Grundprobleme Neuzeit / Haug-Moritz WARNUNG: DIES IST KEIN OFFIZIELLES SKRIPTUM! ES IST EINE GETIPPTE VERSION EINER MITSCHRIFT VON DIESER VORLESUNG, D.H. ES SIND FEHLER MÖGLICH! Grundprobleme der Neuzeit Aufbau 1. Stunde: 1. Beschäftigung mit der Neueren Geschichte 2. Die Zeit „Neuzeit“ 3. Zur Problematik der Kategorie Neuzeit 4. Phasen der Neueren Geschichte 1. Der Raum Europa 2. Wo liegt Europa 3. Strukturmerkmale des neuzeitlichen Europa 4. Aufbau der Vorlesung Allgemein dient diese VO zur Vorbereitung auf die Fachprüfung Neuzeit! Die Materialien zur VO findet man als Kopiervorlagen im 4. Stock in der Bibliothek beim Fach Haug-Moritz (Ordner bzw. Handapparat)! Literaturliste ist auch wichtig aufgrund der Lexika und Nachschlagewerke! Ausfall am 25. Mai! Prüfung am 29. Juni! Einführung: Neuer Geschichte = Neuzeit & Europa Unterteilung Geschichte ist auf Europa zentriert, sodass China zu dieser Zeit nicht fassbar wird. Zeitraum Neuzeit: 1500 – 2000 Erst seit den 1960er Jahren gibt es die Möglichkeit die Grenzen einer solchen Unterteilung aufzuzeigen. Die Entwicklung des Faches Geschichte wurde erst in den letzten 30 Jahren einer fixen Gliederung unterworfen. Bis ins 18. Jahrhundert gehörte Geschichte zur altistischen Fakultät, was zur Vorbereitung auf ein höheres Studium dienen sollte. Poesie und Rhetorik waren mit dem Fach Geschichte bzw. Geschichtserzählung als Vorbereitung gedacht. Im 18. Jh. nahmen sich die Theologen und Juristen dieser Problematik an. 1 Grundprobleme Neuzeit / Haug-Moritz Die Frage Was ist Geschichte war immer an die Zeit der Fragestellung gebunden, was mit gewissen Vorannahmen behaftet war, denn das was in dieser Zeit als Wirklichkeit gilt bzw. galt fließt immer dabei ein. Im Jahr 1766 wird auf der Universität Göttingen die Erste Historische Fakultät gegründet, die der Vorläufer zu den Institutsgründungen der 1780er Jahre war. Eine wichtige Persönlichkeit dabei war Johann Gustav Preußen, und nicht mehr die Nacherzählung stand im Mittelpunkt sondern die Erforschung, vor allem ab der Mitte bzw. Ende des 19. Jahrhunderts. Auch Michael Hartwig spielte dabei eine wichtige Rolle (Geschichtskultur & Wissenschaft). Der Neuzeitbegriff begann sich schließlich auch im Sprachgebrauch zu etablieren, was jedoch erst Ende des 19. Jahrhundert geschah, also erst seit ca. 100 Jahren. Die Geschichtswissenschaft ist als eigenständige Teildisziplin noch relativ jung (nicht mehr als 100 Jahre alt). Die Periodisierung ist eines der wesentlichen Probleme bei der historischen Einteilung in Epochen, denn es ist schwierig die Geschichte in sinnvolle Einheiten einzuteilen um sie zu charakterisieren, denn eine Epoche, wie die Neuzeit muss etwas Zusammenhängendes haben, bzw. gewisse unverkennbare Gemeinsamkeiten! Heinrich Lutz: Unterteilung in Zeitabschnitte, um alle Bereiche zu erfassen Neuere Geschichte wird in Unterabschnitte eingeteilt Räumliche Distanz ist ein wichtiges Kriterium Periodisierung muss im Bewusstsein der Zeitgenossen bereits verankert sein Die Geschichtswissenschaft befindet sich in einer unendlichen Diskussion über den Periodisierungsprozess, der meist auf die politische Geschichte fixiert ist! In den 60er Jahren kam es zu einer Differenzierung des Faches Geschichte, was damit zu tun hatte, dass in dieser Zeit die Bildungsexpansion eingesetzt hatte. Heute wird dieser Prozess verlangsamt, und es kommt zu einem Rückgang dieser Bildungsoffensive, besonders was die Geisteswissenschaften betrifft. Aufteilung der Neuzeit, die jedoch stark national geprägt ist: 1500 – 1800 (Early 2. Späte Neuzeit 1800 – 1914 (Modern Historie) 3. Neueste Zeit 20. Jahrhundert 1. Frühe Neuzeit Modern Historie, Histoir Modern) Heute kommt es zu einer beschleunigenden Veränderung der Wirklichkeit, was bereits mit dem Übergang von der ständischen zur bürgerlichen Gesellschaft bzw. mit der Umwandlung vom Agrarstaat zum modernen Industriestaat, eingesetzt hat. Besonders die Wandlung des Staats vom Feudal- zum Nationalstaat ist der bedeutendste Unterschied zu den anderen Epochen. Die Problematik des Begriffs Zeitgeschichte ergibt sich daraus, dass dieser Begriff aus der Postmoderne kommt, was eine Veränderung des Strukturmerkmals anzeigt. Anfang – Ende der Neuzeit 2 Grundprobleme Neuzeit / Haug-Moritz Für den Beginn der Neuzeit gibt es zwei Modelle: 1. Beginn im Jahre 1500 2. Alteuropa Konzept: Entwickelt in den 50/60er Jahren von Hassinger bzw. Erhard, das sich jedoch nicht durchsetzen konnte. Nach dieser Einteilung sind die Jahre von 13001800 die Epoche Alteuropas. Diese Epoche wurde geprägt durch die Spätantike (USWissenschaft). Die Leistung dieser Definition war es, Geschichte nicht nur nach den großen Taten & Männern zu gliedern, sondern den Focus von der Politik mehr auf die Gesellschaft zu richten. Hassingers Integrale Historie sollten einen größeren Horizont aufzeigen. Die Geschichte sollte die Wandlung in allen Lebensentwicklungen zeigen, bspw. Wie waren die Menschen in den Jahren von 1300-1800? Seit den 1960er Jahren gibt es eine Zäsur in der Geschichte, denn nun gab es auch den Begriff der Sozialgeschichte. Ab 1500 beginnt etwas Neues: Eine kleine Gruppe von Gelehrten begründete die Neue Zeit, denn sie entwickelten den Humanismus. Diese Bewegung stellte nicht mehr Gott in den Mittelpunkt der geistigen Ausrichtung, sondern den Menschen. In dieser Bewegung kam es zu einem Rückgriff auf die Antike (alte Texte und Quellen). Das angeblich finstere Mittelalter konnte endlich überwunden werden. Die Neue Zeit war deshalb ein wertender Begriff – Helle Neuzeit gegenüber dem Dunklen Mittelalter. Dies war ein Begriff der Geisteswissenschaft. Das 16 Jahrhundert: Kirchengeschichtlich kann man dabei von den Magdeburger Zenturionen sprechen, 1550 Augsburger Religionsfrieden. Die Geschichte der Glaubensspaltung geht auf das Jahr 1517 zurück, in dem Martin Luther seine 95 Thesen verfasst hatte. Die führte zur Gründung einer neuen (evangelischen) Kirche, zum Beginn des Protestantismus. Das Ende des Glaubenswettstreits kann im 17. Jahrhundert gesehen werden, was auf Christoph Cellarius zurückzuführen ist. Dieser lehrte an der Universität Halle und begründete die Historia Universalis, eine Weltgeschichte, und griff auf die Humanisten zurück. Er teilte die Geschichte in drei Epochen ein, was damit zur Verdrängung der mittelalterlichen Geschichtskonstruktion führte. Im 18. Jahrhundert sah man die Entdeckung Amerikas, den Buchdruck (Gutenberg), die Entwicklung des Schießpulvers (Technologie) als Zeichen einer neuen Epoche, der Neuen Zeit, an. Auch die Reformation in Deutschland wurde als wesentliches Zeichen gesehen, wobei dies heute im Buch Vergangene Zukunft problematisiert wird. Dieses Neuzeit-Konzept war jedoch nur auf Europa anwendbar, wobei sich hier auch die Frage nach der Definition des Begriffs Europa herauskristallisierte (heute: Türkei ein Teil Europas?). Was ist Europa? Dieser geht aufs 8. Jahrhundert (Frühmittelalter) zurück, wobei die Süd-, Nord- und Westgrenze klar definiert werden konnte, wobei dies nicht auf die Ostgrenze zutraf. Bis ins 17. Jahrhundert war diese Begriffsdefinition vorherrschend, erst dann kam die Begriffsgeschichtliche Wandlung. Im 16. Jahrhundert galt Europa noch als das Sinnbild der lateinischen Christenheit, denn die kirchlichen Organisationen wurden zu dieser Zeit noch als Einheit betrachtet (Christliches Abendland). Bei der (katholischen) Kirchenorganisation war eine Ausdünnung gegen Osten, bis zur Oder, feststellbar, Gefälle Süd-Nord und West-Ost. In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts tauchte nun aber Europa als ein politischer Begriff auf, der sich in erster Linie kulturell definierte, was durch die Art und Weise der europäischen Gesellschaft begründet wurde. Als Teil Europas galten auch Griechenland und Russland, die bspw. nicht in das Schema der lateinischen Christenheit gepasst hätten. Russland war seit der christlichen Missionierung fixer Bestandteil des griechisch-orthodoxen Kulturkreises, wobei 3 Grundprobleme Neuzeit / Haug-Moritz die lateinisch-griechische Grenze als Trennungslinie zwischen Mittel- und Osteuropa diente, was der Grund ist, warum die Ukraine kulturell so gespalten ist (Hinwendung zum Osten oder Westen). Mit Zar Ivan III. kam es zur Bildung des russischen Zarenreichs, was das Heranrücken Russlands an die lateinische Christenheit förderte (Grenzen zu Polen und Litauen). An der russischen Westgrenze kam zu zunehmenden Machtkonflikten, was mit dem Kulturtransfer im Zusammenhang stand. So kam es speziell mit den Ostseemächten zu Auseinandersetzungen zwischen dem Moskowiterreich und Polen-Litauen. Zar Peter der Große betrieb diese Westorientierung (Expansionspolitik), was besonders im Ostseeraum zu Konflikten führte. Auch Bildungspolitisch kam es zu einem intensiven Austausch zwischen Russland und dem Westen, wobei seit der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts zu einer Verwischung zwischen dem orthodoxen und lateinischen Bereich kam. Das war der Grund warum das Zarenreich bald zu einer europäischen Großmacht aufstieg und fixer Bestandteil der europäischen Geschichte ab dem ausgehenden 18. Jahrhundert war. Zwischen 1500 und 1850 stand Russland noch jenseits der europäischen Kulturgrenze, doch danach ist ein allmähliches Hineinwachsen erkennbar. Merkmale des neuzeitlichen Europas: lateinisch geprägte Kultur Entwicklung der europäischen Kultur ab der Spätantike (5. Jahrhundert) Ablauf: 1. Zerfall des Imperium Romanum in einen West- und Ostteil 395 n.Chr. 2. Ende des Weströmischen Reichs durch die Völkerwanderung 3. 4. Jahrhundert: Christentum wird zur Staatsreligion im Römischen Reich (arianisches Christentum dann bei vielen ostgermanischen Stämmen verbreitet) Ostrom: Westrom: theokratische Herrschaftsform mit einer kirchlich-weltlichen Obergewalt Papst – Kaiser: beide haben einen Machtanspruch, Rivalität (Investiturstreit) Die Prägung Europas durch die Kirche: Bis ins 18. Jahrhundert hatte die Kirche das Bildungsmonopol im Staat, denn die Klöster waren die einzigen Institutionen, die antikes Wissen über das Mittelalter in die Neuzeit übermitteln konnten. Die kirchlichen Einrichtungen hatten also bis in die Neuzeit nach die Funktion von Universitäten, die dann erst, in Italien begonnen, langsam der Kirche das Bildungsmonopol streitig machten (Oxford, Paris,…). Auch bei den Universitätsgründungen kann man von einem Süd-Nord, West-Ost Gefälle sprechen, denn erst allmählich verbreiteten sich die Unis vom Mittelmeerraum hin zum Norden. Stadtkultur: Ab der Spätantike bekam die Stadt mehr Komplexität, denn nun wurde sie Sinnbild der Arbeitsteilung und ein Zentrum der Kommunikation, was sich durch die Schriftlichkeit und die effiziente Verwaltung im urbanen Lebensraum ausdrückte (Süd-Nord, West-Ost Gefälle). Während Italien in der Neuzeit bereits 44 Großstädte (mehr als 10.000 Einw.) besaß, hatte Polen bspw. keine einzige Großstadt. Entwicklung Europas ab der Völkerwanderung: Europa war gekennzeichnet von fundamentalen Phänomenen, denn nach dem Imperium Romanum war der neue Staatsaufbau nicht allzu schwierig, man hatte bereits ein Fundament, was sich besonders in den Entwicklungsausgleichsprozessen ausdrückte. Der Mittelmeerraum war der fortschrittlichste Lebensraum in Europa, wobei England das Schlusslicht darstellte. 4 Grundprobleme Neuzeit / Haug-Moritz Deshalb spricht man auch vom Jüngeren (jenseits der römischen Staatsgrenze) und dem Älteren Europa (Imperium Romanum). Im Laufe des Mittelalters kam es zur Verschiebung des Schwerpunktes vom Westen Richtung Osten in Europa, z.B.: Schlesien = Ostkolonisierung. Europa ist in erster Linie heterogen, denn es gibt zeitliche Unterschiede in den Entwicklungsabläufen, bspw. zwischen Frankreich und Russland (Revolutionen). 5 Grundprobleme Neuzeit / Haug-Moritz 2. Einheit Die Reformation Allgemein: Dieses Themenfeld stand im Mittelpunkt der Geschichtsforschung Leopold von Rankes und befindet sich auch heute noch im Zentrum der wissenschaftlichen Betrachtung. Auch in der anglo-amerikanischen Geschichtsforschung ist dieses Gebiet ähnlich wichtig wie in Deutschland, nur in Österreich ist das diesbezügliche Interesse geringer. Viele Impulse wurden aufgegriffen, die das Verständnis des Faches Geschichte erleichtern, außerdem ist dieses Thema auch in Hinsicht auf Geschlechterforschung interessant und wird dahingehend betrachtet. Martin Luther: Erst ist die wesentliche Person der Reformation, und Informationen findet man im Buch von Heiko A. Obermann, Luther: Mensch zwischen Gott und Teufel. Außerdem auch auf der Internetseite www.pastperfect.at, wo ein Projekt über die Reformation läuft. Luther war der zweite Sohn von Margarethe und Hans Luther, und wurde am 10. November 1482 in Eisleben (Sachsen) geboren. Dieses Gebiet war ein Kleinterritorium, das unter der Hegemonie des Kurfürsten von Sachsen stand. Besonders wichtig bei Luthers Biographie ist der Herkunftshintergrund der Mutter, denn sie lebte als Margarethe Lindenau in der Stadt, und ihre Vorfahren hatten Karriere als Juristen und Mediziner gemacht. Diese waren beim Kurfürsten tätig während Martins Vater als Bergarbeiter tätig war und nut ein klägliches Vermögen besaß. 1530 stirbt Hans Luther und hinterließ nur ein klägliches Vermögen, dass er sich aber mühsam erwirtschaftet hatte. Martin Luther besuchte die Lateinschule, was eine Vorbereitung auf das Studium an der Universität war. Die Universität Erfurt, auf die er gehen wollte, war die Bedeutendste im mitteldeutschen Raum. Im Jahre 1505 hatte Luther das Magisterexam niedergelegt und sich für das Studium der Jurisprudenz entschieden, doch im Juli desselben Jahres kam dann ein Wendepunkt in seinem Leben. In diesem Monat geriet er nämlich in ein heftiges Gewitter, und Luther stand Todesängste aus, wobei er sein Überleben Gott zu verdanken glaubte. Er begann sich nun der Theologie zuzuwenden und trat in ein Augustinerkloster ein, sodass er 1507 zum Priester geweiht wurde. Dieses Kloster war sehr fortschrittlich, da hier eine Klosterreformbewegung durch Kritik aufgekommen war. Der Leiter des Klosters, Staupitz, unterstützte Luther in seinem Wirken, bis Martin Luther nach Wittenberg berufen wurde und schließlich im Jahr 1510/11 sich auf den Weg nach Rom begab. Dort sah der Mönch die ganze Pracht des Renaissancepapsttums bzw. den Reichtum der Kirche. 1512 wurde Luther schließlich zum Doktor der Theologie, und beschäftigte sich die nächsten 34 Jahre intensiv mit der Bibel (Neues Testament). Er begann mit einer regen Vorlesungstätigkeit, wobei er Zweifel hegte, ob durch gute Werke die schlechten Taten entledigt werden könnten. Für Luther war Gottes Gnade grenzenlos, und jeder Mensch würde in den Himmel gelangen. 1517 kam es zum Thesenanschlag (95 Thesen) an der Kirchentür in Wittenberg (nicht bewiesen), in denen sich Luther mit dem Ablasshandel auseinandersetzt, denn für ihn war das eine reine Geldeintreiberei. Mit diesen Ablassbriefen, eine Mischung aus Geld und Reue, sollte der katholischen Kirche zufolge für den Menschen der Zugang zum Seelenheil geöffnet werden (auch für die Verwandten die im Fegefeuer schmorten). In Luthers Umgebung tat sich hier besonders der Erzbischof von Mainz hervor, der dem Bistum Mainz und Magdeburg vorstand. Der Ablass stieß auf zunehmende Opposition des Kurfürsten Friedrich von Sachsen, der zusehen musste wie Geld aus seinem Gebiet zum Kontrahenten nach Mainz wanderte. Selbst war der Kurfürst jedoch schon ablassgläubig, was auf die spätmittelalterlich Frömmigkeit zurückzuführen ist. Die Ablehnung gegen den Erzbischof war vielmehr eine territorial-politische Opposition. 6 Grundprobleme Neuzeit / Haug-Moritz Lutherische Theologie: Seine Ideen waren das Ergebnis eines prozessmäßigen Geschehens und eine Antwort auf die aktuellen Problemstellen. Ab der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts entstanden aus seiner Theologie viele verschiedene Richtungen, womit die Vielgestaltigkeit offenkundig wird. Zentrum der lutherischen Theologie ist der rechte Weg zum ewigen Seelenheil, was sich der traditionellen Heilsvermittlung entgegenstellte (siehe Rechtfertigungslehre = Allein durch Glaube/Gnade/…). Für Luther führte der persönliche Glaube zum Heil, so kann jeder der die Bibel liest und für sich die richtigen Schlussfolgerungen für sich zieht, das Heil erfahren. Somit stellte Luthers Theologie die Institution Kirche in Frage, denn wozu brauchte man noch den Priester als Mittler zwischen Gott und dem Menschen, wenn jeder für sich die Bibel deuten und mit Gott in Kontakt treten konnte. Speziell der kirchliche Reichtum wurde angeprangert, sodass die Eigentumsfrage bald den Kern der Reformation bildete. Ursprünglich war Luthers Einfluss und Wirken auf Wittenberg begrenzt, aber mithilfe des Buchdrucks gelang es seine Lehren schneller zu verbreiten. Fünf Millionen Flugschriften konnten bei 18 Millionen Menschen verbreitet werden, was ohne die neue Technologie des Gutenberg nicht möglich wäre, und so den Reformen Luthers die nötige Durchschlagskraft gefehlt hätte. Vor allem ermöglichte der Buchdruck eine längere Präsenz von Luthers Ideen in Texten, sodass sich viele Theologenkollegen mit seinem Ideengut auseinandersetzen konnten, deren Friedrich Zwingli und Jean Calvin die wichtigsten waren. Calvin war Begründer der Reformierten Kirche, und das Zentrum bildete die Eidgenossenschaft von wo sie nach Westen und Ostmitteleuropa ausstrahlte. Unterschied Luther und der Reformierten Kirche: Zwingli hatte einen anderen Zugang als Luther, denn er war Philologe und dem Humanismus verpflichtet, und wollte die Bibeltexte in der ursprünglichen Version verwenden. 1523 kam es zu einer anderen Deutung des Sakraments Eucharistie durch Zwingli als durch Luther, denn für ihn symbolisierte die Hostie den Leib Christie und der Wein das Blut Christie, während für Luther Blut und Wein sowie Hostie und Leib identisch waren. Somit wurde Sakramentsfragen eine sehr große Bedeutung beigemessen! Der große Unterschied zwischen der Reformierten Kirche und Luther war, dass Zwingli und Calvin mehr weltzugewandter waren. In Zürich herrschte eine andere Situation vor als im Kurfürstentum Sachsen, denn Zwinglis Anspruch beschränkte sich nicht nur den richtigen Weg des Christentums einzuschlagen, sondern die Welt nach christlichen Kriterien umzugestalten. Man könnte sagen, er versuchte die Welt zu heilen, bis es kein Fluchen, Trinken, etc. mehr gab, also die Welt vom Bösen zu befreien. Auch sollte alle Bereiche des Lebens mit der Bibel Konform gehen, sodass Zuchtordnungen erlassen wurden, um die Menschen zu christlichem Leben zu zwingen. Luthers Zwei-Welten-Lehre: Durch Luthers Anregungen kam es zur Ausbildung neuer Kirchen, die in zahllose Richtungen gingen und sich mit theologischen Fragen auseinander setzten (Täufer). Die Reformation wurde als durch Martin Luther ausgelöst, aber getragen wurde sie schließlich von vielen Personen und Bewegungen, so kam es 1534/35 beispielsweise zur Bewegung der Täufer, die heute als Baptisten bekannt sind und eine heterogene Glaubensgemeinschaft sind. Sie waren vor allem in der Schweiz, Mittel-Niederdeutschland und den Niederlanden ansässig. Diese Bewegung lehnte die Kindertaufe ab, weil eine bewusste Glaubensbezeugung wichtig war (Erwachsenentaufe). Ein weiterer Unterschied zu Luther bestand darin, dass das Verhältnis zur weltlichen Ordnung ein anderes war als bei Martin Luther, der ein Bündnis mit den Obrigkeiten geschlossen hatte, während sich die Täufer eine Kooperation verweigerten. 7 Grundprobleme Neuzeit / Haug-Moritz Allen Gläubigen sollte dieselbe göttliche Gnade zuteil werden, sodass Laienprediger eingesetzt wurden, die sich allen finanziellen Anforderungen entzogen. Sie kündigten den Eid auf die Fürsten und erfuhren so keine Duldung durch die Obrigkeiten, in den Habsburger Gebieten beispielsweise erfuhr die Glaubensrichtung die völlige physische Ausrottung. Dies trieb die Täufer ins Abseits, wo die Frauen eine herausgehobenere Rolle spielten als in anderen reformatorischen Glaubensrichtungen. Politische und soziale Folgen der Reformation: Es gab zwei Ebenen an Auswirkungen, bei: 1. Städten und fürstlicher Macht 2. Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation 1. Obrigkeitlich geprägte Landeskirchen: Karl V. lehnte die reformatorischen Gedanken von vorn herein ab und versuchte 1521 mit dem Wormser Edikt gegen die neuen Formen des theologischen Verständnisses vorzugehen. Er konnte sich jedoch nicht gegen die starke landesfürstliche Opposition durchsetzen, denn für die europäische Expansion benötigte er die Landesherren. Der Landesfürst übernahm die Führung der Reformierten in seinem Gebiet, wenn der katholische Bischof abgesetzt worden war, was der Landesherr gerne als Notherrschaft hinstellte. Das materielle Eigentum der Kirche wurde dabei enteignet und ging in den Besitz des Landesfürsten, der eine neue Kirchenorganisation aufbaute. Diese neuen Kirchenstrukturen wurden einer Zentralbehörde unterstellt, was insgesamt jedoch eine Anlehnung an die alten Strukturen war, was trotzdem einem langen Prozess entsprach, der erst in den 1560er Jahren zum Abschluss kam. Die weltliche und kirchliche Ordnung diente zur Deckung der Fürsten, bspw. bei der habsburgischen Rechtssprechung. Es kam zum Prozess der Ausformung neuer Landeskirchen und zu einem Zusammenschluss dieser mithilfe einer dogmatischen Verfestigung. Dies hatte den theologischen Hintergrund, denn nur in den Dogmen konnte eine einheitliche Glaubensvorstellung festgeschrieben werden. 