DRG Fokusgruppen - UniversitätsSpital Zürich

Werbung
Dieser Bericht ist Teil eines Sammelbandes Ethik und DRG, der 2011 vom Verlag FMH
herausgegeben wurde:
Verena Wild, Eliane Pfister, Nikola Biller-Andorno (Hrsg.): DRG und Ethik. Ethische
Auswirkungen von ökonomischen Steuerungselementen im Gesundheitswesen, 17-24.
Wie könnten DRG die Pflege an Schweizer Spitälern beeinflussen? Aus
Gesprächen mit Pflegefachpersonen
Rebecca Spirig (Prof., PhD, RN), Diana Staudacher (Dr. phil.), Horst Rettke (MNS, RN),
Michael Kleinknecht (MNS, RN)
Einleitung
Vieles in der Pflege wird sich ändern, wenn 2012 schweizweit das System der DRG
eingeführt wird. Es wird eine Weichenstellung für die Zukunft der Pflege sein in Bezug auf die
alltäglichen Dienstleistungen, das Berufsbild und Wertesystem; denn betriebswissenschaftliche
und ökonomische Aspekte werden sich in erheblichem Ausmaß auf die Arbeitsprozesse
auswirken. Die DRG-Einführung hat in anderen Ländern zu Restrukturierungen und zu einem
Abbau von Personal und Dienstleistungen geführt, welche die Pflegequalität negativ
beeinflussen. Eine Studie aus Deutschland deckte auf, dass der administrative Aufwand von
Pflegenden zugenommen hat und sich die direkte Pflege am Patienten verringerte (Hausner et al.,
2005). In einer kalifornischen Studie hat sich gezeigt, dass komplexe Pflege vermehrt an
Pflegehilfen delegiert wurde, was zu negativen Resultaten in der Patientenversorgung führte
(Norrish and Rundall, 2001). Andere internationale Untersuchungen zeigen, dass eine
eingeschränkte Autonomie und eine unattraktive Arbeitsumgebung die Arbeitszufriedenheit von
Pflegenden deutlich verschlechterten (Hegney et al., 2006, Coomber and Barriball, 2007,
Christmas, 2008, Milisen et al., 2006). Diese Studienresultate geben Grund zur Annahme, dass
die DRG-Einführung auch in der Schweiz dazu führen kann, dass die Pflege als Disziplin an
Attraktivität einbüßt sowie eine professionelle Pflege und hohe Pflegequalität nicht mehr im
heutigen Maße möglich sein werden.
Pflegefachpersonen lernen, professionelle Pflege in ausgewiesener Qualität anzubieten.
Pflegequalität drückt sich einerseits durch die Erreichung erwünschter Patientenergebnisse aus.
Andererseits beruht sie auf intensiver zwischenmenschlicher Beziehungsarbeit, welche die
Zufriedenheit der Patientinnen und Patienten maßgeblich beeinflusst. Eine hochstehende
Pflegequalität droht nun durch die mit der den DRG einhergehender Maßgabe einer möglichst
kurzen Spitalverweildauer in den Hintergrund gedrängt zu werden. Komplexe Pflegesituationen
1
werden zunehmend einer standardisierten Sichtweise unterworfen. Lässt dies weiterhin eine
professionelle und bedürfnisorientierte Pflege zu? Können Pflegefachpersonen auch im DRGSystem ihre ethische Rolle als „Fürsprecherinnen“ der Patienten ausfüllen, vor allem für die
verletzlichsten und pflegebedürftigsten unter ihnen?
Was Pflegende in der Schweiz von der DRG-Einführung erwarten, welche Chancen und
Befürchtungen sie sehen, soll in diesem Beitrag exemplarisch zum Ausdruck kommen. Er bietet
eine Momentaufnahme aus dem UniversitätsSpital Zürich (USZ) von 2010.
Vorgehen
Mit zwei Fokusgruppen wurden am USZ Interviews durchgeführt. Fokusgruppeninterviews
ermöglichen intensive Gespräche mit einer regen Interaktion zwischen den Teilnehmenden.
