Nationaler Digital-Gipfel 2017 Diskussionspapier der Plattform „Verbraucherpolitik in der Digitalen Welt“ Künstliche Intelligenz und automatisierte Entscheidung – Regeln für eine vernetzte Welt Der vermehrte Einsatz algorithmen-basierter automatisierter Systeme, die einzelfallbezogen und teilweise auch schon selbstlernend Prozesse steuern, führt zu einer Debatte über den generellen Umgang mit und Einsatz von künstlicher Intelligenz. Hintergrund ist, dass bei solchen Algorithmen unter Nutzung von Big Data eine weitere erhebliche Erosion der Privatsphäre, das Risiko menschlichen Kontrollverlusts und manipulativer Fremdsteuerung drohen können. Zudem gehen Algorithmen von bestehenden gesellschaftlichen Verhältnissen aus, was potentiell diskriminierende Wirkungen haben kann. Gleichwohl kann ein transparenter und kontrollierter Einsatz künstlicher Intelligenz ebenso Alltagsdiskriminierung überwinden bzw. aufdecken. Die mit der Einführung von Systemen künstlicher Intelligenz notwendige Debatte müssen wir deshalb auch unter ethischen Gesichtspunkten führen, ohne uns jedoch der erheblichen Innovations- und Anwendungspotentiale dieser Technologie zu berauben. Wie bei jeder Technologie ist der Nutzen künstlicher Intelligenz eng an ihr Einsatzfeld gebunden. Wir wollen deshalb eine risikobezogene, gleichwohl aber innovationsoffene und differenzierte gesellschaftliche Diskussion auf breiter Grundlage führen, was schon damit beginnt, dass unterstrichen werden muss, dass es nicht eine Art oder einen Anwendungsbereich künstlicher Intelligenz gibt. So reicht die Spannbreite von ausgereiften Data Analytics Lösungen, die auch zur menschlichen Spracherkennung genutzt werden, über begrenzt selbstlernende Systeme bis hin zu neuronalen Netzwerken, die menschliche Synapsen nachbilden können. Vielen Systemen inhärent ist die Zielrichtung, den Nutzer zu besseren Entscheidungen kommen zu lassen, sei es den Arzt bei der Auswahl der erfolgsversprechensten Therapie, den Autofahrer bei der Wahl der sichersten Strecke und Fahrweise, den Bankkunden bei der richtigen Anlagestrategie, oder den Konsumenten bei einer zielgerichteten Produktauswahl. Hierbei gilt einerseits: Je sensibler, komplexer und intransparenter die Einsatzgebiete sind, umso eher birgt künstliche Intelligenz das Risiko von Fehleinschätzungen, Ungenauigkeiten und manipulativen Einflüssen. Andererseits kann künstliche Intelligenz menschlichen Fehlentscheidungen und Diskriminierungen vorbeugen helfen. Wenn künstliche Intelligenz aber vermehrt die Entscheidungsfindung prägt, kommt insbesondere den Programmierern eine besonders verantwortungsvolle Rolle zu. Algorithmen müssen – insbesondere wenn sie Aussagen über menschliches Handeln beinhalten – durch adäquate Kontrollinstrumente und -prozesse überprüfbar sein. Hierfür ist ein ausreichendes Maß an Nachvollziehbarkeit und Transparenz unter Berücksichtigung der Schutzbedürftigkeit von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen notwendig: Wie interpretieren Algorithmen etwas, wie verarbeiten sie es und wie schlussfolgern sie? Mit welcher Datengrundlage wurden die Algorithmen trainiert? Privacy by Design, wie es die Europäische Datenschutzgrundverordnung vorsieht, sollte um Ethical by Design ergänzt werden. Ethische Aspekte müssen Bestandteil der Ausbildung von Programmierern und Ingenieuren sein. 1 Nationaler Digital-Gipfel 2017 Wir starten hier nicht bei Null. Überall im Bereich der Datenverarbeitung gibt es grundrechtlich intendierte Grundsätze, die gleichfalls ethisch begründet sind (Datensparsamkeit, Zweckbindung, Einwilligungserfordernis, Verhältnismäßigkeit, Transparenz etc.); sie gilt es der Technik entsprechend zu untersetzen. Trotzdem bedarf es zum Schutz von Verbrauchern und aus Gründen der Rechtssicherheit für wirtschaftlich Tätige eines darüberhinausgehenden verlässlichen rechtlichen Ordnungsrahmens, der einen Korridor für Innovationen erhält, jedoch künstlicher Intelligenz auch klare Grenzen setzt. Grundsätzlich sollten dabei alle Systeme künstlicher Intelligenz sich an denselben Werten orientieren, die menschliche Interaktion auch in der analogen Welt prägen (das ist gerade bei Mensch-Maschine Interaktion zentral). Dies verlangt jedoch, dass Ethik differenziert gedacht und dynamisch weiterentwickelt wird. Eine verallgemeinerte Ethik für Künstliche Intelligenz ist hierbei nicht zielführend. 2