff aus beobachtete. Anton Raphael Mengs malt sie 1759, nach der verlorenen Schlacht heftig mit dem lorbeerbekränzten, aber geschlagenen Antonius diskutierend. Er stürzt sich in sein Schwert und wird in ihrem Mausoleum beigesetzt. Anrührend ist das in zarten Pastelltönen gehaltene Gemälde von Angelika Kauffmann (1769), die Kleopatra mit Angelika Kauffmann: Kleopatra schmückt das Grab des Marcus Antonius, 1769/70, Öl auf Leinwand zwei Dienerinnen, erschüttert vor dem Sarkophag des Antonius kniend, Blumen darbringen lässt. Um vom Sieger Octavian nicht in Rom als „Kriegsbeute“ im Triumphzug gefesselt neben seinem Wagen mitgeführt zu werden, nimmt sie sich das Leben. Die Bronze-Figur Kleopatras als „Schlafende Ariadne“ beherrscht das Untergeschoss, in dem außer weiteren Gemälden, Grafiken, Kupferstichen und auch römischen Münzen mit ihrem Porträt eine filmische Retrospektive Platz findet: Aus den zwei großen Kleopatra-Filmen von 1934 und 1963 sind Fotos, Kostüme und kostbare Schmuckstücke zu sehen, die Liz Taylor als Kleopatra trug, eine Leihgabe von 20th Century Fox. Andy Warhol ist vertreten mit der Serigraphie „Silver Liz as Cleopatra“ Renate V. Scheiper (1963). A 1605