Wohnhaus wird zum technischen Rathaus in Markkleeberg Ein Denkmal – kein Denkmal Bestehende Gebäude in Planungen einzubeziehen, zeugt nicht nur von Respekt gegenüber dem Vorhandenen, es steht auch für die Einsicht, dass eine einmal gefundene architektonische Lösung von Dauer sein kann, aber nicht muss. Die Verwaltung der Stadt Markkleeberg – ihr voran der Oberbürgermeister Dr. Bernd Klose, sein Stadtkämmerer Dr. Staude und sein damaliger Bauamtsleiter Beranek waren davon überzeugt, dass für die Aufgabe die städtischen Ämter in einem technischen Rathaus zu zentrieren, auch eine der zahlreichen, zumeist in einem schlechten Zustand sich befindlichen kommunalen Immobilien genutzt werden könnte. Ein Gebäude in der Umgebung des Rathauses war schnell gefunden. Mit der Erarbeitung der Aufgabenstellung begann unsere Zusammenarbeit, als Erstes mit einer, nein 2 Machbarkeitsstudien. Sie schlossen mit dem Ergebnis, dass die Sanierungskosten unterhalb der eines vergleichbaren Neubaus lagen - eine wichtige Fördervoraussetzung. Sie führte aber nicht unmittelbar dazu - in der Gemengelage der Zusammensetzung der Parteinen - die Stadträte von dieser Idee zu überzeugen. Ein Neubau erschien visionärer und die Bedingungen weniger restriktiv. Machen wir einen Sprung. In Kirchen und Profanbauten trifft man oft auf alte Chroniken: „ ... um 1120 errichtet auf den Fundamenten eines Vorgängerbaus – frühgotischer Einfluss in den Seitenschiffen erkennbar...“ , und es folgen eine Reihe von Erweiterungen, Zerstörungen, veränderten Wiederaufbauten. Es war damals keine Respektsbekundung vor dem Bestehenden, wie Frank Peter Jäger schrieb, es war pragmatisch. Denkmalpflege, wie sie heute praktiziert wird, eine Denkmalpflege die neben Sakralen- und Repräsentationsbauten auch Industrie- und Alltagsarchitektur unter Schutz stellt, wird erst wenige Jahrzehnte praktiziert. Von anfänglichen Dogmatismus ist es heute eine Selbstverständlichkeit, unabhängig von den Positionen der theoretischen Ansätze aus zu argumentieren und damit ein Weiterbauen mit all seinen Möglichkeiten zu praktizieren. Es geht um die Wahrung des historischen Zeugniswertes unter Hinzufügung von Neuem, um dem, der es betrachtet die Selbstverständlichkeit des Besonderen im Alltäglichen mit den Gegensätzen alt und modern zu vermitteln. Christian Brückner hat es so formuliert: „Ein reizvolles, vielschichtiges Bestandgebäude ist wie ein Geschenk aus der Geschichte. Es braucht Aufgeschlossenheit, Fantasie, Sensibilität, um in überzeugender Form etwas Neues hinzuzufügen. Es ist ein mannigfaltiger Dialog zwischen Alt und Neu, der im Miteinander, Gegen- oder Füreinander Neues entstehen lässt.“ Bauen im Bestand ist jenseits der entwerferischen Aufgabenstellung also allem voran eine Haltung, deren Kern in einem neugierig-wohlwollenden Blick auf den Bestand liegt. Hinzu kommen entwerferisches Fingerspitzengefühl und die Bereitschaft, das Vorhandene vorurteilsfrei zu betrachten, ohne es zu verklären. Jenseits aller kreativen Synthesen – das Alte mit dem Neuen – bedeutet jeder den Bestand qualifizierte An- oder Umbau eine praktizierte Nachhaltigkeit. Also auch eine ökologische Bedeutung dass ein vorhandenes Gut so lang wie möglich weitergenutzt werden kann. Die Planung unseres technischen Rathauses hatten wir unter nachfolgende Ziele gestellt und diese in den einzelnen Phasen immer wieder überprüft, zwangsläufige Abweichungen korrigiert. 