DOKUMENTATION ARCHITEKTUR UNDNACHHALTIGKEIT Veranstaltungsreihe von Lavesstiftung und Deutsche Bundesstiftung Umwelt im Rahmen von »Architektur im Dialog« Veranstaltungsreihe in Kooperation mit der Deutschen Bundesstiftung Umwelt Im Rahmen von »Architektur im Dialog« 12.04.2011 Prof. Christoph Mäckler Architekten, Frankfurt a. M. 21.06.2011 Kai-Uwe Bergmann, BIG Bjarke Ingels Group, Kopenhagen 25.08.2011 Prof. Manfred Hegger, HHS Hegger Hegger Schleif Architekten AG, Kassel 29.09.2011 Prof. Rainer Hascher, HASCHER JEHLE ARCHITEKTEN, Berlin 13.03.2012 II Podiumsdiskussion __Martin Cors, Deutsches Institut für Stadtbaukunst, Dortmund __Sabine Djahanschah, Deutsche Bundesstiftung Umwelt, Osnabrück __Prof. Rainer Hascher, HASCHER JEHLE Architektur, Berlin __Prof. Manfred Hegger, HHS Hegger Hegger Schleiff Architekten AG, Kassel __Hans Mönninghoff, Erster Stadtrat und Wirtschafts- und Umweltdezernent, Landeshauptstadt Hannover DOKUMENTATION ARCHITEKTUR UNDNACHHALTIGKEIT Eine Veranstaltungsreihe der Lavesstiftung und der Deutschen Bundesstiftung Umwelt im Rahmen von »Architektur im Dialog« Inhalt Einführung 4 __Wolfgang Schneider, Vorstandsvorsitzender der Lavesstiftung Vorträge 8 __Nachhaltigkeit im Bauwesen – ein neues Arbeitsfeld? Dipl. Ing. Architektin Sabine Djahanschah, Leitung des Referates »Architektur und Bauwesen« der Deutschen Bundesstiftung Umwelt 12 __Energieeffizienz als Herausforderung für innovative Architektur Prof. Christoph Mäckler, Prof. Christoph Mäckler Architekten, Frankfurt a. M. 16 __Hedonistic Sustainability as designed by Bjarke Ingels Group Kai-Uwe Bergmann, BIG Bjarke Ingels Group, Kopenhagen 20 __Von der Energieeffizienz zur Nachhaltigkeit – Herausforderungen, Kriterien, Beispiele Prof. Manfred Hegger, HHS Hegger Hegger Schleif Architekten AG, Kassel 28 __Nachhaltige und energieeffiziente Gebäudekonzepte – ein Plädoyer für eine ganzheitliche Betrachtungsweise Prof. Rainer Hascher, HASCHER JEHLE ARCHITEKTEN, Berlin »form follows Zukunftsfähigkeit« 32 __Architektur mit Verantwortung für eine zukunftsfähige Entwicklung Sichtweise des für Energiefragen und das Gebäudemanagement der Landes- hauptstadt Hannover zuständigen Dezernenten Hans Mönninghoff, Erster Stadtrat und Wirtschafts- und Umweltdezernent, Landeshauptstadt Hannover 38 __Kurzbiografien 42__Impressum 3 Wolfgang Schneider Vorstandsvorsitzender der Lavesstiftung D ie LAVESSTIFTUNG der Architektenkammer Niedersachsen lud 2011 im Rahmen der inzwischen seit vielen Jahren etablierten Vortragsreihe »Architektur im Dialog« zu insgesamt vier Vorträgen zum Thema »Architektur und Nachhaltigkeit« nach Hannover ein. Die Professoren Christoph Mäckler, Manfred Hegger, Rainer Hascher sowie Kai-Uwe Bergmann von der Bjarke Ingels Group stellten ihre Sichtweisen zu diesem Thema einem großen Publikum mit bemerkenswerten innovativen Ansätzen und Projektbeispielen vor. In einer weiteren, fünften Veranstaltung wurde das Thema gemeinsam auf dem Podium noch einmal diskutiert, ergänzt um Hans Mönninghoff, den ersten Stadtrat, Wirtschafts- und Umweltdezernenten der Landeshauptstadt Hannover und Martin Cors in Vertretung von Prof. Christoph Mäckler sowie Frau Sabine Djahanschah von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt als Moderatorin. Ziel der Veranstaltungsreihe war es, anhand von Beispielen Möglichkeiten aufzuzeigen, die beweisen, dass gute Architektur und Nachhaltigkeit sich nicht ausschließen. Um es vorweg zu nehmen: Anhand der vielen exzellenten Bauwerke und Planungen, die in den Vorträgen vorgestellt wurden, ist dies gelungen. Und nicht nur das. Wir bekamen Einblicke in Denk- und Handlungsstrukturen der Akteure auf unterschiedlichen Ebenen, die eines gemeinsam hatten: differenzierte und auf den Ort und das jeweilige Projekt bezogene qualitätsvolle architektonische und nachhaltige Lösungen. Besonders gefreut haben wir uns, dass die Deutsche Bundesstiftung Umwelt bei diesem Projekt mit der LAVESSTIFTUNG kooperiert hat. Für die ausgezeichnete und erfolgreiche Zusammenarbeit bedanke ich mich nochmals ganz herzlich. Es ist gut, dass die Thematik sich eines starken Partners sicher sein kann, der mit seiner großen Reichweite unsere Intentionen beflügelt und sie in die Öffentlichkeit trägt oder zu den Entscheidungsträgern in Städten und Gemeinden, zu den privaten, gewerb­lichen und öffentlichen Auftraggebern. Wir wissen, dass in Gebäuden fast 40 Prozent der Energie in Deutschland verbraucht wird und 80 Prozent des CO2-Ausstoßes direkt oder indirekt mit dem Bauen zu tun haben. Nicht nur die Bauherren, auch der Berufsstand der Architekten ist also mehr denn je gefragt, seinen Beitrag zu Klimaschutz und Nachhaltigkeit zu leisten. Laut Bundesbauministerium liegen die großen Energieeinsparpotentiale bei drei Vierteln der rund 19,5 Millionen Gebäude, die vor 1978 und damit vor der ersten Wärmeschutzverordnung errichtet worden sind. Zwei Prozent davon, das sind rund 292.000 Gebäude jedweder Typologie, sollen nach dem Willen des Ministeriums in einem Jahr saniert werden. Immer mehr Besitzer von Bestandsgebäuden gehen die energetische Ertüchtigung an. Förderprogramme des Bundes und der Länder, zinsgünstige Kredite und Zuschüsse mancher Kommunen und Energieversorger setzen die notwendigen Anreize. Doch zu oft bleibt es, wie die Bauwelt schreibt, »bei der einfachsten und planerisch anspruchslosesten Form der Sanierung, der Dämmung«. Der äußerliche Auftrag von Wärmedämmverbundsystemen gefährdet das Erscheinungsbild jedweder Art von Gebäuden – vom Baudenkmal bis zur Alltagsarchitektur. Wir müssen aufpassen, dass die Dämmtechnik nicht stadtbildprägende Funktion übernimmt, wie es mancherorts bereits zu beobachten ist. Wir müssen die Stadt als historisch gewachsenen Raum und Ort betrachten, den es zu bewahren gilt. Charakter und Unverwechselbarkeit von Gebäuden und Quartieren dürfen nicht verloren gehen. Die Klimawende stellt uns also vor größere Aufgaben als nur den Energieeinsatz zu verringern. Innovationen schaffen Fortschritt. Architektur und Technik bieten uns bereits heute vielfältige Lösungen. Wir sollten dieses Angebot nutzen. Wichtig ist mir dabei jedoch, dass Technik nicht zum ausschließlichen Leitbild der Nachhaltigkeit wird. Architektur besteht aus vielen Facetten. Das technisch Machbare ist nur eine und muss nicht immer die bestimmende sein. 5 Wolfgang Schneider 6 Wir sollten vielmehr ganzheitlich Denken und ganzheitliche Lösungen finden. Ein klimaverträgliches Gebäudekonzept ist nur ein Parameter, die Gestaltung der ­Gebäude ein anderer. Wir benötigen konkrete, umfassende und handhabbare Planungswerkzeuge. Handhabungen, die es Bauherren und Architekten erleichtern, nachhaltiges Bauen bei der Konzeption und dem Entwurf von Gebäuden zu bedenken. Planer, Bauherren und Entwickler haben durch ihre Projekte die Möglichkeit, auf dieser Ebene mitzuwirken. Über Zertifikate erhalten Gebäude, sei es bei Neubauten oder Umbaumaßnahmen, eine gewisse Vergleichbarkeit hinsichtlich der verschiedenen Aspekte der Nachhaltigkeit. Das hat Vorteile für den Verbraucher, für den Nutzer und für den Bauherrn die Bauten besser einschätzen zu können. Es ist kein Nachteil, dass es verschiedene Zertifizierungen am Markt gibt. Wettbewerb fördert auch hier die Tendenzen zur Weiter­entwicklung. Durch Zertifikate lassen sich neue Marktanreize schaffen und positive Signale setzen, auch für den Berufsstand der Architekten. Über die Gebäude hinaus müssen wir die Quartiere im Auge behalten. Die auf den Dächern gelandeten Solaranlagen erscheinen oftmals als Fremdkörper – gerade in Altstädten. Auch hier müssen wir erreichen, dass die moderne Energie-Infrastruktur zu einem gestalteten Bestandteil unserer Umwelt und unserer Quartiere wird. Die Qualität der Maßnahmen muss einhergehen mit den Zielen, die wir erreichen wollen. Zusammenfassend bin ich froh sagen zu können, dass nachhaltiges Bauen heute Standard geworden, dass Begriff und Bedeutung in der Architektenschaft nicht mehr wegzudenken sind. Die Architekten tragen ihre Verantwortung bewusst. Wir sind uns als Berufsstand aber sicher, dass nachhaltige Architektur nicht nur öko­logisch und wirtschaftlich betrachtet werden darf, sondern, dass ihr auch eine gestalterische Entsprechung folgen muss. Daher brauchen wir innovative Maßnahmen, kreative Ideen und mutige Pioniere, um das nachhaltige Bauen mit Leben zu füllen, um ökologisch wie gestalterisch eine hohe architektonische Qualität zu ­erzielen Die Herausforderungen sind groß. In der Zusammenarbeit mit anderen Diszi­ plinen werden wir ihnen begegnen und Architektur und Nachhaltigkeit weiter zusammenwachsen lassen. Dabei sollten wir die technischen Zielsetzungen hoch ­setzen und gleichzeitig auf Gestaltungsqualitäten drängen. Die zu Ende gegangene Veranstaltungsreihe hat dies deutlich gemacht. Ich dan­ke den Beteiligten, allen voran den Referenten und der DBU für ihre Unterstützung. Die vorliegende Broschüre trägt die Ergebnisse zusammen und regt hoffentlich zu einer gut gestalteten und nachhaltig wirkenden Architektur an. Sabine Djahanschah Deutsche Bundesstiftung Umwelt, Osnabrück Nachhaltigkeit im Bauwesen – ein neues Arbeitsfeld? N achhaltigkeit im Bauwesen, ein Begriff, der sich einerseits zunehmender öffentlicher Aufmerksamkeit erfreut. Andererseits trägt dessen inflationäre Nutzung zur Verunsicherung bei, wie sich dieser Anspruch konkret einlösen läßt. Zertifizierungssysteme bieten hier Hilfe an, denn je komplexer ein Thema, ­desto spezialisierter ist das erforderliche Fachwissen. Dabei sind viele der Nachhaltigkeit zugeordneten Kriterien keineswegs neu. Ressourceneffizienz kannten auch schon unsere Vorfahren. Baustoffe wurden im regionalen Kontext erzeugt und verbaut sowie weiterverwendet. Einem möglichst effizienten Materialeinsatz wurde ebenso Rechnung getragen wie dem minimierten Energieeinsatz durch Zonierung der Grundrisse, Ausrichtung und ­Bepflanzung, zentrale Wärmequellen, Abwärmenutzung und natürliche Durchlüftung. Auch im Städtebau zeugte eine hohe Dichte und Nutzungsmischung von einem selbstverständlichen Nachhaltigkeitswissen. Doch unsere Lebensumstände und technischen Möglichkeiten haben sich weiterentwickelt. Es erscheint wenig erstrebenswert, die Komfortbedingungen der zivilisierten Welt wieder um ein paar hundert Jahre zurückzuschrauben. Trotzdem hat die kostengünstige Verfügbarkeit von Energie und andern Ressourcen wertvolles Wissen der Alten um natürliche Klimatisierungsstrategien, bauphysikalisch funktionsfähige Gesamtsysteme und sinnvolle städte­ bauliche Konfigurationen in Teilen vergessen lassen. Nun kehren im Kleid der Nachhaltigkeit diese Werte erneut zurück, erweitert um das spezifische Fachwissen der heutigen technischen Möglichkeiten, Materialien und Konstruktionen. Das ­Angebot an optimierten Produkten und Komponenten ist groß und für den Planer immer schwerer zu überschauen. Hier können Planungs- und Simulationsinstrumente helfen, die eine Bewertung des Raumklimas, der Energieeffizienz, des Feuchteverhaltens oder der Umwelt- und Gesundheitsrelevanz einzelner Materialien und Konstruktionen vornehmen. Sie sollten jedoch den gesunden Menschenverstand nicht gänzlich ersetzen. Grundsätzlich ist im Entwurfskonzept und der baulichen Hülle die größtmögliche Energie- und Ressourceneffizienz anzustreben. Der verbleibende geringe Endenergiebedarf kann dann kostengünstig regenerativ gedeckt werden. Doch zum Zeitpunkt der Materialwahl oder der Erstellung des haustechnischen Konzeptes sind entscheidende Weichen für die Nachhaltigkeit eines Entwurfs bereits gestellt. Integrale Planung Vor dem Einstieg in die Entwurfsphase, in der sogenannten Planungsphase 0, werden bereits über Standortfragen, die Entscheidung, ob saniert oder neu gebaut wird und die Entwicklung verschiedener Nutzungsszenarien sowie eines Raum­ programms zentrale Kriterien im Sinne der Nachhaltigkeit festgelegt. Die Zukunftsfähigkeit eines Gebäude- und Nutzungskonzeptes, die Flexibilität und Überlagerung von Nutzungen, die Vermeidung von unnötigen Verkehrsströmen bis hin zu Nachhaltigkeitsstandards und Leitlinien sollten bereits zu diesem Zeitpunkt entwickelt werden. So können Zielsetzungen zur Ressourceneffizienz, dem umfassenden Einsatz nachwachsender Rohstoffe oder energetische Standards frühzeitig mit dem Bauherrn diskutiert und festgelegt werden. Idealerweise hat der Architekt zu diesem Thema ein so breites Fachwissen, dass er selbst die Disziplinen der Fachplaner überblickt und integriert. Je komplexer die Bauaufgabe, desto realistischer ist ­jedoch die Zusammenarbeit des Architekten mit Fachplanern im Bereich Brandschutz, Statik, Heiz- und Klimatechnik, Elektro, Bauphysik und Fachleuten aus dem Bereich Lebenszykluskosten und Gesundheits- sowie Umweltrelevanz von Baustoffen und Konstruktionen. Hierbei rechnen sich erfahrungsgemäß die überschaubaren »Mehrinvestitionen in Köpfe« im Verhältnis zu den Baukosten durch die zu erreichende höhere Gebäudequalität im gesamten Lebenszyklus. 