Leseprobe - Christiani

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28
Messen
Thermische Größen / thermal parameters
1.5.2 Temperaturabhängige Widerstände
1.5 Erfassung thermischer
Größen
In den in der Automatisierung eingesetzten Widerstandsmessfühlern werden unterschiedliche temperaturabhängige Widerstände verwendet. Dabei
wird der Effekt ausgenutzt, dass sich der Widerstand z. B. eines Metalls in Abhängigkeit von der
Temperatur verändert.
1.5.1 Grundlagen
Temperatursensoren werden in passive und aktive
Sensoren unterschieden. Als passive Sensoren
werden in der Regel temperaturabhängige Widerstände verwendet. Diese verändern also ihren Widerstand in Abhängigkeit der Temperatur und erzeugen kein eigenständiges verwertbares Signal.
Aktive Sensoren hingegen stellen ein der Temperatur proportionales Signal zur Verfügung.
Dabei gilt für den Widerstand RT eines metallischen
Leiters bei einer bestimmten Temperatur folgende
Formel:
RT = R20 · (1 + α · ∆T)
R20: Widerstand des Leiters bei 20 °C.
α: Temperaturkoeffzient (Platin: α = 0,004 1/K)
Ist der Temperaturkoeffizient größer als Null,
spricht man von einem positiven, ist er kleiner
als Null, von einem negativen Temperaturkoeffizienten.
∆T: Temperaturänderung bezogen auf 20 °C in K.
Passive Temperatursensoren werden in einer
Brückschaltung in Zwei-, Drei- oder Vierleitertechnik betrieben:
Zweileitertechnik
Bei der Zweileitertechnik (Abb. 2a) sind der Sensor
und die Auswerteschaltung gemeinsam mit einer
zweiadrigen Leitung verbunden. Da der Leiterwiderstand und der Sensor in Reihe liegen, kommt es
zu einer Messwertverfälschung.
Für Widerstandsmessfühler wird vor allem Platin
eingesetzt, da es über eine sehr lineare Kennlinie verfügt. Auch bei häufiger Erwärmung und
Abkühlung behält es seinen ursprünglichen Widerstandswert nahezu bei. Der so genannte Bemessungswiderstand ist bei 0 °C definiert. Für
Widerstandsmessfühler ist er genormt und beträgt
100 Ω, 200 Ω, 500 Ω oder 1000 Ω. Daraus lässt
sich z. B. auch die Bezeichnung Pt100 (PlatinMessfühler mit 100 Ω Bemessungswiderstand) ableiten. Die Kennlinie ist im Bereich von –100 °C bis
400 °C nahezu linear (Abb. 3).
Dreileitertechnik
Bei der Dreileitertechnik (Abb. 2b) wird ein zusätzlicher Leiter zum Sensor geführt, sodass zwei
Messkreise entstehen. Der Leiterwiderstand sowie
seine Temperaturabhängigkeit lassen sich kompensieren.
Vierleitertechnik
Bei der Vierleitertechnik (Abb. 2c) fliest durch den
Sensor ein konstanter Strom. Der Spannungsfall
am Sensor wird abgegriffen und an den Eingang einer hochohmigen Auswerteschaltung geführt. Leiterwiderstände und deren Temperaturabhängigkeit
sind weitgehend ohne Einfluss.
R in Ω
250
200
150
100
50
0
–100
Temperatursensoren
Halbleiter
PTC
Pt100
Halbleiter
PTC
0
ϑ in
°C
100 200 300 400
Abb. 3: Kennlinie eines Pt100 Messfühlers
Thermoelement
Das Widerstandsmaterial wird bei diesem Messfühler auf ein Trägermaterial gewickelt. Bei Miniaturausführungen wird das Platin auf eine Keramikfläche aufgedampft. Aufgrund der geringen
Abb. 1: Beispiele für Temperatursensoren
RL
R1
RL
RM
RL
R2
+
–
R3
RL
UA
UB
RM
R1
+
–
RL
IB = konst.
R2
R3
UA
+
–
UB RM
RL
a) Zweileitertechnik
b) Dreileitertechnik
c) Vierleitertechnik
Abb. 2: Anschluss eines Temperatursensors (rot = Sensor, blau = Auswerteschaltung)
UA
UB
29
Kaltleiter/Heißleiter / PTC thermistor/NTC thermistor
Abmessungen reagieren diese Sensoren sehr
schnell auf Temperaturänderungen. Dies ist z. B.
bei Temperaturmessungen in chemischen Prozessen sehr wichtig. Der Messbereich von Pt100-Sensoren wird meist mit –200 °C bis 850 °C angegeben.