Dadurch eignen sie sich besonders gut, um Informationen darüber zu sammeln, was Menschen
über ein bestimmtes Thema denken und warum sie dies tun (Lamnek, 2005, Krueger, 1988).
Die für eine Fokusgruppenteilnahme in Frage kommenden Pflegefachleute wurden unter
der Annahme, dass sie einen gemeinsamen praktischen Erfahrungshintergrund besitzen, bewusst
aus einem einzelnen Medizinbereich ausgesucht. Wichtig war dabei auch, Pflegefachpersonen
anzufragen, die mit unterschiedlichen Rollen in der Praxis betraut sind. Die möglichen
Teilnehmenden wurden mit einem persönlichen Anschreiben eingeladen. Von den 18
angefragten Pflegefachpersonen stimmten grundsätzlich alle einer Teilnahme zu. Aufgrund
betrieblicher oder persönlicher Umstände konnten sich letztlich elf an den
Fokusgruppendiskussionen beteiligen. Sechs davon waren Abteilungsleitende, drei direkt
Pflegende und zwei Pflegeexpertinnen. Ein Interviewleitfaden wurde eingesetzt. Die Fragen
lauteten z.B. „Was haben Sie bisher über DRG gehört oder gelesen?“, „Was für Chancen sehen
Sie, wenn DRG in der Schweiz eingeführt werden?“, „Welche Befürchtungen haben Sie?“, „Wie
könnte sich Ihr Arbeitsgebiet in der Pflege durch DRG verändern?“, „Wie wird sich die
interprofessionelle Zusammenarbeit durch DRG verändern?“.
Beide Fokusgruppeninterviews dauerten je 60 Minuten. Sie wurden schriftlich notiert und
mittels qualitativer Inhaltsanalyse ausgewertet (Mayring, 2008). Die Ergebnisse wurden von acht
Teilnehmenden validiert. Diese befanden sie als gültig und bekräftigten zum Teil die gemachten
Aussagen nochmals ausdrücklich.
Ergebnisse
Aus den Antworten der Fokusgruppenteilnehmenden wurden fünf Kategorien gebildet: 1.
Patientenorientierte Pflege ist gefährdet, 2. Versorgungsqualität bedeutet auch Caring, 3.
2
Fragmentierte Pflege kann Einzug halten, 4. Pflegende und Ärzte im DRG-System: Auf
Augenhöhe kooperieren und 5. Pflege kann sich profilieren.
1. Patientenorientierte Pflege ist gefährdet
„DRG beruhen auf ökonomischen Prinzipien, nicht auf klinischen“, betonten die
Pflegefachpersonen als Erstes. Wirtschaftlich günstig ist im DRG-System ein Patient, der
möglichst kurz im Spital bleibt. Die Teilnehmenden befürchten, dass keine Rücksicht auf den
kranken Menschen mit all seinen komplexen Problemen genommen wird und Patienten entlassen
werden, obwohl ihr Heilungsprozess nicht abgeschlossen und ihre Selbstständigkeit noch nicht
wieder hergestellt sind. Dies kann gerade die verletzlichsten unter den Patienten treffen:
chronisch kranke, behinderte, multimorbide, ältere und gebrechliche.
In den letzten Jahrzehnten wurde die Autonomie des Patienten zunehmend als wichtiges
pflegeethisches Prinzip anerkannt. Die Bedürfnisse des Patienten wurden also bei klinischen
Entscheidungen stärker berücksichtigt als es früher der Fall war. Dieses Bild der Patienten sehen
die Pflegefachpersonen als wertvolle Errungenschaft an: „Die Pflege hat mit ihrem
patientenorientierten Leitbild ein hohes Niveau erreicht. Soll dies nun durch DRG unterbrochen
werden?“, fragt eine Teilnehmende. Formulierungen wie diese zeigen, wie wichtig den
Pflegefachpersonen eine individualisierte, auf Patientenpräferenzen basierende Pflege ist. Dieses
zentrale Element sehen sie durch DRG gefährdet. Denn die psychosoziale Dimension von
Therapie und Pflege bleibt ihrer Meinung nach im DRG-System unsichtbar.