9 Sabine Djahanschah Checklisten und Kriterien-Steckbriefe könnten den Eindruck vermitteln, dass der komplexe Nachhaltigkeitsbegriff thematisch zerlegt einfach zu definieren und nume­risch zu fassen wäre. Doch lebt die Qualität unserer gebauten Umwelt von der individuellen Vielfalt an Einzelbauwerken im städtebaulichen Kontext oftmals historisch gewachsener Städte, die für den spezifischen Ort und die spezifische Bauaufgabe eine optimierte Lösung erfordern. Im Entwurfsprozess sind klassische Zielkonflikte zwischen einzelnen Kriterien zu verhandeln und für den jeweiligen Fall zu optimieren. So kann eine Weiternutzung des Gebäudebestandes im Widerspruch zu modernen Raumstrukturen und Nutzungsszenarien stehen. Eine aus Sicht der Energie-, Ressourcen- sowie Kosteneffizienz wünschenswerte Kompaktheit muss gegenüber einer optimierten Tageslichtnutzung, natürlichen Durchlüftung, Außenraumbezügen und einer evtl. städtebaulich gewünschten kleinteiligen Gliederung des Baukörpers abgewogen werden. Flexible Gebäudenutzung steht einer auf die spezifische Funktion hin opti­ mierten Flächeneffizienz und minimierten Kubatur gegenüber. Integrale Planung scheint kurzen Zeitachsen genauso zu widersprechen, wie kurzfristige Amortisation einer Betrachtung der Lebenszykluskosten. Energetisch hochwertige Sanierungen stehen sozial verträglichen Mieten gegenüber. Der umfangreiche Einsatz nachwachsender Rohstoffe auch in der Primärkonstruktion erfordert mehr Planungsaufwand und bessere Standards im Bereich Brand- und Schallschutz. Auch im Detail konkurrieren die Nutzung von Speichermassen zur Klimatisierung mit den Flächen für raumakustischen Maßnahmen, die Flächen zur aktiven Solarenergienutzung mit Belichtungsmöglichkeiten. Die gewünschte freie Grundrissgestaltung und freie Lüftung zieht Probleme im Brand- und Schallschutz nach sich. Die umfangreiche Transparenz und Tageslichtnutzung zum Realisieren gewünschter passiver Solargewinne ist mit der Gefahr sommerlicher Überhitzung sowie dem nötigen Blendschutz in Einklang zu bringen. Eine umfangreiche Gebäudeautomation führt zu hohen Investitions- und Wartungskosten und steht dem Wunsch des Nutzers nach Einflussmöglichkeiten, aber auch der Gefahr von Fehlnutzung gegenüber. Die strikte Einhaltung der Komfortkriterien nach DIN erfordert aufwendigere Technik mit entsprechenden Energieverbräuchen. So sind kreative Lösungen und Variantenbetrachtungen gefordert, die in nachvollziehbaren Abwägungs-prozessen eine nachhaltige Planungskultur entwickeln und gestalten. 10 Förderung der deutschen Bundesstiftung Umwelt Die beispielhafte Umsetzung und Dokumentation dieses planerischen Mehraufwandes zur Realisierung innovativer und nachhaltiger Bauvorhaben ist ein zen- trales Förderanliegen der Deutschen Bundesstiftung Umwelt. Über die Aufbereitung der Ergebnisse des gesamten Planungsprozesses, der Umsetzung und des Monitorings wird das Ziel verfolgt, methodisches Prozesswissen über nachhaltige Gebäudekonzepte zu generieren und zu verbreiten. Die Mehraufwendungen werden anteilig als verlorener Zuschuss gewährt, wenn eine besondere Innovationshöhe und Umweltrelevanz der Planungsleistungen gegenüber dem Stand der Technik bzw. des Handelns nachvollzogen werden kann. Dies führt nicht zwangsläufig zu Mehrinvesti­tionen in der Umsetzung, denn die Wirtschaftlichkeit der Maßnahmen im Lebenszyklus ist ein wesentliches Entscheidungskriterium zur Beurteilung verschiedener Lösungsvarianten. Innerhalb dieser Planungsprozesse kann ebenfalls die (Weiter-)Entwicklung von Bauteilen und technischen Komponenten in Zusammenarbeit mit Hochschulen, Prüfinstituten sowie kleinen und mittelständischen Firmen gefördert werden. Die Ergebnisse werden Dritten als Standarddetail oder Produkt zur Verfügung gestellt. Anzustreben ist ein Maximum an Effizienz der Gebäudehülle im winterlichen und sommerlichen Betrieb sowie die energieeffiziente Versorgung über regenerative Energien. Im Zuge einer Lebenszyklusanalyse werden nicht nur die Energieeffizienz, Investitions- und Betriebskosten verschiedener haustechnischer Konzepte untersucht, sondern ebenso die ökologische Qualität und Gesundheitsfreundlichkeit von Baustoffen und Konstruktionen, ihre Wartungseigenschaften, Langlebigkeit, Instandhaltung, Reparaturfreundlichkeit, Recycling- und Reinigungsfreundlichkeit betrachtet, verglichen und bewertet. Werden besonders innovative und für Dritte interessante Konzepte entwickelt, können ebenfalls Zuschüsse zur Umsetzung und Fortschreibung der Planung sowie Qualitätssicherung und einer mindestens zweijährige Monitoringphase gewährt werden. Relevant ist neben der Innovationshöhe und Umweltrelevanz für diese ausgesuchten Modellvorhaben die Multiplikatorwirkung der Maßnahme, daher stehen öffentlich genutzte Gebäude im Fokus einer Förderung. Derzeitige Schwerpunkte der Förderung: Einen Förderschwerpunkt im Bereich Architektur und Bauwesen bilden integrale Planungsprozesse sowie Evaluation und Dokumentation der umweltgerechten Sanie­rung oder des Neubaus von Bildungsstätten, da der Planungs- und Bau­ prozess in idealer Weise mit dem Bildungsauftrag verknüpft werden kann. Durch das besondere öffentliche Interesse und komplexe Nutzungsanforderungen kann ein hoher Multiplikatoreffekt vorausgesetzt werden. In einem zweiten Schwerpunkt zum Thema »Zukunftsweisende Sanierung denkmalgeschützter Altbausubstanz« werden die seit 10 Jahren bestehenden Aktivitäten in dieser Thematik in Kooperation mit dem Referat »Umwelt und Kulturgüter« verstärkt.­ Dabei entspricht das Themenspektrum der Komplexität des Denkmal­ themas. So wurde sowohl der modellhafte Einsatz des Baustoffes Lehm als Wärmedämmmaterial von Fachwerkbauten als auch die modellhafte energetische Sanierung denkmalgeschützter Nachkriegsbauten, wie des Rathauses in Aschaffenburg und der Welterbesiedlung Schillerpark in Berlin, gefördert. Darüber hinaus wurden Folgeschäden nach Sanierungsmaßnahmen an ausgewählten Bauten analysiert und aufbereitet sowie ein Förderschwerpunkt zur Weiterentwicklung temporär ­genutzter Gebäude initiiert. Steigende Energiepreise und bautechnische Mängel stellen Bauherren aktuell vor große Herausforderungen bei der Unterhaltung von historischer Bausubstanz. Diese Problematik wird durch steigende bauklimatische und funktionale Anforderungen bei der Nutzung verschärft. Grundlage für Sanierungskonzepte bildet die sorgfältige Analyse des historischen Bestandes, eventueller Schäden und deren Ursachenanalyse. Darauf aufbauend wird die Konkretisierung und Verfeinerung der formulierten Anforderungen im Bereich Denkmalpflege, Städtebau, Architektur, Konstruktion und Material, Haustechnik, Bauphysik, Brandschutz, Ökologie und Ökonomie zu einem über den Lebenszyklus optimierten Ergebnis geführt. Einen entscheidenden Beitrag zu einer zukunftsfähigen Schule leisten die räumlichen Voraussetzungen des Gebäudes. Daher wird die ausgeprägte gestalterische Entwurfsqualität als wesentliches Merkmal nachhaltiger Modellprojekte vorausgesetzt. Innerhalb der DBU-Förderprojekte wird, neben einer über das Maß der gesetzlichen Anforderungen deutlich gesteigerten Energieeffizienz, Wert auf eine verbesserte Lern- und Lehrsituation gelegt. Dabei finden sowohl bauphysikalische Faktoren wie Raumluftqualität, Akustik und Lichtversorgung als auch eine möglichst flexible Raumnutzung und Konzepte »pädagogischer Architektur« zur Umsetzung neuer Lehr- und Lernformen Berücksichtigung. Anhand dieser Kriterien konnten in den vergangenen 5 Jahren mit 10 Sanierungsvorhaben und 6 Neubauten eine Reihe von Modellvorhaben realisiert werden, wobei sich integrale Planungsprozesse als entscheidender Erfolgsfaktor erweisen. Durch sie werden die Anforderungen der verschiedenen Bereiche Pädagogik, Architektur, Konstruktion und Material, Haustechnik, Bauphysik, Brandschutz, Außenanlagen, Ökologie und Ökonomie zu einem optimierten Ergebnis geführt, das sich über den Lebenszyklus eines Gebäudes auch ökonomisch rechnet. Konklusio So haben sich zur kreativen Entwicklung zukunftsfähiger Lösungen in den Modell­ projekten der Deutschen Bundesstiftung Umwelt integrale Planungsprozesse in Teams von unterschiedlichen Experten als entscheidender Schlüssel zum Erfolg herausgestellt. Die Deutsche Bundesstiftung Umwelt arbeitet hiermit an der metho­ dischen Weiterentwicklung einer Planungskultur, die der Herausforderung des Nachhaltigkeitsgedankens Rechnung trägt und sich an vorbildlichen Beispielen ­zukunftsfähiger Architektur messen lässt. Letztlich hat sich in einer Vielzahl von Projekten gezeigt, dass die »Investition in kostenpflichtiges Nachdenken« der zentrale Motor ist, um neue Entwicklungen auf den Weg zu bringen. In der Regel fehlt nicht das Geld für gute Lösungen, sondern sind Querdenker gefragt, die mit Flexibilität, Kreativität und Mut zu neuen ­Wegen überzeugende Argumente erarbeiten. Hierbei nehmen Architekten eine zentrale Rolle ein und haben gemeinsam mit Fachplanern ein großes Arbeitsfeld vor sich. Wir freuen uns, wenn wir mit diesen Vordenkern in konkreten Projekten helfen können, den Stein für eine nachhaltige Baukultur ins Rollen zu bringen. 11 Prof. Christoph Mäckler Prof. Christoph Mäckler Architekten, Frankfurt a. M. Energieeffizienz als Herausforderung für innovative Architektur E nergieeffizienz ist heute eine der zentralen Herausforderungen für Architek­ ten, Bauingenieure und Städtebauer. Dabei gilt es, ressourcenschonend zu bauen, gleichzeitig aber die baukulturellen Werte der europäischen Städte nicht aus den Augen zu verlieren. Seit 2008 beschäftigt sich das Deutsche Institut für Stadtbaukunst in Dortmund intensiv mit diesen Themen. Auf unserer ersten »Konferenz zur Schönheit und Lebensfähigkeit der Stadt«, die seit 2010 jährlich stattfindet, haben wir »10 Grundsätze zur Stadtbaukunst heute« aufgestellt. Einer dieser Grundsätze lautet: »Städti­ sche Umwelt: Nachhaltig Bauen statt schnell verpacken.« Nachhaltiges Bauen umfasst dabei viele Aspekte. Es beginnt mit einem verantwortungsvollen Umgang mit der Landschaft. Wenn man sich die Vereinzelung der Gebäude in den Gewerbeansiedlungen, insbesondere aber die Streuung von Gebäuden in den neuen Wohngebieten, mit ihren Einzel und Reihenhäuserbebauungen an den Rändern deutscher Städte ansieht, dann wird deutlich, dass mit dem Einpacken der Fassaden des Baubestandes nicht an der richtigen Stelle angesetzt wird. »Aufgelockerte« Siedlungsbereiche sind dazu angetan, den Energieverbrauch immens zu erhöhen. Trotzdem wird diese Art des Wohnungsbaus noch immer ­gefördert, weil die neuen Häuser scheinbar alle energiepolitischen Auflagen erfüllen. Dabei wird vergessen, dass damit in Deutschland täglich rund einhundert Hektar Land versiegelt werden. Das sind 150 Fußballfelder. Dass eine Gesellschaft, die den nächsten Generationen nicht die Lebensgrundlage entziehen will, mit unseren Ressourcen sorgfältiger umzugehen hat, liegt auf der Hand. Ist nicht eine dicht ­bebaute Stadt wesentlich effektiver und nachhaltiger? Müssen wir uns nicht um die Prinzipien kümmern, mit denen solche Städte gebaut werden? In Anlehnung an die uns gewohnten städtischen Beispiele der Vergangenheit muss der Städtebau zurückkommen zu einer baulichen Verdichtung und weg von der Ideologie des Reihen oder Einfamilienhauses. Diese Verdichtung muss den Standards der Wohnungswirtschaft entsprechen und bietet damit einen ­ersten wichtigen Schritt zur Energieeinsparung. Der Vorteil dieses Rückgriffes auf das ­Wesen der europäischen Stadt liegt im Wissen um das Funktionieren und die ­Akzeptanz in der Bevölkerung. Die europäische Stadt hat immer wieder Wellen verschiedener unterschiedlicher Ideologien erlebt, so etwa die aufgelockerte durchgrünte Stadt oder die verkehrsgerechte Stadt. Alle diese einseitig gedachten Ideologien haben sich im Nachhinein als Fehler erweisen. Das neue städtebauliche Ideal ist nun die energiegerechte Stadt, die »Green City«. 