zur farbenlehre

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ZUR FARBENLEHRE
GOETHES SCHWIERIGES BUCH
•Goethes umfangreichstes Werk
•erschienen 1810 nach 20jähriger
Vorarbeit
•750 Seiten, 3 Teile: didaktisch,
polemisch, historisch
•lebenslange, intensive Beschäftigung •extrem hohe Selbsteinschätzung
NEWTON IN CAMBRIDGE
•Isaac Newton 1643 -1727
•Hauptwerk Philosophiae
Naturalis Principia
Mathematica 1687
•Optische Forschungen 1670,
Lehrbuch 1704
•Das Buch enthält (fast) keine
Mathematik!
Newton versuchte, das lästige Problem des Farbfehlers im Fernrohr
zu lösen:
Goethe sah durch ein
Prisma auf eine weiße
Wand und sah, daß sie...
nach wie vor weiß blieb, daß nur da wo ein Dunkles dran
stieß, sich eine mehr oder weniger entschiedene Farbe
zeigte, daß zuletzt die Fensterstäbe am allerlebhaftesten farbig erschienen, indessen am lichtgrauen
Himmel draußen keine Spur von Färbung zu sehen war.
Das Phänomen ist genau und korrekt beschrieben, Es war zur
Goethezeit der Fachwelt vollkommen bekannt (Kantenspektren).
Indem er an den Anfang seiner Betrachtungen das höchst komplizierte
Phänomen der leuchtenden Fläche stellt, zeigt er, daß ihm die
wissenschaftliche Methode fremd ist.
In der Abteilung physische Farben des didaktischen Teils wird in über
350 Paragraphen eine Fülle von Farberscheinungen an Rändern farbiger
Flächen diskutiert. Newtons Grundversuch läßt sich daraus nur vage
rekonstruieren. Eine physikalische Optik wird nicht diskutiert.
Es ist sehr schwer, daraus ein klares Verständnis von Goethes
Farbentheorie zu entwickeln. Farbe wird als Phänomen der
Begegnung von Licht und Finsternis interpretiert.
Gelb ist nahe am Licht, Blau nahe an der Dunkelheit.
Erst im polemischen Teil wird eine Zusammensetzung des
weißen Lichts aus Farben scharf zurückgewiesen.
Der polemische Teil ist der Kern der Goetheschen
Farbenlehre. Leider fehlt er in den meisten Ausgaben!
WISSENSCHAFT WIDER DIE ZEIT
(F. HÖPFNER)
In der Geschichte der Naturwissenschaften gilt Goethe als Exponent
eines deutschen Sonderwegs der Naturphilosophie: Urphänomene,
Polarität.
Die optischen Forscher der Goethezeit waren alle Anti-Newtonianer
Korrektur des Farbfehlers
Dolland (1760), Fraunhofer (1810)
Natur des Lichts
Licht ist Wellenerscheinung
Farbe ist Maß für die
Wellenlänge!
Joseph Fraunhofer
1787-1826
Augustin Fresnel
1788-1827
Außerordentlich tiefsinniger Beweis der Wellennatur des Lichts. Theorie der Abbildung. Laut
Besprechung in Allgemeiner Literatur-Zeitung vom Feb. 1829 wurde die Arbeit am 29. Juli 1818
der Pariser Akademie vorgelegt, erhielt 1819 den erstenPreis und wurde 1826 gedruckt,
In
den Jahren nach Veröffentlichung der Farbenlehre wurde
die Beschäftigung mit prismatischen Experimenten in Goethes
Haushalt zur Obsession, aber
keine Erklärung des Regenbogens!
REZEPTIONSGESCHICHTE
•Enorme Literatur im deutschen Sprachraum
•Darunter besonders viele Naturwissenschaftler
(v.Helmholtz, Virchow, DuBois-Reymond, Oswald, Planck, Born, Heitler, v.
Weizsäcker, Schrödinger, Heisenberg...)
These: Der Grund für die überaus vielfältige
Beschäftigung mit dem Buch liegt weniger im
Inhalt als in der Person des Autors.
Was wäre, wenn z.B. Friedrich Grävell das Buch geschrieben hätte?
Es gibt Schwerpunkte der Rezeption:
1) GOETHE HAT DOCH RECHT
Häufig auftauchendes Muster
der Rechtfertigung, besonders
aktiv: Anthroposophen in der
Nachfolge Rudolph Steiners (1861-1925)
1955, 20 Sprachen,
20 Mio Auflage
Goethe und die Quantenmechanik:
In der Quantenmechanik wird
die Mathematisierung und
unanschauliche Beschreibung
von Vorgängen in der Natur
weiter gesteigert.
Viel zitiert: W. Heisenbergs Aufsatz von 1942,
indem er zu einer Versöhnung beider
Ansichten aufruft.
2) FARBENLEHRE IST MEHR ALS PHYSIK
Korrekt! Von den 210 S. des didaktischen Teils der Farbenlehre in der HA
behandeln nur 80 physikalische Effekte.
Der Rest gilt der Physiologie, Chemie
und z.B. der sinnlich sittlichen Wirkung.
Kreis der physiologischen
Komplementärfarben, eine
bleibende Leistung Goethes
Wär nicht dasAuge sonnenhaft,
wie könnten wir das Licht erblicken?
Lebt nicht in uns des Gottes eigne Kraft,
Wie könnt uns Göttliches entzücken?
Für Goethe selbst waren nur die prismatischen Forschungen wirklich
wichtig. Im Polemischen und Historischen Teil (ca. 500 S) geht es
praktisch nur um die Auseinandersetzung mit Newton.
Einfluß der Farbenlehre (sinnlich sittliche Wirkungen) auf erstrangige
Maler nicht zu sehen. Umgekehrt, wüste Polemiken im Namen
Goethes gegen Impressionisten etc. (TMM, München).
3) Allgemeiner Kulturpessimismus
...ein weites Feld
GOETHES FARBENTHEOLOGIE
Der Göttinger Germanist A. Schöne konzentriert sich ganz auf den Autor und interpretiert
die Farbenlehre als quasitheologisches Werk
ausgehend von einem quasireligiösen
Erweckungserlebnis.
Didaktischer Teil --> Dogmatik
Polemischer Teil --> Disputation
Historischer Teil --> Kirchen- und
Ketzerhistorie
K. R. Eissler geht einen
entscheidenden Schritt
weiter.
WARUM NEWTON?
Goethe warnte hellseherisch vor
den Gefahren der Moderne.
(Wilhelm Meister, Faust II, Briefe)
Anstatt nur zu predigen versuchte
er, die Moderne mit ihren eigenen
Waffen zu schlagen. (A. Schöne)
Newton steht am Anfangspunkt
einer vollständigen Vertreibung des
Mythischen aus der Natur
Immer wieder lesenswert:
Gottfried Benns Aufsatz „Goethe
und die Naturwissenschaften“
Das überhand nehmende Maschinenwesen
quält und ängstigt mich, es wälzt sich heran
wie ein Gewitter, langsam, langsam; aber es
hat seine Richtung genommen, es wird
kommen und treffen.
EPILOG
Am 2. Juli 1792 berichtet Goethe in einem Brief an Sömmering über
ein Experiment:
...daß nämlich die beiden
gegenüberstehenden Farbenränder eine ganz verschiedene
Wirkung, ja eine entgegengesetzte äußern, und da sie
beide nur für Erscheinungen
gehalten werden, einen solchen
reellen und ziemlich lange
dauernden Einfluß auf einen
Körper zeigen.
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