Halbleitermaterialien sind stark temperaturabhängig. Die Widerstandsänderung bei Temperaturänderung ist daher deutlich größer als z. B. bei einem
Pt100. Dadurch sind Temperaturdifferenzen auch
kleinschrittig erfassbar. Da ihre Kennlinien jedoch
nur über einen kleinen Bereich linear verlaufen, ist
ihr Einsatzgebiet begrenzt. Durch ihre hohen Fertigungstoleranzen sind diese Fühler nicht ohne Neuabgleich der Schaltung austauschbar.
Man unterscheidet temperaturabhängige Materialien nach ihren Temperaturkoeffizienten in
• PTC (positiver Temperaturkoeffizient) und
• NTC (negativer Temperaturkoeffizient).
PTC (Kaltleiter)
Kaltleiter weisen in einem kleinen Temperaturbereich einen sehr hohen positiven Temperaturkoeffizienten auf.
Im aufgeheizten Zustand, z. B. ϑ1 = 180 °C, kann
für den Kaltleiter ein Wert von RPTC = 10 kΩ abgelesen werden 1 (Abb. 4).
Im kalten Zustand, z. B. ϑ2 = 20 °C, beträgt der Widerstand des Kaltleiters nur noch RPTC = 80 Ω 2.
Ein Messstrom wäre somit im heißen Zustand
deutlich kleiner als im kalten, da bei konstanter
Spannung gilt:
U
R ↑ → ____ → I ↓ U = konst.
R↑
NTC (Heißleiter)
Die Kennlinie (Abb. 5) zeigt, dass sich der Widerstand kontinuierlich mit zunehmender Temperatur
verringert. Die Änderung erfolgt über mehrere Zehnerpotenzen.
Im Gegensatz zum Kaltleiter ist ihr Kennlinienverlauf jedoch gleichmäßiger. Als Bemessungswert
wird der Widerstand bei 25 °C angegeben. Da bei
tiefen Temperaturen RNTC groß ist, wäre ein Messstrom sehr klein. Bei hohen Temperaturen wird
RNTC sehr klein, wodurch I groß wird.
Allgemein gilt daher für Heißleiter bei konstanter
Spannung:
ϑ ↑ → RNTC ↓ → I ↑
R in Ω
109
ϑ
2
108
R NTC
107 1
106
1 MΩ
105
104
100 kΩ
103
102
101
–100
0
100
200
300
400
500
ϑ in °C
Abb. 5: Kennlinie und Symbol von NTCs
R in Ω
105
R PTC
104
ϑ
103
2. Ermitteln Sie den größten und den kleinsten
Widerstand und die dazugehörigen Temperaturen
für die NTCs in Abb. 5.
102
101
1. Begründen Sie warum vorwiegend Platinsensoren in der Automatisierung zur temperaturerfassung verwendet werden.
3. Wie groß ist der Widerstand der NTCs in der
Abb. 5 bei 60 °C und bei 130 °C?
0 2 40
80
120
160 1 ϑ in °C
Abb. 4: PTC-Kennlinie und Symbol
4. Bei welcher Temperatur (Abb. 5) besitzen die
NTCs einen Wert von a) 300 Ω, b) 2 kΩ und c)
25 kΩ?
Das Symbol spiegelt diesen Zusammenhang wider.
Die steigende Temperatur (linker Pfeil) hat einen
Anstieg des Widerstandes zur Folge (rechter Pfeil).
5. Bei welcher Temperatur besitzen die NTCs
(Abb. 5) einen Wert von 1 kΩ?
Aufgaben
85
Stromwender / commutator
Stromwender (Kommutator)
Der Kommutator besteht aus voneinander isolierten Kupfersegmenten, die mit der Ankerwicklung
verbunden sind. Auf ihm schleifen die aus Kohle
gefertigten Bürsten. Diese Bürsten sind Verschleißteile, die in regelmäßigen Intervallen ersetzt werden müssen.
Im Klemmenkasten befinden sich die Anschlüsse
für den Anker und für die Erregerwicklung.