13 Prof. Christoph Mäckler 14 Als eine Lösung in der Energiefrage wird derzeit die Solarsiedlung hochgehalten. Ich kann mir kaum vorstellen, dass das Prinzip des energetisch vernünftigen Bauens nur auf Technik beruhen kann. Wenn man zweigeschossige Häuser enger zusammenbaut und wenn man aus diesen zweigeschossigen Häusern eine Stadt baut, dann ist das sehr viel energieeffizienter und sparender als eine lockere Bebauung mit Häusern mit großen Fensterflächen und Solardach. Wir Architekten stellen wie selbstverständlich Glashäuser in alle Klimazonen. Wir bauen in Asien die gleichen Fassaden wie in Mitteleuropa. Das schaffen wir nur deshalb, weil wir in der Lage sind, die völlig unterschiedlichen Klimazonen durch technischen Aufwand und damit durch Energieaufwand zu kompensieren. Wenn wir aber ein Steinhaus und ein Glashaus in ihrer Energieeffizienz miteinander vergleichen, dann erkennen wir schnell, dass sowohl die Nutzungskosten als auch die Herstellungs und Instandsetzungskosten bei einer Glasfassade sehr viel höher liegen. Ein weiteres Phänomen unserer Zeit sind innovative, experimentelle Gebäude­ lösungen wie das Emobilityhome. Es ist aber zweifelhaft, ob solche Solitäre wirklich angebracht sind, um uns in der Frage der Energie und der Nachhaltigkeit weiter zu bringen. Das heißt nicht, dass solche Forschungsobjekte nicht notwendig sind, es darf nur nicht dabei stehen bleiben. Unsere Probleme liegen in alten Bestandsgebäuden. Die Immobilienindustrie in Deutschland muss sich verstärkt mit dem Bestand auseinandersetzen. Die heutigen Methoden der Fassadensanierung sind unzureichend. Bei wunderschönen Klinkerhäusern werden Schmuckelemente einfach abgeschlagen, um glatte Oberflächen für die Anbringung von Wärmedämmverbundsystemen zu schaffen. Schaut man sich solche Fassaden im Vergleich vor der energetischen Sanierung und nach der energetischen Sanierung an, drängt sich die Frage auf, ob man damit Nachhaltigkeit demonstrieren kann und ob nicht auch andere Kriterien in der Diskussion eine Rolle spielen sollten. Man weiß, dass die Wärmedämmverbundsysteme nicht lange halten und bald wieder saniert werden müssen, die Fassade aber ist unwiederbringlich zerstört. In 10 oder 20 Jahren werden wir mit unserer Forschung sehr viel weiter sein. Wir werden wahrscheinlich wissen, wie man ein solches Haus wärmedämmen, wie man solche Häuser ertüchtigen kann, ohne sie derart zu zerstören. Es geht nicht allein um baukonstruktive Anforderungen, sondern auch um architektonische ­Ansprüche. Im Bereich des Neubaus aber muss der Begriff Nachhaltigkeit durch den ­Begriff der Dauerhaftigkeit ersetzt werden! Es kann nicht sein, dass Fassaden neuer­Häuser vielleicht technisch einem Passivhausstandard genügen, aber in keiner ­Weise dauer­haft sind. Das Bauen mit Produkten, die aus Wärmedämmstoffen, ­Folien und Holz zusammengesetzt sind, ist nicht dauerhaft. Da sie aber mit Klebstoff zusammengehalten werden und eine Trennung der Einzelstoffe damit nicht möglich ist, sind sie nicht einmal nachhaltig. Dies führt zu kaum lösbaren Problemen der ­Zukunft, die den Gesetzgeber veranlassen sollten, solche Bauweisen im Bereich des Neubaus zu unterbinden. Häuser sollten aber auch in dreißig Jahren nicht wieder auseinander zu montieren sein, sondern dauerhaft sein. Es müssen andere Wege zur Nachhaltigkeit von Neubauten beschritten werden, und die Industrie gibt dem Bauwilligen durchaus die Möglichkeit, mit dauerhaften Materialien zu arbeiten. Die Autoindustrie ist sehr viel länger schon dazu angehalten, ihre Produkte zurückzunehmen, sie auseinanderzuschrauben, zu recyceln und die Materialien dem Produktionsprozess wieder zuzuführen. Und es entstehen trotzdem Produkte, die als schön empfunden werden. Warum sollte das, was der Autoindustrie gelingt, nicht auch durch die Bauindustrie und uns als Architekten und Ingenieure geleistet werden können? Wir arbeiten mit verschiedenen Siedlungsgesellschaften u. a. in Berlin, Lübeck,­ Frankfurt und Dortmund zusammen, um herauszufinden, wie man einen Altbau­ bestand ertüchtigen kann, ohne dass man Wärmedämmerverbundsysteme aufbrin­ gen muss. In Dortmund bauen wir derzeit drei Musterhäuser in einem Siedlungsgebiet der 1950er Jahre. Wir betrachten das Thema ganzheitlich, d. h. wir ertüchtigen die alten Gebäude und ergänzen sie durch neue Gebäude mit verschiedenen Konstruktionsarten im Wandaufbau. Alles wird über ein Monitoring über drei Jahre getestet und aufgezeichnet. Wir möchten prüfen, ob die Werte, die heute von der Industrie zum Erreichen der EnEV angegeben werden, überhaupt richtig sind. Ähnlich gehen wir bei der Siedlung Riederwald in Frankfurt am Main vor, bei der wir einige der ursprünglichen städtebaulichen Ideen von Ernst May wieder aufnehmen. Wir überlegen nicht nur, ob wir vor die alten Häuser eine zweite Ziegelschale­ setzen oder ob wir sie mit dem Wärmedämmerverbundsystem versehen, sondern versuchen auch durch Anbauten die Hüllfläche zu ertüchtigen. Diese Anbauten ­haben nicht nur städtebaulich einen gewissen Reiz, sondern sind auch notwendig, weil die Wohnungen meist zu klein sind, um optimal vermarktet zu werden. Die ­Anbauten bereichern mit Ihren Nischenbildungen die Wohnqualität, den städtischen Raum und die Architektur dieser einfachen Häuser. Dieses Ineinandergreifen der verschiedenen Disziplinen, von Architektur, Städtebau, und Ingenieurbauwesen ist das, was die Stadt benötigt, wenn sie auch zukünftigen Generationen als Lebens und Kulturraum dienen soll. 15 Kai-Uwe Bergmann BIG Bjarke Ingels Group Kopenhagen Hedonistic Sustainability as designed by Bjarke Ingels Group T he general perception of sustainability is this idea of a moral code: How much of our existing quality of life are we prepared to sacrifice to afford being sus­ tainable. It is the protestant perception that it has to hurt to be good and that the sustainable life is less than the normal life. But we are looking at how sus­ tainable cities, or sustainable buildings, can increase the quality of life – to finds ways of designing cities and buildings as double ecosystems that are both ecologically but also economically profitable and where the outcome doesn’t actually force people to alter their lifestyle to have a better conscience. They can live exactly the way they want, or even better, because the world and the city are designed in such a way, that they can actually do so. Essentially it is to approach the question of sus­ tainability not as a moral dilemma but as a design challenge. Basically a sustainable idea that is too expensive will never find application on the large scale (and large scale application is what we need) and reversely a business model that is based on exhausting our natural resources won’t provide long term growth. So we have to pursue a hybrid that merges both. And this form of alchemical combination of complementing programs is one of many strategies that we are pursuing in current projects in various regions of the world. We have recently worked with a series of projects dealing with the issue of ecological as well as economical sustainability – we call it ecolomy. In a way we attempt to reinvent the term vernacular architecture – this form of architecture without architects – that has emerged over centuries where local peoples have found ways to build houses and cities to optimize the living conditions in a given climate. At the advent of Modernism, functional analysis led to the design of different machines to deliver different qualities such as the need to be able to see in the darkest depths of the buildings, so they designed electric lights. You needed fresh air, so they designed mechanical ventilation. And you needed a comfortable temperature, so central heating and AC were invented. So in the end the architecture was an empty box void of qualities plugged to a stack of machines that made it inhabitable. Back then it was perceived as a freedom, but at the cost of exploding energy consumption. We think that with the double global crisis – of finance and climate change – economy and ecology – architects cant resort to being crazy and expensive artists that do spectacular irrational forms to attract attention. If we do something that looks different it must be because it performs different. Architects must become designers of cities and buildings that perform like double eco systems – both economical and ecological systems – where the design is driven by how it channels the flow of resources through the built environment. The words ecology and economy – two terms generally understood as opposites, much as socialism versus capitalism, or even good versus evil – share the same etymological root. Both derive from the Greek oikos, meaning »house«, and respectively mean the management of the household (economy) and the management of the environment (ecology). If environmental initiatives are so expensive that they‘re incompatible with everyday life, then they‘ll fail to achieve the massive impact they seek. They‘ll be employed once or twice to help people feel OK about themselves. If there‘s no economic incentive, these projects won‘t be feasible in the long run. On the other hand, business models that are based on draining our natural resources will only result in short-term growth. So if you want to achieve long-term sustainable developments you need to think both economically and ecologically, and that‘s why we propose to merge the two approaches into a single concept – one can’t actually live without the other. In »Ecolomy«, these two notions reconverge through design. 17 Kai-Uwe Bergmann Engineering without Engines Our current interests revolve around architecture that performs rather than ­appears. Architecture that is ecolomical. Architecture that looks different because it works differently. Architecture creates new possibilities by combining ingredients that are normally kept apart. Architecture that reinterprets and even reinvents the local his­ tory or culture of the place it is conceived in. Currently we are quite interested in 18 new forms of economical and ecological sustainability. Under the headline of »Engineering without Engines« we are trying to find new ways of eliminating superfluous machinery through contemporary capacity for calculation, computation and simulation. Contemporary and convincing visions for a sustainable future is one of the most exciting challenges that we architects (and humans) face today. So what we try to do is to pursue a new vernacular where the qualities come from the architecture and not the machines you plug in to. My two favorite examples from Copenhagen: 37 percent of the Copenhageners today commute by bicycle so they are never stuck in a traffic jam. You know how unenjoyable it is to sit stuck in traffic, especially if you do it every day. So 37 percent of the Copenhageners never experience that because they have the convenience of going from A to B on a bicycle. So the joy of riding your bike replaces being stuck in a traffic jam or looking aimlessly for a parking spot. Also, our port has become so clean you can swim in it. You don‘t have to commute to the Hamptons to have clean water. You can actually jump in the port downtown. So these are basic examples where sustainability actually starts becoming an upgrade rather than a downgrade. So the first project that we did was the Copenhagen Harbour Bath that basically extends public life into the water in the middle of the city. Another possibility is to take for example swimming pools and supermarkets. Public pools have huge energy bills because they have