1545 kam es zum Trienter-Konzil, in dem sich die katholische Kirche neu formierte und sich bis zum Jahr 1563 klar von der reformierten Konfession abgrenzte. Dies hatte bis zum 2. Vatikanischen-Konzil (1962-1965) Gültigkeit, denn erst hier kam es zu einer Annäherung zum Protestantismus. Auch für das Luthertum gilt das in demselben Maße, denn erst im Jahr 1570 kam es zur Verfestigung der Lehre und 1580 durch das Konkordienbuch zu einer Formulierung des lutherischen Bekenntnisses. Die Reformation löste den Bruch zwischen den Reichsfürsten und den Kaiser aus, bei der sich keine Seite durchsetzen konnte, sodass der Konflikt schließlich mit dem Augsburger Religionsfrieden 1555 endete, worin bestätigt wurde, dass beide Konfessionen anerkannt wurden, und staatsrechtlich gleichgestellt waren, sodass es beispielsweise zu bikonfessionellen und später trikonfessionellen Territorien (Schweiz) kam. Im Mitteleuropäischen Raum hatte dies die Folge von heftigen blutigen Auseinandersetzungen, bspw. die Hugenottenkriege in Frankreich oder der 30jährige Krieg in Deutschland. 2. Soziale und gesellschaftliche Folgen: Die Reformation weckte alle gesellschaftlichen Gruppen aus und brachte sie zur Reaktion gegen Missstände. Viele aufständische Aktionen wurden mit den neuen Theologien begründet, sodass man drei Aufstandsbewegungen herausheben kann: 8 Grundprobleme Neuzeit / Haug-Moritz a. 1522: Franz Sichingen führt einen Aufstand des Niederen Adels gegen den Bischof von Trier an, denn dieser konnte nicht von den Veränderungen profitieren. b. 1524-1526: Bauernkriege, die nicht einheitliche verlaufen, erschüttern das Heilige Römische Reich, die jedoch nicht von Martin Luther gut geheißen oder gar unterstützt werden (Bündnis mit Obrigkeit). c. 1534/35: Jan Beuckelzoon oder Johannes von Leiden, ernannte sich 1534 im westfälischen Münster selbst zum König der Neu-Zionisten, die die Polygynie zuließen und in Gütergemeinschaft lebten. Die Herrschaft der Wiedertäufer endete nach einjähriger Belagerung, und Beuckelzoon wurde 1536 hingerichtet. Für all diese Gruppen galt, dass die neue Glaubenslehre und Auffassung der Religion ein Katalysator für die Rebellion war, doch drohten sie alle ins Abseits zu geraten, denn die Obrigkeiten sahen nun ihre weltliche Herrschaft bedroht und taten sich zusammen um die Aufstände niederzuschlagen. Der weltliche Herrschaftsanspruch war also wichtiger als die Solidarität mit den Glaubensgenossen, so bezeichnete Luther die Aufständischen Bauern als räuberische Rotten der Bauern. Die niedergeschlagenen Aufstandsbewegungen führten zu einer Stärkung der fürstlichen Machtfülle, was einer innerweltlichen Machtsteigerung gleich kam. Es kam jedoch nicht nur zu einer repressiven Steigerung von fürstlicher Seite. sondern auch zur Entwicklung von Mechanismen, welche die sozialen Konflikte rechtlich klären sollte. So kam es zur Verrechtlichung von sozialen Konflikten, was auf das gute funktionieren der Gerichtsbarkeit zurückzuführen ist. Ausbreitung der Reformation: Die reformatorischen Bewegungen breiteten sich im einzelnen von Wittenberg und Zürich auf die ganzen europäischen Gesellschaften aus. Die Resonanz der neuen theologischen Lehren war von Spanien bis Polen-Litauen spürbar. Allerdings war ihre Wirkung nicht überall dieselbe, denn dies war stark vom Buchdruck abhängig. In Ost-Mitteleuropa gab es beispielsweise ethnische Überlagerungen, sodass die deutsche Oberschicht eher lutherisch geprägt war und die Unterschicht den Täufern zuzuordnen war. In den ersten zehn Jahren war die Reformation besonders auf Deutschland beschränkt, aber auch Skandinavien und England gehörten bald zu den reformatorischen Gebieten. Auf Süddeutschland und Frankreich übte Zwingli einen starken Einfluss aus, wobei es für die Anhänger der Reformation anfangs nur in geringem Maße Verfolgungen gab. In Spanien kam es ab 1524 zu einem zunehmenden Abwehrverhalten gegen die Ausbreitung der Reformation, sodass bis 1558 nur 39 spanische Lutheraner vorhanden waren, weil keine Resonanz im tiefkatholischen Spanien vorhanden war. In Italien waren ähnlich wie in Spanien breite Bevölkerungsschichten gegen die neuen Theologien, was ab dem Jahr 1520 im ganzen Mittelmeerraum zu spüren ist. Auch die Herrschergeschlechter Habsburg (Österreich, Spanien) und Wittelsbach (Bayern) sowie die Könige aus Sachsen und Polen waren Gegner der Reformation. Die meisten Obrigkeiten standen der Reformation jedoch recht gleichgültig gegenüber, polarisierend wirkte sie sich nur in Mittel- und Norddeutschland rund um das Kurfürstentum Sachsen aus. Zwischen 1530 und 1540 tritt jedoch eine Änderung der Situation ein, denn nun können sich viele Fürsten für die Reformation begeistern, was dazu führt dass nun England und Skandinavien ebenfalls die Reformation durchführen bzw. zulassen. Heinrich VIII. (14911547) von England gründete bspw. die Anglikanische Kirche (englische Nationalkirche), nachdem er sich von Rom losgesagt hatte, jedoch blieben viele katholische Elemente bestehen. In Frankreich kam es 1534 zur Abwendung des französischen Königs Franz I. von den neuen Theologien, und er erklärt sich als Katholik. 9 Grundprobleme Neuzeit / Haug-Moritz Die Jahre 1530-1560: Die Reformation war im Wesentlichen immer noch auf Mitteleuropa zentriert, wobei man eine Gleichgültigkeit gegenüber den Geschehnissen bei den Gegnern und Anhängern der Reformation beobachten kann. Der Monarch braucht die Unterstützung der Eliten bzw. des Adels, sodass die Reformation nur dort durchgeführt wird, wo ein Konsens zwischen dem Fürsten und den Eliten besteht. Also ist die Reformation stets mit der Machtstruktur verbunden! Die Jahre 1530-1540 sind repräsentativ als Erscheinungen des jungen Europa! Diese zehn Jahre der europäischen Geschichte standen im Zeichen der religiösen Fragmentierung, so zum Beispiel in Irland. Die Jahre 1540-1560 wiederum sind die Jahre der englisch-konfessionellen Kirche, die eine Art Nationalkirche wird, deren wichtigste Zäsur das Jahr 1559 ist, indem Elisabeth I. ihren Regierungsantritt hat. Mitteleuropa wird zu einem bikonfessionellen Gebiet, was sich bis heute nicht geändert hat. Europäische Expansion Forschung: Dieses Thema wurde bis in die 20er Jahre recht unkritisch behandelt, was auf das Selbstverständnis der natürlichen Überlegenheit Europas zurückgeht, denn ab der Neuzeit sind die Geschehnisse stark auf Europa zentriert. Erst nach dem Zusammenbruch des Kolonialismus/Imperialismus entstand ein Bewusstsein der Schuldhaftigkeit am Schicksal Amerikas und Afrikas. Die Geschichtsschreibung trägt auch viel Schuld am falschen Bild, denn erst mit einer neuen Perspektive die weniger an europäischen Maßstäben orientiert ist, kann man Kolonialgeschichte aufarbeiten. Lateinamerika versucht beispielsweise Geschichte aus ihrer Perspektive aufzuarbeiten. Gründe der europäischen Expansion: Diese reichen vom Bereicherungswillen bis zum humanistischen Zeitgeist, ausschließen kann man lediglich, dass der Bevölkerungsdruck für die Entdeckungsreisen verantwortlich war, denn die Pest, die von 1347 bis 1352 ganz Europa heimsuchte, forderte schätzungsweise 25 Millionen Todesopfer, d. h. etwa ein Drittel der Bevölkerung. Sie entvölkerte ganze Ortschaften und Landstriche und hatte tief greifende Auswirkungen auf das Weltbild der mittelalterlichen Menschen und auf das Wirtschaftsleben, und bis in die Neuzeit hatte sich Europa nicht von dieser Epidemie erholt. Wahrscheinlich lagen die Gründe der Entdeckungsfahrten bzw. Expeditionen und der dann folgenden Landnahmen an einer Mischung an Geschäftsgeist und Neugier. Zwei Aspekte dazu: 1. Seit die Mongolen im 13. Jahrhundert eine Verbindung zwischen Ostasien und dem Abendland hergestellt hatten (Marco Polo), drangen viele Gerüchte über sagenhafte Schätze des Fernen Ostens nach Europa. Auf dem Landweg war ab dem 15. Jahrhundert der Handel nur mehr schwer möglich, denn die osmanische Expansion schob hier einen Riegel Richtung Asien vor. Dort wollten die Europäer Verbündete gegen die Türken finden, sodass man einen Kreuzzug planen konnte. 2. In Portugal machte man fortschreitend neue nautische Erkenntnisse und seit dem 14./15. Jahrhundert brach man zu regelmäßigen Entdeckungsfahrten entlang der afrikanischen Küste auf, wobei man keine Landnahme tätigte, sondern nur Handelsstützpunkte gründete. In Portugal gab es zu dieser Zeit keinen Zweifel mehr daran, dass die Erde rund sei, sodass das geozentrische Weltbild von keiner Relevanz mehr war. 10 Grundprobleme Neuzeit / Haug-Moritz 3. Einheit: Hintergründe der europäischen Expansion: 1. Wissen um den Reichtum im Fernen Osten (Indien, China) 2. Nautisches Wissen der Portugiesen Christoph Kolumbus: In seiner Person verdichtet sich die europäische Expansion, denn ohne diesen Entdecker hätte es den Kolonialismus vielleicht nicht gegeben. Kolumbus wurde 1451 in Genua geboren und war im Jahre 1480 in Portugal (Lissabon) wo er ein Handelshaus für den Mittelmeerhandel der Genuesen verwaltete. Lissabon war zu dieser Zeit das Zentrum der Seefahrt, und Kolumbus’ Bruder wohnte auch zu dieser Zeit dort, was Christoph familiäre Nähe gab. 1484/85 wurde sein Antrag eine Seereise nach Indien finanziert zu bekommen von den Portugiesen abgelehnt, mit der Begründung dass sein Plan nicht plausibel genug wäre. Im Jahr 1486 wendet sich Kolumbus an Spanien, England und Frankreich, aber nur Isabella von Kastilien signalisiert ihm die Mittel zu bewilligen, als Voraussetzung jedoch muss die Reconquista abgeschlossen werden, dann erst erfolgt die Finanzierung. 1492 war die Vertreibung der Mauren schließlich abgeschlossen, und im April desselben Jahres wurde das Patent von Santa Fè aufgesetzt, was die rechtliche ökonomische Seite der Expedition ausmachte. In diesem Vertrag stand, dass 60% der Kosten die spanische Krone und den Rest Kolumbus aufbringen muss, was er durch Kredite bei italienischen Banken möglich machte. 1/10 des Ertrags sollte Kolumbus bekommen, gleichzeitig wurde er zum Großadmiral bzw. spanischen Vizekönig ernannt. Mit drei Schiffen, der Nina, Pinta und Santa Maria, und insgesamt 90 Mann stach Kolumbus schließlich in See. An Bord hatte er außerdem noch einen Dolmetscher, einen Notar und einen Geistlichen. Nach zwei Monaten, im Oktober 1492 landete Kolumbus schließlich in San Salvador, deren Einwohner den Europäern wie Steinzeitmenschen vorkamen. Am 28. Oktober 1492 erreichte die Expedition die Nordküste Kubas, wobei der Entdecker nun fix davon überzeugt war die westindische Handelsroute entdeckt zu haben. Haiti hielt er damals für Japan, und bis zu seinem Tod 1506 war er überzeugt in Indien gewesen zu sein. 1493 kehrte Kolumbus zurück nach Spanien und berichtete den Herrschern Ferdinand und Isabella von seinen Erlebnissen, jedoch war ihm nicht bewusst gerade die Neue Welt entdeckt zu haben! Bedeutende Seefahrer: 1. Bartholomäus Diaz: Segelte zur Südspitze Afrikas. 2. Vasco da Gama: Segelte 1497 über Südafrika nach Indien. 3. Giovanni Caboto: Entdecker Nordamerikas, von England kommend bis zum Hudson River. 4. Amerigo Vespucci: Namensträger der Neuen Welt, denn er machte eine Weltkarte auf der Südamerika bereits eingezeichnet war. 5. Magellan: In portugiesischen Diensten umschiffte er die Südspitze des neuen Kontinents (Magellan-Straße). Stirbt in der Karibik, sodass sein Schiff ohne ihn heimkehrt. Umgang mit Neuen Welt: Für die indianische Bevölkerung wurde der päpstliche Missionsauftrag 1493 erstellt, was Spanien die Legitimation für die Inbesitznahme des entdeckten Gebiets gab. Die Einheimischen sollten dem Christentum zugeführt werden, denn das entsprach der spanischen Vorstellung von einer gerechten Ordnung. 1529 wurde mit dem Vertrag von Saragossa die Abgrenzung zwischen dem Interessensgebiet von Spanien und Portugal manifestiert, indem die spanische Herrschaft über die Ozeane gefestigt wurde. Dies ist der Zeitpunkt wo die europäischen Mächte die Welt durch Linien auf 11 Grundprobleme Neuzeit / Haug-Moritz dem Reißbrett und dann durch Grenzen zu trennen beginnen. Aber schon damals wurde die Problematik der Landnahme nicht unkritisch gesehen. Entwicklung der Flächenkolonisation: 1. 1492-1508 = Ausforschung des entdeckten Gebiets 2. 1512-1553 = Eroberung Süd- und Zentralamerikas durch die Spanier bzw. Portugiesen Spaniens Politik in der Neuen Welt: Man begann mit der wirtschaftlichen Ausbeutung des neuen Gebiets und seiner bürokratischen Erfassung. Die sogenannten Encomiendos (Empfehlungen auf Zeit) waren die Richtlinien nach denen in den Kolonien geherrscht werden sollte. Die Ureinwohner sollten den Spaniern zu Diensten sein und gegen geringe Entlohnung Arbeiten. In Wirklichkeit wurden sie nur ausgebeutet, denn die Encomiendos wurden kaum beachtet, was sich vor allem auf die Indianer negativ auswirkte denen grausame Bestrafungen winkten, wenn sie sich gegen die Europäer auflehnten. Mit bestimmten Gesetzen wollte man diesem Missbrauch der Macht nun auf rechtlichem Wege entgegenwirken: 1. Leyes de Bugos anno 1512 2. Leyes de Nuevas anno 1522 Neue Gesetze Diese Gesetze waren zwar verpflichtend, doch waren sie bloß ein Stück Papier, da durch die mangelnde Kontrolle ihre Durchsetzung schwer möglich war! Die Bürokratische Erfassung, mit der das neue Territorium durchzogen wurde, basierte auf den Erfahrungen der Reconquista, die als Vorbild fungierte. Jahrestafel: 1516: Die neu entdeckten Länder werden Teil der spanischen Monarchie und sind Teil des Mutterlandes, also offiziell keine Kolonien. 1524: Consejo Deal y supreme = Indienrat von Klerikern und Richtern. Dies ist ein Meilenstein in der völkerrechtlichen Entwicklung, denn dieser Rat ist für alles zuständig und fungiert als Ansprechpartner für den Vizekönig. 1535: Das Vizekönigtum für Mexiko wird eingerichtet, dem eines auch in Lima folgt. Das Gerichtssystem in den Kolonien war das Audiencias, deren Aufgabe auch auf die Gründung von Städten war. Sie führten die Aufsicht für die spanische Krone und begannen das Umland administrativ zu erfassen. Ab dem 16. Jahrhundert wurde in Amerika auch mit der Rassentrennung begonnen, die jedoch nur auf dem Papier vorhanden war. Konsequenzen der europäischen Entdeckung: Folgen der europäischen Landnahme waren katastrophal Erster neuzeitlicher Genozid (Indianer waren die Opfer), der jedoch nicht geplant (wie Hitler) sondern auf wirtschaftlicher Ausbeute beruhte Eingeborene waren gegen die europäischen Krankheiten nicht immun, sodass deren Verbreitung Millionen Opfer forderte. Nur die Syphilis ging als einzige den umgekehrten Weg (von Amerika nach Europa) Bevölkerungsanteil der einheimischen Bevölkerung schwindet rapid (aufgrund der Krankheiten, kriegerischen Auseinandersetzungen, schweren Arbeit,…) Ersatz für die kränkelnden Indianer bilden Sklaventransporte aus Afrika, welche die Ökonomie stabilisieren sollen und als billige Arbeitskräfte dienen 12 Grundprobleme Neuzeit / Haug-Moritz Das Konfessionelle Zeitalter Allgemein: Seit den 1980er Jahren löst dieser Begriff den der Gegenreformation ab, denn es ist der Zeitabschnitt, in dem das lateinische Christentum sich in drei Gattungen ausdifferenziert, nämlich ins Luthertum, Reformiertentum und dem Katholizismus. Durch Forschungen von Heinz Schilling und Wolfgang Reinhard haben wir einen anderen Blickwinkel auf diese Zeit, was besonders auf ihre Habilitationsschriften zurückzuführen ist, die sich mit den Konfessionen befasste. Ernst Walter Segen beschäftigte sich intensiv mit der Konfessionsbildung! Entwicklung im Katholizismus und der protestantischen Bewegung: 1563: Trienter-Konzil der Katholischen Kirche kommt zum Abschluss. 1566: Französische Hugenotten bekommen ihre dogmatische Verfestigung durch die Zweite Helvetische Konfession (Confessio Helvetio Secondo). 1580: Landeskirchen fassen ihre Glaubensgrundsätze im Konkordienbuch zusammen. Der Vorteil und der Nutzen des Begriffs des Konfessionellen Zeitalters besteht darin, dass im Gegensatz zum Begriff der Gegenreformation alle drei großen Kirchen im Blickfeld sind und die Entwicklung aller Konfessionen gleichförmig beobachtet werden kann. Eine neue methodische Zugangsweise ist nun möglich, da sich die religiös-sittlichen Lebensformen sich zu dieser Zeit nach und nach wandelten. Die Reformierung von Praktiken steht im Mittelpunkt, denn der Historiker möchte nun über die Lebenswelten der Menschen Bescheid wissen. Die Kritik besteht darin, dass die alltagsweltlichen Zugänge nur unzulänglich sind und der Konfessionalisierungsprozess nur von oben betrachtet wird. Anton Schindling meint dazu, dass alle drei Großkirchen in diesem Blickwinkel Schwächen aufweisen, weil das Spezifische dabei verloren geht. Die Wahrnehmungen der Zeitgenossen sollten stärker beachtet werden, was aber nur für Mitteleuropa funktioniert und auf den Mittelmeerraum nicht anwendbar ist. Das Ende des Konfessionellen Zeitalters wird meist mit dem Jahr 1650 genannt, denn ab diesem Jahr hat die Konfession eine abnehmende Bedeutung. Der Freiheitskampf der Niederlande: Die Niederlande waren in insgesamt 17 Provinzen zerfallen und erlebten im 16. Jahrhundert eine wirtschaftliche Hochkonjunktur. Die Einkünfte Spaniens waren beispielsweise durch die Niederlande siebenmal so hoch als die Gewinne in der Neuen Welt, deshalb dauerte der Konflikt um die Unabhängigkeit der Niederlande so lang. In den Niederlanden gab es eine hohe politische Teilnahme, und war ein Nebenland der spanischen Krone. Seit 1559 regierte Margarethe von Parma, so wie vor ihr auch schon Frauen regiert hatten, und war die Vertreterin der spanischen Monarchen. Auch die niederländische Aristokratie hatte ein politisches Mitspracherecht, was auf ihre wichtige ökonomische Rolle zurückzuführen war, denn diese Adelsschicht war sehr wohlhabend. So bestimmten sie bspw. wie viel Geld von den Niederlanden nach Spanien gelangte. Konfessionell ergab sich hier ein äußerst heterogenes Bild, obwohl die katholische Konfession aufgrund der spanischen Herrschaft als die stärkste gelten darf. In reformierter Hinsicht existierte in den Niederlanden eine breite Vielfalt von Spielarten. Beginn des Konflikts: Anlass der Auseinandersetzung, die insgesamt von 1566 bis 1648 (Westfälischer Frieden) dauerte und mit dem Sieg der nördlichen Provinzen endete, war das Verlangen der 13 Grundprobleme Neuzeit / Haug-Moritz monarchischen spanischen Spitze mehr Geld aus den Niederlanden herauszupressen ohne den Konsens mit den Mächtigen dieses Gebiets zu suchen. Spanien, das konfessionell gesehen sehr homogen war, versuchte seine Politik in den Niederlanden mit aller Härte durchzusetzen. Zwischen 1526 und 1566 wurden jährlich 19 Personen hingerichtet, was sich dann aber auch ein einige hundert Menschen steigerte. Ein weiterer Grund für die niederländische Rebellion gegen die spanische Autorität war die andersartige kulturelle Identität. Wilhelm von Oranien förderte den Zusammenschluss der Provinzen und wurde zur militärischen Bedrohung für Margarethe. Breite Teile der Bevölkerung stellten sich außerdem auf Seiten der Opposition, und es kam zu symbolischen Handlungen wie den Bildersturm. Bereits bei der Schweizer Reformation war es zum Bildersturm gekommen, so in Seeland und Flandern. Die spanische Krone reagierte darauf mit weiteren Repressionen, so wurden 10.000 Soldaten in die aufständischen Provinzen versendet, und damit erst Voraussetzungen für den 30jährigen Krieg geschaffen. Das Zentralereignis war die Bildung der Union von Utrecht die viele Eroberungen verbuchen kann und der 1648 die Souveränität zugestanden wird, während die südlichen Niederlande schließlich als Österreichische Niederlande (Belgien) nach 1714 (Ende des Spanischen Erbfolgekrieges) an die deutschen Habsburger gehen. 