2. Versorgungsqualität bedeutet auch Caring
Wie sich DRG auf die Versorgungsqualität auswirken wird, sehen die Pflegefachpersonen sehr
differenziert. Sie befürchten, dass präventive, aktivierende oder salutogenetische
Pflegemaßnahmen aufgrund der verkürzten Liegezeit kaum noch möglich sein werden: „Denn
wenn nicht einmal die kurativen Anteile der Pflege zum Abschluss kommen können, wie soll denn
noch Zeit für eine individuelle Unterstützung des Patienten bleiben? Ein Caring, eine
ganzheitliche Fürsorge, die wesentlich für die Pflege ist, wird unmöglich.“ Eine Teilnehmende
meinte: „Pflege setzt ja oft gerade an dem Punkt an, wo das Kurieren nicht mehr weiterhilft.
Diese Kompetenzen der Pflege könnten dann im therapeutischen Prozess gar nicht mehr zum
Tragen kommen.“ Aber, sagt ein Teilnehmer: „Krankheit ist etwas, das einen
Bewältigungsprozess und ein Umlernen erfordert und Zeit braucht“. Diese Elemente, so wird
befürchtet, haben im DRG-System keinerlei Raum mehr.
3
Situationen von hoher pflegerischer Komplexität werden im künftigen pflegerischen
Alltag an der Tagesordnung sein, doch es ist fraglich, ob der Stellenplan dem intensiven
Pflegebedarf der Patienten angepasst wird. Ein „Durchschleusen“ kann zur Norm werden. Dem
Patienten droht, depersonalisiert und entindividualisiert zu werden. Die Teilnehmenden fragen:
„Ist Bezugspflege im DRG-System überhaupt noch möglich?“ Wo aber nur noch standardisiertes
Curing und kein individuelles, bedürfnisorientiertes Caring mehr möglich ist, verliert auch die
würdevolle Behandlung des Patienten an Selbstverständlichkeit und die pflegerisch-medizinische
Kultur wird durch DRG in ihrem Kern tangiert und gefährdet.
3. Fragmentierte Pflege kann Einzug halten
„Wann wird dieser Patient wieder entlassen? Wird er bis dahin überhaupt schon wieder gesund
und selbstständig sein?“ Diese Frage, so befürchteten die Pflegefachpersonen, werden sie sich
als Erstes stellen müssen, wenn sie ab 2012 stationäre Patienten aufnehmen. Schon ab dem
Moment der Aufnahme müssen sie alles in die Wege leiten, damit er nach seiner Entlassung
weiterversorgt werden kann. Die Rekonvaleszenzzeit im Spital wird extrem verkürzt und die
Frage stellt sich ihnen „werden die Patienten fit genug sein, um nach wenigen Tagen entlassen
zu werden? Ist ihr Zustand körperlich und emotional bereits wieder so stabil, dass sie „mit
gutem Gewissen entlassen werden können oder gibt es dann auch bei uns sogenannte blutige
Entlassungen?“ Eine Teilnehmerin erwähnte ein besonders abschreckendes Beispiel, das sie
selbst in der Schweiz vor Einführung der Fallpauschalen erlebt hat. Sie vermutet, dass ähnliche
Situationen im DRG-System gehäuft vorkommen: Ein Patient mit Verwirrtheit, der
medikamentös schlecht eingestellt war, wurde nach vier Tagen entlassen. „Dies ist ethisch nicht
tragbar. Das steht im Gegensatz zu unserem Pflegeleitbild“, unterstreicht die Pflegende. Solche
Szenarien sind unvereinbar mit dem Berufsethos von Pflegenden. Diesem zuwiderzuhandeln,
empfinden sie als unzumutbar.