Ankerrückwirkung
Um die Verzerrungen durch das Ankerfeld auszugleichen, werden wie beim Generator (s. Kap. 2.4.1)
Wendepol- und Kompensationswicklungen eingefügt (Abb. 3). Sie werden in Reihe mit der Ankerwicklung geschaltet.
Kompensationswicklung
MWelle↑ ⇒ n ↓ ⇒ UG ↓ ⇒ IA ↑ ⇒ ΦA ↑ ⇒ MMotor↑
Die Größe der Gegenspannung UG errechnet sich
aus der Bemessungsspannung UB und der Ankerspannung UA wie folgt:
UG = UB – UA UA = RA · IA
UG = UB – RA · IA
RA: Ankerwiderstand
UG
UB
RA
UA
Abb. 4: Gegenspannung beim Motor
Beispiel: Gegenspannung und Ankerstrom
Ein Gleichstrommotor für 220 V hat einen Ankerwiderstand von 0,5 Ω.
b) Wie groß ist die Stromstärke in der Ankerwicklung im Moment des Anlaufs?
S
Geg.: UB = 220 V; RA = 0,5 Ω; IALeer = 2 A;
IABel = 30 A
Wendepol
S
IA
M
a) Welche Gegenspannung entwickelt der Motor, wenn die Ankerstromstärke im Leerlauf
2 A und unter Bemessungsbelastung 30 A
beträgt?
N
N
Durch die geringere Gegenspannung kann wiederum ein größerer Ankerstrom fließen, der ein stärkeres Magnetfeld aufbaut. Das vom Motor entwickelte Drehmoment steigt. Aus diesen Betrachtungen
ergibt sich folgende Wirkungskette:
Hauptpol
Abb. 3: Feldverlauf im Motor
Gegenspannung
Dreht sich der Anker des Gleichstrommotors im
Erregermagnetfeld, so wird auch in der Ankerwicklung eine Spannung induziert. Sie ist zur angelegten Betriebsspannung UB entgegengesetzt
gerichtet und wird deshalb als Gegenspannung UG
bezeichnet.
Auswirkungen der Gegenspannung
Im Moment des Motoranlaufs befinden sich die
Ankerleiter noch im Stillstand. Da keine Flussänderung vorhanden ist, entsteht keine Induktionsspannung. Die Gegenspannung ist gleich Null. Sie steigt
mit größer werdender Drehzahl (UG ~ n). Die Gegenspannung kann aber nie den Wert der Betriebspannung annehmen, da dann keine Spannung
mehr im Anker vorhanden wäre (UB – UG = 0 V).
Der Ankerstrom wäre dann gleich Null und damit
wäre kein Ankermagnetfeld mehr vorhanden.
Da die Gegenspannung von der Drehzahl des Ankers abhängt, ändert sie sich auch bei der Belastungsänderung des Motors. Wird er stärker
belastet, sinkt seine Drehzahl. Folglich wird die Gegenspannung kleiner.
Ges.: UGLeer in V; UGBel in V; IAnlauf in A
a) UGLeer = UB – RA · IA; UGLeer = 220 V – 0,5 Ω · 2 A
UGLeer = 219 V
UGBel = UB – RA · IA; UGBel = 220 V – 0,5 Ω · 30 A
UGBel = 205 V
UB – UG
b) UGAnlauf = UB – RA · IA; IA = _______
RA
Da im Anlauf keine Gegenspannung herrscht
(UG = 0), gilt
220 V – 0 V
IA = __________ ; IA = 440 A
0,5 Ω
Wie Teilaufgabe b) im vorangehenden Berechnungsbeispiel zeigt, ist die Anlaufstromstärke eines
Gleichstrommotors sehr groß. Ursache ist die fehlende Gegenspannung im Einschaltmoment. Der
Stromfluss wird nur durch den kleinen Ankerwiderstand begrenzt.
n = 0 ⇒ UG = 0 V ⇒ UB = UA ⇒ IA ↑↑, da RA ↓↓
Der Motor kann deshalb nicht ohne weiteres direkt
an das Versorgungsnetz angeschlossen werden.
!
Der Anker erzeugt eine Gegenspannung, die
der Klemmenspannung entgegengerichtet
ist. Die Gegenspannung begrenzt die Ankerstromstärke.