1581 wird Philipp II. in den Niederlanden für abgesetzt erklärt, was zu einer Diskussion um das Widerstandsrecht führt, da der Monarch ja aufgrund Gottes Gnaden eingesetzt wurde (Monarch theoretisch unantastbar). Es setzte sich aber bei den Aufständischen die Vorstellung durch, dass man sich der staatlichen Gewalt unter speziellen Bedingungen widersetzen durfte. Im Januar 1579 schlossen sich die zehn südlichen, aristokratisch-katholischen Provinzen zur Union von Arras zusammen und schlossen Frieden mit Philipp II. Die sieben nördlichen, republikanisch-calvinistischen Provinzen (Holland, Seeland, Utrecht, Groningen, Friesland, Overjissel und Geldern) vereinigten sich zur Utrechter Union und setzten unter der Führung von Wilhelm von Oranien den Aufstand gegen Spanien fort. 1581 erklärten sich die sieben Provinzen der Utrechter Union für unabhängig von Spanien und riefen die Republik der Vereinigten Niederlande aus. Der Konflikt zwischen Spanien und den Niederlanden war ein Konflikt zwischen einer Zentralgewalt und seinem Nebenland. Das gehobene Bürgertum und der Adel wollten sich der spanischen Krone nicht mehr beugen, die weit entfern in Madrid weilte. Die ökonomischen Ressourcen, die kulturelle Identität waren die Gründe warum diese Schichten mehr Mitspracherecht forderten, sodass der Konflikt unvermeidlich wurde. Die Religionskriege in Frankreich (1562-1598): Der Kampf fand innerhalb einer Familie mit Angehörigen des Hochadels statt, denn Henry II. (Heinrich II.) bekämpfte seine Cousine Jeandalle, die den Bourbonen angehörte. An die Spitze der Hugenotten stellten sich also Bourbonen, besonders deren Seitenlinie Condé, die zugleich auch die Adelsopposition gegen den König repräsentierten. Die Katholiken wurden von den Guise, einer Nebenlinie des lothringischen Herzogshauses, angeführt. Erst Heinrich II. begann die Hugenotten zu verfolgen. Im Gegensatz zum Konflikt in den Niederlanden war Frankreich zentralisiert, das ganze Land wurde von Paris aus regiert. Das Mitspracherecht war also weniger intensiv möglich als in den nördlichen Niederlanden. Die Macht des französischen Königs fundierte aus diesem Zentralismus, doch bei Karl IX. wurden auch die Schwächen aufgezeigt, denn im Hintergrund führte hier Katharina de Medici die Regierung. In Frankreich kam es im Laufe der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts zu einer Verdichtung der Hugenotten, so der Name für die französischen protestantischen Christen. Hier ist eine Parallele zu den Niederlanden feststellbar, denn auch in Frankreich kam es zu einer Überlagerung der Ordnungsinteressen: Katholisch-Monarchisch-Zentralistische Calvinistisch-Republikanisch-Pluralistische Vorstellung Vorstellung 14 Grundprobleme Neuzeit / Haug-Moritz Beiden Seiten gelang es Unterstützung von außen zu finden! Der Konflikt brach in Frankreich immer wieder auf, was auch an der internationalen Beteiligung lag. Die katholischen Adelsfamilien arrangierten sich mit der spanischen Krone, während sich die Hugenotten mit England, der Eidgenossenschaft und den deutschen Ständen unterstützen ließen. Schlüsselereignis des französischen Konflikts war die Bartholomäus-Nacht, was als charakteristisches Merkmal gelten kann. Um den Konflikt zu beruhigen, wurde im August 1572 Karls IX. Schwester Margarete mit dem hugenottischen König Heinrich von Navarra, dem späteren König Heinrich IV. von Frankreich, verheiratet. Als Katharina unter den anlässlich dieser Hochzeit in Paris versammelten Hugenotten das Blutbad der Bartholomäusnacht hatte anrichten lassen, brach der Religionskrieg erneut mit Gewalt aus. Bei diesem Gemetzel fanden vor allem viele Hugenottenoffiziere den Tod. Bei der anschließenden Gewaltwelle, die durch ganz Frankreich lief, gab es 12.000 Opfer von Massakern. Erneut wechselten sich Waffengänge und Friedensschlüsse einander ab! Hintergrund dieser Gewaltexzesse war nicht ausschließlich der Kampf um die politische Ordnung, sondern die dauernde endzeitliche Stimmung, welche die Menschen bis ins Jahr 1800 prägte. Sie gründete sich in der apokalyptischen Vorstellungen des Kampfes von Gut gegen Böse, wobei der Körper des Gegners als Symbol des Bösen angesehen wurde (Vorzeichen der Ewigkeit), was auch im 30jährigen Krieg aktuell war und die vielen Massaker erklärt. Der 30jährige Krieg 1618 – 1648 Allgemein: Es handelte sich bei diesem Krieg um einen europäischen Krieg, in dem eine langanhaltende Involvierung der europäischen Kontinentalmächte vorhanden war. Die Anfänge der Auseinandersetzungen geschahen innerhalb des habsburgischen Gebiets. Im Königreich Böhmen war es zu Unzufriedenheit gegenüber der kaiserlichen Politik gekommen, sodass nach dem Prager Fenstersturz ein bewaffneter Konflikt ausgelöst wurde. Schon während des Hussitenkonflikts (15. Jh.) war der Fenstersturz ein bekanntes Mittel gewesen seine Unzufriedenheit auszudrücken. In Böhmen gab es nur ein schwaches Gemeinwesen, sodass die habsburgischen Truppen bald an Boden gewannen. Schließlich weitete sich der Konflikt auf das gesamte Römische Reich deutscher Nation aus, bis es durch die Erfolge der Katholischen Liga bzw. der habsburgischen Seite zur Internationalisierung des Konflikts kam. Besonders Spanien und Frankreich trugen ihren Kampf um die Hegemonialstellung in Europa im 30jährigen Krieg bis ins Jahr 1651 aus. Im Vorfeld des Krieges gab es eine Anzahl von gesellschaftlichen Krisen, die schließlich zur Eskalierung und somit zum Krieg führten. Bis 1560 konnte man in Europa die Bevölkerungsverluste, die durch die Pest herbeigeführt wurden, ausgleichen. Durch das nun steigende Bevölkerungswachstums konnte man die Nahrungsmittelressourcen nicht mehr ausgleichen, sodass es zu Hungersnöten kam, was erst nach Mitte des 19. Jahrhunderts durch die Industrialisierung auf allen Sektoren gelöst werden konnte. Durch die sogenannte Kleine Eiszeit zwischen 1560-1700 wurden die Schwierigkeiten sogar noch gesteigert. Die Sommer waren nun kürzer und nasser, was zu einer Nahrungsmittelknappheit führte. Außerdem erreichte die Hexenverfolgung seinen Höhepunkt! 15 Grundprobleme Neuzeit / Haug-Moritz Mit dem Augsburger Religionsfrieden werden die internen deutschen Glaubensstreitigkeiten beigelegt, da sich zu dieser Zeit das politische System in einer Krise befand. So gab es in Mitteleuropa zwischen 1555 und 1618 eine längere Friedensepoche, wobei der übliche Konfliktlösungsmechanismus mithilfe des deutschen Reichstags ab den 1580er Jahren immer schlechter funktionierte. 1608 nahm der Herzog von Bayern, sich auf einem katholischen Vorwand berufend, eine protestantische Stadt ein. 1618 entsteht schließlich aus dem innerhabsburgischen Konflikt der 30jährige Krieg, der verheerende Auswirkungen, in manchen Landstrichen betragen die Bevölkerungseinbußen 50%, für das römisch-deutsche Reich hat. Dieser Krieg gilt als die Urkatastrophe des deutschen Volkes und galt als die prägende Katastrophenerfahrung bis der Zweite Weltkrieg diese ablöste. Literatur: Plötz – Deutsche Geschichte Die Tatsache, dass der Krieg die ohnehin schwierige Situation in Deutschland weiter zuspitzen ließ führte durch die drastische Zuspitzung zur Katastrophe. Wesentlich Schuld daran sind die Söldnerheere die Deutschland bis 1648 verwüsteten, wie bspw. Wallensteins 100.000 Mann Privatarmee. Sein Motto lautete auch Der Krieg ernährt den Krieg! Außerdem waren auch Infektionskrankheiten, die besonders in der Nähe der großen Heeresstraßen auftraten, verantwortlich für die großen Bevölkerungsverluste. Auch die letzte große Pestwelle suchte Deutschland zu dieser Zeit heim! Ab Mitte des 17. Jahrhunderts wurde über diese Zeit eine zynische Bilanz gezogen. Durch die nun um vielfaches geringere Bevölkerungsmenge kamen viele Missversorgungen nicht mehr vor, sodass die Lebenserwartung wieder leicht stieg. Erst in der Mitte des 18. Jahrhunderts erfolgte der Ausgleich der Bevölkerungsverluste, konnte der Stand von 1618 also wieder erreicht werden. Auswirkungen: Diese politische Ordnung, die mit dem Westfälischen Frieden entstand hatte bis zur Französischen Revolution hin bestanden, also ca. 150 Jahre. Nach den Jahren von 1560-1648 war der Staat als Sieger des Konflikts hervorgegangen, denn nun war in der Staatsspitze die gesamte militärische Macht konzentriert. In dieser entstand, angeregt durch Hobbes, das politik-theoretische Denken. Die Mitspracheansprüche auf die Regierung des Landes wurden vom Monarchen nun zurückgedrängt, sodass das Gottesgnadentum also der Absolutismus entstehen konnte. Neue Normen wurden nun entwickelt, denn die Vorstellung von Befehl und Gehorsam kam nun auf. Der neue Träger der herrschaftlichen Gewalt war nun der absolutistische Monarch, der auch die staatliche Wirtschaftspolitik einführte. 16 Grundprobleme Neuzeit / Haug-Moritz 4. Einheit Der Absolutismus 1650 – ca.1740 Forschung: Der Begriff Absolutismus war kein zeitgenössischer Begriff, sondern entstand von Nationalökonomen wie Wilhelm Roscher aufgeworfen im Jahr 1847. Die zeitgenössische Politiktheorie meint mit dem Begriff des Absolutismus eine monarchische Gewalt, die nicht an Gesetze gebunden ist. Bis 1950 wurde die Zeit zwischen 1500 bis 1650 unter dem Begriff des Konfessionellen Absolutismus (Cuius Regio – Aius Regio) zusammengefasst, die Jahre zwischen 1660 bis 1740 (Ludwig XIV.) als Höfischer Absolutismus bezeichnet. Die Jahre 1740 bis 1789 bezeichnete man als Reformabsolutismus. Einteilung der Neuzeit bis 1950: 1500 – ca. 1660: Konfessionelle Absolutismus 1660 – 1740: Höfische Absolutismus 1740 – 1789: Reformabsolutismus Bis Beginn der 1990er Jahre war diese Einteilung der Neueren Geschichte unangefochten, doch konnte diese Einteilung nicht allen Spielarten des Absolutismus Rechnung tragen, bspw. den Unterschied zwischen germanischen und romanischen Absolutismus. Nicolas Hanshore stellte sich die grundsätzliche Frage des Unterschieds in seinem Buch Myth of Absolutism, der die Dauer und den Wandel der Regierungssysteme Englands und Frankreichs miteinander vergleicht. In beiden Ländern blieb bei näherer Beleuchtung die Mitspracheberechtigung in absolutistischer Zeit vorhanden. Also war der Absolutismus nicht so effizient wie von der Wissenschaft bisher angenommen wurde. Diese Beobachtung wurde von Kurt von Raumer 1957 re-integriert, sodass der Handlungsspielraum des Individuums größer gewesen sein muss. Bis 1957 war der methodische Gesamtrahmen noch sehr auf den Staat bezogen, besser gesagt befasste sich die Forschung nur mit der Politik, sodass der soziale und gesellschaftliche Aspekt noch keine Rolle spielte. Trotzdem wurde auch nach Berücksichtigung der Gesellschaft kein alternativer Begriff für die Epoche zwischen 1500-1789 gefunden. Der moderne (National)Staat bildete sich erst im 19.Jh. aus. Den Absolutismus kann man als das Bemühen der monarchischen Spitze ihre Herrschaft effizienter zu gestalten sehen. Die Monarchen versuchten all diejenigen Kräfte die starken Einfluss auf die Regierung hatten zurückzudrängen. Das betraf vor allem den Adel, die Kirche und die städtischen Herrschaftsformen. Diese hatten deshalb stets so einen starken Einfluss gehabt, weil der Monarch keinen direkten Zugriff auf den Untertanen, bspw. Bauernstand, hatte, und deshalb fungierte der Adel und Kirchenstand als Mittler (Zwischengewalt) zwischen der Spitze und der Unterschicht des Reiches. Um den Absolutismus also wirksam durchzusetzen musste der König stärker präsent werden, sodass eine Kontrolle von oben nach unten möglich war. Veränderungen im Absolutismus: Durch die finanziellen Beiträge, die die Bevölkerung zu leisten hatte (Steuern) entwickelte sich eine bürokratische Struktur. Diese Hierarchie wurde auch durch ein stehendes Heer gefördert, mit dem der Herrscher seine Stellung sichern konnte. So war die Armee auch in Friedenszeiten nach außen sowie nach innen einsetzbar. Es kam auch zu einer veränderten Form der monarchischen Selbstdarstellung, so formten die absoluten Herrscher einen prächtigen Hof aus. Dies ist nur eine idealtypische Darstellung des Absolutismus, der jedoch überall anders ausgeformt war. In Frankreich war dieser am meisten 17 Grundprobleme Neuzeit / Haug-Moritz und im Vereinigten Königreich (England) am wenigsten ausgeformt, beziehungsweise entsprach dem Absolutismus kaum. Der Absolutismus ging in Frankreich 1789 bei der Revolution zu Ende, in Brandenburg-Preußen wurde er wiederum positiv gesehen, was mit der Herrschaft Friedrich II. (der Große) zu tun hatte, sodass der Begriff bis 1871 positiv besetzt war. Frankreich: Das Paradebeispiel für den französischen Absolutismus kann man im Staatstheoretiker Jean Bodin (1529/30-1596) sehen, und Sinnbild ist der Sonnenkönig Ludwig XIV., der 1639 geboren wurde. Von 1643 bis 1661 war er unter der Vormundschaft des Kardinals Richelieus und Mazarin. Ludwig selbst, Sohn von Ludwig XIII., regierte von 1661 bis 1715. Souveränitätstheorie (Bodin): Bodin stammte aus einfachen sozialen Verhältnissen, erlebte eine Pestepidemie und trat mit 15 in einen Orden ein. Die Kirche diente damals als Aufstiegsmodell, doch trat er drei Jahre später bereits wieder aus dem Orden aus (1548). Er begann das Studium Römisches Recht, forderte von der monarchischen Spitze Loyalität. Später war Bodin in Paris am obersten Gerichtshof und wurde Berater des französischen Hofs, war auch in die Politik involviert. Zur Zeit der französischen Religionskriege brachte er sechs Bücher zum Thema Gemeinwesen heraus: les six livres de la république. Dies war eine völlig neue Denkrichtung in der Politik, denn er führte den Begriff der Souveränität ein, den Begriff Majestas. Auch veröffentlichte Bodin in französisch, nicht wie sonst üblich in Latein. Souveränität: a. Unabhängigkeit im staatlichen Gemeinwesen nach außen b. Monarch hat das Recht, Gesetze zu erlassen, aufzuheben oder abzuändern Legislative: Sie muss im Konsens mit dem Mächtigen sein, denn bisher erfolgte die Gesetzgebung nur mit Einverständnis der Stände (Adel), denn nur mit ihnen konnte der Monarch in der Lage sein zu regieren. Der Absolutismus erlaubt es die Vorrechte von sozialen Gruppen in Frage zu stellen – Privilegium-struktur entstand. Die Rechte aller anderen hatten sich im Mittelalter mittels der Privilegium-struktur herausgebildet. Bis zum Absolutismus hatten diese privilegierten Klassen die Möglichkeit der politischen Mitsprache, doch nun gibt es keine eigenrechtliche Teilnahme mehr. Alle Macht des Staates wurde nun vom Monarchen abgeleitet, was zwar nicht bedeuten soll, dass es nun keine Mitsprache mehr vorhanden war, sondern, dass nun ein Befehls-GehorsamPrinzip vorherrscht und nicht mehr der Konsensregierungsstil. Die Intention, die hinter der Herrschaft steht ist nun wichtig. Joseph II. bspw. versuchte in seiner Regierungszeit zwischen 1780-90 sein Regierungsprogramm eins zu eins umzusetzen. Die Überlegungen von Bodin fanden in der europäischen Gelehrtengemeinschaft großen Anklang und wurden rezitiert. Thomas Hobbes veröffentlichte im Jahr 1651 den Begriff Souveränitätstheorie, der das Grundgerüst der europäischen Geschichte wurde. Literatur: Autor: Martens, Felske Pieper Handbuch Titel: Geschichte politischer Ideen vom Altertum bis ins 19.Jh. Politik 18 Grundprobleme Neuzeit / Haug-Moritz Voraussetzungen für den französischen Absolutismus: Voraussetzungen für den französischen Absolutismus war die Schwäche der Monarchie in den Religionskriegen (Hugenottenkriege). Die Gewinner dieses Krieges sind die staatlichen Spitzen, sodass ein fragiles Konstrukt nach Ende des 30jährigen Krieges entstand, sodass man den Aufstand der Frondé aus diesem Blickwinkel sehen muss. Von 1648/49-1653 herrschten in Frankreich bürgerkriegsähnliche Zustände, denn der französische Hochadel opponierte offen, denn dieser wollte mehr politische Mitsprache (Steuerbewilligung). Diese wurde vom Herrscher in Frage gestellt, denn die Finanzierung des Heeres erfolgte nun durch den Monarchen. Kardinal Richelieu gelang es schließlich die Frondé außen- sowie innenpolitisch aufzuspalten, sodass sie politisch unwirksam wurde. Der Kardinal hatte somit bereits das Idealkonzept des Absolutismus entwickelt. Die Regierungszeit Ludwig XIV.: Die Maßnahmen des jungen Monarchen bestanden aus dem Aufbau des Hofes, womit der König nun die Möglichkeit hatte den Hochadel und Adelskreise in die monarchische Herrschaft einzubinden. Der Hof war nun der Ort wo der König die Stellung des Adels anerkannte, denn durch den Aufenthalt des Adels am Königshof wurde sichergestellt, dass nur der Monarch das Sagen hat. Der Soziologe Norbert Illias beschrieb die symbolischen Formen die den Absolutismus auszeichnen (2002). Die veränderte Selbstdarstellung betraf nicht nur eine Änderung der Politik nach außen sondern vor allem nach innen, da mit dem Hof als zentrales Moment sich der Zentralismus in Frankreich durchgesetzt hatte. Mit der Religionspolitik konnte man das Programm durchsetzen, mit der man die staatliche und monarchische Ordnung gleichsetzte. Viele Hugenotten mussten auswandern, und viele von ihnen siedelten sich in Brandenburg-Preußen an (1685). Mit der Beendigung der Toleranz in der Gesellschaft Frankreichs wendete sich die staatliche Spitze auch gegen die reformkatholische Strömung. Es wurde in erster Linie eine spezifische Form des Katholizismus angestrebt – Jansenismus. Im Jahre 1709/10 wurde diese Art der Politik schließlich radikal beendet. Administrative Reformen: Durch die neu eingeführte Bürokratie begann der Aufstieg einer neuen sozialen Schicht, dem sog. Amtsadel. Diese neue Adelsschicht bekam die Bezeichnung Toi vos. Ludwig XIV. begann sich ein stehendes Heer aufzubauen, sodass es in fünfzig Jahren zu einer Verzehnfachung der französischen Heeresstärke kam. Er setzte nämlich vor allem auf Expansion, besonders entlang des Rheinufers, aber auch Belgien war ein vermehrter Kriegsschauplatz. So wurde zwar Frankreich zur größten Militärmacht Europas, jedoch hatte der Staat auch permanente hohe Militärausgaben. Von hundert Tonnen Silber vervielfachten sich die Ausgaben aufs Achtfache. Dies war nur möglich, da der Monarch alle anderen Bevorrechteten also Privilegierten von der Mitsprache zurückdrängte, sodass Ludwig frei über die Gelder walten konnte. Der zweite Grund für die Finanzierung war die staatliche Wirtschaftspolitik (Merkantilismus), was die Folge hatte, dass auch die anderen europäischen Staaten auf dieses System einschwenkten, um Frankreich nicht nachzustehen. Für die Zeitgenossen war Frankreich das kulturelle Vor- und Leitbild, sodass was den kulturell-politischen Bereich betrifft, das 18. Jahrhundert von Frankreich dominiert wurde. England: Literatur: Oldenbourg – Grundriss Geschichte Hier wird auf die Sonderstellung Englands in Geographie und Gesellschaftsstruktur Acht genommen. 19 Grundprobleme Neuzeit / Haug-Moritz Entwicklung bis 17. Jahrhundert: Mit der normannischen Landnahme (1066) wurde der König zum alleinigen Landbesitzer in England, sodass die Adelsschichten schon immer eng an ihn gebunden waren. Die Spitze des Staates, Königtum, und der Adel trug dazu bei, dass sich die englische Agrarauffassung seit dem Beginn des 16. Jahrhunderts in eine marktorientierte Landwirtschaft wandelte. Somit war diese fortschrittlicher als jene in Kontinentaleuropa. So kommt es zur Auflösung der feudalen Beziehung und der Pachtverträge, was zu einer abweichenden Gesellschaftsstruktur führte. Mit der Präsenz des englischen Königs im Parlament drückte die Monarchie aus, dass sie handlungsfähig war, denn im Parlament waren die 2000 wichtigsten Familien vertreten. Seit dem 13. Jahrhundert kam es zu einem permanenten Bedeutungszuwachses des Parlaments, obwohl sich noch keine Konfliktsituation herausgebildet hatte, denn das Parlament stimmte meist mit dem König in der Politik überein, so bspw. in der Religionspolitik. Heinrich VIII. sagte sich mit Einverständnis des Parlaments von Rom los und gründete die Anglikanische Kirche. So gab es innerhalb Englands keine Konflikte im konfessionellen Zeitalter, denn in der Form waren die katholischen Elemente nicht abhanden gekommen, der große Unterschied zum Katholizismus war nur, dass nun der König Oberhaupt der Kirche war. Mit Elisabeth I. erhielt der Anglikanismus seine entgültige Form, was zur Stabilität Englands des 16. Jahrhunderts führte. Konflikt des 17. Jahrhunderts: Die Stabilität der politischen Ordnung hielt sich bis in die 1620er Jahre, dann erfolgte zwischen 1628 und 1701 der Interessensausgleich zwischen Parlament und dem Monarchen. Die Krise wurde durch die Entwicklung von Unruhen in Schottland, das ein Nebenland Englands war, ausgelöst. Ähnlich wie in den Vereinigten Niederlanden kam es ab 1625 zu Aufständen in Schottland, was in die Regierungszeit Karls I. fiel. Schon in Englands Krieg gegen Spanien von 1585-1604 wollte der Monarch mehr Zugriff auf die staatlichen Finanzen. Die Politik Karls I. hatte bereits absolutistische Anklänge, noch bevor dieses Zeitalter herangebrochen war, und verabschiedete ein Maßnahmenbündel. Er wagte es das Parlament in Frage zu stellen, davon erhoffte er sich mehr nämlich Handlungsmöglichkeiten. 1628 wurde schließlich die Petition of Rights verabschiedet, womit die parlamentarischen Beschwerden abgestellt werden sollten. Dieser Änderung nach sollte zuerst die Steuerbewilligung erfolgen und erst danach auf die Beschwerden der Parlamentarier eingegangen werden. Es kam nun zu einem Verfahrensstreit, da keine Seite nachgeben wollte, was das Balancesystem nun gefährdete. Karl I. reagierte darauf, dass es das Parlament einfach nicht mehr einberief und selbst Politik machte. Er begann eine rege Selbstdarstellung und versuchte sich in der Kirchenpolitik, was zu einer innerprotestantischen Reformbewegung führte – Puritanismus. Diese stand der Reformierten Kirche sehr nahe, und ihre Zielsetzung bestand daraus die Anglikanische Kirche von den katholischen Elementen zu reinigen. Politisch bedeutete dies jedoch, dass die Machtstellung des Königs durch diese Bestrebungen in Frage gestellt wurde, immerhin war er das Oberhaupt der englischen Kirche. Zu diesem schwelenden Konflikt kam seit den 1630er Jahren noch der Konflikt mit Schottland und Irland. So brauchte Karl I. Truppen um gegen den Aufstand vorgehen zu können, sodass er 1640 das Parlament einberufen musste, da ihm das Geld ausgegangen war. Konsequenz dieser Einberufung war die Auflage, dass das Parlament nun radikale Forderungen stellte, sonst würde sie der Steuerbewilligung nicht zustimmen. Sie wollten ein parlamentarisches Regierungssystem, sodass der König unter der Kontrolle des Parlaments stand, was schließlich zum englischen Bürgerkrieg von 1642-48 führte. Nach der Niederlage der monarchischen Truppen und nach der Zuspitzung des Konflikts zwischen König und Parlament erfolgte 1649 die Hinrichtung Karls I. Zwischen 1649 und 1658/60 gab es schließlich eine Republik, in der Oliver Cromwell diktatorisch regierte. Dieser 20 Grundprobleme Neuzeit / Haug-Moritz war ab 1643 schon oberste Heerführer des parlamentarischen Heeres gewesen war mithilfe seiner Militärdiktatur bis zu seinem Tod 1658 an der Macht. Nach seinem Ableben wurde neuerlich ein Stuart-Monarch, nämlich Karl II., als englischer König eingesetzt. Er verfolgte ähnliche Ziele wie sein Vater und machte Züge des Programms zur Realität. Sein Nachfolger wurde 1688 Jakob II., welcher der katholischen Konfession angehörte. Neuerlich spitzte sich die Situation zu, sodass der König schließlich in der Glorreichen Revolution abgesetzt wurde und ins Exil gehen musste. England bei der Wende 17./18. Jahrhundert: Wilhelm von Oranien-Nassau wurde nun als Monarch eingesetzt, der zuvor Statthalter in den Niederlanden war. Dadurch, dass er protestantisch war und auch dieselben Gegner wie England, wurde er zum idealen Kandidat. Durch die Bill of Rights, den Triennial Act und dem Act of Settlement konnte das Parlament seine politischen Vorstellungen nun endgültig durchsetzen, womit die Forderungen von 1640 durchgesetzt waren. Die Legislative und der König waren an das Parlament gebunden, das Steuermonopol wurde ebenfalls aufs Parlament festgeschrieben (97% der Staatseinnahmen mussten nun vom Parlament genehmigt werden). 