1. Bewahren und behutsam ergänzen 2. Imagewechsel bei Zurückhaltung 3. Transparente und moderne Struktur Umnutzung von Profanbauten oder Industriestrukturen zu wohnungsähnlichen Nutzungen ist zu einer normalen Planungsaufgabe geworden. Umgedreht? Ein klassisches Wohnhaus der Gründerzeit – Eckgrundstück – nicht besonders hochwertig in eine repräsentative Verwaltung zu verwandeln, trifft man eher selten an. Das Gebäude Hermann-Landmann-Strasze 1 wurde um 1895 in der südlich von Leipzig gelegenen Gemeinde Oetzsch ( heute Markkleeberg ) errichtet. Seine Lage ist unweit des Rathauses exponiert im dichten gründerzeitlichen Stadtkern Markkleebergs gelegen. 3-geschossig mit Mansarddach, L-förmig, als 3-Spänner ist das Gebäude symmetrisch mit typischen Elementen der Zeit gegliedert – Gesimse, stark vortretende Traufe mit Konsolen, Verklinkerungen der Hauptgeschosse, Bossen im Sockel, Bekrönungen, Faschen und Spiegel. Vieles war nur rudimentär vorhanden - alte Fotos halfen die Fassade wieder zu errichten. Natürlich ist man ihm, dem Gebäude in der gesamten Lebenszeit mehrmals zerstörerisch, wie auch lebensverlängernd zu leibe gerückt. WC-Einbau das Trockenklo ersetzend, Krieg, Aussiedlerquartier, Ausbauwohnungen, Leerstände, Verfall, drohender Abriss. Keine leichte Zeit, bis wir uns ihm im Jahr 2002 genähert hatten. Uns war es wichtig den Umbau bei weitest gehender Erhaltung der Baussubstanz behutsam im Inneren durchzuführen. Das klassische Prinzip der Bundwände im Zusammenwirken mit den Balkendecken wurde nur punktuell zumeist in den Giebelbereichen aufgegeben. Die gesamte Tragkonstruktion wurde instandgesetzt, trockengelegt bei einem bis heute ständig steigenden Grundwasserspiegel und ertüchtigt. Wir hatten uns gegen eine Entkernung entschieden, nicht nur aus finanzieller Sicht, das hölzerne Treppenhaus blieb genauso erhalten, wie die grundsätzliche Raumanordnung. Übergeordnet waren die Anforderungen an den heutigen Brandschutz, an das Klimas, die Medien und an die variablen Arbeitsorganisationsprozesse, wofür es so gut wie keine Voraussetzungen mitbrachte. Zudem wurde die Zentrale der kompletten Datenkommunikation der Stadt auf Grund der geplanten, aber erst im Anschluss stattfindenden Sanierung des Rathauses integriert. Für HLS hatten wir uns als Generalplaner u.a. das Büro B-Plan und EGS aus Leipzig und Brandschutzconsult ins Boot geholt. Gebäudeplanung, Ausstattung und Möbel wurde in unserem Büro entworfen und umgesetzt. Für die Rohbauausschreibung und dessen Bauleitung hatten wir Reinhard Bieler gebunden, den Ausbau übernahmen wir. Kurz etwas stichpunkthaft zu den Funktionen. Das Bauaktenarchiv und Zwischenarchiv der Fachämter wurde im Keller in einer neuen kompletten Hofunterbauung eingeordnet. Damit keine Abstandsflächen auf die nachbarlichen Grundstücke fielen, musste wir nach unten drücken, mit der Konsequenz, das Bestandsgebäude auf Grund der geringen Gründungstiefe um 1.50 m zu unterfahren. Eine große Rollregalanlage nahm das Archiv auf. Neben den im Dach befindlichen Fraktionsräumen war es die einzige Fläche mit Klimatisierung. Das Gebäude wurde behindertengerecht ausgebaut – Aufzug, Barrierefreiheit, WC, Zugang. Der Spitzboden wurde komplett für Fraktionsräume mit den dazugehörigen Nebenräumen ausgebaut, weitere