to heat the water. Supermarkets have huge energy bills because they have to cool their freezers, a process that actually lets off a lot of heat. Even though it seems crazy, if you combine a swimming pool and a supermarket, you can save huge amounts of energy, dramatically cut your energy bills and substantially shrink your environmental footprint. Another example – we’re about to start building this skyscraper in China that will be the headquarters of the Shenzhen energy company. The Shenzhen metropolitan area is the most industrious region in the world – probably half the things you own were produced there. So this energy company is one of the main culprits of global warming, and we were asked to design its headquarters. An office building is a workplace, and you want as much daylight as possible without frying in the subtropical heat of Shenzhen. We came up with this design where the facade is like a pleated dress … As a result, to the north the façade is transparent allowing the maximum daylight to enter the building; to the south its completely opaque blocking out all sun. Despite the fact that it dramatically reduced the energy consumption for cooling, it‘s actually quite beautiful … it‘s efficient, there‘s no glare, it offers an abundant view for the people working there. It’s an example of how design alone can lower both the energy consumption and the environmental footprint, without adding any energy-sapping cooling systems. I think pollution is essentially a design challenge, so ­rather than trying to change people’s habits and people’s lives, we should observe how people live how they want to live and try to design society around them so they can actually consume without feeling guilty. As Baden Powell said, there’s no such thing as bad weather, there’s just bad clothing. You could say there’s no unsus­tainable behavior – there’s only unsustainable architecture. It should be about investing in the future. Sustainability, if it‘s some politically correct exercise, and tolerably expense, it‘s never going to create massive change. When it becomes the smarter alternative, when it becomes both ecologically and economically profitable, it‘s really going to have massive impact. We won the competition by designing a skyscraper where, using solar contact, the façade actually dehumidified the air inside the building in a non-mechanical way. We could reduce the energy consumption of the building by 70 percent. It also looked attractive. It was an example where the sustainable part of the architecture was not some invisible accumulation of machinery in the basement; the envelope of the building was designed in a way that would actively reduce its carbon footprint. So, they got both a landmark and the sustainability. But the sustainability was not some report that you had to read about next to the building. You could really see this building looked different because it was behaving differently. In one of our most current projects, the Waste-To-Energy power plant in Copenhagen the mass of the building serves as a ski slope for the citizens of Copenhagen. It is economically profitable because it turns waste into heat and energy. It is envi­ronmentally profitable because it disposes of waster eliminating landfill. And in Denmark only 4 % of waste ends up in landfills, the rest is either turned into energy or recycled. And finally it is socially profitable because it actually creates social activity – skiing -- which would otherwise be impossible. We have the climate. We have the cold. We don’t have the topography. So now Copenhagen will get its first ski mountain. Right now people commute eight hours to go southern Sweden where the slope is only a third higher than what we can provide on this building. It has a black slope, a blue slope, and a green slope. And they loop around. There is even an mogul slope. And the lower part is a slope for the kids. And the end up at the elevator for the chimney. In the brief they were asking for a visitor’s center, this thing where you take the school kids to tell them this is where the waster turns into power. But then we thought you are only going to go once, and when your teacher tells you too. What if it actually becomes a destination where by accident you discover. Why do we have this ski slope here? Ah, it’s because it is on top of a waste-to-energy power plant. So somehow it is the ultimate example of sustainability. Kai-Uwe Bergmann, Partner at BIG, is a former Seattlelite and today manages the 50 person BIG NYC office in New York City. 19 Prof. Manfred Hegger HHS Hegger Hegger Schleif Architekten AG, Kassel Von der Energieeffizienz zur Nachhaltigkeit – Herausforderungen, Kriterien, Beispiele H erausforderungen: Aktuell sehen wir uns einer Reihe von Herausforderungen gegenüber, die wiederum miteinander in Wechselwirkung stehen. Nachfolgend sind fünf Herausforderungen beschrieben, die teilweise global, teilweise lokal, Auswirkungen auch auf die Lebensweise der Menschen in Deutschland und damit auf die Entwicklungen im Wohnungsbau haben werden. Demographischer Wandel und Wanderungsbewegungen In den nächsten Jahren und Jahrzehnten wird die Welt, aber auch Deutschland mit einem demographischen Wandel konfrontiert sein, den wir nicht mehr aufhalten können, sondern auf den wir nur noch reagieren können. Bis 2050 wird die Welt­bevölkerung auf über 9 Milliarden Menschen wachsen. In Deutschland wird die Bevölkerung im gleichen Zeitraum auf 73 Millionen zurückgehen. Von diesen werden dann aber knapp 40 % über 60 Jahre alt sein. Die durchschnittliche Lebenserwartung wird zwischen 80 und 90 Jahren liegen. Neben den ökonomischen Konsequenzen dieses Wandels muss für diese Altergruppe ausreichend Wohnraum vorhanden sein, der möglichst lange ein eigenständiges Leben ermöglicht. Darüber hinaus werden sich die Wanderungsbewegungen in die Ballungsräume­ weltweit, aber auch in Deutschland, fortsetzen. Bis 2050 werden 70 % der Welt­ bevölkerung in Städten leben. In Deutschland führt dies zu einer differenzierten Nachfrage nach Wohnraum. Während ländliche Räume vor allem im Osten Deutschlands im mehr Bevölkerung verlieren, werden Großstädte weiter wachsen, mit entsprechenden Effekten auf den dortigen Wohnungsmarkt. Gebäudebestand Ca. 70% des Gebäudebestands in Deutschland sind vor 1979 errichtet worden. ­Sofern sie nicht zwischenzeitlich saniert wurden, erfüllen sie nicht einmal die Vorgaben der ersten Wärmeschutzverordnung1. Da die Neubauquote gering ist, wird das vorhandene Einsparpotential nur langsam erschlossen. Im Jahr 2008 lag die ­Abrissquote bei 0,04 % und die Neubauquote bei 0,55 % (jeweils gebäudebe­ zogen)2. Im Jahr 2005 lag die Sanierungsrate von Gebäuden in Deutschland bei nur 1,3% mit sinkender Tendenz3. Dies liegt deutlich unter einer Sanierungsrate, die technisch und wirtschaftlich erforderlich ist, um Schäden an Gebäuden zu verhindern. Basierend auf den durchschnittlichen Lebensdauern von Bauteilen liegt diese Sollsanierungsrate für die Gebäudehülle bei 2,57%, für die Heizung sogar bei 3,95% . Das bedeutet, dass der Wohnungsbestand langsam überaltert. Der vorhandene Instandhaltungsstau wird in den kommenden Jahren verstärkt Investitionen notwendig machen. Klimawandel Durch die Industrialisierung und die damit einhergehende umfangreiche Nutzung nicht erneuerbarer Energieträger wurde das Klima der Erde nachhaltig verändert. In den vergangenen 150 Jahren hat sich die durchschnittliche Temperatur auf der Erdoberfläche um 0,8°C erhöht. Bei einer Erhöhung um mehr als 2° geht man allgemein von irreversiblen Veränderungen aus, die sich z.T. noch gar nicht absehen lassen. Darüber hinaus sind inzwischen eine Reihe von weiteren Effekten (Ozonloch, sauerer Regen) bekannt, die aus der exzessiven Nutzung von Ressourcen und der unkontrollierten Emission von Schadstoffen durch den Menschen resultieren. Die einhergehenden klimatischen Veränderungen betreffen auch Gebäude und das Bauwesen. Wachsender Wohlstand Weltweit wächst der Wohlstand. Insbesondere in den Schwellenländern können sich immer mehr Menschen immer mehr leisten. Der berechtigte Wunsch nach 21 Prof. Manfred Hegger einem Leben in relativem Wohlstand führt allerdings zu einem gesteigerten Ener­ gie- und Ressourcenverbrauch. Insbesondere in Zusammenhang mit dem oben ­beschriebenen demographischen Wandel. Ressourcenverbrauch Der Verbrauch nicht regenerierbarer natürlicher Ressourcen hat letztlich den Menschen gemachten Klimawandel ausgelöst. Daraus werden international Konflikte resultieren. Diese Entwicklung wird sich mit einer anderen Intensität auch um Rohstoffe und Bodenschätze fortsetzen. Neben dem vielfach angekündigten Krieg ums Wasser wird sich die Zugänglichkeit zu natürlichen Ressourcen auch auf Grund geo­ politischer Veränderungen wie der Emanzipation der Schwellenländer dramatisch ändern. Ein Vorgeschmack ist der Lieferengpass bei den sogenannten seltenen ­Erden. Insbesondere das Bauwesen ist in erheblichem Maße am aktuellen Ressourcenverbrauch beteiligt. Ca. 50% des der Erde entnommenen Materials wird für ­Gebäude verwendet. Gebäude sind für 60% des Abfallaufkommens verantwortlich und verbrauchen ca. die Hälfte der produzierten Endenergie5. Energieeffizienz: ein Schritt in die richtige Richtung Das energieeffiziente Bauen hat in den letzten Jahrzehnten erhebliche Fortschritte gemacht. Die rechtlichen Anforderungen an Neubauten fordern heute einen Energieeinsatz, der ein Viertel des Energieverbrauchs der Bausubstanz vor der ersten Energiekrise unterschreitet. Beim inzwischen schon weit verbreiteten Passivhausstandard liegt der nachzuweisende Energieaufwand unter 120KWh/m2a GesamtPrimärenergieeinsatz und unter 15KWh/m2a für die Beheizung. Dies entspricht nur noch ca. 7 bis 8 % des Einsatzes für ein Gebäude aus der Zeit vor den Achtziger Jahren. Möglich wird dies durch eine erhebliche Verbesserung der Bautechnik Auf der Grundlage hoher Energieeffizienz wird es auch möglich, die geringe erforderliche Restenergie für das Gebäude klimaschonend zu erzeugen und hierbei die regenerativen Umgebungsenergien des Gebäudes zu nutzen. Jedes Gebäude ist umgeben von Energiequellen wie Wind und Sonne, Grundwasser und Erdreich oder Biomasse, deren Nutzung Ressourcen schont und die Umwelt geringer belastet. 22 Leitbild Nachhaltige Entwicklung Aufbauend auf den Erfolgen im energieeffizienten Bauen müssen jetzt die nächste Schritte zu einer nachhaltigen Entwicklung im Bauwesen getan werden. Nachhaltige und wirtschaftliche Ergebnisse setzen zunächst voraus, dass Standort, innere Gliederung des Gebäudes und konstruktives Gerüst als dauerhaft tragfähig bewertet werden, um eine Investition vom Grundsatz her zu begründen. Hierin fließen auch Kriterien wie die demographische Entwicklung, barrierefreie Grundstruktur und Anpassungsfähigkeit für Veränderungen ein. Sind diese Fragen positiv beantwortet, wird eine gründliche integrale Planung dafür sorgen können, energetisch wie bauphysikalisch wirksame Lösungen zu entwickeln, die jedoch nicht allein der Energieeffizienz dienen, sondern zugleich dem Wohlbefinden und der dauerhaften Attraktivität für ihre Benutzer. Darüber hinaus sollten sie das Bild der Stadt positiv beeinflussen und ihre Nachbarschaft anregen, mitzuwirken an der großen Aufgabe einer nachhaltigen und klimagerechten Gestaltung unserer Umwelt. Nachhaltigkeitszertifizierungssysteme, wie das der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen, geben einen umfassenden Überblick über die zu adressierenden Themen beim Bau nachhaltiger Gebäude. Nachfolgend sind einige dieser Themen genauer beschrieben. Nachhaltigkeit durch Ressourceneffizienz Im Hinblick auf die anstehenden Herausforderungen (Klimawandel, Rohstoffknappheit, wachsende Weltbevölkerung etc.) ist eine Effizienzsteigerung in der gesamten Ressourcennutzung notwendig. Über eine zweckgerichtete und bewusste Materialwahl können Planende die Nutzung und Wiederverwendbarkeit von Ressourcen für zukünftige Generationen wesentlich beeinflussen. Der Einsatz von Baustoffen mit einem hohen Recyclinganteil und die Wieder­ verwendung ganzer Bauteile verbessern die Ökobilanz von