1697 – Triennial Act: 1701 – Act of Settlement: Alle drei Jahre mussten Parlamentswahlen im Unterhaus stattfinden. Der König hatte kein Recht mehr das Parlament aufzulösen, außerdem gab es keine königsnahe Partei im Unterhaus mehr. Kein Katholik durfte jemals mehr auf dem englischen Königsthron sitzen. Die Unabhängigkeit der Justiz wurde beschlossen, sowie die Summe des Lebensunterhalts für den Monarchen festgeschrieben, sodass kein Hof nach dem Muster Ludwig XIV. gegründet werden konnte. Haus Hannover: Im Jahre 1714 kam der erste Deutsche auf den englischen Königsthron (Georg I.), zuvor hatte England bereits zwischen 1689-1701 einen erfolgreicheren politischen Weg eingeschlagen als Kontinentaleuropa. Eine breite Forschungsgeschichte über die englische Revolution und die Bürgerkriege ist bei Wende nachzulesen! Die englische Geschichtsschreibung ist durch diese Ereignisse geprägt, denn sie trägt nun linksliberale Züge, andererseits gab es aber auch eine königstreue Partei, die sogenannte Torrie-Party. Ab den 1640er Jahren kann man die langfristigen Voraussetzungen für diese Entwicklung sehen. Das englische Unterhaus begann nämlich, aufgrund des absolutistischen Strebens der Stuart-Monarchen, zur treibenden politischen Kraft zu werden. Neben dem politischen Konflikt gibt es jedoch auch andere Deutungsmuster, nämlich den sozi-ökonomischen Konflikt. Hier wird darauf verwiesen, dass die englische Revolution auch durch die ökonomischen Fortschritte ausgelöst wurde, denn deren Vertreter wollten aufgrund ihrer wirtschaftlichen Wichtigkeit nun politische Mitsprache. Diese Theorie ging vor allem von der marxistischen Geschichtsschreibung aus, bspw. Hughes, Trafor, Doper. Der Elitenkonflikt steht hierbei im Mittelpunkt, der Gegensatz zwischen Court (Hof) und Country (Land, auch Landadel). Dies entspricht einer strukturellen Argumentation – seit den 1970er Jahren beschäftigt sich vor allem die revisionistische Forschung mit der englischen Revolution, sodass es eine Umorientierung in der Geschichtswissenschaft zu diesem Thema gibt. 21 Grundprobleme Neuzeit / Haug-Moritz 5. Einheit: Der Prozess der politischen Modernisierung in England: Hier handelte es sich in erster Linie um einen Elitenkonflikt zwischen Court (Hofadel, Stadt) und Country (Landadel, -bevölkerung). Die These der langanhaltenden Oppositionspolitik des Unterhauses gilt heute nicht mehr als der Grund für den Bürgerkrieg, dafür nimmt die Historiographie vermehrt Rücksicht auf den Zusammenhang des innerenglischen Konflikts mit den Verwicklungen zu Irland und Schottland. Einen hohen Stellenwert muss man dem innerprotestantischen Konflikt einräumen, bei dem die Anglikanische Staatskirche sich mit dem Puritanismus auseinandersetzen musste. Dieser Puritanismus war nicht einheitlich, sondern auch hier gab es verschiedene Strömungen und Ausformungen, und hatte vor allem eine Modernisierungswirkungsfunktion der Religion. Der englische Bürgerkrieg war die verspätete konfessionelle Auseinandersetzung, bei der der innerprotestantische Konflikt im Vordergrund stand. Neuere Forschung: Der Zusammenhang zwischen der Ersten und Zweiten Englischen Revolution, also der von 1642, die Cromwell an die Macht brachte und die Glorreiche Revolution von 1688, wurde stets unterschiedlich herausgearbeitet. Heute gibt es eine neues Konzept, das sich auf die Ideengeschichte bezieht – Literatur: Quentin Skinner, Zentrale Bedeutung des Zusammenhangs. Der Historiker bezieht sich besonders auf die neue politische Sprache, bspw. eines John Locke. Locke war wie Hobbes ein Vertragstheoretiker, der die Herrschaft und Gesellschaft als gedankliche Fiktion zu fassen versuchte (Vertrag zwischen Gott und König). Im Gegensatz zu Hobbes, der die Meinung vertrat, dass jedem Menschen gewisse Rechte zustanden, wie Eigentums- und Lebensrecht bzw. auch das Recht auf Freizeit, welche durch keine Regierung in Frage gestellt werden durften, war hier Locke anderer Auffassung. Für ihn existierte ein vorvertraglicher Zustand, der eine wirksame Grenzziehung ermöglichte, während für Locke diese begrenzt war sah Hobbes die Souveränitätstheorie anders. So entstand mit der Zeit das Verständnis, dass nur mit Eigentum die Teilnahme an der Macht möglich ist. Zwei große Konzepte standen sich nun gegenüber, und die Frage war, welches als geltend anerkannt werden sollte. Das war der Grund, warum sich in Kontinentaleuropa, wo der Absolutismus den Siegeszug antrat, im Unterschied zu England eine andere politische Auffassung durchsetzte – Literatur: Mertens, Geschichte des politischen Lebens! Aufklärung und Revolution Allgemein: Der Begriff der Aufklärung wurde bereits von den Zeitgenossen verwendet, denn diese bemerkten bereits eine grundlegende Veränderung der Wirklichkeit. Die wichtigste Definition des Begriffs kam von Immanuel Kant, der 1784 folgendes formulierte: Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Selbst verschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht am Mangel des Verstandes, sondern der Entschließung des Mutes liegt, sich seiner ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Sapere aude! „Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!“ ist also der Wahlspruch der Aufklärung. Kants Weltverständnis war eines, das sich seit dem 17. Jahrhundert herausgebildet hatte, auch andere Philosophen wie Descartes, Rousseau oder Voltaire beschäftigten sich mit damit. Besonders Descartes beschäftigte sich mit der Vernunft, und begründete den Rationalismus. Er beginnt die Vernunft anders aufzufassen, denn vor der Aufklärung galt dieser Begriff als 22 Grundprobleme Neuzeit / Haug-Moritz das Allüberkommene. So gab es den Richterstuhl der Vernunft, was davon herrührte, dass Gott noch im Mittelpunkt des Weltbilds stand und der Mensch nur Objekt war. Von den Vertretern der Aufklärung wird der Mensch nun als Subjekt gesehen, der die Welt selbst gestalten und sich selbst verwirklichen kann – das Jenseits bzw. Seelenheil verliert an Bedeutung, das Diesseits steht im Mittelpunkt. Diese Befreiung des Selbstverständnisses des Menschen hat teilweise damit zu tun, dass sich die Lebensumstände seit dem 17. Jahrhundert stetig verbesserten, was die Wissenschaften förderte. Dieser lange und fundamentale Aufstieg des Lebensniveaus hält bis heute an und an dem Gedankengut der Aufklärung wurde bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts festgehalten. Es entstand im Laufe des 17./18. Jahrhunderts ein völlig neues Menschenbild, das für den Siegeszug der Naturwissenschaften seit dem 17. Jahrhunderts verantwortlich ist, und das rationale Denken förderte. Forschung: Neben der Wissenschaftsgeschichte kam es auch zu einer Veränderung der menschlichen Kommunikation, was mit dem permanenten Bevölkerungswachstum im Zusammenhang stand. Neue Vorstellungen setzten sich gerade im 18. Jahrhundert durch, was sich jedoch in den einzelnen europäischen Ländern verschieden auswirkte. Während in Westeuropa die Aufklärung bald eine größere Breitenwirkung erhielt, stieß sie in Russland nur in den Eliten auf Resonanz. Als Historiker kann man beobachten, dass es die Aufklärung als homogene Strömung in Europa nicht gab, da ihre Wirkung in jedem Land verschieden war. Die Aufklärungsforschung ist also nur ein Konstrukt der großen Denker jener Zeit, die sich auf die Wirkung ihrer Ideen auf die Menschen nur wenig kümmern. Seit den 1960er Jahren beschäftigten sich die Sozialwissenschaften stärker mit dem Thema der Aufklärung, was ganz andere Gesichtspunkte aufwarf. Heute vertritt man die Annahme, dass es nicht eine Aufklärung gab, sondern eine Vielzahl von Aufklärungen, weil so eine große Vielfalt vorhanden ist. In Frankreich beispielsweise standen besonders die Begriffe Kritik, Toleranz und Freiheit im Mittelpunkt, während in Mitteleuropa die Nützlichkeit der dominante Begriff war. Dies hat den Grund der verschiedenen Trägerschichten der Länder, in Österreich bspw. mit der Aufhebung des Jesuitenordens, wo die Aufklärung an ihre Stelle trat. Die Organisation der Aufklärung erfolgte anhand von Bewegungen, die ähnlich wie die Freimaurer funktionierten und als Vorläufer des Vereinswesens gesehen werden können. Diese hatten ihre Vorläufer im 18. Jahrhundert, wo besonders die neue soziale Formation abgebildet war. Das gehobene Bürgertum und der Adel diskutierten dort über die Ideen und Ideale der neuen Denkrichtung. Literatur: Holger Böning, Volksaufklärung Der Revolutionsbegriff: Von Dieter Langewiesche gibt es diesbezüglich eine lange ausführliche Skizze die sich damit beschäftigt. Der Begriff der Revolution ist eng mit den Vorstellungen der Aufklärung verknüpft, und beschreibt eine grundsätzliche Veränderung von der Gesellschaft. Diese Veränderung wird von Menschen planvoll angestellt, damit überkommene Verhältnisse überwunden werden können. Verbunden ist dieser Revolutionsbegriff mit einer positiven Utopie, die nach dem Umsturz eine bessere Zukunft verspricht. Diese Form des Revolutionsbegriffs entsteht bei der Französischen Revolution, obwohl der Begriff selbst schon älter ist. Im Jahr 1688 wird er nämlich mit der Glorreichen Revolution schon das erste Mal für eine gesellschaftliche und politische Veränderung benützt. In der Antike bedeutete revolutio „Zurück“ und beschrieb ein Naturgeschehen, wie die Umlaufbahn der Gestirne. Damit war der Begriff Sinnbild einer Kreisbewegung, wobei der Endpunkt gleichzeitig der Ausgangspunkt ist, was bis ins 17. Jahrhundert keine Veränderung des Begriffs mit sich brachte. Erst in diesem Jahrhundert kam es zu einem veränderten 23 Grundprobleme Neuzeit / Haug-Moritz Bedeutungsgehalt, auf die Karl Kriwank eingeht. Nun entstand ein großteils wertfreier Terminus für große Ereignisse und Ereignisreihen. Besonders im staatlichen Bereich wurde dieser Begriff nun verwendet, was Naturkatastrophen und geistige Umstellungen betraf. Im 17. Jahrhundert war dies ein wertfreier Begriff, der mit der Vorstellung verbunden war, das „gute und alte“ wieder wiederherzustellen. Dies geschah auch noch bei der Glorreichen Revolution, wo man von den englischen Stuarts zu dem Geschlecht Nassau-Oranien wechselte. Entwicklung des Begriffs: Mit der Amerikanischen Revolution von 1776 kam es zum Bruch dieser Tradition, und weist wie später die Französische Revolution bereits auf die Legitimation der Auflehnung hin. Hier wurde nicht mehr die Revolution damit gerechtfertigt, zu den alten Werten zurückzukehren, sondern man wollte eine andere Gesellschaftsform etablieren, wobei die verbesserte Ordnung dem Gesetz der Vernunft gehorchen sollte. Dies ist Zeichen einer linearen Aufwärtsbewegung, mit der eine bessere Zukunft heranbrechen soll. Die Französische Revolution ist etwas Neues, eine Art Postulat, ein radikaler Bruch mit der Vergangenheit. Aus diesem Blickwinkel müssen wir auch die neue Zeitrechnung sehen, die mit der Revolution in Frankreich entworfen wurde. Die neu geschaffene Gesellschaft sollte sich fundamental vom Ancien-Régime unterscheiden, und jede Möglichkeit der Umkehr unmöglich gemacht werden. Zugleich wurde auch der Schwerpunkt der politischen Ordnung verlagert, denn nun war die ganze Gesellschaft betroffen. Durch die Beschäftigung mit dem Zeitalter der Französischen Revolution entstand die heutige Definition des Revolutionsbegriffs. Viele Forscher begannen sich die Frage zu stellen ob Revolutionen nötig seien, oder ob auch ohne radikale Umstürze Veränderungen möglich sind. Aus diesen Denkansetzen heraus entstanden auch die großen Ideologien des 19./20. Jahrhunderts, wie der Konservatismus, begründet durch Edward Burd, oder der Marxismus, Karl Marx und Friedrich Engels. Der Konservatismus entstand schon sehr früh, und erst als Reaktion entstand der Sozialismus. Der historische Materialismus vertrat die Annahme, dass die Revolution unabdingbar wäre. Die Freiheit konnte man nach ihrer Ideologie nur anhand von Umstürzen der Gesellschaft herbeiführen, was besonders bei der Geschichtswissenschaft im Ostblock manifestiert war. Damit verlor der Begriff jedoch seine Wertfreiheit und führte zu unüberbrückbaren Wertvorstellungen. Die erste Revolution bei der dieser Bruch stattfand war die amerikanische Revolution, bei der fundamentale Veränderungen stattfanden. Als Überblickswerk würde sich hier das Buch von Barbara Stohlberg eignen, mit dem Titel Europa im Zentrum …, erschienen bei Reclam. Entstehen des englischen Kontinentalreichs (Empire) und der USA: Die Ursprünge liegen am Beginn des 17. Jahrhunderts, besonders die 1630er Jahre bilden hier einen Schwerpunkt. Den Ausgangspunkt bildet die Krise des englischen Mutterlandes, denn als die religiösen Dissense anwuchsen, kam es zur vermehrten Auswanderung aus England Richtung Neue Welt. Dort versuchten die Kolonisten eine neue Existenz aufzubauen, im Unterschied zum Muster des spanischen Kontinentalreichs. Englische Migration Richtung Amerika: 1620: 2000 Auswanderer lebten in der Neuen Welt 1750: 1,2Mio Auswanderer – // – 1776: 2,5Mio Auswanderer aufgeteilt in 13 Kolonien Auch der Bevölkerungsdruck trug zur großen Migrationbewegung bei, außerdem begann sich in den späteren Vereinigten Staaten von Amerika bereits der Nord-Süd Gegensatz 24 Grundprobleme Neuzeit / Haug-Moritz aufzubauen. Während der Süden mehr agrarisch genutzt wurde entstanden im Norden mehr Städte (Ostküste). Philadelphia kann als erste dieser Nordstädte gesehen werden, gekennzeichnet durch das gewerbetreibende Bürgertum. Im Süden lebten in erster Linie adelige Plantagenbesitzer (Baumwolle), hatte also eine adlige Lebensform während der Norden vorwiegend puritanisch geprägt war. Das war auch der Grund warum sich der Süden mit dem englischen Mutterland enger verbunden sah. Amerikanische Kolonien: Im Unterschied zu Spanien entstand in England ein Kontinentalreich, das vorwiegend auf die freiwillige Selbstorganisation der Auswanderer basierte. 1606 wurde die Virginia-Kompanie gegründet, die als Aktiengesellschaft fungierte. Diese Organisationen wurden von der englischen Regierung privilegiert behandelt. Seit dem 17. Jahrhundert kam es zu latenten Spannungen zwischen der Krone, welche die Kontrolle ausübte, und den Siedlern, die zur Selbstorganisation neigten. In einzelnen Kolonien saß ein Gouverneur, aber es gab auch einen Rad der landbesitzenden Bevölkerung, die mit dem Gouverneur, der Stellvertreter der Krone war, die Steuerbewilligungen aushandelten. Es entstand ein reger transatlantischer Handel, bei dem die Kolonien die Abnehmer von gewerblichen Produkten waren, während sie umgekehrt Rohstoffe an England lieferten. Dies bedeutete eine lukrative ökonomische Situation für England, das zunehmend zu einem Kontrahenten um die Macht zu Spanien wurde. Durch die positive ökonomische Entwicklung konnte England eine starke Flotte aufbauen, was das Streben nach Westen versinnbildlichte. Die Beziehung zwischen England und seinen nordamerikanischen Kolonien verschlechterten sich ab 1763 zunehmend, was schließlich im Unabhängigkeitskrieg von 1776 endete. Bereits im Siebenjährigen Krieg, der ein erster Weltkrieg war, wurden nämlich innereuropäische Konflikte auch in Nordamerika ausgetragen. In diesen Konflikt waren alle europäischen Großmächte integriert, so auch Österreich und Preußen. Durch Frankreichs Niederlage verlor es einen Großteil seiner Kolonien in Amerika, was der Grund für den späteren englischen Charakter Nordamerikas war. Die schwere Überschuldung der Mächte nach dem 7jährigen Krieg veranlasste die europäischen Mächte zum Abbau, England versuchte durch den stärkeren ökonomischen Nutzen seiner Kolonien die Krise zu überwinden. Nach dem Zusammenbruch Frankreichs standen nämlich auch mehr Handelsspielräume für die Siedler zur Verfügung. Die gesteigerten Steuerforderungen und die Schutzzollpolitik des englischen Mutterlandes führten schließlich Konflikt. Amerikanischer Unabhängigkeitskrieg: Auf die einseitigen Steuererhöhungen Englands reagierten die amerikanischen Kolonien mit dem Motto No taxation without Representation! Nach dem Jahr 1763 wurde diese Forderung noch deutlicher formuliert, denn die Kolonien forderten nun noch nachdrücklicher ihre Rechte gegenüber dem Mutterland ein. In Amerika entsteht ein kolonienübergreifendes Handeln, denn nur mit einer gemeinsamen Linie gegenüber der ökonomischen Ausbeutung konnte Widerstand erreicht werden. Sogenannte Korrespondenzausschüsse wurden gegründet, deren Auslöser die Bostoner-Teaparty von 1773 war. Logische Konsequenz dieser Politik war der militärische Konflikt, der 1776 in der Unabhängigkeitserklärung mündete. Nicht nur die territoriale Unabhängigkeit sollte entstehen, sondern auch eine gesellschaftliche Revolution, bei der die Werte Freiheit und Gleichheit das Ziel der politischen und gesellschaftlichen Politik wurden. Dies bedeutete eine Absage an die europäische Gesellschaft, was schließlich mit der ersten neuzeitlich geschriebenen Verfassung von 1789 manifestiert wurde. Der amerikanische Unabhängigkeitskrieg dauerte bis 1783, wobei die französische Unterstützung maßgeblich zum Erfolg der Kolonisten beigetragen hatte. Im Frieden von Paris verabschiedete sich England, und die verschriftlichten Postulate mussten umgesetzt werden. 25 Grundprobleme Neuzeit / Haug-Moritz Entstehung der Vereinigten Staaten von Amerika: Nach Ausbruch des Krieges trat 1774 der erste Kontinentalkongress zusammen, der die Dachorganisation der amerikanischen Kolonien darstellte. Dies war das Forum, in welchem 1787 der Verfassungskonvent organisiert wurde – heute gibt es in Philadelphia ein berühmtes Museum zur amerikanischen Verfassung. Die Väter der amerikanischen Verfassung waren George Washington, erster amerikanische Präsident, oder auch Alexander Hamilton und Thomas Jefferson. Die Frage die nach der Unabhängigkeit vorhanden war, war wie viel Einheit es im amerikanischen Staatenbund es geben sollte. Es entstand die föderative Frage, die mit der Verabschiedung der Verfassung 1789 schließlich gelöst wurde. Die Idee der Gewaltenteilung wurde bspw. verwirklicht und die Grundrechte des Individuums festgelegt, die sog. vier Freiheiten. Die Französische Revolution: Diese Revolution hatte anfangs viele Gemeinsamkeiten mit der amerikanischen Revolution, doch stand in Frankreich die soziale Konfliktlage im Vordergrund. Mit der Andauer der Eskalation versuchte die gehobene Bürgerschicht die Gesellschaft ruhig zu halten. Die französische Revolution nahm schließlich einen ganz anderen Verlauf als vorhergesehen: 1. Revolution: Verfassungsrevolution 1789 – 1791 2. Revolution: Volksrevolution 1791 – 1799 Auslöser: Während bei der ersten Revolutionsphase die parlamentarische Ordnung im Mittelpunkt stand, und als deren Ursache der Staatsbankrott gelten kann, war die zweite Phase sozialer Natur. Ausgangspunkt der Revolte war das Zusammentreten der Generalstände im Juni 1789, in der die Abgeordneten der Städte, des Adels und der Geistlichkeit vertreten waren. Diese postulierten sich als Volk und vertraten in ihrem Selbstverständnis die Nation, das Assemblem National. Der Abstimmungsprozess läuft jedoch anders als erwartet, sodass es auf parlamentarischem Wege nicht gelingt die Unruhe zu beruhigen. Schließlich verband sich die Volksrevolution mit dem Sturm auf die Bastille, Symbol der absolutistischen Willkürherrschaft. Es kommt zu einer Volksbewaffnung der Pariser Bevölkerung sodass gleich Bürgermilizen gegründet werden können. Zahlreiche Komitees entstehen und eine Garde National soll gegründet werden, deren Führer Lafayette wurde. Diese Maßnahme geht jedoch nicht auf, sodass am 14. Juli 7000 bewaffnete Pariser, die zumeist aus den unteren Schichten stammten, auf die Straße strömten. Nach der Belagerung der Bastille und deren Einnahme kommt es zu fürchterlichem Blutvergießen, obwohl nach der Massenerstürmung nur sieben Häftlinge befreit werden können, davon waren vier Falschmünzer, zwei geistig Verwirrte und ein adliger Sittenstrolch. Die symbolische Inszenierung hingegen war jedoch gigantisch, denn bis heute gilt die Erstürmung der Bastille als Sinnbild der Französischen Revolution. Am 14. Juli kommt es zum Einsatz exzessiver Gewalt, etwas was mit Robespierres Terrorherrschaft seinen Höhepunkt findet. Der Kommandant der Bastille wurde bspw. geköpft, andere Soldaten werden zerstückelt, was die martialische Vorgehensweise gut sichtbar macht. Folgen des Aufstands: Ludwig XVI. muss seine Truppen zurückziehen, und reagiert auf die Eskalation indem er seinen Sitz am 17 Juli von Versailles nach Paris verlegt. Dort lässt er sich die Kokarde anheften, was eine indirekte Anerkennung des Geschehens bedeutet. Bis 1792 erfolgte ein großflächiges Aufstandsgeschehen, Die Große Furcht ging in Frankreich um. Es kam zu landesweiten Attacken auf den Adel, obwohl die Institution des 26 Grundprobleme Neuzeit / Haug-Moritz Königs in der Infragestellung der Grundherrschaft des Adels nicht inkludiert wurde. Es kam zu einer Massenpsychose der französischen Bevölkerung, die sich gegen die adlige Grundherrschaft auflehnte. Auch kam es zu Neuorganisationen der Stadtregierungen, außerdem im August 1789 zur Abschaffung der Privilegienordnung, sodass die Vorstellung von Freiheit-Gleichheit-Brüderlichkeit annähernd zum Abschluss kam. Die erste Menschrechtserklärung erfolgte im selben Jahr während das Parlament eine neue Verfassung zu erarbeiten versuchte. Neuerliche Eskalation: Diese entstand aus dem klassischen Feld sozialer Unruhe, ausgelöst durch eine Lebensmittelknappheit in Paris. Als Gerüchte aufkamen, dass der König einen Staatsstreich plane, kam es zum Zug der Weiber nach Versailles (ca. 7000 Frauen). Im Oktober 1789 stellte sich die königliche Leibgarde dem Protest nicht mehr entgegen, sodass der Monarch abermals nach Paris umzog, was das Zentrum der Revolution war. Abermals kam es zu Enthauptungen von Soldaten, die sich nicht gleich für die Protestierenden entschieden, also am Beginn unentschieden waren. Bei der Verfassungsgebung gab es nun zwei Grundtendenzen, eine die mit dem König regieren wollte, und eine die für die Abschaffung der Monarchie war. Gleichzeitig kam es 1793/94 zur Selbstorganisation der Volksrevolution in sogenannte Klubs, deren bedeutendster bald der Jakobiner Club wurde. Dieser war nach einem Kloster benannt worden und bestand nur aus Mitgliedern der Nationalversammlung. 