Der eigentliche Genesungsprozess wird zukünftig größtenteils außerhalb des Spitals
stattfinden, er wird ausgelagert in den „nachstationären“ Bereich. Dadurch ist keine Kontinuität
im Pflege- und Versorgungsprozess mehr möglich. Die Behandlungskette wird unterbrochen, ja
fragmentiert. Auch dies widerspricht dem ethischen Wertesystem der Pflegenden. Um
Versorgungsbrüche möglichst zu vermeiden, werden die Pflegefachpersonen sehr viel Zeit auf
das Entlassungsmanagement verwenden müssen. Die Möglichkeit einer Nachsorge (z. B. durch
spitalexterne Pflege) muss sehr früh und gewissenhaft organisiert werden. Nur so können
Pflegefachpersonen sicherstellen, dass Patienten sich nach ihrer Entlassung nicht hilflos selbst
überlassen bleiben. Die Pflegefachpersonen sehen sich hierbei wie selbstverständlich in der
4
Rolle eines Fürsprechers für das Wohl ihrer Patienten, als ethische Schutzschilde. Wie hoch die
Gefahr eines „Drehtüreffekts“ tatsächlich ist, zeigt sich bereits in Studien, wie eine
Pflegeexpertin betonte. Sie zitierte eine schweizerische Studie, wonach unter dem DRG-System
deutlich mehr Patienten innerhalb von 90 Tagen nach ihrer Entlassung erneut hospitalisiert
wurden. Die Studie konnte durchgeführt werden, weil einzelne Kantone DRG bereits vor der
landesweiten Umsetzung eingeführt haben. Daraus wird gefolgert, dass eine Verbesserung der
Behandlungsqualität durch die Einführung von DRG in Frage gestellt ist und zudem die
Kosteneffektivität abnimmt (Busato and Von Bulow, 2010).
4. Pflegende und Ärzte im DRG-System: Auf Augenhöhe kooperieren
„Die Pflege sollte sich unter DRG auf Augenhöhe mit der Medizin positionieren und ihre
Kompetenz zur Geltung bringen.“ Die Zusammenarbeit zwischen Pflegefachpersonen und
Ärzten wird sich unter dem DRG-System verändern, davon sind alle Gesprächsteilnehmer
überzeugt. Sie werden intensiver miteinander kooperieren müssen. Aber: Verstehen
Pflegefachpersonen und Ärzte dasselbe unter Kooperation?
Bessere Zusammenarbeit sei eine unbedingte Notwendigkeit - "ein must" - wie eine
Teilnehmende betont. Diese betrifft vor allem das Entlassungsmanagement. Die Teilnehmenden
halten einen effektiven Kommunikationsstil für eine wichtige Voraussetzung einer verbesserten
Zusammenarbeit. Grundsätzlich muss sich der Informationsfluss zwischen Ärzten und
Pflegenden verbessern. Um unter DRG effektiv arbeiten zu können, ist eine maximale
Informationskontinuität nötig. Hier besteht großer Verbesserungsbedarf. Pflegefachpersonen
brauchen alle nötigen patientenbezogenen Informationen, um ihre Interventionen bedarfsgerecht
zu planen und durchzuführen. Zum jetzigen Zeitpunkt fehlen ihnen häufig entscheidende
Informationen über den Zustand eines Patienten, z. B. dass er unter einer Verwirrtheit leidet.
5. Pflege kann sich profilieren
Die Pflege kann DRG auch als eine Herausforderung verstehen, als Anlass, sich zu profilieren
und effizienter zu werden: „Die Pflege muss in die Gänge kommen“, so eine Teilnehmerin.
Profilieren bedeutet konkret: Pflegende werden einen essenziellen Beitrag dazu leisten, eine
schnelle Genesung der Patienten zu fördern. Ihre Aufenthaltsdauer hängt wesentlich von der
Qualität der Pflege ab und alle Befragten sehen in den DRG auch eine willkommene „Chance,
die Wirksamkeit der Pflege zu zeigen“.
Sehr hohe Erwartungen setzen die Pflegefachpersonen in den Effekt, den DRG auf
Arbeitsprozesse und Versorgungsstrukturen im Spital ausüben könnte. Einstimmig wünschen sie
5
sich eine höhere Effektivität und Effizienz der Krankenhausversorgung. „Abläufe optimieren
und Prozessveränderungen seien nötig“, betont eine Teilnehmende. Die befragten
Pflegefachpersonen erhoffen sich folgende positiven Entwicklungen:
•
Paradigmawechsel zu kosteneffizientem Arbeiten insgesamt.
