Konstruktiver Holzschutz – über den Sinn des Vordaches „Bauen ist der hinhaltende Kampf gegen die Erosion. Richtiges Planen und Konstruieren bedeutet, diesen Kampf geordnet zu führen.“ (Univ.Prof. H. Gamerith). Autor: Architekt Dipl.-Ing. Dr. Herwig Ronacher, Hermagor, Österreich Der Text entstammt zum Teil dem Buch des Autors „Architektur und Zeitgeist. Irrwege des Bauens unserer Zeit – Auswege für das neue Jahrtausend.“ 60 6/2002 Der größte Feind des Bauwerkes ist das Wasser. Daher versuchte man in der Bautradition penibel, Niederschlagswasser auf schnellstem Weg vom Bauwerk abzuleiten. Ein möglichst geschlossenes, mehr oder weniger steil geneigtes Dach – je nach Konstruktionsart des Dachstuhles – mit ausreichend Überstand über die Außenwände war der beste Garant dafür. Notwendige Bauwerksvorsprünge wie Balkone oder Erker blieben ebenfalls möglichst geschützt hinter dem Vordach. Da unsere Bautradition bis ins 18. Jahrhundert im ländlichen Bereich eine Baugeschichte des Holzbaues ist und der Schutz vor dem Wasser für den lebendigen Baustoff Holz besonders wichtig ist, wurde dieser konstruktive Bautenschutz sowohl bei der Großform als auch im Detail besonders kultiviert. Die bewährten Produkte traditionellen Bauens sind lebendige Zeugen des konstruktiven Holzschutzes. Bauten, welche außerhalb dieser Kenntnis errichtet wurden, sind längst zerstört und können nicht mehr als Beispiele falscher Bauweisen herangezogen werden. Die Suche nach dem „Mythos der Reinheit“ in der „modernen Architektur“, Tempel in Nara (Japan, 11. Jhdt.): größtes erhaltenes Holzgebäude der Welt (zirka 50 x 70 m) mit 10 m breit ausladendem Vordach (Foto: Eisfeld) wie es Peter Blake kritisch nannte (gemeint damit ist die Abschaffung traditioneller Bauelemente, wie Rahmen, Dachrinnen, Dachvorsprünge und dgl.), kann für den modernen Holzbau gefährlich werden. Das seit einiger Zeit als modern bzw. fortschrittlich angesehene Haus zeichnet sich aber vielfach gerade durch das Überwinden dieser traditionellen Elemente aus – man könnte auch von Negieren sprechen. Und dies obwohl zwischenzeitlich wissenschaftliche Erkenntnisse vorliegen, welche die Problematik strukturloserer und vordachloser hoher Gebäude hinsichtlich der Schlagregenbeanspruchung klar aufzeigen. Kennt man die entsprechenden Schaubilder, welche von Schadensgutachtern stammen, steigt einerseits das Maß der Bewunderung für die traditionelle Baukunst, gleichzeitig verstärken sich die Vorbehalte gegenüber der Entwicklung des aktuellen Baugeschehens. Offensichtlich ist eines der meist übersehenen Probleme, die – zugegebenermaßen das logische Denken eines jeden Menschen verletzende – Tatsache, dass die Schlagregenbeanspruchung mit der Höhe eines Gebäudes zunimmt und zwar sogar exponentiell. Das bedeutet aber, dass das von vielen Vertretern glatter, moderner Formen immer wieder vorgebrachte Argument – Vordach sei ab der Höhe eines Gebäudes von mehreren Geschoßen vollkommen nutzlos, weil es in keinem Verhältnis mehr zur Höhe der zu schützenden Fassade stünde – grundsätzlich falsch ist. Erstaunlicherweise ist das Gegenteil richtig: Umso höher ein Gebäude, desto größer wird die Beanspruchung durch Schlagregen, desto wirkungsvoller ist es, die Fassade und deren hochtechnische Bauteile wie Fenster zu schützen und desto wirksamer ist – in dem am stärksten betroffenen Bereich – das Vordach! An dieser Stelle wird die Enge des Horizontes heutiger Technikgläubigkeit in der Architektur klar, deren Analogie zum einäugigen Wissenschaftsdenken unübersehbar ist. Zugegeben, das hier abgedruckte Schaubild ist relativ neu und wohl erst durch die ständig steigende Zahl an Bauschäden mit all den Rechtsstreitigkeiten auf der Suche nach Ursachen für den vermehrten Auftritt von Algen- und Pilzbefall der Fassaden entstanden. Aber ist es nicht eigenartig, dass Fakten, die mit dem normalen Hausverstand so verständlich zu erklären sind, erst nach fahrlässiger Zerstörung von Volksvermögen und in weltweiter Verbreitung durch die mühsame wissenschaftliche Arbeit von Schadensgutachtern zum Thema gemacht werden. Wahrscheinlich konnte vor der Analyse von Niederschlagswassermengen an Fassaden niemand ahnen, dass es möglich ist, dass an hohen Fassaden das Wasser aufwärts rinnt und dadurch oben