1790 öffnete sie sich und spaltete sich in der ersten Jahreshälfte des Jahres 1791 in die Faillons und den radikalen Flügel um Robespierre, der 1200 Mitglieder hatte. Die Radikalität dieses Flügels bestand aus ihrer Nichtanerkennung des Parlaments, denn der Klub verfolgte eigene Ziele der Volksrevolution. Es kam zu einer Zuspitzung zwischen der Volksrevolution und dem Parlament, was zur Folge hatte, dass sich die Jakobiner auf ganz Frankreich ausbreiten. Sie begannen mit einer gezielten politischen Agitation, was sie mit dem Medium Der Volksaufstand bewerkstelligten. Der Jakobinerklub bestand aus 981 Gruppierungen, auf ganz Frankreich aufgeteilt, 13 davon wurden auf ihre Zusammensetzung hin untersucht: Mitglieder eines Jakobinerklubs: 11% Adel 19% Akademiker (meist Juristen): 17% Staatsbedienstete 12% Kaufleute 39% Handwerker 0,03% Unterbürgerliche Schichten 1% unbekannt Mit dem Jahre 1792 kann man die 2. Revolutionsphase ansetzen! 27 Grundprobleme Neuzeit / Haug-Moritz 6. Einheit Die Französische Revolution Definition: Bei der Französischen Revolution handelte es sich nicht um eine Revolution sondern um mehrere. Es gibt einen Unterschied zwischen jenen in den Städten und am Land, denn die Revolution breitete sich von Paris aus über das ganze Land aus, wobei die Clubs, speziell der Jakobiner Club, für die schnelle Ausbreitung verantwortlich waren. Ludwig XVI. war nach der Anerkennung der Revolution Bestandteil des revolutionären Gesamtgeschehens. Mit der Verfassung von 1791 war die erste Phase der Revolution schließlich abgeschlossen, was dem König eine starke Position sicherte, denn er erhielt das Vetorecht, sodass er Gesetze bis zu zwei Jahre aufschieben konnte. In Frankreich herrschte mit Abschluss der ersten Phase der französischen Revolution somit der gleiche Zustand wie in Amerika ein Jahrzehnt zuvor. Das Parlament ähnelte beispielsweise dem von England, dessen Verdienst den französischen Eliten zuzuschreiben war. Zweite Phase der Revolution: Obwohl das Ziel der französischen Intelligenz mit der Verfassung erreicht war, kam es dennoch zu keiner Befriedung und einem Ende der Revolution. So kam es im August/September 1792 zum endgültigen Bruch der Tradition und zum Ende der Parlamentarischen Revolution. Der Grund dafür lag in der Radikalisierung der Volksrevolution durch die Wahlen, denn nun wurde durch Gerüchte die Situation radikalisiert sowie instrumentalisiert. Es kam zu permanent tagenden Versammlungen und zugleich schritt die Militarisierung voran, sodass es im April August 1792 zum Beschluss gegen Österreich Krieg zu führen kam. Dieser Krieg wurde missionarisch gestaltet, denn die Franzosen versuchten nun die Revolution ins Ausland zu tragen und ganz Europa in Brand zu setzen. Es galt die Parole Friede den Hütten – Krieg den Palästen, auch Rousseau formulierte eine Legitimation, in der er behauptete Das Volk muss Krieg führen, um die Freiheit zu verteidigen! Außenpolitisch begann das Jahr 1792 für die Revolutionäre nicht vorteilhaft, außerdem machte Ludwig von seinem Veto-Recht gebrauch, was die innenpolitische Situation anspannte und die Revolutionäre spaltete. Am 10. August kam es zur Absetzung des Bourbonen durch das Parlament und am 20. September 1792 zu Neuwahlen. Nur 10% der Bevölkerung durften wählen (Literatur: Rolf Reichardt, Das Blut der Freiheit). Am 21. September 1792 wird schließlich die Monarchie abgeschafft und die Republik geschaffen. Dies bedeutet den Beginn einer neuen Phase der Revolution, bezeichnend dafür ist die Einführung einer neuen Zeitrechnung, was den Bruch mit allem Vorhergehenden markiert. Bereits mit dem September 1792 hatte sich diese Entwicklung abgezeichnet, sodass es alsbald galt Die Revolution frisst ihre Kinder! Gerüchte von Verschwörungen der Revolutionsgegner machten vor den Wahlen die Runde, was zu diesem Zeitpunkt plausibel schien, denn die außenpolitische Lage war schlecht. Als Reaktion auf diese Gefahr einer Gegenrevolution entstanden Geschworenengerichte, die meist den Schuldspruch statt den Freispruch verkündeten. 1300 Todesurteile wurden gefällt, wobei ¾ dieser zum Tode Verurteilten aus anderen Gründen verhaftet wurden (ein Viertel war Kleriker, die sich geweigert hatten auf die Revolution zu schwören). Mit dem September 1792 war die Verfassung von 1791 außer Kraft gesetzt, sodass sich die Frage stellte, wie es weitergehen sollte. Die radikale Gruppe um Robespierre, welcher ein missionarisches Sendungsbewusstsein mit religiösem Faktor besaß, war Vorsitzender des Wohlfahrtsausschusses, der die dritte Revolutionsphase markierte. Literatur: Lexikon zur französischen Revolution, Sourkamp Verlag Hier werden einzelne Akteure mit den zentralen Ereignissen präsentiert! 28 Grundprobleme Neuzeit / Haug-Moritz Dritte Phase der Revolution: Diese Phase der Revolution setzte im September 1792 ein und endete im Juli 1794, denn an diesem Tag fand die Hinrichtung Robespierres statt. In dieser Zeit drängte die Volksrevolution diejenige der Verfassung vollkommen zurück, und es kam zur Terrorherrschaft des Wohlfahrtsausschusses, zum berühmten Terreur. Diese Diktatur des Wohlfahrtsausschusses entstand unter dem Vorzeichen einer äußeren und inneren Krise. Der Höhepunkt des Terrors bildete der Jahreswechsel 1793/94. Zwei wichtige Ereignisse markierten den Beginn: 1. Erneute französische militärische Niederlagen gegen Österreich und Preußen (außen) 2. Aufstand der Bauern im Nordwesten Frankreichs, Vendée (innen) Gegenrevolution: Der Aufstand markierte den Gipfelpunkt der antirevolutionären Gesinnung, denn 2/3 der Departments (franz. Gebietsunterteilung – Bundesländer) hatten gegenrevolutionäre Strömungen. Besonders die kirchenpolitischen Maßnahmen, mit der Säkularisierung im französischen Gemeinwesen, führten zu Widerständen, denn der Klerus sollte nun dem Staat untergeordnet werden. Die Bevölkerung war frömmer als die Elite, deshalb kam es zur Ablehnung dieser Maßnahmen. Auch die neue Zehntagewoche widerstrebte den Franzosen, da es nun weniger freie Tage gab und sie diesen Rhythmus nicht gewöhnt waren. Die Revolutionspolitik führte zu einem Aufstand, der in Vendée losbrach, obwohl die Revolutionsregierung die Feudalordnung 1789 aufgehoben hatte, was jedoch in erster Linie Verbesserungen für die Städte und Eliten brachte, von der Landbevölkerung jedoch profitierten nur wenige. Auch die Mobilisierung der Nation, jeder Mann war plötzlich wehrpflichtig, hatte negative Auswirkungen für die einfachen Leute und wurde deshalb abgelehnt. Im März 1793 kam es zu einer umfangreichen Erhebung, die bis Juni andauerte. Als Reaktion auf diese Gegenrevolution veranlasste der Konvent die Vernichtung der Vendée, wobei hier ganz klar ans physische Vernichten gedacht wurde. Die Revolutionstruppen schlugen daraufhin die Weiße Revolution, weil royalistisch, in der Nordwestprovinz nieder. Neuerliche Eskalation: Zur Jahreswende 1793/94 wurde Strafgericht über die Aufständischen gehalten, auch Bauernhöfe in der Vendée wurden vernichtet, also die Zerstörung des Departements in die Tat umgesetzt. Das Besondere an dieser Strafaktion war ihre Erstmaligkeit, denn noch nie hatte es in der Geschichte bis dahin eine solche Vernichtung gegeben. Die Niederschlagung der Gegenrevolution wurde gleichzeitig mit einer Terrorwelle, die ganz Frankreich heimsuchte, verknüpft. Besonders in Paris wütete sie besonders heftig, denn hier ging sie von den Sansculotten, übersetzt Rasenden, radikalen Agitatoren aus. Diese Heblisten wollten das Volk authentisch vertreten, sodass es zu einem offenkundigen Interessensgegensatz zwischen Volksrevolution und Konvent kam. Es kam zu einer Hungerkrise, was die Radikalisierung noch steigerte, denn nun wurde die Forderung nach Enteignung gestellt, was für den späteren Marxismus von großem Interesse sein sollte. Das Parlament schloss sich dieser Forderung nicht an, worin jedoch auch die radikalen Kräfte gewannen. Zu diesem Zeitpunkt begann der Wohlfahrtsausschuss die spontanen Terroraktionen des Volkes zu institutionalisieren (siehe Tabelle) – 17.000 Menschen wurden ermordet. Die Mehrzahl der Toten waren Handwerker oder kamen aus dem Bauernstand (Vendée). So richtete sich der Terror vordergründig gegen die Träger der Volksrevolution, der die soziale Basis hiermit entzogen wurde. Dieser organisierte Terror stieß zunehmend auf Widerstand, sodass es zu einem Vorgehen gegen die Agitatoren kam. Die Sektionen, Basis der Sansculotten, wurden aufgelöst, und am 27. Juli 1794 schließlich Robespierre hingerichtet. Mit ihm wurden auch 105 Personen aus 29 Grundprobleme Neuzeit / Haug-Moritz seinem Umfeld am 9. Thermidor, nach dem Revolutionskalender, getötet. Damit war der Höhepunkt der Revolution erreicht und neue Eliten begannen sich ab diesem Zeitpunkt zu etablieren. Vierte Phase der Revolution: In dieser letzten Phase der Revolution waren das Parlament und das Volk nur mehr lose verklammert. Nach der Phase von 1794-1799 folgte die Militärdiktatur von Napoleon Bonaparte, die Maßnahmen von 1793/94 wurden aufgehoben, die Revolutionsclubs verboten und Sektionen aufgehoben. Im August 1795 verabschiedete man schließlich die neue Verfassung. Hierbei handelte es sich um eine Direktoratsverfassung, die den Hintergrund für den Machtaufstieg Napoleons bildete. Diese bestand aus zwei Kammern: 1. Rat der 500 2. Rat der Alten – 250 Mitglieder, die nach Zensuswahlrecht gewählt wurden Entscheidend an dieser Verfassung war, dass die Exekutive im Direktorium, bestehend aus fünf Mitgliedern, für fünf Jahre bestellt wurde und für die innere und äußere Sicherheit zuständig war. Das Direktorium hatte Oberbefehl über das Heer und bestimmte über die Minister und Generäle. Es wurde zu Plattform Napoleons, der in Italien Erfolge feierte, während sich in Frankreich das Militär (Generäle & Armee) zusehends etablierte und bis zum Ende der napoleonischen Herrschaft in Frankreich bestimmend blieb. Mit dem Militär gelang 1799 der Staatsstreich, die Konsulatsverfassung wurde verabschiedet (10. November 1799) und die Exekutive lag schließlich nur noch in der Hand von drei Männern. Napoleons Machtergreifung: Am 25. Dezember 1799 konzentrierte Bonaparte schließlich die gesamte Macht allein in seiner Person, er wurde Erster Konsul und hielt nun alle Macht im Staate. Er war nun mächtiger als alle Könige des Ancien-Régime, denn es wurde zwar ein Staatsrat verankert, der jedoch keine reale Mitsprache hatte. Auch ein 80köpfiger Senat wurde gegründet, der sich jedoch selbst ergänzte und die Funktion eines Scheinparlaments erfüllte, denn als Rest der Revolution musste Napoleon die Volkssouveränität garantieren, auch wenn dies nur zum Schein geschah. 1804 wurde Bonaparte durch die militärischen Erfolge Kaiser der Franzosen – Literatur: Roger Wilhelmson bzw. Dufraisse beschreiben den Monarchen Napoleon. Sein Kaisertum nahm als Grundlage jenes Karls des Großen her, und wollte damit an seine kaiserliche Rolle in Frankreich anknüpfen. Damit stellte er die Habsburger in Frage, die das Kaisertum für sich beanspruchten und nahm das Gottesgnadentum auch für sich in Besitz (Kaisertum sonst nur noch in Russland – Zar Nachfolger des byzantinischen Kaisers). In Frankreich präsentierte sich der General als Kaiser der Franzosen, um seine Herrschaft zu legitimieren. Der neue Kaiser sah es als seine Pflicht an Kriege zu führen, wie es seit Mitte des 17. Jahrhunderts nicht mehr der Fall gewesen war, damit ähnelte er Ludwig XIV. Die Konfrontation Europas mit dem revolutionären Frankreich bzw. des napoleonischen Frankreichs war ein 20jähriger Krieg, der nur durch das Friedensjahr von 1802/03 unterbrochen wurde. Die zwei großen Kriegsphasen waren: 1. Revolutionskriege bis 1802 2. Napoleonischen Feldzüge 1803-1814 30 Grundprobleme Neuzeit / Haug-Moritz Analyse: Das revolutionäre Frankreich wurde dauernd von wechselnden Koalitionen bekämpft, sodass in den 1790er Jahren das Land eine Positionierung innerhalb der europäischen Großmächte beibehielt. Es strebte nach den natürlichen Grenzen, welche die Rhein-Alpen Linie war, sehr zum Missfallen der deutschen Fürsten und Bevölkerung, trotzdem sicherten sich die Franzosen die Grenzkontrolle in den Grenzgebieten. Napoleon schuf sich in Europa viele Einflusssphären, beispielsweise Italien, wo er mit Österreich um die Vormacht rang, sowie im Nordwesten Europas, wo sich Frankreich engagierte. Diese Räume gerieten bald unter französische Kontrolle, sodass als einziger wirklich permanenter Gegner nur England übrig blieb. 1803 war die außen- und innenpolitische Konsolidierung Frankreichs erreicht, was im Päpstlichen Konkordat endete. So herrschte mit dem europäischen Ausgleich in diesem Jahr ein stabiler Frieden. Gründe warum der Frieden nicht dauerhaft war: 1. Strukturelle Gründe: Gegensatz zwischen Großbritannien und Frankreich, welches die englische Seemacht nicht überwinden konnte. 2. Person Napoleon: Die englische Forschung geht davon aus, dass Napoleons Fehlkalkulationen für die weitern Kriege verantwortlich ist. Napoleon Unfähigkeit auf Frieden zu verzichten, da er seine Aufgabe darin sah, über Europa zu regieren. Bonaparte hatte ja keine politische oder juridische Ausbildung, daher ist es ihm auch 1813 nicht gelungen sich auf Friedensangebote einzulassen. Er soll nur solange Kaiser der Franzosen sein, solange er noch militärische Erfolge feiern konnte. Literatur: Paul W. Schröder, Transformation of european politics Napoleons Herrschaft: Zwischen 1803 und 1812 gab es in Europa südlich Skandinaviens einen erdrückenden Einfluss Frankreichs und einen Dauerkrieg. Als Napoleonische Kriege wird diese Zeit deshalb genannt, weil die Person Napoleon und seine Kriegsführung von der vor seiner Zeit sich sehr unterschieden. In der napoleonischen Zeit standen die sogenannten Satellitenstaaten in komplexem Abhängigkeitsverhältnis. Sie waren effizienter in die französische Militärmacht eingebunden, als dies früher üblich war. Zugleich verbreitete Bonaparte mit der Eroberung Europas auch den Code Civile (Code Napoleon), der im besetzten Gebiet übernommen wurde. In diesem Gesetzestext wurden alle Untertanen gleichgestellt, sodass es eine rechtlich nivellierte Untertanenschaft gab – Vor dem Gesetz sind alle Menschen gleich! Dadurch änderten sich die gesellschaftlichen Verhältnisse, denn die Privilegiengesellschaft wurde somit abgeschafft. Doch die anfänglichen Reformmaßnahmen, wie die Erstehung des Staates durch die innere Veränderung der Länder als Begleiterscheinung des Kriegs, können darüber hinwegtäuschen, dass große Mengen an Geld und Massen an Menschen Richtung Frankreich abgeführt wurden. 1808 kam es zur Erhebung in Spanien, Napoleon ließ 230.000 seiner Soldaten einmarschieren, wobei 70.000 davon aus zwangsverbündeten Staaten stammten. Im Russlandfeldzug von 1812 waren sogar 600.000 Soldaten eingesetzt, Grande Armee, wobei nur 1/3 aus Frankreich stammte. Die Verluste nach dem missglückten Feldzug beriefen sich auf 75-90%, was einen hohen Blutzoll der Zwangsverbündeten bedeutete. 1813/14 kam es dann zu den Befreiungskriegen, die Bonapartes Niederlage dann besiegelten, obwohl es auch schon davor Aufstände gegen den kleinen Korsaren gegeben hatte. Sein Imperium war nicht haltbar, denn bereits 1799 begann die Aufstandsbewegung in Italien, setzte sich in Spanien 31 Grundprobleme Neuzeit / Haug-Moritz fort, dann folgte der Tiroler Freiheitskampf (Andreas Hofer) und schließlich das Desaster 1812 in Russland. Ein Jahr später befreite sich Mitteleuropa, was schließlich zum Zusammenbruch Frankreichs führte. Unterschied zwischen Revolutions- und Napoleonischen Kriegen: Entscheidend war die Integration der Satellitenstaaten unter der napoleonischen Herrschaft. Auch die veränderte Form der Kriegsführung machte einen entscheidenden Unterschied aus, sodass die Kriege bald eine Angelegenheit der Nation wurden und nicht mehr rein dynastische Auseinandersetzungen waren (Kriege zwischen den Herrscherhäusern). Der Krieg betraf nun alle Männer, sodass auch die Geschlechterrollen umdifferenziert wurden. Auch der Wirtschaftskrieg gegen England traf alle Bevölkerungsschichten der Insel, nachdem es Napoleon unterlassen hatte einen militärischen Angriffskrieg zu führen. So inszenierte Bonaparte 1806 die Kontinentalsperre, was zur wirtschaftlichen Abschottung Englands führte, was durch Napoleons Integration Nordwesteuropas (Niederlande, spanische Niederlande) möglich wurde, denn nun war die Grenze gegen England geschlossen. Die Auswirkungen auf englischer Seite waren zunächst schlimm, da die Sperre zu einem Rückgang der Exporte um ein Viertel führte. Darauf reagierte London mit Schmuggelhandel über Skandinavien, der die englische Wirtschaftskrise von 1810 jedoch nicht verhindern konnte. Zugleich tätigte Napoleon eine protektionistische Wirtschaftspolitik (Merkantilismus) und baute ein Kontinentalsystem auf. Dieses wirkte sich jedoch negativ für die französische Wirtschaft aus, da sich der Wertbewerbsdruck nun vermindert hatte. Dies schädigte die Ökonomie Frankreichs längerfristig! Eine neue Ordnung entsteht: Die Kriege ab der Französischen Revolution 1789 waren nun keine Kriege wie die früheren, sondern wahre Nationalkriege. Nach der Niederlage Napoleons 1813/14 war Europa so verändert, dass an eine Rückkehr zu den Verhältnissen vor 1789 nicht mehr zu denken war. Die europäischen Länder waren vollkommen umgestaltet worden, die Vorkriegsordnung existierte nicht mehr. Der Wiener Kongress von 1814/15 war eine Diplomatenversammlung, der folgende Ziele verwirklichen sollte: 1. Neue Internationale Ordnung: Ausgleich der Mächte unter der Hegemonie Russlands und Englands, weil Sieger der Befreiungskriege. Eine europäische Pentarchie (Großbritannien, Zarenreich, Preußen, Österreich und Frankreich) sollte Gleichgewicht in Europa schaffen. 2. Frage der gesellschaftlichen und politischen Ordnung sollte neu konstruiert werden. Dies schien vor allem für Mittel- und Ostmitteleuropa wichtig, was besonders für die Kleinstaaterei Deutschlands galt. Deutsche Situation: Nach langer Verhandlung wurde schließlich der Deutsche Bund geschlossen und zum Aufbau einer politischen Föderation, die kennzeichnend föderativ und nicht zentral gegliedert war. Nur die deutschen Länder sollten Teil des Bundes werden, was die Habsburgermonarchie vor Probleme stellte, denn sie war ein Vielvölkerstaat. Seit Beginn der Neuzeit war das Reich (Römische Reich Deutscher Nation) eine föderative Nation, und nun sollte im Deutschen Bund diese Tradition der deutschen Nation, unter anderen Vorzeichen, weitergeführt werden. Nur Gebiete, in denen Angehörige der deutschen Kulturnation bzw. Deutschsprachige lebten, sollten Teil des Bundes werden, was auf den ungarischen Teil des Habsburgerreichs nicht zutraf. 32 Grundprobleme Neuzeit / Haug-Moritz Die gesellschaftliche und politische Ordnung wurde am Ende des Wiener Kongresses schließlich fertigformuliert: a. Konfessionelle Toleranz b. Landesständische Verfassung: Bestimmte im Vormärz wie die politische Teilnahme funktionieren sollte. Die Frage der Konstitutionen wurde aufgeworfen – Frage der Nation & Konstitution. In der Landesständischen Verfassung wurde die Restauration beschlossen, das Mitspracherecht sollte auf die vorrevolutionären Zustände beschnitten werden. Die frühen Eliten, der Adel, sollten wieder das Volk vertreten! Der Liberalismus: Als Reaktion der politischen Einschränkung des Bürgertums entstand der Liberalismus, der sich gegen die Landesständische Verfassung bzw. den Privilegien des Adels richtete. Diese neue politische Richtung hatte das Ziel eine Volksvertretung zu etablieren, was besonders im Vormärz ständig ein Thema war, bis die politische Mitbestimmung schließlich in der 48er Revolution eingefordert wurde. Nationalismusforschung: Literatur: Dieter Langewiesche, Nation, Nationalismus und Nationalstaat Der Nationalismus wurde nicht durch den Nationalstaatsgedanken begründet, sondern war mehr ein kultureller Nationalismus, bei dem die eigene Nation den Höchstwert darstellte. Ab Mitte des 19. Jahrhunderts wird dieser immer stärker, beginnend in den 1840er Jahren, sodass der Nationalismus schließlich zu einer gesamtgesellschaftlichen Bewegung wurde. Vor allem verband sich der Nationalismus sehr früh mit dem Liberalismus, weil sich beide Richtungen gegen die Obrigkeiten, gegen den metternichschen Polizeistaat, richteten. 