Besprechungsräume in den Etagen integriert. Der Zugang wurde von der Hermann-Landmann-Straße um die Ecke in die Raschwitzer Straße gelegt, um zum einen eine Sicht- und Orientierungsbeziehung zum Rathaus zu erlangen, und zum anderen die räumliche Zuordnung des 40 m entfernten Gebäudes mit kurzen Wegen auszustatten. Es wurde eine der Nutzung folgende Entree-Lösung geschaffen, der Eingang zu einem Zentrum und zur Adresse ausgebildet. Die erdgeschossigen Fenster wurden bis zum Boden geführt, damit sich das Gebäude und die Mitarbeiter den Bürgern und der Stadt zu wendet, und es sich öffnet. Natürliche – durch die Lage des Treppenhauses bedingte Unterteilung in 2 Büroflügel mit jeweiligen 2. Fluchtweg über Rettungsfenster im offenen Wartebereich, eine Pentri und ein Kopierbereich pro Etage. Die Abteilungen wurden weitestgehend zusammenhängend angeordnet, Abhängigkeiten berücksichtigt. Jedes Geschoss erhielt eine WC-Einheit für die Mitarbeiter - Einheiten für Besucher und Rollstuhlbenutzer ausschließlich im EG. Ein Gründerzeitwohnhaus in ein modernes Bürogebäude zu verwandeln, musste einhergehen mit einem Imagewechsel. Alle neuen Bauteile außen – Eingang, Gauben, Archivbauwerk - wurden zeitgemäß gestaltet, sichtbar eine neue Nutzung zeigend. Die eingesetzten Materialien im Eingang setzen sich im Inneren fort. Glas und Holz flächenbündig als Intarsie verarbeitet, über das Entree, in die Gänge, bis zu den Fraktionsräume im Dach – Vertäfelungen, Türen, Möbel, Schaukästen. Verschiedene Gewerke ( öffentliche Ausschreibung ) ein Material, eine Handschrift in Nussbaum. Es gibt heute nicht nur mehr die penible Fuge als Nahtstelle zwischen den Zeitschichten, oder das nahezu unsichtbare einfügen, es gibt heute mehrere Wege. Wir haben uns bei diesem Objekt für das Nebeneinander und das Miteinander von alt und neu entschieden, für eine Kombination von Alt und Neu – und dafür, auch mal mit dem neuen Eingang das Risalit in der Fassade zu durchbrechen. Eine durchaus streitbare Antwort an dieser Stelle, einfach dort durch die Fassade zu gehen, wo es die Inneren Funktion vor gibt. Denkmalpflegerisch sich einem Gebäude zu nähern, wie eine weitere Zeitschicht hinzugefügt wird unterliegt keinem Dogma mehr – für ein anderes Projekt würden wir auch eine andere Antwort finden. Auf die Überschrift zurück zu kommen. Als Untertitel schrieb ich: „Ein Denkmal – kein Denkmal“. Damals sperrte sich die untere Dankmalbehörde des Landkreises mit allen Mitteln gegen den Umbau, wie es sich der Auftraggeber – die Stadt Markkleeberg und wie wir es uns vorstellten,. Sie hätten eher einen Abbruchantrag zugestimmt. Nun war es kein kulturhistorisch wertvolles Denkmal - eines wie viele nach der Wende eher zufällig in die Liste der Objekte geratenes. Doch ich kam damals nicht weiter, bin mit den Unterlagen zum Regierungspräsidium, zeigte die Gedanken Dr. Wolfgang Hocquel, nahm seine Begeisterung wieder mit zurück. Es wurde per Antrag von der Landesdenkmalliste gestrichen und als Denkmal gerettet. Ein Paradoxon vielleicht, ein gangbarer Weg in diesem Fall, eine Ausnahme sollte es bleiben. Eckdaten: - 67 Arbeitsplätze, Fraktionsbereiche, Bauaktenarchiv 1.600 qm Gesamtnutzfläche ( HNF 1.100 qm ) 2.100 Mill. Euro in den KG 200-600 Studie 2002, Planung 2003/2004, Bauzeit 2005/2006 ( 18 Monate ) Aufgestellt: Ronald R.Wanderer, Architekt BDA