Gebäuden und verringern die Umweltbelastungen. Gleiches gilt für Baustoffe aus nachwachsenden Rohstoffen und, unter den beschriebenen Voraussetzungen, für den Einsatz dauer­ hafter Materialien. Kurze Wege und lokale Materialien sind zu bevorzugen. Im Ideal­fall kann das Baumaterial vor Ort gewonnen und auch wieder entsorgt werden (Lehmbau). Wartungsfreundliche Konstruktionen ermöglichen, dass sich Einzelbauteile leicht und zerstörungsfrei austauschen lassen, ohne andere noch funktionierende­ Schichten zu beschädigen. Reversible Konstruktionen ohne Verklebungen und Sandwichbauteile ermöglichen eine einfache Demontage des Gebäudes am Ende des ­Lebenszyklus und ein Recycling der Einzelkomponenten. Der Verzicht auf ­Anstriche und Lackierungen vereinfacht das sortenreine Recycling der einzelnen Produkte. Des Weiteren kann eine genaue Dokumentation der verbauten Stoffe und Produkte die Instandhaltung und Entsorgung des Gebäudes erleichtern und die Nutzung der in Gebäuden «zwischengelagerten« Materialien in der Zukunft erleichtern. Das unter Aspekten der Nachhaltigkeit »richtige« Material zu finden ist einzelfallspezifisch. Neben den beschriebenen Eigenschaften sind Kosten (bezogen auf den Lebenszyklus), gestalterische Aspekte und viele weitere Kriterien zu berücksich­ tigen. Nachhaltigkeit durch Standortwahl Gebäude sind Immobilien, das bedeutet sie können ihren einmal gewählten Standort nicht verlassen. Darüber hinaus sind Gebäude in der Regel extrem langlebig. Insbesondere bei Wohngebäuden kann man von einer Nutzungsdauer von weit über hundert Jahren ausgehen, wenn sie weiterhin die Bedürfnisse ihrer Bewohner ­erfüllen. Die Wahl des richtigen Standorts ist daher ein wichtiger Aspekt eines nachhaltigen Wohngebäudes, nicht zuletzt vor dem Hintergrund des demographischen Wandels und der zunehmenden Verstädterung. Nachhaltigkeit durch Entwurf und Gestaltung Faktoren wie eine gute Flächenökonomie bei hoher Raumqualität, eine kluge Bauform und Zonierung, flexible oder nutzungsneutrale Grundrisse, eine kluge Befensterung mit einem sinnvollen Verhältnis von Masse und Transparenz, Wärme und Feuchte absorbierende Oberflächen und nicht zuletzt allgemein eine gute Gestaltung führen zu einer hohen Akzeptanz bei den Nutzern. Denn nur ein vom Nutzer akzeptiertes und geliebtes Gebäude ist wirklich nachhaltig. Es wird nur dann dauer­ haft genutzt werden. Nur dann wird auch der Einsatz dauerhafter Materialien den Lebenszyklus von Gebäuden am Ende auch positiv beeinflussen, wenn sich Individuen und Gemeinschaften leidenschaftlich mit ihnen identifizieren. Dies, und nicht weniger, muss moderne, energieeffiziente und nachhaltige ­Architektur leisten. Die gute Gestaltung energieeffizienter und nachhaltiger Gebäude ist die Herausforderung der nächsten Jahre für Planer und Architekten. in Washington D.C. miteinander verglichen. Ziel ist es, die Potenziale des solaren und nachhaltigen Bauens sowie solarer Energieerzeugung einer breiten Öffentlichkeit aufzuzeigen. Der Wettbewerb bietet nicht nur die Chance, neue Wege in der Architektur zu beschreiten, sondern auch neue Technologien und Produkte auszuprobieren, anzuwenden und zu entwickeln. Im Jahr 2007 hat die Technische Universität Darmstadt erstmalig als Team Germany unter meiner Leitung am Wettbewerb teilgenommen und diesen auf Anhieb gewonnen. Dieser Erfolg konnte bei der zweiten Teilnahme 2009 wiederholt werden. Die Teams bestanden jeweils aus Studierenden des Fachbereichs Architektur und wurde von verschiedenen Fachgebieten der TU Darmstadt unter Leitung des Fachgebietes Entwerfen und Energieeffizientes Bauen betreut. Die Studenten entwickelten das Gebäude innerhalb von drei Semestern ­zunächst in Form eines Wettbewerbs. Im Rahmen einer Jury wurde aus 16 studentischen Entwürfen in mehreren Durchgängen einer herausgefiltert. Dieser wurde dann in Folge von allen gemeinsam weiter bearbeitet und schließlich gebaut. Das gesamte Team musste sich nun mit diesem einen Entwurf identifizieren. Abbildung 1 Das »surPlushome«, der deutsche Beitrag zum Solar Decathlon 2009. Flächeneffizienz und intelligente Zonierung im Gebäudeentwurf Beispiele »surPLUShome« – Deutscher Beitrag zum Solar Decathlon 2009 Der Solar Decathlon ist ein alle zwei Jahre stattfindender internationaler Hochschulwettbewerb, ausgeschrieben vom amerikanischen Energieministerium. Die Teams der 20 dafür vorqualifizierten Universitäten haben die Aufgabe, ein allein mit Sonnen­energie betriebenes Wohnhaus zu planen, zu bauen und dem Wettbewerb, der den Untertitel »Prototyp Wohnen 2015« trägt, mit insgesamt zehn Disziplinen zu stellen. Die Häuser werden im Rahmen einer Bauausstellung auf der National Mall 23 Prof. Manfred Hegger Das Haus für den Wettbewerb 2009, das »surPLUShome«, besitzt zahlreiche entwerferische und technische Elemente, die es dem Nutzer ermöglichen sich von einem klassischen Wohnverständnis zu lösen und neue effiziente Lebensstile zu generieren. Mit dem Einraumkonzept werden verschiedene atmosphärische Raum­zonen definiert. Um eine differenzierte Ausbildung von Zonen innerhalb dieses Ein-RaumKonzeptes mit verschiedenen Charakteren und unterschiedlichen Graden von Privat­sphäre zu erreichen, ist im Schlafbereich der Boden leicht abgesenkt; darüber befindet sich eine offene Galerie als zusätzlicher Rückzugsraum. Ähnlich mit Mehrfachnutzungen versehen ist das im Raum freistehende ­»Möbel«. Es vereint verschiedene dienende Funktionen für die Raumnutzung wie Küche, Bad, Treppe und Stauraum ebenso wie die Wärme- und Kälteversorgung, die Warmwassererzeugung und Stromversorgung und ist mit seiner Oberfläche zentraler Bestandteil des Kunstlichtkonzepts. Die Gebäudetechnik besetzt so im Gebäude nur etwa 0,7 m2 der Nutzfläche. So bleibt der restliche Raum frei und ist nutzungsflexibel einsetzbar. Abbildung 2 Innenraum des »surPlushome«. Das Ein-Raum-Haus wird über unterschiedliche Bodenniveaus und eine Galerie in verschiedene Nutzungsbereiche gegliedert. Ein Riegel, in dem die Gebäudetechnik, aber auch Treppe und Küche Platz finden, zoniert ­ das Gebäude zusätzlich. 24 Das räumliche Konzept verfolgt auch ein energetisches Ziel. Das Gebäude, fast wärme­brückenfrei mit Bauteilen in Passivhausstandard ausgeführt, wird über die Zuluft thermisch konditioniert. Die räumliche Zonierung unterstützt dabei unterschiedliche thermische Zustände im Raum, so bleibt z. B. der Schlafbereich in der Regel kühler als der Aufenthaltsbereich. Gezielt gesetzte Fensteröffnungen, die ­sowohl auf ihre Wirkung im Sommer- und im Winterfall hin untersucht wurden, unter­stützen diese Zonierung. Lokale Temperaturen stellen sich damit gemäß dem natürlichen menschlichen Empfinden ein, was für den Nutzer des Hauses einen erhöh­ten Komfort bedeutet. Fassadenintegrierte Energiegewinnung Die gesamte Fassade des Gebäudes ist mit CIS-Photovoltaikmodulen mit einem Wirkungsgrad von 11 % belegt. Die Konstruktion der Fassade orientiert sich an dem tradi­tionellen Schindel-Prinzip, welches durch den Einsatz der Photovoltaik-Modulen zeitgemäß neu interpretiert wurde. Die Fassade des surPLUShome ist beispielhaft für die Anwendung einer gebäudeintegrierten Photovoltaik. Hauptziel war es, ein homogenes und innovatives Erscheinungsbild zu entwickeln, das entscheidend zur Energiegewinnung beiträgt, ohne die notwendigen Funktionen einer Fassade zu vernachlässigen. Daher übernimmt die PV konstruktiv die Funktion der wasser­ führenden Schicht. Über Klappelemente kann die Fassade Lichtbedarf, Wärme­ bedarf, Kühlbedarf regulieren und Sicht- und Blendschutz zur Verfügung stellen. Um basie­rend auf einer fixen Modulgröße flexibel in der Gestaltung zu sein, wurde die Fassade­durch farbige PLEXIGLAS- und Blindmodule ergänzt. Zusammen mit den Photovolatikmodulen auf dem Dach erzeugt das surPlushome mehr als doppelt soviel Energie, wie es im selbst im Betrieb verbraucht. Heizen- und Kühlen mit teilaktiven Systemen Parallel zur Fassade entstand als zweites System in der Zusammenarbeit von Fachgebiet, Studierenden und Unternehmen: die Klimadecke. Dabei handelt es sich um ein teilaktives System, das sowohl zum Kühlen als auch zum Wärmen eingesetzt werden kann. Die Klimadecke arbeitet mit einem Phase-Change-Material (PCM),einer Salzhydratlösung. Im Phase-Change-Material wird Wärme am Phasen­ übergang von fest zu flüssig bzw. flüssig zu fest in chemische Energie umgewandelt. Das Material entzieht bei steigenden Raumtemperaturen der Umgebung Energie. Die Raumtemperatur steigt also nicht weiter an (passive Kühlung). Umgekehrt gibt das Material bei fallenden Temperaturen Wärme an die umgebende Luft ab. Dieses Latentspeichermaterial verhindert so zum einen sommerliche Überhitzung, kann aber auch das Auskühlen eines Gebäudes vermeiden. In dem Fall der neuent­ wickelten Klimadecke wurde das PCM in Form von Salzhydraten in Kammern in der Gebäudedecke eingebracht. Bei Kühlbedarf wird über Ventilatoren die erwärmte Luft aus dem Innenraum durch Schlitze in der Decke angesaugt und durch den mit PCM bestückten Dachzwischenraum gedrückt. Die Luft gibt so ihre Energie an die Salzhydratlösung ab, welche ihre Phase verändert. Am Ende der Deckenkanäle fällt die abgekühlte Luft wieder aus der Decke in den Innenraum. Die Temperatur des Innenraumes kann ­dadurch um maximal 6 ° Celsius reduziert werden. In der Nacht werden die Decken­ klappen geschlossen und die Fassadenklappen zum Außenraum geöffnet. So kann das PCM durch die kühle Nachtluft wieder entladen werden. Im umgekehrten Fall kann das PCM mit warmer Außenluft aufgeladen werden und bei Bedarf nachts die Wärme an den Innenraum abgeben. »LichtAktiv Haus« Velux Model Home 2020 Die »Model Home 2020« Projekte sind die Initiative der dänischen Firma Velux, die anhand von sechs sog. »eins zu eins« Experimenten in fünf europäischen Ländern aktiv bei der Entwicklung nachhaltiger Gebäude mitwirkt. Der deutsche Beitrag beschäftigt sich mit der Sanierung und Erweiterung ­einer Doppelhaushälfte aus den fünfziger Jahren auf dem Gelände der Internationalen Bauausstellung Hamburg in Wilhelmsburg (www.iba-hamburg.de). Der Entwurf wurde in Zusammenarbeit mit dem Fachgebiet Entwerfen und Energieeffizientes Bauen bearbeitet. Zu Anfang stand ein studentischer Wettbewerb, der als betreuter Semesterentwurf angeboten wurde und aus dem die Arbeit von Katharina Fey prämiert wurde. Anschließend wurde der Entwurf unter Einbindung der Preisträgerin im Hochschulkontext weiter bearbeitet, die interdisziplinären Leistungen der Gebäude­technologie und Tragwerksentwicklung werden integriert. Das emissionsfreie ­Bauen im Bestand ist dabei Hauptgegenstand der Untersuchungen. An dem Siedlerhaus aus den fünfziger Jahren wird das Potential einer Sanie­ rung und Erweiterung in Bezug auf emissionsfreies Bauen im Bestand und die gesteigerte Wohnqualität untersucht. Rund die Hälfte aller Wohneinheiten in Deutschland wurde im Zeitraum von 1949 bis 1978 errichtet. Ein Großteil der klima­ schädlichen Emissionen fällt bei der Konditionierung dieses riesigen Bestands an. Dessen Ertüchtigung ist ein wichtiger Beitrag zur Reduktion des CO2-Ausstoßes. Um das Potential einer energetischen Sanierung auch räumlich voll auszuschöpfen, werden im Rahmen des Umbaus Nutzbarkeit, Flexibilität und Tageslichtausbeute optimiert. Abbildung 5 »LichtAktivHaus« vor und nach der Sanierung Entwurfsbeschreibung »Aus eigenem Anbau« Die Entwurfsverfasserin interpretiert den Siedlerhaustypus der Doppelhaushälfte neu: Aus dem kleinen Haus auf großen Grundstück mit dem Stall als Anbau, ­damit sich die Bewohner selbst versorgen konnten, wird ein Haus für Privatsphäre mit dem zentralen Wohn- und Essraum als Anbau. Nicht mehr eigene Nahrung wird ­erzeugt, sondern Energie anhand von Solarthermie-Kollektoren und einer Photovoltaikanlage. Der neue Anbau zoniert den Garten in Aufenthalts- und Nutzgarten und schafft durch klare Öffnungen fließende Übergänge zwischen Innen- und Außenraum. Eine große Herausforderung stellt der Umgang mit der aus der Not der Nachkriegszeit entstandenen engen, gedrungenen Struktur des Bestands dar. Die Schlafräume werden in ihrer Größe minimiert und behalten die niedrigen Deckenhöhen. Großzügige Fensteröffnungen stellen einen Tageslichtquotienten von mindestens 5% sicher. Dem zentralen Erschließungs- und Bibliotheksraum, der die ehemals kleinteilige und geschlossene Struktur sowohl vertikal als auch horizontal auflöst, kommt die Funktion einer sogenannten Tageslichtlampe zu. Es entsteht ein Ort der Muße und des familiären Austauschs. 