1817 kam es bspw. zu den ersten Vorzeichen der Forderungen und Unruhen beim sogenannten Wartburgfest. Aber auch in Spanien, Portugal und Süditalien wurden politische Aktionen gestartet, worauf die kontinentaleuropäischen Staaten mit restriktiven Maßnahmen reagierten. Anhand der Restauration versuchten die konservativen Mächte eine Zurückdrängung der nationalen und liberalen Bewegung. Dies geschah mit dem System Metternich (Polizeistaat), der die Bürger somit ins Biedermeier drängte. 1818: Karlsbader Beschlüsse markieren die Pressezensur, Einschränkung der Autonomie der Universitäten und Aufhebung der Burschenschaften, die eine bedeutende Trägerschicht der nationalen und liberalen Ideale war. 1820: Mit der Wiener Schlussakte wurde das monarchische Prinzip, der Monarch ist Bezugspunkt der politisch-gesellschaftlichen Ordnung, durchgesetzt, womit der Volkssouveränität eine Absage erteilt wurde. Der Monarch entschied nun wie viel Mitsprache des Volkes er gewähren möchte, außerdem unterließen Österreich wie auch Preußen eine Verfassungsgebung. Vormärz: Zwei Wellen des national-liberalen Ideenguts überrollten nun Deutschland, die zuerst aber nur bei den Eliten ansprachen: (1) 1830: Französische Julirevolution, die die Restauration der Bourbonen beendete (2) 1840er: Durch das Entstehen eines Vereinswesens gewannen in der Zeit der Restauration neue Ideen an Bedeutung – Zeitstimmung Der Denker-Club! Die Vereine, verwandt mit den Sozietätenbewegungen des 18. Jahrhunderts, führten zur größten Breitenwirksamkeit (Sängervereine & Turnerverbände). 1100 Vereine mit insgesamt 100.000 Mitgliedern waren vorhanden. Sie waren Träger nationalen Gedankenguts, aber es war noch kein politischer Nationalismus, denn ihr Anspruch war kultureller Natur. Bürgerliche Mittelschichten waren die Träger, nicht mehr die Eliten, besonders in Städten! 33 Grundprobleme Neuzeit / Haug-Moritz 7. Einheit 1848/49er Revolution Dieses Ereignis war ein europäisches Geschehen, das drei Problemfelder betraf, welche in unterschiedlicher Weise verwoben waren: 1. National: Der Deutsche Bund reichte vielen Deutschen nicht, denn sie wollten eine Staatsbildung nach dem Nationalitätenprinzip. 2. Mitsprache: Dies war ein politisches Geschehen, denn die neuetablierten Eliten des 19. Jahrhunderts (Bürgertum, aber auch gewisse Teile des Adels) wollten politische Mitsprache. Hier war in Europa ein West-Ost-Gefälle zu beobachten, das von Frankreich bis nach Russland reichte. 3. Sozialverfassung: Eine Neuordnung der Verfassung für mehr soziale Gerechtigkeit wurde gefordert, die besonders im ländlichen Raum zur Diskussion stand. Auch hier gab es nationale Unterschiede, denn während in Frankreich die Bauernbefreiung bereits Fortschritte gemacht hatte und nun die Arbeiterfrage im Vordergrund stand, war es in Ost-Mitteleuropa noch anders. Zeitpunkt 1848: Die Revolution brach nach der großen Hunger- und Teuerungskrise der Jahre 1846/47 aus, zu einer Zeit, als es bereits wieder aufwärts ging. Ähnlich wie die Französische Revolution den Terreur zu einer Phase erleben musste, als das Ärgste bereits durchgestanden war, war auch im Jahre 1848 der Krisenhöhepunkt bereits überschritten. Der Schwerpunkt der österreichischen Geschichtsforschung liegt auf den Geschehnissen im Deutschen Bund, über die europäische Perspektive erfährt man etwas im Buch von Langewiesche. Die Aussagen über die 48er Revolution sind begrenzt, denn die Komplexität von 1848 ist groß, außerdem fand sie nicht in allen Ländern verschieden statt, sondern von Region zu Region: In Frankreich wurde der französische König im Februar 1848 gestürzt, und zu einer Signatur der Gewalt, bei 12-13.000 Toten. Das zentrale Moment von 1848/49 ist die mediale Dimension, so gab es eine breite Berichterstattung in der Zeitung, von der es zu dieser Zeit bereits 1700 Verschiedene gab. Die Berichterstattung war auch nicht objektiv, sondern pro oder kontra, sodass sich im Zusammenhang mit der Revolution die Publikationsarten veränderten. Die Zeitungen erreichten kleine Städte und das Land, außerdem verfügten die Vereine über selbstständige Publikationsorgane. Auslöser: Die zentrale Forderung war die Pressefreiheit, sodass die französische Erhebung auf den Deutschen Bund übergriff. Es kam zu spontanen unkoordinierten Volksbewegungen und Aufläufen. Die Bauern zogen vor die Schlösser, was der klassischen Protestform der Frühneuzeit entsprach. Diese Formen der Aktion richteten sich gegen die Symbole der ungerechten Herrschaft. Diese Zusammenrottungen erinnerten die Obrigkeiten an die Bauernkriege von 1525. Ein Spannungsfeld des gesellschaftlichen Umbruchs durchzog die Revolution, denn seit der Industriellen Revolution in Mitteleuropa hatte sich das Leben der Menschen verändert. Der Fortschritt wurde jedoch in erster Linie als etwas Übles wahrgenommen. Die Zielsetzung der Aufständischen richtete sich gegen die Kommerzialisierung der Agrarwirtschaft, was seit dem Beginn des Jahrhunderts vonstatten ging. Diese Aufständischen wollten eine Rückkehr zur idealisierten Vergangenheitsutopie. Dies galt auch für Bewohner der Städte, speziell den unteren Mittelschichten, dessen Protest sich gegen die Fabriken richtete. Sie protestierten gegen Industrialisier-, Kapitalisier- und Kommerzialisierung. Nicht die Besitzlosen waren die treibende Kraft, sondern Kleinbauern und -handwerker – 60% (Info von Opferlisten). 34 Grundprobleme Neuzeit / Haug-Moritz Führung der Revolution: Die Volksbewegung von 1848/49 wurde von einer intellektuellen Avantgarde überformt, welche die Forderungen aufnahmen und sich an die Spitze setzten. Es wurden die Märzforderungen aufgestellt: Presse- und Versammlungsfreiheit Schwurgerichte Wahl eines Parlaments Errichtung eines deutschen Verfassungsstaates Von März bis Mai wurden parlamentarische Versammlungen gebildet, was in einzelnen Ländern des Deutschen Bundes aber auch auf der Gesamtebene des Deutschen Bundes geschah – Versammlung in der Frankfurter Paulskirche. Die einzigen Staaten, welche keine parlamentarischen Tätigkeiten zuließen waren die zwei mächtigsten deutschen Staaten Preußen und Österreich. In der Paulskirche sollte eine gesamtdeutsche Bundesverfassung geschaffen werden, und wurde von allen deutschen Bundesgebieten mit Delegierten beschickt. Frankfurter Versammlung: Von Ende März bis zum beginnenden April 1848 tagte das Frankfurter Vorparlament, dem 574 Mitglieder angehörten. Sie waren Delegierte von Einzelländern aber auch prominente Verfechter. Der Bundestag in Frankfurt wurde aufgelöst, und allgemeine und gleiche Wahlen gefordert, was damals jedoch nur die Männer betraf, denn ein gewähltes Parlament sollte erstehen. Der Wahlbeschluss wurde vom Frankfurter Bundestag übernommen, sodass der Weg zu den Wahlen frei war. Der Bundesbeschluss wurde jedoch gefällt ohne über den Inhalt bzw. Folgen nachzudenken, denn diese Wahlen betrafen alle Länder des Bundes, deren Teilstaaten noch souveräne Länder darstellten. Somit wurde zu einem Verfahren zugestimmt, ohne sich mit den inhaltlichen Forderungen auseinander zu setzen. Mit Ausbruch der Revolution trat der österreichische Ministerpräsident Metternich zurück und eine neue Regierung, die den Motor der Protestbewegung stoppte, kam zum Zug. Als nämlich die Forderungen der ländlichen Aufständischen erfüllt worden waren, verstummten diese, denn sie hatten ihr soziales Ziel erreicht. Damit aber verschmälerte sich die soziale Basis der Revolution, die zunehmend zu einer Intellektuellenbewegung wurde – 75% Akademiker davon 60% Juristen im Frankfurter Parlament (sollten Verfassung schaffen). Dies entsprach bereits einer modernen Erscheinungsform, denn die heutige parlamentarische Form etablierte sich, somit war diese Verfassung nicht so schlecht wie später vielmals angenommen. Regierung Erzherzog Johanns: Es kam zur Etablierung einer Regierung unter der Leitung von Erzherzog Johanns, der in der Paulskirche die Regierungsverantwortung übertragen bekam. Nachdem sich diese Regierung etabliert hatte, kam es zur Auflösung des Bundestags, sodass Deutschland nun eine parlamentarische Monarchie geworden war. Österreich und Preußen jedoch erkannten die Militärhoheit dieser Regierung nicht an, sodass dem Regierungschef von vornherein für die Legislative die Exekutive nicht zuerkannt wurde. Trotzdem begann die Regierung mit der Aufnahme ihrer Regierungsgeschäfte und verabschiedete einen Grundrechtskatalog, der ähnlich wie die mosaischen Tafeln sakrales Bildwissen durch seine Form vermittelte. Dies sollte Stärke & Einheit symbolisieren, und im März 1849 kam es zur Verabschiedung der Reichsverfassung, mit der der Deutsche Bund regiert werden sollte. Nach dieser Verfassung galt nun statt dem Zensuswahrecht, das allgemeine Wahlrecht, womit sie die modernste Verfassung Europas geworden wäre, doch die Ratifizierung gelang nicht. 35 Grundprobleme Neuzeit / Haug-Moritz Problematik der Verfassung: Die Frage war, für welche Gebiete die Verfassung gelten sollte, denn speziell bei der Habsburgermonarchie aber auch bei Preußen, stellte sich das Problem von Gebieten, die nicht zum Deutschen Bund gehörten (Posen, Galizien, Ungarn,…). Besonders Ungarn bildete ein Problem, da die Stephanskrone nichts mit Deutschland zu tun hatte, denn sollte dieses Gebiet nun Teil einer Gesamtmonarchie werden oder nicht. Bei der Aufnahme dieser nichtdeutschen Gebiete würde nämlich das Haus Habsburg entgültig die Übermacht im Bund gewinnen, und das deutsche Kaisertum so eine neue Dimension erhalten, was aber naturgemäß von den Hohenzollern abgelehnt wurde. Während die Habsburger eine Aufnahme der gesamten Donaumonarchie forderten wurde König Wilhelm IV. von Preußen die deutsche Krone angeboten. Dieser lehnte jedoch ab, da er die Herrschaft nicht vom deutschen Volk bekommen wollte, er war Anhänger des Monarchischen Prinzips. So endete die Revolution in der Frage der deutschen Einigung schließlich ergebnislos und das Parlament löste sich auf. Teile dessen, das Rumpfparlament, gingen nach Stuttgart und setzten die Sitzung fort, was aber bedeutungslos war. Nur noch einzelne Aufstände ereigneten sich, und schließlich kam es im Juni 1849 zur entgültigen Auflösung, womit die Revolution gescheitert war. Gründe des Scheiterns: Hauptgrund dafür war die Unfähigkeit der früheren Trägerschichten, was die Revolution schließlich entkräftete. Heute wissen wir, dass das Geschehen ein Vielschichtiges war, denn auch die Etablierung der Verfassung wäre nicht die Lösung aller Probleme gewesen. Die Problematik war viel zu komplex, denn auch eine ökonomische Entwicklungs- und Emanzipationskrise hätte gelöst werden müssen. Die ökonomische Entwicklung erreichte Mitte des 19. Jahrhunderts einen Umschlagpunkt, denn die Industrialisierung und Kommerzialisierung ließ die alten Muster des ökonomischen Handelns nicht mehr wirken. Es entstand ein Spannungsbogen zwischen rückwärts & vorwärts, sodass sich Wirtschaftliche Interessensverbände Parteien Presse zu formieren begann! Das verschriftlichte Männerwahrecht wurde trotz des Scheiterns der Revolution bei den nachfolgenden Monarchien nicht vergessen! Zeitenwende Die Welt von 1918 hatte nichts mehr gemein mit jener von 1850, sodass die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts noch in der Tradition der Frühneuzeit stand, nicht jedoch mit dem modernen 19/20. Jahrhundert, deshalb erfolgt hier eine Zäsur! Schuld daran war der veränderte Prozess der Industrialisierung, der weitreichende Folgen für die Gesellschaft hatte. Die Frühneuzeitliche Ordnung begann sich aufzulösen, die vorwiegend aus Familie & Arbeit bestand. Die Gesellschaft kam in Bewegung, so erfolgte bspw. die Arbeitsmigration vom Land in die Städte ab 1850 (Urbanisierung), zur Auflösung altüberkommener Sozialverhältnisse, was das Problem der Pauperisierung1 aufwarf. 1 Pauperismus (zu lateinisch pauper: arm), Mitte des 19. Jahrhunderts entstandene Bezeichnung für die Massenarmut, die in Europa vor und zu Beginn der Industrialisierung auftrat. Durch die Auflösung von traditionellen Bindungen und Rechten der vorindustriellen Gesellschaft, wie z. B. von Zünften. 36 Grundprobleme Neuzeit / Haug-Moritz Diese Arbeitsproblematik traf alle Schichten und stürzte die Gesellschaft in ein Dilemma. Der ökonomische Mehrwert kam nun nicht mehr aus dem agrarischen Bereich, sondern es entstand ein kapitalistisches Wirtschaftssystem, das schließlich kritisch reflektiert wurde (Marx, Engels). Die politische Veränderung war nun unmittelbar relevant, so kam es auch in Deutschland und Italien zur Nationalstaatsbildung. Die Veränderung ging mit der Etablierung der großen Ideologien des 20. Jahrhunderts einher, entstanden sind sie in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Zum Ausbruch kam eine der wichtigsten mit der Russischen Revolution 1917, mit der der Marxschen Theorie Ausdruck verliehen wurde. Das dritte Argument der Zäsur ergibt sich in dem ereignisgeschichtlichen Raum der Frühneuzeit, denn bis in die Zeit um 1850 war eine sinnvolle Beschäftigung mit der europäischen Geschichte möglich. Im Laufe des 19. Jahrhunderts gewann vermehrt der außereuropäische Raum an Bedeutung, speziell der Atlantische. Ein sinnvolles Konzept der Neuzeit besteht darin, sich mit der Entwicklung auf Europa zu beschränken, nach 1850 stand die Nationalstaatsbildung aber unter globalen Vorzeichen. Seit ca. 1880 war der europäische Imperialismus prägend, es kam zum globalen Austausch von Menschen und Gütern. Auch die Vormachtstellung Amerikas und Europas gegenüber dem Rest der Welt bildet ein Merkmal, das bis heute noch besteht. Ständische Gesellschaft als thematische Einheit: Dieser Begriff stammt aus der Forschung, und wurde nach eigenem Selbstverständnis so benannt. Schon die Zeitgenossen betrachteten ihre Gesellschaft nämlich als sozial-ungleiche Gesellschaft, die aus drei Elementen bestand: Statisch – Hierarchisch – Harmonisch Die Gesellschaft beruhte auf dem Spiegelbild der (angenommenen) göttlichen Weltordnung, erst im 18/19. Jahrhundert veränderte sich dieses Weltbild (Aufklärung, Revolutionen). Dieses Bild entsprach noch der göttlichen Vorherbestimmung, die aufs Jenseits statt aufs Diesseits ausgerichtet war, was der Kirche noch einen hohen Stellenwert einräumte, der allmählich verfiel und das Weltbild war damit ein Abbild der göttlichen Schöpfungsordnung. Dieses Weltbild beruhte also auf der sozialen Ungleichheit, was aber nicht als etwas Schlechtes angesehen wurde, das man beseitigen sollte, sondern wurde durch die verschiedenen Privilegien sogar noch bestätigt. Die Infragestellung dieser Ordnung erfolgte in Deutschland erst 1848, in Frankreich 1789 (Freiheit – Gleichheit – Brüderlichkeit). Diese Ungleichheit der Lebensstile ist nicht ökonomisch erfassbar, denn es gab keine Klassen, denn es gab nur eine Differenz zwischen den Ständen bzw. Schichten. Diese Gesellschaft war eine harmonische Gesellschaft, denn für jeden galten gesellschaftliche Grenzen. Diese Denkvorstellung stammte noch aus dem frühen Mittelalter mit den Ständen Geistlichkeit – Adel – Rest der Bevölkerung. Diese Dreiständeordnung war in Gesamteuropa nicht begrenzt, sodass Konflikte nicht gedacht, weil Normabweichung, sondern nur in gesellschaftlichen Konflikten enden können, die zur Normalität gehörten: Jede Änderung der Gesellschaftsordnung muss mit Gewalt gelöst werden (Bauernaufstände, Religionskriege, Französische Revolution,…). Organisation der Gesellschaft: Das Ganze Haus bedeutete eine ständeübergreifende Ordnung, bei der der Lebensraum der Familie angepasst war. So wie die Gesellschaft war auch die Familie untergliedert, eine Familie bestand auch aus Gesinde (Knechte, Mägde), sodass sich die Personenanzahl im Haushalt zwischen 5-8 Personen belief. Sie lebten in einer sozialen Gemeinschaft (Hausväterliteratur) – Historiker Otto Bauer analysierte Haus & Familie als einen ökonomischen Raum. Das Haus stellte die kleinste Einheit der Gesellschaft dar, gesellschaftliche Normen waren für alle Menschen verbindlich. Der Haushalt des Fürsten war ähnlich dem Haushalt des Bauern 37 Grundprobleme Neuzeit / Haug-Moritz auf dem Land, obwohl die Verhältnisse heute verklärter erscheinen als sie waren. Diese waren nicht harmonisch, sondern es ging stets um den Besitz. Auch gab es in der Familie keinen Dreigenerationen Haushalt, wie viele annehmen, denn die Menschen sind nicht bis ins Großelternalter gekommen. Dieses Sozialmodell des Haushalts wurde ab 1850 aufgelöst, obwohl auch eine Zäsur um 1800 mögliche wäre. Hier wäre die Bevölkerungsentwicklung der entscheidende Faktor, welche anderen Gesetzmäßigkeiten folgte – Ermittlung anhand der historischen Demographie. Diese Forschungsrichtung konnte sich jedoch erst um 1900 etablieren, sodass man die Zeit davor als vorstatistisches Zeitalter bezeichnet. Für diesen Zeitabschnitt gibt es nur Hochrechnungen, mit der nur die Größenordnung, nicht jedoch die exakten Zahlen ermittelt werden können. Literatur historische Demographie – Pfister! Bevölkerungsentwicklung: Seit Mitte des 18. Jahrhunderts setzte ein kontinuierliches Bevölkerungswachstum ein, das nach dem Einbruch des 30jährigen Krieges begann. Erst heute erfährt Europa eine Stagnation bzw. einen Rückgang seiner Bevölkerung. Die Ursachen für das neuzeitliche wachsen der Bevölkerung: verbesserte Hygieneverhältnisse Anstieg der Geburtenzahl aufgrund der früheren Heirat – bis Mitte des 18. Jh. kam es zur Änderung des Heiratsmusters (European Marriage Pattern), denn bis dahin heirateten die Männer erst mit Ende der 20er Diese Entwicklung betraf den gesamteuropäischen Raum! Die Eheschließung am Beginn der Neuzeit war ein obrigkeitsbedingter Akt, bei dem auch die dörfliche Gemeinschaft und der Hausvater die Zustimmung erteilen musste. Das Kriterium war die Auskömmlichkeit, d.h. nur wenn die Selbstversorgung der Familie gewährleistet war durfte die Ehe geschlossen werden. Aufgrund der späten beruflichen Konsolidierung heirateten die Männer mit Ende, Frauen Mitte zwanzig. Dadurch konnte die Phase der weiblichen Fruchtbarkeit jedoch nicht ausgenützt werden, außerdem überlebten auch nicht alle Kinder. Die Unterschichten hatte kein Eheschließungsrecht, sodass im 16. Jh. außereheliche Geburten normal waren und erst während des 17. Jh. im Sinken begriffen waren. Der Grund dafür lag in den hohen Bevölkerungsverlusten während der konfessionellen Kriege, Bevölkerungsverluste wurden wieder ausgeglichen. Im 18. Jh. kam es zu einem beträchtlichen Bevölkerungsanstieg, der soziale und nicht religiöse Gründe hatte. Das Marriage Pattern wurde aufgelöst – es kam zur Vorstellung des Human Kapitals! Zum Ausdruck kam diese Denkweise in der zweiten Hälfte des 17. Jh. im Merkantilismus, perfektioniert unter Ludwig XIV. – Mehr Menschen bedeuteten nun mehr Geld, sodass man versuchte ausländische Fachkräfte anzuwerben (Brandenburg mit den französischen Hugenotten). Auch die lebensweltliche Situation war bedeutend für den Bevölkerungsanstieg, Zusammenhang zwischen Nahrungsmittelspielraum und Bevölkerung ist frappant. Mit dem Wachstum der Bevölkerung kam es jedoch auch zu einer steigenden Armut, die zum zentralen Problem des 19. Jh. wurde. Recht der Widmen/Waisen oder Saisonarbeiter wurde eingefordert – Preußen 1850: 3% Oberschicht, 30% Mittelschicht, 2/3 in Armut. Somit wurde die soziale Frage entscheidend in der 2. Hälfte des 19. Jh. Der Bauernstand wurde zum Fundament, denn er brauchte einen Hof um Bauer sein zu können, sonst wäre er Teil der unterbäuerlichen Schicht. Der bäuerliche Besitz wanderte in verschiedenen Formen der Besitzweitergabe, entweder Erbe für einen oder alle! Auch der freie Besitz wurde mit Ausnahme Englands & Spanien, wo Bauer nur das Nutzungsrecht besaß, weitergegeben (Ober- und Untereigentum). Besitz wird aufgeteilt – europäische Agrarverfassung! 38 Grundprobleme Neuzeit / Haug-Moritz 8. Einheit Die Gesellschaft in der Neuzeit Die Leute des 3. Standes (bestehend aus Bauern und Kleinbürgern) machten 98% der Bevölkerung aus. Sie bildeten jedoch die Rand- bzw. Untergruppen der Gesellschaft. Beziehung zwischen dem Bauern und dem Herren besteht aus Geben und Nehmen! Herren: bestehend aus lokalem Adel, Landesherrn (sehr selten), Klöster bzw. geistlichen Einrichtungen und wohlständigen Oberschicht (dem Adel sehr ähnlich). Es gab ein Abhängigkeitsverhältnis zwischen dem Bauern und den Herrn! Der (Landes)Herr übte über die Untertanen die Grundherrschaft aus, d.h. der Herr hatte alle Rechte über die Bauern, was ihm viel Macht über die Bauern gab. Bewirtschaftung vom Land (17.Jh.): Grundherrschaft Gutsherrschaft Diese Formen waren vor allem im Gebiet zwischen Kiel und Triest (Röm. Reich dt. Nation) verbreitet. Westlich davon gab es die Grundherrschaftliche, wo es nur in Frankreich manchmal Ausnahmen gab. Agrarverfassungstypen (Ausnahme England) Charakteristik der Grundherrschaft: Bäuerliches Erbrecht: Grundherr kann nicht viel mitbestimmen o Bauer war persönlich frei, denn mit dem Zahlen des Abzugsgeld (Abgabe) konnte er in die Stadt gehen und dort sein Glück versuchen o Bäuerliche Abgaben bestanden aus landwirtschaftlichen Produkten oder Geldleistungen Die Stellung des Bauern war also nicht so eine Schlechte! Charakteristik der Gutsherrschaft: 17. Jh.: Herrn versuchten das Land persönlich zu bewirtschaften o Bauern wurden vertrieben => Mecklenburg, Brandenburg o 2. Leibeigenschaft entstand, da die von der Vertreibung verschonten Bauern nun das Land bewirtschaften mussten o Schollenbildung – man durfte nicht vom Grund wegziehen: Nur mit Zustimmung des Herrn durfte der Bauer heiraten und Kinder mussten am Hof mitarbeiten Es kam zur steigenden Leistungsförderung (Frondienste) durch Arbeitshilfen! Somit galten die Bauern ihre Abgaben an den Gutsherrn mit Arbeitsdiensten ab – Hand- und Spanndienste Bauern standen unter der Gerichtsvormundschaft des Herrn, denn dieser war gleichzeitig Richter für den Bauer. 