Studiengang Bauphysik

Werbung
Studiengang Bauphysik
Diplomthema:
Thermische Charakteristik und Energieertrag von hinterlüfteten PV-Fassaden
Name:
Katrin Vollmer (1999)
Kurzfassung:
Die Diplomarbeit befaßt sich mit dem thermischen Verhalten einer hinterlüfteten
Photovoltaik-Fassade, die an ein Gebäude gekoppelt ist. Das Beispielgebäude
besitzt eine Isolierverglasung (kv = 4 W/(m²K)), der PV-Paneele als Vorsatzschale
vorgesetzt sind. Die Transparenz der Paneele beträgt 15%. Energetische Vorgänge
in der Fassade werden theoretisch untersucht und meßtechnisch überprüft. Es wird
untersucht, ob es zweckmäßig ist, die Fassade auch während der Heizperiode
zwangszubelüften. Anlagen, bei denen das Fluid durch freie Konvektion zirkuliert,
werden im Rahmen der Arbeit nicht untersucht. Für das Gebäude wird eine Gesamtenergiebilanz erstellt und der Einfluß der PV-Fassade auf den Heizwärmebedarf ermittelt.
Vorgehensweise
Die durchgeführten Arbeiten haben folgende Schwerpunkte:
Allgemeine Beschreibung und Darstellung einzelner Komponenten des hinterlüfteten PV-Fassadensystems.
Thermische und strömungstechnische Messungen an einer PV-Fassade,
deren Ergebnisse zur Untersuchung der konvektiven Wärmeübergänge im
Spalt dienen.
Theoretische Betrachtung der Wärmeübertragungsmechanismen im Spalt
und Herleitung eines Berechnungsverfahrens zur Ermittlung aller relevanten Temperaturen zur Bestim-mung der durch die Hinterlüftung entstehenden Nutzenergie.
Betrachtung des Verlaufs der Spaltauslaßtemperaturen und der Nutzenergien für verschiedene klimatische Randbedingungen.
Herleitung eines analytischen Ansatzes zur Berechnung der Nutzenergien
und Vergleich mit einem vereinfachten, bestehenden Modell. Trennung der
Nutzenergie in einen Anteil vom Raum (qN,trans) und einen solaren Anteil
(qN,sol), mit dem ein solarer Wirkungsgrad berechnet werden kann.
Entwicklung eines neuen Berechnungsmodells mit Einfluß der PV-Fassade
auf das Gebäude.
Ermittlung einer Gesamtenergiebilanz für das Gebäude, Untersuchung des Gewinnund Verlustanteils durch die PV-Fassade.
Bewertung der PV-Fassade
Im Lüftungswärmebedarf steckt ein beachtliches Energieeinsparpotential, da bei
einem gut wärmegedämmten Gebäude der Lüftungswärmebedarf bis zu 50% des
Gesamtwärmebedarfs und mehr ausmachen kann. Durch Zuluftfassaden können
die Lüftungswärmeverluste erheblich reduziert werden. Die Anwendung derartiger
Bauteile ist sowohl bei der wärmetechnischen Sanierung im Gebäudebestand, als
auch bei Neubauten interessant. Durch konsequente Nutzung der vorgewärmten
Luft für die Belüftung des im Rahmen der Diplomarbeit untersuchten Gebäudes
lassen sich für den Standort Barcelona für das Beispielgebäude Einsparungen für
den Heizwärmebedarf von über 20% erzielen. In Stuttgart beträgt die Einsparung
für das Beispielgebäude 10%.
Diese Reduzierung des Heizwärmebedarfs ist nicht von dem hohen k-Wert der
Verglasung und somit von den hohen Transmissionswärmeverlusten durch die PVFassade abhängig, die einen großen Anteil der Lüftungswärmegewinne ausmachen. Untersuchungen mit einem k-Wert von 1.8 W/(m²K) für die Verglasung zeigen
daß für den Standort Stuttgart auch in diesem Fall 10% des Heizwärmebedarfs
eingespart werden können. Zwar sinkt der Transmissionsanteil der Nutzenergie
qN,trans erheblich, durch den prozentual höheren Anteil der Lüftungswärmeverluste
an der Energiebilanz bleibt die prozentuale Verbesserung gleich.
Die PV-Fassade ist in erster Linie als Stromlieferant geplant. Während der Heizperiode (Oktober bis Mai) betragen die elektrischen Gewinne 45 kWh/(m²a) in Stuttgart bei einer Südausrichtung der Fassade. Die jährlichen elektrischen Gewinne
betragen ca. 80 kWh/(m²a). Die thermischen Ventilationsgewinne sind um ein Vielfaches höher. Bei einer schlechten Verglasung betragen sie in Stuttgart 120
kWh/(m²a), davon sind 50 kWh/(m²a) Raumverluste vom Gebäude, die als Transmissionsanteil qN,trans wieder genutzt werden können. Bei einer besseren Verglasung mit k = 1.8 W/(m²K) betragen die Ventilationsgewinne 105 kWh/(m²a), 25
kWh/(m²a) davon sind Transmissionsanteile.
Neben der Stromerzeugung der PV-Module können thermische Gewinne als ein
Vielfaches der elektrischen Energie produziert werden. Besonders bei Verwaltungsgebäuden ist häufig eine repräsentative Fassade gewünscht, der sonst notwendige teure Sonnenschutz entfällt. Das Licht fällt ganzjährig blendfrei in die dahinterliegenden Räume.