86
Anlasswiderstände / starting resistors
Anlasswiderstand
Die einfachste Lösung zur Begrenzung der Anlaufstromstärke sind Anlasswiderstände (Abb. 1). Sie
werden in Reihe zur Ankerwicklung geschaltet. Sobald der Motor seine Drehzahl erreicht hat, werden
die Anlasswiderstände wieder aus dem Stromkreis
entfernt.
2.4.2.2 Motorschaltungen
Je nachdem wie Anker- und Statorspule (Erregerspule) zueinander geschaltet sind, ergeben sich die
in Abb. 2 aufgeführten Gleichstrommotoren.
Gleichstrommotoren
Reihenschlussmotor
Anker- und Statorspule sind in Reihe an eine
gemeinsame Spannungsquelle angeschlossen
Damit es zu einer möglichst gleichmäßigen Beschleunigung des Motors kommt, besitzen Anlasswiderstände mehrere Schaltstufen.
!
Nebenschlussmotor
Anker- und Statorspule sind parallel an eine
gemeinsame Spannungsquelle angeschlossen
Hohe Anlaufstromstärken bei Gleichstrommotoren werden durch Anlasswiderstände
im Ankerstromkreis begrenzt. Bei Erreichen
einer ausreichenden Drehzahl werden sie
wieder entfernt.
Doppelschlussmotor
Anker- und Statorspule sind in Reihe an eine
Spannungsquelle angeschlossen. Die zweite
Statorspule ist dazu parallel geschaltet.
Fremderregter Motor
Anker- und Statorspule sind an verschiedenen
Spannungsquellen angeschlossen
Abb. 2: Motorarten
Abb. 1: Anlasswiderstand
Beispiel: Anlasswiderstand
Für den Motor aus dem Beispiel auf der vorherigen Seite soll der Anlasswiderstand so berechnet werden, dass die 1,5-fache Bemessungsstromstärke (Imax = 1,5 · IA) im Einschaltmoment
nicht überschritten wird.
Geg.: UB = 220 V; RA = 0,5 Ω; IA = 30 A
Ges.: RAnl in Ω
Imax = 1,5 · IA; Imax = 1,5 · 30 A; Imax = 45 A
Die einzelnen Wicklungen sind durch Buchstaben
und Zahlen gekennzeichnet (Abb. 3). Der Motor besitzt
• eine Ankerwicklung,
• eine bzw. zwei Erregerfeldwicklungen (Reihenschluss- oder Nebenschlusswicklung bzw. Wicklung zur Fremderregung) sowie
• Wendepol- und Kompensationswicklungen.
In Installationsschaltungen werden die Wendepolund Kompensationswicklungen oft nicht mitgezeichnet, weil in der Regel die interne Verdrahtung
nicht verändert werden kann.
Rges = RAnl + RA; RAnl = Rges – RA
C1
D2
C2
B1
B2 E2
A1 F2
U
220 V
Rges =
; R = _____ ; Rges = 4,89 Ω
Imax ges 45 A
B
____
RAnl = Rges – RA ; RAnl = 4,89 Ω – 0,5 Ω ;
RAnl = 4,39 Ω
D1
E1
F1
M
A2
B1
A1 – A2
Ankerwicklung
D1 – D2
Reihenschlusswicklung
E1 – E2
Nebenschlusswicklung
B1 – B2
Wendepolwicklung
Kompensationswicklung
fremderregte
Feldwicklung
C1 – C2
B2
C1
Aufgaben
Klemmen Bezeichnung
F1 – F2
1. Ein Gleichstrommotor liegt an einer Spannung
von 110 V. Die Gegenspannung beträgt 100 V bei
einer Ankerstromstärke von 15 A.
Berechnen Sie den Ankerwiderstand.
2. Berechnen Sie den Anlasswiderstand für einen
Gleichstrommotor mit folgenden Kenndaten:
Bemessungsspannung: 110 V
Bemessungsstromstärke: 8 A
Ankerwiderstand: 0,7 Ω
Maximale Anlassstromstärke:
1,4-fache Bemessungsstromstärke
C2
Abb. 3: Kennzeichnung der Anschlüsse
L+
L–
A1
M
A2 B1
D1
D2
C1 B2
C2
Abb. 4: Reihenschlussmotor
Reihenschlusswicklung
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