25 Prof. Manfred Hegger Emissionsfreies Bauen und ressourcenschonendes Bauen Das Model Home 2020 wird in CO2-neutraler Bauweise errichtet. Dabei wird im Rahmen der Ökobilanzierung der gesamte Lebenszyklus des Gebäudes unter des Aspekten der potentiellen Umweltwirkung betrachtet: Erstellung, Betrieb, Instandhaltung, Abriss und Entsorgung. Im Fokus der Betrachtungen stehen eine leichte, dauerhafte und schließlich reversible Konstruktions- und Materialwahl aus nachwachsenden Rohstoffen. Die Ökobilanz des sanierten Bestandsgebäudes und des neu erstellten ­Anbaus zeigen das Potential von Sanierungen hinsichtlich der Ressourcenein­sparung. ­Obwohl vom Bestandsgebäude »nur« die Außenwände, einige Innenwände,­ die Bodenplatte sowie die Deckenbalken weiterverwendet wurden, mindern sich doch sichtbar die Umweltwirkungen der Baukonstruktion des Bestandsgebäudes im Vergleich zum neu erstellten Anbau. Und das, obwohl beim Anbau bereits auf eine ressour­censchonende Bauweise (Leichtbau aus Holz) geachtet wurde. Dies zeigt, dass einer Nutzung bestehender Konstruktionen selbst vor ressourcenschonenden Neubauten der Vorzug gegeben werden sollte. Dabei sind immer die Umgestaltungsmöglichkeiten des Bestandsgebäudes im Vergleich zu einem Neubau in ­Betracht zu ziehen. Hinsichtlich der Nutzbarkeit muss der sanierte Bestandsbau mit einem Neubau konkurrenzfähig sein. Dies setzt auch eine hohe gestalterische Qualität des Umbau voraus. Ergänzt wird diese Betrachtung im »LichtAktivHaus« durch das Energiekonzept. Die Energiebedarfe für Heizwärme, Warmwasser, Haustechnik, Beleuchtung und Haushaltstrom werden mit erneuerbaren Energien gedeckt. Das Gebäudetechnik­ konzept sieht eine Luft-Sonne-Wasser-Wärmepumpe vor, die von Solarthermie-Kollektoren auf Bestand und Neubau gespeist wird. Eine Photovoltaikanlage auf dem Dach des Neubaus erzeugt den notwendigen Strom, Überschüsse werden in das lokale Netz eingespeist, der Verbrauch ist über den Netzverbund abgesichert. Das Model Home 2020 wird nach der Sanierung und Erweiterung CO2-neutral sein. 26 Solar Akademie Die Firma SMA ist Weltmarktführer auf dem Gebiet der Wechselrichter und benötigt in unmittelbarer Nähe zum bereits ausgebauten Standort ein Schulungsgebäude. Dieses ist auf einer vorhandenen Parkplatzfläche als aufgeständerter Baukörper geplant. Konstruktion und Gestaltung ergeben sich aus der Grundstückslage innerhalb des Überflutungsbereiches der Fulda und der Vorgabe, ein Maximum an neuester Gebäudetechnologie zu integrieren. Großflächige gebäudeintegrierte Photovoltaikelemente fungieren als Dach und als Fassade. Somit vereint die Gebäudehülle technische Anforderungen mit der Ästhetik eines schwebenden und leichten Baukörpers. Die Verankerung im Boden erfolgt durch einen Kern aus Sichtbeton, in dem sich die Erschließung des Gebäudes und die Versorgungsanschlüsse befinden. Durch die Verkleidung mit ausschließlich Glas und Metall sind die Material- und Konstruktionsübergänge von Wand, Dach und Untersicht fließend. Im Obergeschoss befinden sich Foyer, Schulungsräume, Nebennutzflächen und die Technikzentrale, die gleichzeitig als Showroom zur Demonstration der Gebäudetechnik dienen soll und das Gebäude zum technischen Anschauungsobjekt werden lässt. Energetisch ist das Gebäude komplett vom öffentlichen Netz unabhängig und funktioniert energieautark. Als »Insellösung« demonstriert es die vom Bauherren entwickelte Sunny-Island-Technologie, die zur Elektrifizierung netzferner Standorte dient. Die technischen Anlagenkomponenten sind ein hoher Wärmedämmstandard in Verbindung mit dem Kältemedium Grundwasser aus einer Tiefbohrung und ein BHKW für den Winterfall bei nicht ausreichender PV-Leistung. Betrieben wird das BHKW mit Biogas. Entsprechend der Firmenphilosophie soll mit Einsatz regenerativer Energietechniken ein innovativer Beitrag zur Entlastung von Mensch und Umwelt geleistet werden. Abbildung 8 Solar Akademie der Frima SMA in Niestetal bei Kassel (HHS Architekten) 1 Schüle, Ralf; Bierwirth, Anja; Madry, Thomas: Zukunft der Energieberatung in Deutschland. 2011, S. 8. URL: http://www. wuestenrot-stiftung.de/pdf/Energieberatung-in-Deutschland.pdf? PHPSESSID=e73516c7ae7891f9a05d015bf8b3db9b. Stand: 27.04.2011. 2 Schüle, Ralf; Bierwirth, Anja; Madry, Thomas: Zukunft der Energieberatung in Deutschland. 2011, S. 9. URL: http://www. wuestenrot-stiftung.de/pdf/Energieberatung-in-Deutschland.pdf? PHPSESSID=e73516c7ae7891f9a05d015bf8b3db9b. Stand: 27.04.2011. 3 Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (Hg,): Nationaler Energieeffizienz- Aktionsplan (EEAP) der Bundesrepublik Deutschland. 2006, S. 53. URL: http://www.bmwi.de/BMWi/Redaktion/PDF/Publikationen/nationaler-enerieeffizienzplan, property=pdf,bereich=bmwi,sprache=de,rwb=true.pdf. Stand: 27.04.2011. 4 Hansen, P.; Kleemann, M.: Evaluierung der CO2-Minderungsmaßnahmen im Gebäudebereich. In: Schriften des Fo­r­schungs­ zentrums Jülich, Band 60. Jülich, 2005. Abrufbar im internet. URL: http://juwel.fz-juelich.de:8080/dspace/bitstream/­ 2128/441/1/Umwelt_60.pdf. Stand: 27.04.2011, S. 59 5 UNEP 2006 27 Prof. Rainer Hascher HASCHER JEHLE ARCHITEKTEN, Berlin Nachhaltige und energieeffiziente Gebäudekonzepte – ein Plädoyer für eine ganzheitliche Betrachtungsweise N achhaltige und energieeffiziente Gebäudekonzepte lassen sich nicht über einfache, immer wiederkehrende identische Planungsanweisungen und eine zu eng gefasste Normierung zukunftsfähig entwickeln, sondern bedür­ fen vielmehr eines iterativen, gewissenhaften Planungsprozesses mit präzise aufeinander abgestimmten baukonstruktiven und anlagentechnischen Bausteinen, die sich den örtlichen und klimatischen Verhältnissen auf intelligente Weise anpassen – und dies immer wieder anders, da es eben nicht die eine, immer richtige Lösung gibt. Diese Systeme bauen dabei viel stärker auf passive, reaktive und selbstregulie­rende natürliche Abläufe, als auf aktive, technisch gestützte Systeme. Die Aktivierung von Speichermassen, das Ausnutzen thermischer und aerodynamischer ­Effekte für Lüftungszwecke oder die Kühlung durch Verdunstungskälte sind Beispiele für solche Abläufe. Dort, wo aber moderne technische und mechanische Systeme sinnvoll sind, sollten sie auch in angemessener Weise zum Einsatz kommen und zum integralen Bestandteil des architektonischen Konzepts werden. Der Begriff der »nachhaltigen Entwicklung« berührt dabei, wenn er erfolgreich in unser Wirtschaftssystem implantiert werden soll, nicht nur die ökologischen ­Aspekte. Vielmehr gilt es, ökonomische, gesellschaftliche und kulturelle Werte in ein planerisches Konzept so zu integrieren, dass daraus eine ganzheitliche Strategie für zukunftsfähige Gebäudekonzepte entsteht. Es geht dabei nicht um Extrem­ lösungen, sondern vielmehr um eine ganzheitliche Betrachtungsweise und eine angemessene Balance von soziokulturellen ökologischen und ökonomischen Zielen. Wir wissen, dass viele der Probleme, die unsere Umwelt belasten, eine Folge der immer effizienter gestalteten Spezialisierung unserer Gesellschaft sind. Dabei werden Teilaspekte von Prozessen, Produkten und Materialien nicht nur sinnlos optimiert, bis zur scheinbaren Perfektion, sondern zugleich wirken sie sich negativ auf den gesamten natürlichen Lebensraum aus, da die Optimierungsmethoden in Das Bürogebäude LSV Landshut ist ein Beispiel für die effektive Nutzung passiver natürlicher Abläufe 29 Prof. Rainer Hascher 30 zu geringem Maß die Ausgewogenheit des Gesamtsystems berücksichtigen. Diese Kritik stellt keine Rückzugsforderung aus hochtechnisch geprägten Systemen dar, sondern ist vielmehr ein Plädoyer für die ausgewogene und balancierte Einbettung modernster Technologie in das Zieldreieck von soziokulturellem Kontext, Ökologie und Ökonomie. So bietet z. B. ein zukunftsfähiges, nachhaltig konzipiertes Bürogebäude mehr als nur eine Klimahülle: Die Verbindung zwischen innen und außen hat für unsere Lebensgewohnheiten im gleichen Maße an Bedeutung gewonnen wie die Aufgabe eines Gebäudes gegenüber den Einflüssen der Natur zu schützen, durch neue Mate­ rialien und Techniken leichter zu erfüllen ist. Damit wird das Gebäude intensiver in die Umgebung eingebunden, die Übergänge im Bereich der Hülle werden abgestufter – Licht kann zum Beispiel – geleitet, gefiltert, gedämpft, gebrochen und reflektiert werden –, Energieströme werden kontrollierbarer. Der psychologische Gewinn, den eine transparente Hülle bietet, das Sehen und Erleben von Tag und Nacht, von Wind und Wetter, von Sommer und Winter wurde im 20. Jahrhundert zu einem wichtigen Bestandteil einer offenen und erlebnisreichen Architektur. Es ist eine Aufgabe unserer Zeit, das natürliche Tageslicht nicht nur unter energetischen Aspekten zu kanalisieren, sondern seine Einflüsse auf die Physis und die Psyche des Menschen in das architektonische Konzept zu integrieren. Unter diesem Gesichtspunkt muss es das Ziel sein, energetische Gebäudekonzepte nicht einseitig und ausschließlich um ihrer selbst willen zu Lasten von Raum- und Lebensqualitäten zu optimieren, sondern innovative und qualitativ hochwertige Nutzungskonzepte für Aufgaben des Alltags zu entwickeln, die neue Wege der Ener­ gieeinsparung eröffnen. Auf abstrakter Ebene lassen sich für das Ziel einer nachhaltigen Planung mühe­los eine Reihe klar definierter Handlungsanweisungen geben: __Berücksichtigung spezifischer Standortfaktoren (Topographie, Vegetation, Infra struktur und kulturelles Umfeld) bei der Einbettung der Gebäudeanlage in den örtlichen Kontext. __Berücksichtigung physiologischer und psychologischer Einflüsse und Belange für die Konzeption der Gebäudestruktur __Nutzung klimatischer Rahmenbedingungen (Sonneneinstrahlung, Wind, tages und jahreszeitlicher Temperaturverlauf, geothermische Verhältnisse, Gewässer temperaturen, Luftfeuchtigkeit, Tageslichtangebot) für eine natürliche und wei test­gehende passive Gebäudekonditionierung __Reduzierung von Stoffflüssen während des gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes __Nutzung regenerativer Energien und nachwachsender Baustoffe __Verwendung wiederverwertbarer Baumaterialien und demontagegerechter Kon struktionen Im praktischen Entscheidungsprozess ist die Bewertung solcher Handlungsanweisungen jedoch nicht ohne Zielkonflikte, die zu völlig unterschiedlichen Gebäudekonzepten führen können. Zum Beispiel scheinen Organisationsformen, bei denen auf das Bauen an sich verzichtet werden kann oder bei denen Arbeitsplätze von mehreren Mitarbeitern genutzt werden, der Forderung nach Reduktion von Stoffund Energieflüssen folgerichtig nachzukommen. Da Gebäude aber nicht alleine ­unter ökologischen Kriterien, sondern auch unter soziokulturellen Aspekten und im Hinblick auf ihren gesamtwirtschaftlichen Nutzen bewertet werden müssen, wäre beispielsweise der Ansatz, Bürogebäude durch Heimarbeit am Computer überflüssig werden zu lassen, zwar ökologisch wünschenswert, jedoch gesamtgesellschaftlich irreal. In einer Gesellschaft, deren Wandel nicht mehr vor allem allein durch Wachstum gekennzeichnet ist, erhält auch die Architektur mit ihren Raumqualitäten bei der Bewertung von Gebäuden einen höheren Stellenwert. Zukünftig werden zwar weniger Einzelarbeitsplätze zu errichten sein, dennoch wird das Bürogebäude für die soziale Kontaktaufnahme und persönliche Kommunikation unter den Mitarbeitern eine sehr viel wesentlichere Rolle spielen – der Reduzierung der tatsächlich herzurichtenden Arbeitsplätze steht ein erhöhtes Raum­angebot für die Begegnung gegenüber. Die modernen Kommunikationstechnologien haben weder den Papierverbrauch noch die Anzahl von Geschäftsreisen drastisch reduziert, genauso wenig werden sie in naher Zukunft den Flächenbedarf von Bauwerken umfassend senken. Inwieweit vorhandener Gebäudebestand erhalten und an neue Anforderungsprofile für eine zeitgemäße