•
Die Patientenversorgung kann besser systematisiert und strukturiert und somit effizienter
werden durch Clinical Pathways und Case Management mit einer optimalen Abfolge und
Terminierung der wichtigsten Interventionen.
•
Die Spitalaustritts- und Rehabilitationsplanung kann sich bedeutend verbessern.
•
Neue Versorgungsmodelle können entwickelt werden, um dem Betreuungsbedarf der
Patienten gerecht zu werden.
•
Unter DRG wird dem bruchlosen Übergang von einer Institution in die andere eine hohe
Priorität zugewiesen. Entscheidend wichtig wäre es, dass Spitäler die Patientenversorgung mit
den Hausärzten, der Spitex und den Rehabilitationseinrichtungen möglichst nahtlos abstimmten,
damit keine Versorgungsbrüche entstehen. Beispielsweise kann auch ein ganzes Netz von
Spitex-Organisationen einzelnen Spitälern zugeordnet werden. Auch das Fusionieren von
Spitälern wäre eine Option. Patienten des USZ könnten beispielsweise in Partnerspitälern
garantiert einen Rehabilitationsplatz bekommen. Da beide Spitäler nach einer einheitlichen
Pflegephilosophie arbeiten, bliebe die Pflegekontinuität gewahrt.
Diskussion
„Um die Einführung von DRG umsichtig in die Wege zu leiten, ist viel Vorbereitungsarbeit
nötig“, resümierte ein Teilnehmer. Denn die Pflegefachpersonen möchten auch in Zukunft eine
professionelle Pflege anbieten und ihre hohe Pflegequalität sichern. Welche Vorbereitungen sind
hier am wichtigsten? Geht es darum, die einzelnen Berufsgruppen verbessert zu informieren und
sie in die laufenden Arbeiten zu integrieren, damit die Befürchtungen konkret angegangen
werden können?
Die lebhafte Diskussion über die bevorstehende Einführung von DRG zeigte es deutlich:
Die Pflegefachpersonen bauen eine Brücke von den Befürchtungen zu den Hoffnungen auf
höhere Qualitätsstandards. Dabei heben sie Schätze ihrer Kreativität und ihres professionellen
Potenzials.
Denn eines wird klar, das Bild, das die Pflegefachpersonen von DRG vor Augen haben,
ist geprägt von den Erfahrungen in Deutschland, wo DRG bereits 2003 eingeführt wurden. Eine
Teilnehmerin fasst zusammen, was sie von deutschen Kolleginnen und Kollegen gehört hat:
„Die Pflegefachpersonen sind sehr stark überlastet. Durch die kurze Verweildauer im Spital
6
verdichtet sich die Pflege der Patienten auf wenige Tage und wird dadurch viel intensiver. Da
meist keine zusätzlichen Stellen geschaffen werden, führt das zu einer starken Unzufriedenheit
bei den Pflegefachpersonen. Gerade die helfende Beziehung zum Patienten war für die meisten
der Grund, warum sie diesen Beruf gewählt haben. Sind Patienten nur zwei bis drei Tage im
Spital, kann sich kaum eine pflegerische Beziehung entwickeln und die psychosoziale Dimension
der Pflege fällt ökonomischen Zielen zum Opfer.“
Was aus Deutschland über die Auswirkungen von DRG auf die Patientenversorgung und
die Arbeitsbedingungen von Pflegefachpersonen bekannt wurde, löste hierzulande Besorgnis
aus. Pflegefachpersonen sprechen sogar von „Angst“ oder „Panik“. Diese starken
Formulierungen machen deutlich, welche Relevanz das Thema DRG für viele hat. Ihre
Arbeitsbedingungen und ihr berufliches Selbstverständnis sind im Kern betroffen.
Schlussfolgerung
Die an den Fokusgruppendiskussionen beteiligten Pflegefachpersonen sehen in der Einführung
von DRG in der Schweiz unter den gegebenen Rahmenbedingungen ihre professionellen
ethischen Prinzipien in Gefahr und Risiken für die Pflegequalität. Sie erkennen darin aber auch
Chancen für die Förderung von Effektivität und Effizienz in der Pflege sowie für deren
Entwicklung.