die maximalen Wassermassen auftreten – somit in eine Fließrichtung für die in Blockbau mit sukzessiven Auskragungen zum Schutz des Bauwerkes (Foto: Ronacher) Anzeige 6/2002 61 Holzschutz der Regel planlich kein konstruktiver Bautenschutz eingeplant wird. Aber was wird die Antwort sein, wenn eine ausreichend große Zahl an Verfechtern der glatten Containerarchitektur diese Fakten realisiert haben werden? Man wird die Häuser wohl noch dichter bauen. Nach der bauphysikalisch als notwendig erachteten Abdichtung von innen werden die Häuser eben auch von außen zugeschweißt, die Glas- und Blechhüllen noch glatter, aufwendiger, hochtechnischer, unökologischer. Und mit Friedrich Schiller könnte man ergänzen: „Es ist der Fluch der bösen Tat, dass Sie fortwährend Böses muss gebären!“ Das Hochrüsten unserer Gebäude, welches wir mit aufwendigen, umweltfeindlichen und teilweise sogar giftigen Materialien vollziehen müssen, gleicht schon jetzt dem Einkleiden von Gebäuden mit Regenmänteln. Der Unterschied zu uns Menschen ist allerdings der, dass wir Regenmäntel aus Plastik nur bei Regen tragen müssen, während wir unsere modernen Gebäude dazu verurteilen, über das ganze Jahr, bei Tag und Nacht mit einer Kunststoff-, Metall- oder Glashülle dazustehen – oder mit einer Holzhülle, deren Lebensdauer mutwillig beschränkt wird. Derzeit steht die Putzindustrie vor dem Dilemma zunehmender Algen- und Pilzbildung – vor allem an hochgedämmten Fassaden. Einen vermeintlichen Ausweg bietet die Industrie durch Beimengen von Fungiziden und Algiziden. Die Antwort einer BiozidExpertin im Rahmen einer Baufachtagung über mikrobielle und tierische Fassadenschäden auf die Frage, ob Algizide, Fungizide und an- derwärtige biozide Putzzusätze nicht umweltbelastend und vor allem gesundheitsgefährdend für den Menschen seien, ist entlarvend und schockieren: „Da kann ich sie beruhigen, diese Gifte sind nicht stark. Die meisten Stoffe sind seit Jahren in der Kosmetikindustrie erprobt!“ Heißt das, dass den Oberflächen unserer Häuser locker zumutbar ist, was unsere Häute seit Jahrzehnten aushielten, oder ist es eine zusätzliche Erklärung für die Zunahme an Hautallergien? Die Putzindustrie versucht also das Problem durch das Beimengen von „Stoffen“ zu lösen, die Holzindustrie geht Gott sei dank zurück zur Natur – was gut ist. Wir sind uns heute darüber im Klaren, dass der Weg vom chemischen Holzschutz wegführen muss. Aber wir müssen akzeptieren, dass der Weg zurück zur Natur die Kenntnis der Naturgesetze bedingt und, dass unsere Bauwerke, vor allem wenn sie unter ökologischen Bedingungen errichtet werden, Schutz benötigen, sollen sie Bestand haben. Das technische Wissen der Bautradition ist zu nutzen, aber dem stehen oftmals Dogmen der „zeitgemäßen“ Architektursprache entgegen. BEISPIELE AUS DER PRAXIS Beispiel: Hotel Thermenhof Bad Waltersdorf, Steiermark (Foto: Ronacher) 1. Sockelausbildung Übergang massiver Sockel zu Holzsäule in der Fassade Anzeige Lösungen für den innovativen Holzbau. In güteüberwachter Qualität Massivholz 3S Platten mit bauaufsichtlicher Zulassung 3S-Color 3S Platten mit fertigen Oberflächen Konstruktionsvollholz aus deutscher Produktion Duo-/Triobalken hochwertiger Baustoff aus Vollholz BSH und BSH-Elemente für hochwertige Konstruktionen im innovativen Holzbau Oberstetten/Postfach D-72530 Hohenstein Telefon (0 73 87) 16 -197 (0 73 87) 16 -301 Telefax (0 73 87) 16 -117 Ein Unternehmensbereich der SchwörerHaus KG 62 6/2002 freistehende Säulen vor Erdgeschoß-Zone mit Sockelausbildung Beispiel: Hauptschule St. Jakob, Kärnten (Foto: Ronacher) 2. Holzbalkondetail Schräges Abdeckbrett und Hochkantausbildung des unteren Querholmes ermöglicht Abrinnen des Niederschlagwassers. Beispiel: Wohnhaus Dominici, Steiermark (Foto: Ronacher) 4. Vordach Weit ausladendes Vordach in zwei Geschoßen Beispiel: Österreichische Bundesforste AG – Purkersdorf, Niederösterreich (Foto: ÖBF) 5. Konstruktiver Holzschutz im Brückenbau durch Überdachung und Glasgeländer Beispiel: Fußgängerbrücke am Pressegger See, Kärnten (Foto: Ronacher) 3. Ortgang Schräges Ortgangbrett aus Lärchenholz mit Blechabdeckung und deutlicher Tropfkante verhin- Anzeige dert rasche Verwitterung. Beispiel: Architekturbüro Ronacher, Kärnten (Foto: Ronacher) 6/2002 63