Immobilie angepasst werden kann, ist zwar unter dem ökologischen Blickwinkel hochinteressant. Jedoch muss im Einzelfall geprüft werden, ob ein solches Gebäude ausreichend mit moderner Technik nachgerüstet werden kann und ob seine – unter Umständen starren – Grundrisse einem kommunikativen und am Firmenprofil optimal ausgerichteten Gebäudekonzept im Weg stehen. Die Entwicklung neuer, ökologisch optimierter Gebäudeformen und -techniken gewinnt daher besonders an Bedeutung. Bisher war die Entwicklung der Gebäude und der Gebäudetechnik von linearem Denken und Planen gekennzeichnet. Einzel­ produkte und Systeme wurden in der Vergangenheit und werden zum Teil auch heute­noch zielgerichtet auf Einzelaspekte des Bauens abgestellt, obwohl dies eindeutig erkennbar der falsche Weg in die Zukunft ist. Gewiss bildet ein differenziertes Wissen über energetische Prozesse und über die Techniken, mit denen regulativ auf diese eingewirkt werden kann, die Grund­lage für planerische Entscheidungen. Jedoch führt die bloße Kenntnis des Katalogs der baukonstruktiven und der technischen Einzelmaßnahmen beispielsweise zur Steuerung des Innenklimas, wie Speichertechniken, Wärmetauscher, Kollektoren, thermoelektrische Effekte, Abluftfassaden, kontrollierte Lüftungssysteme usw., zu einem rein additiven Denken und Handeln. Im Vordergrund steht daher der Grundsatz, solche Einzelaspekte nicht aus dem Gesamtkontext herauszulösen und sie dann isoliert zu betrachten, sondern sie vielmehr in das Gesamtsystem des Gebäudes zu integrieren; denn gerade in der ­Bewältigung der dann auftretenden Zielkonflikte liegt die eigentliche Problematik des Gebäudeentwurfs. Dies wird nur durch einen integralen Planungsprozess möglich, bei dem Nutzer, Architekten und Ingenieure ein optimales Gebäudekonzept durch ganzheitliches Zusammenwirken der verschiedenen Disziplinen gemeinsam erarbeiten. Jede Aufgabe bedarf einer Definition ihres originären und nur für sie gültigen Zielkatalogs: »Bauen mit Masse« kann von Fall zu Fall gleichermaßen wichtig sein wie »Bauen ohne Gewicht«, die angemessene Lösung ergibt sich erst aus der Aufgabenstellung und den Einflussgrößen, nicht unbedingt aus den Möglichkeiten, die uns die Produkte auf dem Markt bieten. Für den Apparateaufwand im klimatechnischen Bereich kann die Forderung nach »Low Tech« richtig sein, während zugleich die Gebäudesteuerung technisch aufwendig ausgerüstet und der baukonstruktive Aufwand durch differenzierte Detaillösungen erhöht wird. Die Planung eines Bürogebäudes kann Arbeitsplätze und damit Bau- und Betriebskosten einsparen. Auch wenn es mit gleichem finanziellem Aufwand auf den höchsten Standard der Informations- und Kommunikationsmittel gebracht wird und die Gesamtinvestition in das Bauwerk und seine Ausstattung gleich bleibt, verbessert sich auf diese Weise seine ökologische Bilanz. Ganzheitliche Planungen, die insbesondere durch den Bauherrn mitgetragen und im späteren Betrieb auch konsequent weiterverfolgt werden, bieten die Grundlage, Materialaufwand und insbesondere Betriebskosten einzusparen. Rechner­ gestützte Klimasimulationen der tages- und jahreszeitlichen Temperaturverläufe im Gebäude, Tageslichtsimulationen unter künstlichem Himmel- und Strömungsversuche im Windkanal oder im realisierten Gebäude zur Optimierung regeltechnischer Elemente stellen zwar zunächst einen ingenieurtechnisch erhöhten Aufwand dar, bieten jedoch neben einer drastischen Senkung der Betriebskosten in der Regel auch ein hohes Einsparpotential bei den Investitionskosten und oft auch einen ­erhöhten raumklimatischen Komfort. Nachhaltiges Entwerfen meint also nicht eine einzige Formel, die alles Weitere automatisch nach sich zieht, sondern in einem langen, iterativen Prozess werden die Teile zu einem Ganzen gefügt und konstruktive und technische Lösungen in ein gestalterisches Gesamtkonzept integriert. 31 Hans Mönninghoff Erster Stadtrat und Wirtschaftsund Umwelt­dezernent, Hannover »form follows Zukunftsfähigkeit« Architektur mit Verantwortung für eine zukunftsfähige Entwicklung Sichtweise des für Energiefragen und das Gebäudemanagement der Landeshauptstadt Hannover zuständigen Dezernenten V orweg: Statt des heute zunehmend belangloser benutzten Begriffs »Nachhaltigkeit« spreche ich lieber von »Zukunftsfähigkeit«. Zukunftsfähige Stadtplanung und Architektur muss das zentrale Leitmotiv für die ArchitektInnen und StadtplanerInnen von heute sein. Zur Zukunftsfähigkeit gehören Dinge wie der Ressourcen schonende Umgang mit Grundstücksflächen und Materialien inkl. der Möglichkeit diese zu recyceln, eine Langlebigkeit der Gebäude, sowohl für die Bauqualität als auch von Seiten der Lebensqualität betrachtet, Reparatur- und Veränderungsfreundlichkeit und – last but not least – als ein zentrales Thema die Energieversorgung und die Berücksichtigung des absehbaren Klimawandels. Auf diese letzteren Aspekte werde ich mich im folgenden Text beschränken. Die Perspektive: Parteiübergreifend und gesellschaftlich breit getragenes Ziel ist, dass Deutschland bis 2022 aus der Atomenergie aussteigt und wir bis 2050 eine klimaneutrale Energieversorgung ohne die fossilen Energieträger Kohle, Öl und Gas anstreben. Selbst die derzeitige Bundesregierung hat sich auf ein 90 %-Senkungsziel bis 2050 festgelegt, auch wenn sie konkret zurzeit fast nichts dafür tut und die aktuell in Arbeit befindliche Novelle der Energieeinsparverordnung ein klima­ politisches Armutszeugnis ist. Durch den Energiehunger der Welt ist Öl und Erdgas außerdem 2050 so wertvoll, dass diese Rohstoffe für Gebäudeheizungen viel zu schade bzw. unbezahlbar werden. Das Klimaneutralitätsziel ist jedoch nur erreichbar, wenn gerade bei Gebäuden umgehend radikale Maßstäbe für klimagerechte Neubauten und Sanierungsstandards gesetzt werden. Hohe ökologische Standards beim Bauen in Hannover Der Rat der Landeshauptstadt Hannover hat weitgehende Beschlüsse zum zukunftsorientierten (nachhaltigen) Bauen gefasst. Diese beinhalten u. a., dass stadt­eigene On corepudis eos sumquae volorehenis eum harum quunt ab ium inimus, sit autam dolo est lat vendios dest, quost quuntiae. Cerero maximus ate dolesendam sita core peraepro magniet verum verum fugiam laciuullenis mos Flächen nicht zum höchstmöglichen Preis verkauft werden, sondern dass bei mehreren Interessenten derjenige den Zuschlag erhält, der den höheren energetischen Standard bei geplanten Gebäuden und der Flächengestaltung verwirklicht. In den Kaufverträgen wird dieser Standard detailliert geregelt. Auch dort, wo der Stadt die 33 Hans Mönninghoff Klaus-Bahlsen Haus Bauherrin: Landeshauptstadt Hannover, Betrieb Städtische Alten- und Pflegezentren Architekten: Pfitzner Architekten, Isernhagen Landschaftsarchitekt: B. Bohlen (Landeshauptstadt Hannover) 34 Flächen nicht gehören, wird im Rahmen von städtebaulichen Verträgen erheblicher Einfluss darauf ausgeübt, mit welchen (energetischen) Standards gebaut wird. Auch die Bauleitplanung richtet sich an energetischen Standards aus, d. h. die Anordnung der Bauflächen und die Gestaltungsvorgaben erfolgen »passiv­haustauglich«. Städti­­ sche Neubauten werden grundsätzlich in »Passivhaus-Bauweise« verwirklicht. Bei der zurzeit intensiv betriebenen energetischen Sanierung städtischer Gebäude wird nicht der gesetzliche Standard (EnEV 2009), sondern ein 30 % höherer umgesetzt – bei zu erwartenden Energiepreissteigerungen eine gute Investition in die Zukunft. Das städtische Gebäudemanagement hat in den vergangenen Jahren große Erfahrungen mit zukunftsorientiertem Bauen gesammelt. In den Jahren 2007 bis 2011 wurden rund 330 Mio. Euro überwiegend in die Sanierung von Schulen und Kindertagesstätten investiert. Zurzeit wird der Neubau von acht Kindertagesstätten (20 Mio.) sowie einer achtzügigen Gesamtschule (63 Mio.) in diesem Passivhausstandard vorbereitet. Bei den energetisch optimierten Sanierungsprojekten (jährlich ca. 50 Mio. Euro) ist aktuell mit je 10 Mio. Euro Volumen das Stadtteil-Rathaus Linden und die Volkshochschulzentrale hervorzuheben. Bei der Fülle der Bauprojekte hat die Stadt entsprechende Erfahrungen mit der Umsetzung von energetischen Standards über Vergabeverfahren und Architekturwettbewerbe gemacht. Bei der Umsetzung entsprechender Objekte ist immer wieder deutlich geworden, wie wichtig es ist, die energetischen Fragestellungen bereits im sehr frühen Planungsstadium mit zu denken. In Kooperation mit der Architektenkammer Niedersachsen erstellen wir zurzeit eine Broschüre, die architektonisch gute Beispiele für Passivhäuser zeigen wird, um Bauherren und ArchitektInnen auch gestalterische Anregungen zu geben. Denn trotz hoher energetischer Anforderungen lassen sich auch sehr gute ästhetische ­Lösungen realisieren. Architektonisch ansprechende Neubauten Beispiele für gelungene Neubauten des städtischen Gebäudemanagements sind die Seniorenwohnanlage Klaus-Bahlsen-Haus, »trotz« Fassade mit Wärmedämmverbundsystem eine anerkannt hochwertige Architektur mit hoher Nutzerzufriedenheit (Architekten: Pfitzner Moorkens Hannover); die Kita Große Pranke, ein Holzbau in Passivhausbauweise mit diversen internationalen Veröffentlichungen (Despang Architekten, ehemals Hannover); die Passivhaus-Grundschule »In der Steinbreite« mit Klinkerfassaden (Architekten: Schröder Architekten, Bremen). Aber nicht nur im Eigenbestand sondern auch auf von der Stadt verkauften Grundstücken sind wir mit Architekturqualitäten engagiert: Gemeinsam mit Meravis und NLG entstehen zurzeit im »zero:e-Park« 330 Ein- und Zweifamilienhäuser als Nullenergiesiedlung, u.a. mit architektonisch interessanten Reihenhäusern des Wettbewerbsiegers Lorenzen (Kopenhagen). Auch der neben der Siedlung geplante Null-Energie-Supermarkt der Architekten Spengler/Wiescholek aus Hamburg kann sich architektonisch sehen lassen. Sanierung im Bestand Architekten reden gerne über Neubauten, doch die größere Herausforderung sind die Sanierungen im Bestand. Diese werden in den kommenden Jahren zunehmend wichtig, um die ambitionierten Ziele im Klimaschutz zu erreichen. Ein wichtiges Projekt, um Erfahrungen bei der energieoptimierten Sanierung von Wohnungsbeständen zu sammeln, war für uns das von der EU geförderte Modellprojekt Concerto: Hier wurden ca. 360 Mietwohnungen in Altbauten von Gundlach, Spar- und Bauverein sowie Wohnungsgenossenschaft Herrenhausen saniert und der CO2-Ausstoß teilweise bis zu 80 % reduziert. Im Rahmen von Concerto wurde auch das Kulturhaus Hainholz, das im Jahr 1905 als »schönste Volksschule Hannovers« gebaut wurde,­ energetisch hochwertig saniert und gleichzeitig die besondere Schutzwürdigkeit der Fassade berücksichtigt (Architekten: pk nord, Hannover). Bei Wahrung der besonderen Gestaltung ist die neue Gebäudehülle energetisch 23 % günstiger als bei einem vergleichbaren Neubau mit gleicher BGF-Zahl. Für die Stadtteilsanierung Limmer wird zurzeit eine Broschüre zum behutsamen Umgang mit typischen Gestaltungsdetails im Rahmen einer ener­ getischen Modernisierungsausführung erstellt. Der vorgestellte Bautyp aus den 20er-Jahren mit Teilverklinkerungen ist in Hannover häufig gebaut worden. Der ­Erhalt Stadtteil prägender Baudetails und bauphysikalisch einwandfreie Lösungen, erarbeitet von den Architekten pk nord, sollen durch Wärmedämm-Gestaltungs­ beispiele gefördert werden. Die Broschüre ist als Hilfestellung für Eigentümerinnen und Eigentümer ähnlichen Bautyps gedacht. Zum Thema Dämmung Bei besonders schützenswerten Fassaden verzichtet das Gebäudemanagement der Landeshauptstadt derzeit auf eine Wanddämmung und optimiert lediglich Fenster, Dach, Keller und das Heizungssystem. Bei solchen Gebäuden warten wir zurzeit noch ab, bis es ausgereifte Innendämmungssysteme gibt. Eine Ausnahme um ­Erfahrungen zu sammeln ist die Sanierung der denkmalgeschützten Fridtjof-Nansen Grundschule mit Innendämmung und Verbesserung des Brandschutzes durch sensible Eingriffe in den Bestand (Architekten: Runge Architekten, Hannover), ein aus unserer Sicht auch architektonisch spannendes Beispiel. Den Einsatz von Wärmedämmverbundplatten sehen wir differenziert: Bei vielen Beständen gibt es keine wirtschaftlich vertretbare Alternative und für viele