Die vorhandene Lüftungsanlage ist das Hauptargument, die Fassade zwangszubelüften und die vorgewärmte Luft zur Reduzierung der Lüftungswärmeverluste einzusetzen. Bei Verwaltungsgebäuden ab einer bestimmten Größenordnung gehören
Lüftungsanlagen zum Standard. Ist eine Lüftungsanlage vorhanden, ist ein Ventila-
tor notwendig. Aufgrund der hohen Leistungsaufnahme des Ventilators ist die Anlage unrentabel, wenn der Ventilator lediglich für die Fassade eingesetzt wird. Da
aber unabhängig von der Zwangsbelüftung der Fassade sowieso ein Ventilator in
Betrieb sein muß, ist nur der durch die zusätzlichen Druckverluste über die PVFassade entstehender Zusatzbedarf an Energie als elektrischer Verlust durch die
Fassade zu betrachten.
Um den Einfluß der Photovoltaik auf den Heizwärmebedarf, unabhängig von der
Stromerzeugung, angeben zu können, wurden zwei weitere Simulationen für das
Gebäude durchgeführt:
Zum einen wurde für die Fassade eine Isolierverglasung mit einem k-Wert von 1.8
W/(m²K) gewählt, die PV-Vorsatzschale entfällt komplett. Durch diese Konstruktion
ist der Anteil der direkten solaren Gewinne wesentlich größer. Der Jahresheizwärmebedarf liegt in diesem Fall für den Standort Stuttgart geringfügig mit ca. 2.5%
unter dem Bedarf mit PV-Fassade, gleicher Verglasung und Nutzung der vorgewärmten Luft zur Gebäudebelüftung. Eine weitere Möglichkeit stellt folgende Doppelfassadenkonstruktion dar: Vor die Isolierverglasung ist eine weitere Glasscheibe
als Vorsatzschale gesetzt. Bei identischer Spaltgeometrie wie bei der PV-Fassade
ist hier ebenfalls der Anteil der direkten solaren Gewinne groß, die im Spalt erwärmte Luft wird unter gleichen Bedingungen wieder dem Gebäude als Lüftungswärmegewinn zugeführt. Durch die fehlende Absorberschicht des PV-Moduls sind die
Oberflächentemperaturen der Vorsatzschale wesentlich geringer. Der Lüftungswärmegewinn beträgt für den Standort Stuttgart nur ca. 35% von den Lüftungswärmegewinnen mit PV-Fassade. Durch die direkten solaren Gewinne sinkt der Jahresheizwärmebedarf auf den niedrigsten hier ermittelten Wert.
Zwar erscheint es auf den ersten Blick für den Jahresheizwärmebedarf günstiger,
eine herkömmliche Glas- oder Doppelfassade zu planen, jedoch müssen folgende
Aspekte berücksichtigt werden: Für diese Simulationen wird davon ausgegangen,
daß die direkten solaren Gewinne während der Heizperiode auch voll genutzt werden. Fraglich jedoch ist, ob direkte Sonneneinstrahlung in einem Verwaltungsgebäude erwünscht ist. Um Blendungen auszuschließen wird auch im Winter teilweise
eine Verschattung notwendig werden, welche die direkten solaren Gewinne reduziert. Aus Gründen des Komforts sind vollverglaste Fassaden in Verwaltungsgebäuden als kritisch zu betrachten. Weiterer Aspekt sind die hohen Kühllasten im
Sommer. Eine teure Verschattungseinrichtung wird in jedem Fall benötigt, bei der
PV-Fassade entfällt sie. Die hier am meisten Gewinne erzielende Doppelfassadenkonstruktion hat den Vorteil, daß eine Verschattungseinrichtung einfach zu montieren ist. Auch hier müssen sommerliche Überhitzung und Blendungen als kritisch
betrachtet werden. Einen weitaus größeren Nachteil gegenüber einer PV-Fassade
haben beide Konstruktionen: Sie produzieren keine elektrischen Gewinne. Und das
ist der Grundgedanke bei der Planung einer solchen Solarfassade.
Läßt man architektonische und Behaglichkeitsaspekte außer acht ist es jedoch
eindeutig, daß durch eine herkömmliche Glas- oder Doppelglasfassade höhere
Gewinne erzielt werden können. In beiden Fällen wäre zu überlegen, ob man die
zur Stromerzeugung des Ventilators notwendige Photovoltaik auf dem Dach installiert. Die elektrischen Erträge der PV wären übers Jahr verteilt insgesamt höher und
die solaren direkten Zugewinne könnten besser ausgenutzt werden. Unabhängig
von den oben aufgeführten Problemen der Glasfassaden, sind Kosten-/ Nutzungsaspekte zu betrachten. Die Kosten der notwendigen Verschattungseinrichtung sind
in der PV-Fassade bereits integriert und werden dadurch teilweise kompensiert. Im
Fall der Doppelglasfassade entstehen die doppelten Montage- und auch Materialkosten. Wird die äußere Schale der Doppelfassade als Verglasung ausgeführt,
entsteht neben der Verschattungseinrichtung der Mehraufwand des zusätzlichen
Materials der zweiten Glasschale und der zusätzlichen Montage der PV auf dem
Dach. Bei sorgfältiger Planung einer PV-Fassade und sinnvoller Auslegung des
Luftdurchsatzes für die Gebäudebelüftung können bei Nutzung der vorgewärmten
Luft die ökologischen Aspekte der umweltfreundlichen Stromerzeugung durch die
thermischen Gewinne noch verstärkt werden.
Herunterladen