80-90% der Richter kamen aus dem Adelsstand! Abgaben: 1. Kirchenabgaben 2. Abgaben an den Landesherrn Die Steuern beginnen zu entstehen! 39 Grundprobleme Neuzeit / Haug-Moritz Situation um 1500 in Europa: Kommerzialisierung der agrarischen Produktion in Kontinentaleuropa. In England gab es kein feudales Abhängigkeitssystem sondern nur Pachtverträge, sodass Grund & Boden nach wie vor Eigentum des Herrn war, welches Dritten überlassen wurde. Die Geldleistungen wurden im (Pacht)Vertrag geregelt! Dieser Vertrag war viel dynamischer als das Feudalsystem, mit folgender Aufteilung: Freeholders: Erblichkeit des Landes wurde eingeräumt (20% der Bevölkerung) Copyholders: Es war schwierig bei diesen Bauern den Pachtvertrag zu kündigen Leaseholders: Will der Herr den Pachtvertrag verlängern? Potenzial für Landflucht war vorhanden! Situation um 1800 in Europa: Durch die Französische Revolution (Augustdekrete) kam es zur entgültigen Bauernbefreiung in Europa (außer Russland)! Die persönliche Abhängigkeitsbeziehung zwischen dem Bauern und Grundherrn wurde ersatzlos abgeschafft. Dass der Bauer unfrei ist wurde abgeschafft! Dies war nämlich mit den neuen Rechten nicht vereinbar – Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit! Die Leistung des Bauernstandes wurde nun gewürdigt: Teilhabe am Eigentum durch die Leistung des Bauern wurde nun entgolten! Das Land ging nun ins Eigentum des Bauern über – dafür ging nun Geld an den Grundherrn über. Somit gab der Grundherr einen Teil seines Grundes ab, bekam dafür jedoch eine Gegenleistung in Geld, was jedoch ein neues Risiko bedeutete! Preußischer Adel im 19. Jh.: der Adel konnte in den Zeiten der Bauernbefreiung die Situation noch mal ausnutzen und den Bauernstand ausbeuten, was die Kleinbauern in eine prekäre Situation brachte, dafür wurde ihnen jedoch die Auswanderung erlaubt. 1848er Revolution: Wurde zum Teil auch von der Bauernschaft ausgelöst, denn die Kleinbauern waren zunehmend vor eine unmögliche Situation gestellt, die es ihnen nicht ermöglichte den Lebensunterhalt zu erwirtschaften. Schuld daran war in zunehmender Weise die Industrialisierung, die in Europa nun voll in Gang gekommen war! Das Bürgertum Dies war die Bezeichnung für die Bevölkerungsschicht, welche vornehmlich in den Städten lebte. Als Bürger galt in der Frühneuzeit (bürgerliche Gesellschaft): 1. Stadtbewohner, der über Eigentum verfügte 2. Politische Teilnehmer – jeder, der sich am öffentlichen Leben beteiligte Definition der Stadt: Es gibt zu aller erst verschiedene Stadttypen, was von der Größe und der ökonomischern Struktur abhängig ist, bspw. Residenz-, Universitäts-, Handels-, Reichs- und später Industriestadt. 98,5% aller Städte waren sog. Zwerg-, Klein- und Mittelstädte, die zwischen 200 und 5000 Einwohner hatten. Ab 10.000 Einw. wurde sie als Großstadt bezeichnet und ab 100.000 Einw. galt sie bereits als Weltstadt. Als Ackerstädte bezeichnete man Städte die eine Gewerbe- und Marktfunktion hatte, im Unterschied zu den Weltstädten, die vornehmlich Fernhandel betrieben. Bis in 18. Jh. waren die Weltstädte ums Mittelmeer angesiedelt (Neapel, Genua, Venedig, Florenz,…), erst ab 40 Grundprobleme Neuzeit / Haug-Moritz 1800 kam es zu einer Nordostverlagerung (Antwerpen, Amsterdam, London, Hamburg,…), was mit der Zunahme des Atlantikhandels und Abnahme des Mittelmeeres als Drehscheibe des Handels zu tun hatte. Zeitenwandel: 1500 – Nur in England gibt es eine starke Stadtbevölkerung (London) 1800 – Jeder Zweite Europäer wohnt bereits in einer Stadt Als Bürger galten alsbald die männlichen Haushaltsvorstände (Familienoberhäupter), die in sich zwar differenziert, jedoch bald dem Stadtrat angehörten. Kleine Schicht der Bürger: Patriziat: Waren dem Adel sehr ähnlich und lebte von den Einkünften der Bauern Honratiorentum: Reiche Handwerker und Kaufleute Handwerker: Waren die größte bürgerliche Gruppe Alle diese 3 Gruppen durften in den Rat und waren somit vertreten! Im Laufe der Zeit waren aber schließlich nur mehr die Reichen im Rat vertreten, da die anderen kein Geld mehr hatten! Unterschichten & Randgruppen Hier war Armut das vorherrschende Merkmal, und diese Gruppen wurden je nach den Maßstäben der jeweiligen Gesellschaft charakterisiert! In der frühen Neuzeit gab es zwei Formen von Armut: 1. Primäre Armut: Soziale Gruppe, die von fremder Hilfe abhängig ist, um überleben zu können. Hatten nämlich kein eigenes Arbeitseinkommen bzw. keine Arbeitsgelegenheit oder waren krank oder behindert. Dadurch wurden diese Menschen meist zu Mittellosen, und erbettelten sich ihr Überleben. 2. Sekundäre Armut: Menschen können selber für sich sorgen, aber sie tendieren sozial nach unten und stehen oft an der Kippe, nämlich beim Existenzminimum. Auch sie sind von anderen abhängig, was besonders kleine Bauern und kleine Handwerker betraf. Der Grund war, dass alles teurer geworden war! Der Hunger und die Armut war für die Leute unvorstellbar – Wie sind die Menschen mit dieser verzweifelten Situation umgegangen? Sinnstiftungswelten und Handeln waren die Reaktion darauf! Protest & Aufruf aber auch Migration waren die Folgen (Reaktionsmuster im 18. Jh.)! In der gesamten frühen Neuzeit bis ins 19. Jahrhundert gab es so in Gesamteuropa soziale Unruhen. Im mitteleuropäischen Teil fand dies im Heiligen Römischen Reich statt, wobei hier eine existenzrechtliche Konfliktaustragung zunehmend bevorzugt wurde – Vorfahren der Rechtsstaatlichkeit. In anderen Teilen Europas war dies nicht so stark ausgeprägt (nicht einmal in England: Thompson, The Moral Economy of the Poor; entstanden im 18. Jh.). In den 1760/70er Jahren existierte ein bestimmtes Maß an Unruhe, in England wurde so die Lebensmittelversorgung dem Markt überlassen, sodass sich der Preis nach der Nachfrage richtete, und Angebot und Nachfrage sich regulierten. Es kam zu einer Getreideknappheit, was an Spekulationen lag, und eine Hungerkrise resultierte daraus. Nicht die Grundherren wurden nun in Frage gestellt, sondern diejenigen, welche den Profit erwarben und die Krise ausgelöst hatten. Daraus entstand die moralische Ökologie der Fürsorge – die Herren sollten sich der Fürsorgepflicht erinnern! 41 Grundprobleme Neuzeit / Haug-Moritz Hier wurde also nicht sozialrevolutionäres Gedankengut propagiert, sondern an die Fürsorge appelliert. Dieses zentrale Muster findet sich auch vor der Französischen Revolution – man will an die Verhältnisse von vorher anknüpfen! Folge: Brotunruhen (auch Frauen waren daran beteiligt) Über Protest soll eine Verbesserung herbeigeführt werden! Migration (2 Formen): Binnenimmigration (innerhalb der bestimmten Länder) Auswanderung (Migration zwischen den Ländern bzw. Kontinenten wie USA) Wanderung war öfters auch konfessionell bedingt, bspw. Hugenotten die im 17. Jh. aus Frankreich auswanderten. Im 18. Jh. wurde die Migration zum Massenphänomen (300.000 bis 1. Mill. Menschen). Allein nach Amerika wanderten im 18. Jh. zwischen 200.000 und 500.000 Personen aus. Zwischen 100.000-350.000 Menschen wanderten in den ostmitteleuropäischen Raum ein, wie die Donauschwaben. Viele dieser Menschen, besonders die Deutschen, flüchteten gegen Ende des 2.Wks wieder aus diesen Gebieten. Einwanderungsgebiete: Galizien: Zuwanderungsgebiet vor allem Juden (Ostjuden), durch Pogrome im Laufe des 19. Jh. wieder Flucht Richtung Westen. Russland: Attraktive Form des Bewirtschaftens! Migration setzte sich bis ins 19. Jh. fort, dramatische Anstiege dieser Emigration gab es besonders in Irland, nach der Hungerkatastrophe in der ersten Hälfte des 19. Jh. (Kartoffelfäule). England: Court – Country Frühe Neuzeit: Die politische Mitsprache des Parlaments war das spezifische Merkmal im europäischen Kontext. Die Menschen waren hier an den Besitz gebunden und Mitglied der Stände, wenn sie genug Besitz hatten. Die Französische Revolution bildet die große Zäsur in der Neuzeitlichen Geschichte, denn 1789 wurde die politische soziale Ordnung auf eine neue Grundlage gestellt, denn nun gab es demokratische Mitsprache. In England war dies nicht der Fall, denn hier war jede Form der politischen Mitsprache an das Eigentum gebunden, also waren nicht alle wahlberechtigt. Hoher & Niedriger Adel Hoher Adel: 42 Grundprobleme Neuzeit / Haug-Moritz Ungarische Magyaren Peers (England) Spanischen Gerauthen Niedriger Adel: Ritter und Freiherrn Gentry (England) Hydalgos (Spanien) Unterschied: Mitsprache im Gemeinwesen! Nähe zur monarchischen Spitze Wohlhabender, was aber zunehmend abnehmend ist sozial exklusiver, Hohe Aristokratie grenzt sich selber stark ab vom Niedrigen Adel o Exklusivitätsanspruch! Um ca. 1800 setzt sich schließlich eine scharfe Trennlinie zwischen beiden Gruppen durch, und es kommt zum Entstehen neuer Eliten – Spitze des Bürgertums mit dem Hochadel, was der staatstragende Prozess des 19. Jahrhunderts war. Diese Entwicklung war ein allmählicher Prozess und fand nicht schlagartig statt, weil das Know-How, Militär, etc. Zeit brauchte! Strategie des Obenbleibends förderte die Verfassung & Mitsprache! Kategorische Beschreibung an 4 exemplarischen Lebensläufen: Die Lebensläufe sind sozial vielschichtig und repräsentieren somit ein komplexes Bild der neuzeitlichen Gesellschaft! 1. Bauernleben des 17. Jahrhunderts: Johannes Hoos Sein Vater war spät verheiratet, was mit dem 30jährigen Krieg im Zusammenhang stand, da hier das Heiratsalter nach oben ging. Seine Schwestern waren nicht erbberechtigt und nach dem Tod seiner ersten Frau heiratete er bereits ein halbes Jahr darauf. 1689 heiratete Johannes Hoos das erste Mal, aus dessen Ehe von 4 Kindern nur 1 überlebte, aus der zweiten Ehe überlebten von 12 Kindern nur 4 (Mädchen), die nicht erbberechtigt war. Bereits mit 16 Jahren wurde Johannes der Erbe des väterlichen Hofes, bis im Jahre 1724 (54 Jahre) dieser an die älteste unverheiratete Tochter fiel, sodass die Kinder Johannes Hoos im Alter umsorgen mussten. 2. Jüdische Frau um 1700: Glikl Dieser Lebenslauf soll die Situation der jüdischen Gruppe als Randgruppe beleuchten, denn sie hatten nur ein minderes Recht und waren machtlos. Die Obrigkeiten genehmigten Aufenthaltsrecht, Minderheiten mussten aber einen Schutzbrief kaufen, durften nur im Handel und der Geldwirtschaft tätig werden und waren sonst von allen gesellschaftlichen Tätigkeiten ausgeschlossen. Die Juden waren eine heterogene Gruppe, und bestanden aus wohlhabenden Menschen, vermehrt im Großhandel tätig und hatten ein internationales Beziehungsnetz aufgebaut. Auf der anderen Seite waren sie oft das Opfer von Vertreibungen und Pogromen, so wurden sie um 1500 aus Spanien & Portugal vertrieben und wanderten vornehmlich in den niederländischen Raum, nach Hamburg (Glikl), London und später nach Amerika aus. In Deutschland wurde die jüdische Bevölkerung als Aschkenasen bezeichnet, die jedoch nicht sehr wohlhabend waren. Diese Aschkenasen lebten in einem spannungsreichen Klima und waren am Beginn der Neuzeit meist am Land zu Hause. Es kam auch zu Judenpogromen in Worms und Speyr, außerdem war der Adel gegen diese Geldwirtschaft, sodass die Juden ausgesiedelt wurden. Im Ostjudentum erfolgte der Handel mit den 43 Grundprobleme Neuzeit / Haug-Moritz Bauern, und es kommt zu Versuchen illegal in den Städten einzuwandern, bspw. nach Wien im 18. Jh. Verhältnis zwischen Christen & Juden: Klischee des ewig wandernden Juden, Stereotypen brechen auf, bspw. Juden als Brunnenvergifter, Hostienschänder,… Religiös motivierte Judenfeindschaften stehen an der Tagesordnung, dagegen wird der konvertierte Jude als ein angesehenes Mitglied der Gesellschaft angesehen (keine biologische Diskriminierung). Somit ist der nationalsozialistische Antisemitismus nicht mit diesem gleichzusetzen, denn erst um 1900 wird die Judenfeindlichkeit zu einem rassistischen politisch-gesellschaftlichen Prozess. Jüdische Pogrome waren somit eher die Ausnahme (Judenhut)! Der jüdischen Bevölkerung kam zugute, dass sie dem Kaiser unterstellt waren und somit seinen Schutz genossen. Glikl gehört dieser Gruppe an, und dies wissen wir aus ihrer Autobiographie. 1636/37 wurde sie geboren, und ihre aschkenasische Familie konnte in Hamburg Fuß fassen. Ihre Eheschließung erfolgte in sehr jungen Jahren, denn schon mit 15 war sie zum ersten Mal verheiratet, hatte schließlich 14 Kinder wovon 12 überlebten. Diese waren dann eine große Stütze für die Mutter, was die eigene Geschäftstüchtigkeit unterstrich, denn Glikl lebte 10 Jahre allein als Textilhändlerin und ihre Kinder lebten verstreut. 44 Grundprobleme Neuzeit / Haug-Moritz 9. Einheit Vom letzten Mal: Was war das Verbindende zwischen den 3 Lebensläufen bzw. wo lagen die Parallelen? Die Kontinuität war die Lebensunsicherheit der verschiedenen Menschen, bspw. die hohe Kindersterblichkeit. Die meisten Menschen starben in den ersten 5 Lebensjahren, was mit folgenden Faktoren zusammenhing: Ökonomische Situation Häufigkeit von Kriegen, besonders während des 30jährigen Krieges Lebensunsicherheit aufgrund des religiös geprägten Sinnmusters Literatur: Präger, Formen eines Religionsverständnisses der Volksfrömmigkeit Die Religion bestimmte als Selbstverständlichkeit alle Formen der Weltordnung bis ins 19. Jh. Das Wissen hat sich mit der Zeit religiös entladen, was mit den schwierigen Lebensumständen zu tun hatte. Der eigene Haushalt diente als Identitätsmerkmal: Absetzung von den Unterschichten Haus als sozialer Status Privates Leben wird nach dem Haushalt ausgerichtet Durch die Ehe konnte man sich eine materielle Grundlage schaffen Der Durchschnittsbürger wohnt in der Neuzeit in kleinen Dörfern, also innerhalb eines kleinen geschlossenen Lebensraums, wobei die Ehe dazu dient, dass Besitz zusammengefügt wird, Emotionen & Zuneigung standen erst an zweiter Stelle. Ebenfalls bis weit ins 19. Jh. existierte Das ganze Haus, wobei das Öffentliche und Private ganz anders gehandhabt wurde, als heute. Produktion und Reproduktion waren bis in die erste Hälfte des 19. Jh. nicht getrennt, erst danach kam es zur Unterscheidung. Außerdem gab es keine Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern bis ins letzte Drittel des 20. Jahrhunderts. Mit der Industrialisierung löste sich die Lebensgemeinschaft allmählich auf! Veränderung im 18. Jh.: Wird als das pädagogische Jahrhundert bezeichnet, da die Bildung sich nun zu verändern begann: Ausweitung der institutionellen Strukturen des Bildungssektors – größere Differenzierung der Schultypen, neben der Grundschule und dem Gymnasium wurde nun auch die Realschule eingeführt. Gelehrtenbildung: Europäische Akademien wurden gegründet, sodass ein europaweites Gelehrtennetzwerk entstand. Bildung war zutiefst konfessionell geprägt. Mit dem Katechismus wurde das theologische Wissen für die Allgemeinheit bereitet und nahm im Elementarschulbereich eine wichtige Rolle ein. Reformschulen des 18. Jh.: Diese zielten auf die Jugendlichen ab, und nach Absolvierung dieser Schulen besuchten sie konfessionelle Anstalten. Die Reformschulen waren vor allem sehr praxisorientiert, sodass in der Mittelanstalt der Soldat, Künstler oder Handelsmann die Grundwissenschaft für den späteren Beruf erlernen konnte. Er lernte keine alten Sprachen mehr und der theologische Aspekt war nicht mehr vorhanden, sodass das Nützliche und Praktische nun im Vordergrund stand, was auf der Aufklärung basierte, welche besonders in Deutschland die Nützlichkeit in den Vordergrund stellte. Erst durch Humboldt wurde die Bildung wieder als Eigenwert gesehen, und nicht die Ausbildung: Bildung statt Ausbildung! 45 Grundprobleme Neuzeit / Haug-Moritz Leserevolution: Diese setzte ab Mitte des 18. Jh. ein, und dieses neue Leseverhalten führte zur vollständigen Veränderung des medialen Marktes. Als um 1500 der Buchdruck sich bereits weit verbreitet hatte wurde es möglich, Wissensstände die zuvor nur dem Adel, den Klöstern oder den Städten zugänglich waren auch für die anderen Schichten zu öffnen bzw. zugänglich zu machen. Dies führte zur Entstehung der Druckmedien, Angebot & Nachfrage begann den Markt zu bestimmen. Das Produkt sollte billig zu erstehen und leicht zu verstehen sein. Im 16. Jh. begann die technologische Innovation sich von Mainz aus auszubreiten. Vor 1500 hießen die Bücher Inkunabelsammlung! Im 17. Jahrhundert entstanden neue Formen der Distribution, so wie das Postnetz, mit dem die Zeitung Verbreitung finden konnte. Mit der Alphabetisierung fand die Literarisierung statt, denn wer schreiben konnte, dem war es in der Regel auch möglich zu lesen. Die Zahlen des Alphabetisierungsgrades schwanken von Region zu Region, und besonders zwischen Land und Stadt gibt es einen großen Unterschied. Jede allgemeine Aussage über die Fähigkeiten der Bevölkerung lesen und schreiben zu können muss also mit Vorsicht genossen werden. Im ausgehenden 18. Jh. lag die durchschnittliche Lesefähigkeit aber bei mindestens 15%. In den Städten war es zu einem massiven Zuwachs gekommen, sodass hier bis zu 100% der Schrift mächtig waren. 1830: Der Alphabetisierungsgrad beträgt 40%, die Rolle des Bildungsvermittlers wird immer wichtiger, sodass die Druckmedien gut vermittelt werden müssen. In Wirthäusern wurden Zeitungen ausgelegt, und durch das laute Vorlesen konnten auch Analphabeten Gedankengut vermittelt werden. Die Tatsache, dass die Prozentzahl der Leser ansteigt bestätigt das Vorhandensein der Leserevolution. Es kommt zur Veränderung des Leseverhaltens, statt sich der gemeinsamen Wiederholungslektüre zu widmen, wie der Bibel, Erbauungsschriften, Predigten oder Hausbüchern, schaffte man den Übergang zur intellektuellen Lektüre der Druckermedien (Zeitungen, Zeitschriften). Die Leserevolution hat mit der Kommerzialisierung zu tun und mit der Ausweitung der Printmedien. Besonders die volkssprachliche Literatur erfuhr einen erheblichen Zuwachs, zu Buchmessen gab es bspw. Kataloge. Auch die Art der Buchproduktion veränderte sich stark, denn die Erbauungsliteratur machte nun nur mehr 5% aus, während die schöngeistige Literatur von 3% auf 27% sprang. Der Zeitschriften- und Zeitungsmarkt expandierte ca. 200 politische Zeitungen vor der Französischen Revolution, sodass sich die reaktionären Monarchien bald mit der politischen Zensur dagegen wehrten. Besonders die Form der Ausbreitung bildete für die Zensur ein großes Problemfeld, obwohl die Zensur im mitteleuropäischen Raum zunächst kaum Wirkung hatte, da kein starker Staat vorhanden war. Erst ab 1800 (Höhepunkt war der metternich’sche Polizei- und Überwachungsstaat) gewann sie hier an Kraft! In England wurde die Zensur Ende des 17. Jh. abgeschafft, Joseph II. hob sie 1781 auf und mit beginn der Revolution in Frankreich wieder eingeführt. Frankreich hatte bis zur Revolution eine zentralisierte Zensur, wobei der letzte Zensor ein Aufklärer war. Die Zensur war bis 1800 strukturell schwach! Lesevereine: Neue Formen des Lesens beginnen sich herauszubilden, wie bspw. sog. Lesegesellschaften, die ab 1720 in Europa entstehen, wobei die Schweiz der Ausgangspunkt dafür war. Diese stiegen auf 600 solcher Gesellschaften an, doch waren deren Mitglieder stets Männer! 46 Grundprobleme Neuzeit / Haug-Moritz Diese Lesevereine funktionierten ständeübergreifend, sodass sich Eliten finden konnten. Mit den Mitliedergebühren konnten Bücher angeschafft werden und durch den Rotationsdruck konnten die Auflagen gesteigert werden. 