architektonisch fragwürdige Bau- ten der 60er und 70er Jahre ist die Verhüllung eine nachträgliche Gnade. Bei Schulen und Jugendeinrichtungen stehen wir den Verbundplatten wegen des Vandalismusproblems kritisch gegenüber. Daher wurde bei der neuen Grundschule In der Steinbreite erstmalig wieder eine verklinkerte Doppelschale mit 16 cm hochwertiger Dämmung in Verbindung mit 24 cm Porenbeton-Mauerwerk eingesetzt. Problem bei dieser zweischaligen Konstruktion ist, dass mehr als 20 cm lange Anker aufwendige Sonderkonstruktionen bedingen. Anpassung an den Klimawandel Dass sich das Klima durch den weltweiten Energiehunger trotz aller Klimaschutzanstrengungen ändern wird, ist inzwischen unstrittig. Wir können froh sein, wenn die Durchschnittstemperatur im Weltmittel 2050 nur zwei Grad höher ist, doch auch dies führt in den städtischen Ballungszentren zu erheblichen Erwärmungen. Architektinnen und Architekten, die trotzdem in heutigen Zeiten noch Gebäude mit möglichst viel Glas bauen, die dann energieaufwendig gekühlt werden müssen, haben dringenden Schulungsbedarf! Um den zukünftig in den Sommermonaten zu erwartenden Wärmestress in den städtischen Ballungsräumen zu verringern, muss eine zumindest extensive Begrünung von Flachdächern zur Verbesserung des Kleinklimas für alle ArchitektInnen selbstverständlich sein. In neueren hannoverschen Bebauungsplänen wird festgesetzt, dass alle neuen Flachdächer grundsätzlich mit mindestens 5 cm Boden­ begrünt werden müssen – allein durch diese Vorgabe sind in den vergangenen 10 Jahren in Hannover 650.000 m2 neue Gründächer entstanden. Ohne diese Maßnahme wären dort pro Jahr mehr als. 400.000 m3 Wasser abgeflossen, jetzt sind es nur max. 150.000 m3 und diese fließen zeitverzögert ab – eine wichtige Hochwasser­ 35 36 schutzmaßnahme. Die übrigen ca. 250.000 m3 Wasser verdunsten, was in heißen Sommern relevant zur Verbesserung des Stadtklimas beiträgt. Nebenbei: Auch Fassadenbegrünungen können wertvolle Elemente zur Verbesserung des Kleinklimas sein. Leider sind diese für ArchitektInnen oftmals ein rotes Tuch. Unstrittiger müsste jedoch sein, dass wir im Zuge der Klimafolgenanpassung (noch) mehr Bäume, Grün und Wasser in unseren Städten brauchen. Gebäude wirklich energieminimiert geplant und gebaut sind, sind diese Systeme vertretbar. Doch Architekturpreisgekrönte repräsentative Energieschleudern sind auch mit erneuerbaren Energien das falsche Leitbild einer zukunftsfähigen Architektur. In verdichteten Stadtteilen hat das gute alte Fernwärmenetz, das zukünftig mit Tiefengeothermie oder Bioenergie versorgt wird, auch in der postfossilen Zeit eine Zukunft. Energieversorgung und regenerative Energienutzung Die einzige relevante regenerative Energiequelle in Städten ist die Solarenergie. Diese müssen wir zukünftig maximal nutzen, damit wir unsere Energieversorgung nicht völlig »auf Kosten« des Umlandes geht (wo es immer mehr Widerstand gegen Windräder und Biogasanlagen gibt). Daher sollte es selbstverständlich sein, bei der Dachgestaltung die Südausrichtung zu berücksichtigen und so viele Flach­dächer wie möglich für Photovoltaikanlagen zu nutzen. In Hannover gibt es ca. 32 Mio. m2 Dachfläche und ca. 6 Mio. m2 davon eignen sich für Solaranlagen, sodass der Strom und das warme Wasser für einen großen Teil der hannoverschen Haushalte lang­ fristig dort gewonnen werden kann. Aus Kostengründen heißt es heute leider meist: Dachbegrünung oder Photovoltaiknutzung. Eine zukunftsorientierte Planung muss aber zumindest die Statik von Gebäuden schon heute so auslegen, dass beides gleichzeitig möglich ist: Die Pflanzen wachsen auch unter den schräg aufgestellten Kollektoren und diese werden durch die Dachbegrünung effektiver, weil es kühler ist. Ein letztes Thema: Bei der Versorgung mit Wärme bzw. Kühlung ist die neueste Architektenmode, neue Gebäude, unterstützt durch in geringer Tiefe verlegte Erdsonden, elektrisch zu heizen und zu kühlen. Wo keine Fernwärme liegt und die Fazit Hohe ökologische Ansprüche beim Bauen müssen Selbstverständnis in der Architektur werden. Stadtplanung und Architektur tragen in Zeiten des Klimawandels große Verantwortung zum einen für den Umgang mit Ressourcen, zum anderen aber auch für das Wohlbefinden der Menschen, die in Verdichtungsräumen leben und arbeiten. Dieser Verantwortung werden noch zu wenige städtebauliche Planun­ gen, Neubauten und Sanierungen gerecht. Die Stadt Hannover und dort auch das städtische Gebäudemanagement sind bei diesem Themenkomplex auf einem guten Wege. Kurzbiografien Wolfgang Schneider Dipl.-Ing. Architekt BDA 1997 – 2007 ASP Schweger Assoziierte Gesamtplanung GmbH, Geschäftsführender Gesellschafter 1967 – 1971 Studium FH Höxter; Ing.-grad. 1999 – 2003 Landesvorsitzender BDA Niedersachsen 1971 – 1975 Studium der Architektur TU Berlin, Diplom mit Auszeichnung 2000 Vorstandsmitglied der hamburgplan AG Geboren 1948 in Fredeburg, verheiratet, drei Kinder 1975 – 1976 Wissenschaftlicher Mitarbeiter TU Berlin 1976 – 1984 Wissenschaftlicher Assistent, Architekturfakultät Universität Hannover 1985 – 1989 Mitarbeit im Büro Graaf-Schweger + Partner, Leitung Büro Hannover 1990 – 2006 Partner im Büro Architekten Schweger + Partner, Hamburg, Hannover, Berlin 38 Sabine Djahanschah 2003 Präsident der Architektenkammer Niedersachsen 2006 ASP Architekten Schneider Meyer Partner, Hannover 2007 Vorstandsvorsitzender der Lavesstiftung Zahlreiche Preise, Realisierungen und Veröffent­-­ lichun­gen sowie Preisrichter in diversen Wettbe­werbs­­verfahren Verheiratet, drei Kinder, Dipl.-Ing. Architektin bis 1992 Architekturstudium, RWTH Aachen 1992 Freie Mitarbeit im Architekturbüro Carpus & Partner, Aachen 1993 – 95 Freie Mitarbeit im Büro gmp – Gerkan, Marg und Partner, Aachen; Wichtigstes Projekt: Eingangshalle Neue Messe Leipzig 1995 – 96 Selbstständige Architektin, Münster seit 1996 Leiterin des Referats »Architektur und Bauwesen« bei der DBU-Deutschen Bundesstiftung Umwelt __Aufbau des Förderreferates, Gestaltung und Abstimmung der Förderleitlinien __Initiierung, Begleitung und Auswertung von Förderprojekten __Beraterin der DBU zur Expo 2000 in Hannover __Mitwirkung in Wettbewerbsjurys und Beirats tätigkeit Christoph Mäckler __Vorträge im In- und Ausland __Organisation und Durchführung von Tagungen und Expertenworkshops sowie Gutachtergremien seit 2003 Mitglied der Jury »deutscher Holzbaupreis« 2007 Mitglied im wissenschaftlichen Beirat im Energieatlas des Detailverlages zum Diagnosesystem Nachhaltige Gebäudequalität DNQ seit 2010 Mitglied des International Advisory Boards »Master Online Bauphysik« an der TU Stuttgart 2011 Mitglied der BMVBS Expertenkommission »Gebäudebestand (Energieeffizienz, Denkmalschutz)« seit 2012 Mitglied der Expertengruppe Städtebaulicher Denkmalschutz des BMVBS Geboren 1951 in Frankfurt am Main 1973 – 1976 Studium der Architektur FH Darmstadt, Diplom 1976 – 1980 Studium der Architektur RWTH Aachen, Diplom 1976 – 1977 Büro O. M. Ungers, Köln 1978 Büro Gottfried Böhm, Köln 1981 Gründung des Büros für Architektur und Stadt­ bereichsplanung in Frankfurt am Main 1983 – 1996 Mitglied, ab 1989 stellvertretender Vorsitz des Städtebaubeirates der Stadt Frankfurt am Main 1990 – 1997 Gastprofessuren am Seminario Internazionale ­ di Progettazione, Castel Sant’ Elmo, Neapel, an der TU Braunschweig und der Universität Hannover 1991 – 1996 Vorstandsvorsitzender des Bundes Deutscher Architekten BDA Frankfurt am Main seit 1998 Ordentlicher Professor an der Technischen Universität Dortmund 2008 Gründung des Deutschen Instituts für Stadtbaukunst an der Technischen Universität Dortmund seit 2009 Vorsitz des Gestaltungsbeirates des Dom-RömerAreals der Stadt Frankfurt am Main seit 2010 Mitglied des Architekturbeirates des Auswärtigen Amtes seit 2012 Mitglied des Kuratoriums Nationale Stadtentwicklungspolitik seit 2012 Mitglied des Konvents der Baukultur 39 Kurzbiografien 40 Kai-Uwe Bergmann Prof. Manfred Hegger Prof. Rainer Hascher Kai-Uwe Bergmann is a Partner at BIG who brings his expertise to proposals around the globe, including work in Asia, Europe, the Middle East and the United States. Kai-Uwe heads up BIG’s business development which currently has the office working in over 10 different countries. In addition to these duties, Kai-Uwe is also Head of Communications. Registered as an architect in the USA, UK and Denmark, Kai-Uwe is also a LEED AP certified architect who was Project ­Manager upon Central Asia‘s first Carbon Neutral ­Master Plan – Zira Island in Baku, Azerbaijan. In addition to his experience with BIG, Kai-Uwe Bergmann was previously a Project Architect at the Austrian office of Baumschlager & Eberle where he was involved on their work for the UN AIDS Research Administration Building in Geneva and a residence in Diepoldsau, Switzerland. Geboren 1946 in Korschenbroich, Dipl.-Ing. M. Sc. Econ Architekt BDA Geboren 1950 in Stuttgart Manfred Hegger ist ordentlicher Professor für Entwerfen und Energieeffizientes Bauen am Fachbereich Architektur der Technischen Universität Darmstadt. Er berät u. a. das World Economic Forum, die Union Internationale des Architectes und die Internationale Bauausstellung Hamburg 2013 und ist Mitglied des Präsidiums der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen. Als Architekt und Städtebauer ist er Gründungsmitglied von Hegger Hegger Schleiff HHS Planer + Architekten AG in Kassel. Seine Bauten und Projekte erhielten zahlreiche Preise und Auszeichnungen. Er hat grundlegende Werke zum nachhaltigen und energieeffizienten Bauen publiziert (u. a. »Vitale Architektur«, »Baustoffatlas«, »Energieatlas«, »Materialität«, »Sonnige Zeiten«). ­ Er studierte Architektur an der Universität Stuttgart, Systemtechnik an der Technischen Universität Berlin und Planung an der London School of Economics and Political Science. 2009 Teilnahme an der 8. Architekturbiennale in São Paulo 2007 Gründungsmitglied der DGNB, Deutsche Gesellschaft für nachhaltiges Bauen e. V., Stuttgart 2006 Teilnahme an der 10. Architekturbiennale in Venedig 2003 1. Preis | Europäischer Architekturpreis Architecture + Technology Award 2001 Berufung in den Konvent für Technikwissenschaften 2000 Berufung in die Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften 2000 Gründung Hascher, Jehle und Assoziierte GmbH, Berlin Hans Mönninghoff 1993 Übernahme des Fachgebiets Konstruktives Entwerfen und Klimagerechtes Bauen an der Technischen Uni­ versität Berlin, www.a.tu-berlin.de/hascher 1977 – 1979 Wissenschaftlicher Assistent bei Prof. Peter C. von Seidlein Institut für Baukonstruktion der Universität Stuttgart Geboren 1950 seit 1992 Partnerschaft mit Sebastian Jehle und Gründung des Büros Hascher Jehle Architektur, Berlin 1970 – 1975 Architekturstudium an der Universität Stuttgart 1974 – 1986 Tätigkeit als beratender Ingenieur 1992 1993Ruf als Universitätsprofessor an die Universität Stuttgart 1989 Ruf an die Technische Universität Berlin 1974 Abschluss Studium Bauingenieurwesen 1986 – 1989 Abgeordneter im Nds. Landtag seit 1989 Umweltdezernent der Landeshauptstadt Hannover, damit zuständig u. a. für Energiefragen 1988 Ruf an die Technische Hochschule Aachen seit 1997 zusätzlich Erster Stadtrat und damit Stellvertreter des Oberbürgermeisters in der Verwaltung seit 1979 eigenes Büro für Architektur und Produktgestaltung: Design von Industrieprodukten, Planung und Aus­ führung von Wohnbauten, Bauten für Industrie, Handel und Verkehr. seit 2005 zusätzlich Leitung des Wirtschaftsdezernates; damit auch zuständig für das städtische Gebäude­management, dass ca. 600 Gebäude mit ca. 1,1 Mio. m2 Nutzfläche betreut. 41 Impressum Herausgeber Lavesstiftung Friedrichswall 5 30159 Hannover www.lavesstiftung.de Projektleitung: Meike Alonso Malo, Karin Binnewies Redaktion Lars Menz Korrektur Laura Martzinek Gestaltung Karin Dohle, Braunschweig Fotos Michael Cintula, Martin Henze, Kai-Uwe Knoth Titelbild Martin Henze Druck xxx 42 Juli 2012 III Deutsche Bundesstiftung Umwelt An der Bornau 2 49090 Osnabrück Telefon 0541 9633-0 Telefax 0541 9633-190 www.dbu.de Laveshaus Friedrichswall 5 30159 Hannover Telefon0511 28096-0 IV Telefax 0511 28096-19 www.lavesstiftung.de