Um mit der Einführung der DRG verbundene Risiken zu minimieren und mögliche
Chancen wahrnehmen zu können, müssen aus ihrer Sicht die strukturellen und organisatorischen
Rahmenbedingungen sowie die Zusammenarbeit und der kontinuierliche Informationsaustausch
zwischen Ärzten und Pflegefachpersonen verbessert werden. Zudem erachten sie
interdisziplinäre Behandlungs- und Betreuungskonzepte als notwendig, und es erscheint
zweckmäßig, institutionsübergreifende Versorgungsmodelle zu erarbeiten.
Dank
Die AutorInnen danken allen Teilnehmenden der beiden Fokusgruppen herzlich für ihre
engagierten und differenzierten Beiträge zu diesem Thema. Weiterer Dank geht an Frau Judith
Schürmeyer, Leiterin Pflegedienst Medizinbereich Herz-Gefäß-Thorax, für ihre Bereitschaft,
ihre Miarbeitenden für diese Aufgabe frei zu stellen.
Besonders gedankt sei auch Frau Jacqueline S. Martin (MNS, RN, Stv. Leiterin Abteilung
Klinische Pflegewissenschaft, Universitätsspital Basel), Frau Dr. Irena Anna Frei (PhD, MSc,
Leiterin Abteilung Klinische Pflegewissenschaft, Universitätsspital Basel) und Frau Dr.
Elisabeth Spichiger (PhD, RN, Leiterin Bereich Pflegeentwicklung und Forschung, Inselspital
7
Bern) für die sehr erfolgreiche Zusammenarbeit im Zusammenhang mit der Begleitforschung zur
Einführung der DRG in der Schweiz und deren Auswirkungen auf die Pflege, in deren Kontext
diese Fokusgruppendiskussionen am UniversitätsSpital Zürich durchgeführt wurden.
Literatur
BUSATO, A. & VON BULOW, G. (2010) Die Einführung von Fallpauschalen, eine Analyse aus Sicht der
Bevölkerung. 3. Nationales Symposium für Qualitätsmanagement im Gesundheitswesen - Kostenbremse im
Gesundheitswesen - bessere Qualität? Bern.
CHRISTMAS, K. (2008) How work environment impacts retention. Nurs Econ, 26, 316-8.
COOMBER, B. & BARRIBALL, K. L. (2007) Impact of job satisfaction components on intent to leave and
turnover for hospital-based nurses: a review of the research literature. Int J Nurs Stud, 44, 297-314.
HAUSNER, E., JUCHEMS, S., RICHTER, I., SCHULZE GEIPING, A., SIMON, M., VOSS, K., WIEDEMANN,
R., DONATH, E. & BARTHOLOMEYCZIK, S. (2005) Arbeitsstrukturen in der Pflege im Krankenhaus und die
Einführung der DRGs. Pflege Gesellschaft 10, 125-130.
HEGNEY, D., PLANK, A. & PARKER, V. (2006) Extrinsic and intrinsic work values: their impact on job
satisfaction in nursing. J Nurs Manag, 14, 271-81.
KRUEGER, R. (1988) Focus Groups. A practical guide for applied research, New York, Sage.
LAMNEK, S. (2005) Qualitative Sozialforschung, Weinheim, Basel, Beltz.
MAYRING, P. (2008) Qualitative Inhaltsanalyse: Grundlagen und Technik, Weinheim, Basel, Beltz.
MILISEN, K., ABRAHAM, I., SIEBENS, K., DARRAS, E. & DIERCKX DE CASTERLE, B. (2006) Work
environment and workforce problems: a cross-sectional questionnaire survey of hospital nurses in Belgium. Int J
Nurs Stud, 43, 745-54.
NORRISH, B. R. & RUNDALL, T. G. (2001) Hospital restructuring and the work of registered nurses. Milbank Q,
79, 55-79, IV.
7. Juni 2010/21. November 2012
8
Herunterladen