1848, am Höhepunkt der Revolution, konnte die Presse sogar zur 4. Gewalt werden. Wirtschaftliche Ordnung: Diese bestand aus der Produktion in der Landwirtschaft, dem Gewerbe und dem Handel. Die Landwirtschaft war der wichtigste ökonomische Sektor bis Mitte des 19. Jhs. – Agrarische Epoche. Während der gesamten Zeit bis 1800 waren 80-90% der Bevölkerung auf dem Land tätig und lebten von agrarischen Erträgen, dessen Zahl nur langsam sank. Bis ins ausgehende 18. Jh. gab es eine technologische Stagnation im agrarischen Sektor, was vor allem mit der mangelnden Innovation zu tun hatte. Die Produktivität variierte jedoch auch innerhalb Europas sehr stark, denn während durchschnittlich ein Verhältnis von 1:5 war, gab es in Russland nur eines von 1:3 (ein Bauer ernährte nur drei Menschen). In den Niederlanden gelang es schließlich das Verhältnis von 1:11 zu steigern, während in Russland die längste Zeit keine Veränderung eintrat. Die entscheidende Steigerung fand in den 1950er Jahren statt, durch die Erfindung des Kunstdüngers! Bis dahin war der Hunger als Erscheinung für diese Zeit kennzeichnend: England: 16. Jh.: 12 Hungersnöte 17. Jh.: 4 … => europäischer Durchschnitt war höher 18. Jh.: 5 … 19. Jh.: 1 … => Napoleonische Kontinentalsperre löste diese aus! => Mit Irland ein zweites Mal 1846-49 – Kartoffelpest! Agrarische Revolution: Die Infektionsanfälligkeit war durch den niedrigen Lebensstandard sehr hoch, sodass das Überleben nur mittels ausreichender Lebensmittelversorgung möglich war. Damit war der Nahrungsmittelmangel der erste Schritt zur Bevölkerungsreduktion (Hungernot in der Ukraine Mitte der 30er)! Durch den Ausbau der Anbauflächen gelang es den Ertrag zu steigern, sodass Hungersnöte ab dem 19. Jh. immer seltener wurden. Zuvor waren agrarische Krisen immer verbunden mit Arbeitskrisen, welche die ganze Gesellschaft ins Wanken brachte. Literatur: Aebel, Agrarkrise & Agrarkonjunktur Durch die Kleine Eiszeit bspw. kam es so zur Eskalation und im weiteren Fall zur konfessionellen Krise, aus deren Folge der 30jährige Krieg resultierte. Durch die enormen Bevölkerungsverluste sank die Nahrungsmittelnachfrage, Land konnte wieder bebaut werden und Wüstungen entstanden wo vorher bevölkertes, kultiviertes Gebiet war. Besonders in Ostmitteleuropa war der Adel durch die Krise besonders hart betroffen, sodass erst im 18. Jh. durch die Agrarrevolution eine Änderung eintreten konnte, welche die Krise am Land überwand. Diese Revolution fand in Europa zu unterschiedlichen Zeiten statt, so gibt es hier ein starkes Ost-Westgefälle. Auch war diese Revolution nicht schlagartig, sondern die Verbesserungen fanden in kleinen Bündeln statt, die stärkste Änderung wurde erst im 19. Jh. augenscheinlich: Bauernbefreiung im 19. Jh. – damit kam eine erhebliche Dynamik zustande Abschaffung der Brache – Fruchtwechselwirtschaft etabliert sich: Abwechslung zwischen Halm- und Blattfrüchten, außerdem Viehhaltung, was für den nötigen Dünger sorgt Kartoffelanbau lässt die Hungersnöte in Europa verschwinden Landwirtschaftliche Geräte – Holzpflug wird durch den Eisenpflug ersetzt o Sä- und Dreschmaschinen wurden erfunden 47 Grundprobleme Neuzeit / Haug-Moritz Saatgut wird ausgewählt, außerdem werden nun Pferde statt Ochsen eingesetzt, sodass die Pflugleistung verdoppelt werden kann Die Agrarrevolution war begleitet durch eine neue Form des Nachdenkens über die Landwirtschaft, und reichte bis weit ins 18. Jh. hinein. Mitte des 18. Jahrhunderts entstand die Hausväterliteratur, auch die Wirtschaftstheorie des Physiokratismus entstand, die den Stellenwert der Wirtschaft anders bewertete. Eingeleitet wurde diese neue Denkform durch Quesnay und seiner Tableau économique (1758). Die Erkenntnis war, dass die landwirtschaftliche Produktion die Grundlage der gesamten ökonomischen Situation ist. Es entwickelte sich ein Gedankengut, dass mit der Laisser-faire Formel ihren Ausdruck fand. Nach diesem Gedanken „bewegte sich die Welt von selbst“, d.h. dass die Wirtschaft nicht staatlich gesteuert werden sollte, was sich schließlich mit allen Konsequenzen in England schließlich durchsetzte. Diese „freie“ Wirtschaft ging vor allem auf Kosten der Arbeiterschaft, welche die sozialen Konsequenzen tragen musste. Physiokraten: War eine französische Schule der Volkswirtschaft, im 18. Jahrhundert von François Quesnay begründet. In seinem Werk Tableau Économique (1758) stellte er die Wirtschaft als Kreislauf dar. Weitere berühmte Physiokraten waren Pierre Samuel du Pont de Nemours sowie Victor Riqueti und Marquis de Mirabeau. Die Physiokraten waren Gegner der vorherrschenden merkantilistischen Lehre. Die Merkantilisten häuften Edelmetalle an, um den Staat reicher zu machen. Handelsbeschränkungen verhinderten den Abfluss von Gold und Silber. Die Physiokraten glaubten an das Naturrecht und behaupteten, dass die Laissez-faire-Wirtschaft die erfolgreichste und rechtschaffenste Gesellschaft schaffen werde. Sie traten für den Freihandel ein. Sie behaupteten auch, dass nur die Landwirtschaft Vermögen erzeugen könne, wogegen es in Handel und Industrie nur zirkuliere. Die Physiokraten waren während der sechziger Jahre des 18. Jahrhunderts recht einflussreich. Ihre Ideen über die freie Marktwirtschaft inspirierten Adam Smith. Doch lehnten er und sein Anhänger David Ricardo die physiokratische Sicht der Landwirtschaft ab. Die Physiokraten waren auch der Ansicht, dass auf jedem freien Markt ein gerechter Preis existiere. Sie meinten außerdem, dass eher die Landbesitzer als die Bauern Gewinne aus Grund und Boden erhalten sollten. Daher werden die Physiokraten eher als Systematisierer mittelalterlicher, moralistischer Wirtschaftsideen und weniger als Begründer der modernen Ökonomie angesehen. Die Physiokraten waren am einflussreichsten, als Anne Robert Jacques Turgot, ein enger Verbündeter, im Jahr 1774 zum Finanzminister Frankreichs ernannt wurde. Sein Interesse an der Volkswirtschaftslehre war ein Angriffspunkt für seine politischen Gegner. Als er 1776 entlassen wurde, vertrieb man die Physiokraten. Doch gehen einige der politischen Richtlinien, die mit der Französischen Revolution verbunden werden, wie z. B. die Befreiung des Getreidehandels (1789) sowie eine Landsteuer (1790), auf ihre Ansichten zurück. Durch den Einfluss der Physiokraten wurden Landwirtschaftsvereine oder landwirtschaftliche Hochschulen gegründet, die Erste im Jahr 1818 – war ein Zeichen der agrarischen Revolution. Die agrarische Revolution war somit das Ergebnis der Verwissenschaftlichung der landwirtschaftlichen Produktion! Deshalb gibt es in der 3. Welt nach wie vor keine wettbewerbsfähige Landwirtschaft! Gewerblicher Sektor: Die Struktur war gekennzeichnet durch eine hohe Konstanz, so gab es im Textilgewerbe eine konsumnahe Produktion – Güter des täglichen Bedarfs standen im Vordergrund (Lebensmittel). Literatur: Winfried Reininghaus, Gewerbe in der Frühneuzeit! 48 Grundprobleme Neuzeit / Haug-Moritz In der Frühneuzeit waren erst 10% in der Metallerzeugung bzw. -verarbeitung tätig, dafür war die Textil- und Bekleidungserzeugung dominant, weil sie breit gefächert war und viele Materialien verarbeitete. Besonders die Produktionszweige wie das Spinnen eines Garns waren weit verbreitet, was auch im Haushalt getätigt werden konnte. Das Gewerbe lief ziemlich gut, da der Ankauf von Kleidung jeden Menschen betraf, sodass von der Luxusnachfrage bis zur Nachfrage einfacher Stoffe (Baumwolle wurde zum Schlüsselwerkstoff) alles gefragt war. Die Produktionsformen blieben bis zur Einführung der Gewerbefreiheit bestehen, bis dahin herrschte die Zunftproduktion (Zusammenschluss von Handwerkern eines bestimmten Zweiges, was materielle Sicherheit der Mitglieder gewährleistete, Meister wurden eingeschränkt und es gab kartellhafte Absprachen, dafür aber auch einen gewissen Qualitätsanspruch. Religiosität war sehr wichtig, so wurden von Zünften Altäre gesponsert, sodass Zünfte auch religiöse Gemeinschaften waren und die Geschichte einer Stadt mitprägten). Heute betont man die Überschneidung der zünftischen Produktion, die sich mit neuen Formen der gewerblichen Produktion vermischte. Kapitalismus: Schon Anfang des 16. Jh. tritt das Verlagssystem in Konkurrenz mit den Fuggern, dies war die Situation in der ersten Hälfte des 16. Jh. in Italien und Deutschland. Der Frühkapitalismus am Ende und der Mitte des 17. Jh. wurde im 18. Jh. dann wieder ziemlich stark. Verlagssystem: Rohstoffe werden von reichen Leuten gekauft und am Markt schließlich weiterverkauft, was besonders im 18. Jh. von Bedeutung war. Take Offs der gewerblichen Produktion in der Gewerbelandschaft, es kommt zum Zusammenhang zwischen Stadt & Land, dieses Zusammenwachsen fördert die Produktion als Staatsgebiet! Jenseits Schlesien bzw. der Elbe konnte sich keine Gewerbelandschaft entwickeln, während diese besonders in den Mittelgebirgsregionen sich ziemlich verbreiteten. Manufakturproduktion: Gewann erst im 19. Jh. an Bedeutung, und der Unterschied zu früheren Produktionsformen war, dass die Arbeiter kein Eigentum besaßen, also nur Angestellte waren. Die Arbeitsteilung war das kennzeichnendste Merkmal dieser Produktionsform, auch der Einsatz von Maschinen war ein weiteres Kennzeichen, obwohl diese noch meist durch Wasserkraft betrieben wurden. Mit der Erfindung der Dampfkraft entwickelten sich aus den Manufakturen die Fabriken, die in der zweiten Hälfte des 18. Jh. zu entstehen begannen. Wirtschaftstheorie: Der Merkantilismus war die Wirtschaftsform, die vor dem Physiokratismus vorherrschend war. Die Bezeichnung stammt von Adam Smith, Begründer des Laisser-faire-Prinzips, und geprägt wurde der Merkantilismus von Jean Baptiste Colbert (1619-1683), der in der franz. staatlichen Finanz tätig war – Colbertismus = Merkantilismus! In Deutschland wurde er als Kameralismus bezeichnet, besonders im süddeutschen Raum und im Habsburgerreich wurde diese Form gelehrt – wichtigste Vertreter waren Johann Joachim Becher und J. Justi. Kameralismus: Von lateinisch camera: „Kammer”, die fürstliche Finanzverwaltung. Spezielle Variante des Merkantilismus in den absolutistischen deutschen Fürstentümern im 17. und 18. Jahrhundert, Vorform der Nationalökonomie und Volkswirtschaftslehre. Angesichts der Folgen des Dreißigjährigen Krieges (u. a. Rückgang der Bevölkerungszahl um fast die Hälfte, Ver49 Grundprobleme Neuzeit / Haug-Moritz nichtung eines großen Teils der Produktionsmittel, wirtschaftliche Notlage) zielten die Wiederaufbaumaßnahmen der Territorialfürsten auf die Wiederherstellung wirtschaftlicher Verhältnisse, die ihnen selbst hohe und stabile Einkünfte sicherten. Dem diente auch die Förderung der Landwirtschaft (u. a. durch Urbarmachungen und Siedlungsbau), des Gewerbes (u. a. durch Anwerbung ausländischer Handwerker und Ausbau des Manufakturwesens) und des Handels. Wissenschaftlich begründet wurde diese Frühform des Staatsinterventionismus vom Kameralismus bzw. den Kameralwissenschaften, für die 1723 und 1727 Lehrstühle in Halle und Frankfurt an der Oder eingerichtet wurden. Ihre prominentesten Vertreter waren Johann Joachim Becher (1635-1682), Veit Ludwig von Seckendorf (1626-1692), Philipp Wilhelm von Hornigk (1640-1714), Johann H. G. von Justi (1717-1771) und Josef Freiherr von Sonnenfels (1733-1817). Als Kameralistik wurde die Rechnungsführung der öffentlichen Verwaltung und der ihr angeschlossenen Unternehmen bezeichnet, schließlich auch der Gesamtkomplex der die öffentlichen Aktivitäten umfassenden Disziplinen (Finanz-, Wirtschafts-, Verwaltungslehre, Rechtswissenschaft, insgesamt auch als Polizeiwissenschaft bezeichnet). Unterschied zu Merkantilismus: Im Kameralismus wurden die Fürsten ordnungspolitisch tätig, die Polizeiregelung und Polizeigesetzgebung regulierte nun alle Bereiche der menschlichen Existenz, sodass der alles regulierende Staat entstand, der für alle Belange menschlicher Existenz zuständig war. Merkantilismus: Grundaxiom als bedeutsame volkswirtschaftliche Theorie, die nicht mehr allein auf das Haus sondern auf den Wirtschaftskreislauf abzielt. Der Binnenhandel innerhalb des Gemeinwesens wird bedeutsam und tritt in den Mittelpunkt des staatlichen Interesses, besonders das Geld spielte dabei die überragende Rolle. Aktive Handelsbilanz spielte darin die große Rolle, Geld sollte im Land bleiben, nach dem Motto „Billige Rohstoffe einführen und Fertigprodukte im Ausland teuer verkaufen!“. Diese Handelspolitik führte England mit seinen Kolonien, speziell den 13 nordamerikanischen Kolonien, und war einer der Hauptgründe für den amerikanischen Unabhängigkeitskrieg. Bereits 1773 erster Höhepunkt mit der Bostoner Tea Party war bereits der erste Hinweis auf den wachsenden Widerstand der Kolonisten. Im Merkantilismus ging man nicht vom Denken des Wirtschaftswachstums aus, sondern glaubte, dass es nur einen wirtschaftlichen Gesamtrahmen gäbe, „je besser es unserer Wirtschaft geht, desto mehr schaden wir den anderen Wirtschaften!“. Dies entsprach einem Nullsummenspiel, es gab nach Ansicht der Merkantilisten nur Verlierer und Gewinner. Innenpolitisch wirkte diese Wirtschaftsideologie, indem man dachte, die Bevölkerungszahl müsse groß sein, um eine möglichst hohe Produktion zu bewerkstelligen. Der Staat selbst war als Akteur tätig, mit all seiner außenpolitischen Konsequenz. Besonders die Zollpolitik wurde massiv betrieben, wogegen Adam Smith als Gegner des protektionistischen Systems auftrat. Der Merkantilismus war zwar wenig erfolgreich, galt damals aber als eine neue Innovation! Beschreibung des Merkantilismus: Merkantilismus, Wirtschaftspolitik der absolutistischen Staaten im 16. bis 18. Jahrhundert. Oberstes Ziel der merkantilistischen Wirtschaftspolitik war es, Geld für die Staatskasse zu beschaffen, um so die Macht des Staates zu stärken. Denn für Söldnerheere und Berufsbeamtentum benötigten die Staaten viel Geld. Sie strebten eine aktive Handelsbilanz an, d. h. mehr Export als Import, um möglichst viel Gold und Silber ins Land zu holen. Die Exportindustrie (Manufakturen) wurde durch Privilegien gefördert. Der Export von Rohstoffen wurde gehemmt, ebenso der Import von Fertigprodukten. Das Bevölkerungswachstum wurde begünstigt, da dem Produktionsfaktor Arbeit große Bedeutung 50 Grundprobleme Neuzeit / Haug-Moritz zugemessen wurde. Kolonien wurden gegründet und ausgebeutet, um die Mutterländer mit Edelmetallen zu versorgen und mit Rohstoffen, von denen die Exportindustrien abhingen. In den einzelnen europäischen Ländern war der Merkantilismus unterschiedlich ausgeprägt, z. B. in Deutschland als Kameralismus, der u. a. eine großzügige Einwanderungspolitik (Peuplierungspolitik) verfolgte; oder als Colbertismus in Frankreich, wo die Entwicklung des Gewerbes durch den Staat im Vordergrund stand. In England konzentrierte sich der Staat auf die Förderung der Nachfrage nach Produkten der einheimischen Textilindustrie und auf die Kolonialpolitik. Im 18. Jahrhundert wurde der Merkantilismus in England von der klassischen Nationalökonomie abgelöst, in Frankreich von der physiokratischen Lehre. In Deutschland bestimmte er noch im 19. Jahrhundert die Wirtschaftspolitik! Klassische Nationalökonomie: Der britische Nationalökonom Thomas Malthus vertrat die Auffassung, dass die Bevölkerung schneller wachsen werde als das Nahrungsangebot, das für ihre Ernährung benötigt würde. Dieses übermäßige Wachstum, so seine These, würde durch Hungersnöte, Krankheiten und Kriege korrigiert werden. Mit dieser Theorie stand Malthus zunächst im Gegensatz zur damals allgemein akzeptierten Ansicht, die Fruchtbarkeit einer Gesellschaft führe sie zu wirtschaftlichem Fortschritt. Erst allmählich fanden seine Überlegungen immer mehr Anhänger. Die klassische Nationalökonomie begann mit Adam Smith in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Sie wurde vor allem von den britischen Nationalökonomen Thomas Robert Malthus, David Ricardo und John Stuart Mill fortentwickelt sowie von dem Franzosen JeanBaptiste Say. Die klassischen Nationalökonomen vertraten eine liberale Wirtschaftspolitik mit einer marktwirtschaftlichen Wirtschaftsordnung. Der Staat solle sich aus dem Wirtschaftsleben ganz oder weitgehend heraushalten und den Einzelnen selbstverantwortlich und im Eigeninteresse handeln lassen. Wie durch eine „unsichtbare Hand” werde dann öffentlicher und privater Nutzen miteinander in Einklang gebracht. Die klassischen Nationalökonomen forderten Freihandel, vollkommenen Wettbewerb und das Recht auf Privateigentum. Alles zusammen führe zum Wohlstand der Nation. Nach dem Say’schen Theorem (von Jean-Baptiste Say) ist in einer Wettbewerbswirtschaft die Gefahr von Arbeitslosigkeit und Produktionsüberschüssen gering, da sich jedes Angebot eine Nachfrage schaffe, deren Kaufkraft genau dem Wert des Angebots entspreche. Wenn man die Produktion steigere, erhöhten sich Löhne und andere Einkommen und damit die Mittel für den Kauf der zusätzlich produzierten Güter. Der Klassiker Malthus sah den Wohlstand durch das starke Bevölkerungswachstum gefährdet. Er meinte, dass die Bevölkerung nur noch einige Jahrzehnte ernährt werden könne, wenn nicht der Staat eingreife. Um Hungersnöten zu entgehen, müssten bevölkerungspolitische Maßnahmen die Zahl der Menschen begrenzen helfen, spätere Heiraten durchgesetzt werden, um damit die Größe der Familien zu beschränken. John Stuart Mill gilt mit seinem Werk Principles of Political Economy (1848, Grundsätze der politischen Ökonomie) als letzter Vertreter der klassischen Nationalökonomie. Mill war ein Reformer und forderte u. a., dass der Staat hohe Steuern auf Erbschaften erhebe und Kinder und Arbeiter stärker schütze. Er stellte ein Bindeglied dar zwischen der klassischen Laissezfaire-Politik und dem entstehenden Wohlfahrtsstaat. 51 Grundprobleme Neuzeit / Haug-Moritz Industrialisierung 10. Einheit Deutungsmuster: In den 1960er Jahren galt die Definition von Walt Whitman/Rostow, bei dem die ProtoIndustrialisierung einem Stufenmodell unterworfen wurde (5 Stufen): 1. Traditionelle Gesellschaften: Es gibt zwar Innovationen, diese sind aber nie systemsprengend! 2. Voraussetzungen zur Proto-Industrialisierung entstehen: Voraussetzungen zum Take-Off! 3. Industrialisierung (Take-Off): Investitionsquote steigt an bzw. entsteht! 4. Dynamisierung der ökonomischen Komponente: Sog. Drive to maturity! 5. Massenkonsum: Setzt erst im 20. Jh. ein, vor allem in der 2. Hälfte! Entwicklung: Die Industrielle Revolution war ums Jahr 1865 in England auf seinem Höhepunkt, begonnen hatte sie jedoch schon am Ende des 18. Jh., dies war die Industrialisierung vor der Industrialisierung. Diese Proto-Industrialisierung, also die Phase der industriellen Voraussetzungen, war einhergehend mit einer Veränderung der gewerblichen Produktion. Literatur: Reininghaus, Gewerbe in der Frühen Neuzeit Seine maßgebliche Kritik war, dass das Stufenmodell nur von bedingter Richtigkeit wäre! England als Mutterland der Industrialisierung: In Großbritannien begann sie in den 1780er Jahren aufgrund von strukturellen und zufälligen Gründen, so hatte England eine größere Volkswirtschaft als die Vereinigten Niederlande. Auch der überseeische Kolonialbesitz, den das Königreich mit dem Ende des 7jährigen Krieges 1763 besaß war ein Grund für die Entwicklung. England wurde durch seine maritime Vorherrschaft zur uneingeschränkten Handelsmacht – billige Rohstoffe auf Übersee und Fertigprodukte produzierend und nach Europa und Übersee exportierend. Auch die innere Struktur war ein wesentlicher Faktor, die sich nach der Glorreichen Revolution 1688 einstellte und für den Handel im ganzen 18. Jh. positiv weiterentwickelte. Auch die Tatsache, dass sich die englische Agrarverfassung von der Kontinentalen abhob und mehr Arbeitskräfte benötigten, war ein weiterer Grund. Eher zufällig gab es technische Innovationen, sodass es zu einer Mechanisierung in der Textilproduktion kam, so gab es schon bald Webstühle die mit Dampf getrieben funktionierten. Dampfkraft wurde der neue Energieträger! Mit der Erfindung der Dampfkraft begann die Mechanisierung der gewerblichen Produktion! Literatur: Enzyklopädie der Neuzeit – Energie zwischen 1450-1850 Beispiele: 1806: 1. Fabrik in England – von Dampfkraft betriebene Webstühle 1833: Schon 85.000 mechanisierte Webstühle auf der Insel 1850: 224.000 vorhanden – zeigen das explosionsartige Take-Off! 1780: 2,5 Millionen Kilogramm Baumwolle werden verbraucht 1831: 125 Millionen Kilogramm Baumwolle werden verarbeitet 52 Grundprobleme Neuzeit / Haug-Moritz Dies war die Erste Phase der Industriellen Revolution, sie stand im Zusammenhang mit dem textilen Produktionssektor (Textilindustrie). In der Zweiten Phase, die vor allem in Deutschland stattfand, war die Eisen- & Stahlproduktion Träger der Industriellen Revolution! Phänomen des Handels: Es beginnt die European World Economy zu entstehen, die im globalen aber auch im regionalen Bereich stattfindet. Der globale Austausch von Waren ist einer grundlegenden Veränderung unterworfen, denn während der Mittelmeerhandel noch um 1500 im Mittelpunkt stand, verlagerte sich das Schwergewicht immer stärker in Richtung Atlantik. Während in der Renaissance vor allem die italienischen Stadtstaaten wie Venedig, Florenz, Mailand oder Genua noch in den osmanischen Bereich ausgriffen und intensive Verflechtungsbeziehungen besaßen, änderte sich dies im 16. Jh. & 17. Jh. Besonders das Bankenwesen, die Infrastruktur und die Logistik (Postwesen) machten Italien im 14. & 15. Jahrhundert zur Handelsvormacht in Europa. Auch das nautische Know-How war bei den Italienern vorhanden, so wie später bei den Spanien & Portugiesen und schließlich bei den Niederländern & Engländern. Der Ostseeraum war die gesamte Frühneuzeit durch die Hanse dominiert, die eine Verbindung der nordeuropäischen Mächte war. Dieser Handelsraum reichte vom Baltikum bis zu den britischen Inseln, besonders Dänemark hatte darin eine starke Stellung. Besonders wichtige Städte waren Hamburg, Danzig oder Kopenhagen! Als um 1600 der transkontinentale Handel einsetzte gewannen Spanien und Portugal ihre hervorragende Stellung. Dieser Handel war bereits ein Vorzeichen für die europäische Expansion, die nun Ende des 16. Jh. mit aller Kraft einsetzte. In dieser Zeit kam es nun zur vollständigen Dominanz des transatlantischen Handels. Im 17. Jh. waren besonders die Niederländer die dominante Handelsnation, somit wird dieses Jahrhundert als ihr Goldenes Zeitalter bezeichnet. Ihr Handel wird über Handelsgesellschaften wie die Ostindische Kompanie abgewickelt, die nur die bekannteste von 78 Gesellschaften war. Diese Kompanien waren private Initiativen von reichen Bürgern, sowie von Auswanderern (Kolonisten), organisiert als Aktiengesellschaften, sodass Kapital angehäuft werden konnte. Erst im 18. Jh. setzte der Aufstieg der Engländer ein, vor dem Hintergrund der politischen Stabilisierung nach 1700 (1715 Thronbesteigung Georg I.). Vor allem der permanent wachsende Amerikahandel war von großer Bedeutung. Es kommt zu einer Vervielfältigung des Welthandelsvolumens, sodass Ende des 18. Jh. bereits 700 Millionen $ im Umlauf sind, was bis 1914 schließlich auf 38 Milliarden(!) $ anstieg. Grundmerkmal der europäisch dominierten Welthandelswirtschaft war die Asymmetrie, die sich im Güteraustausch niederschlug (auch dies war ein Aspekt, warum es zur Industriellen Revolution kam). Im Zuge des Take-Offs kam es zu Sklavenlieferungen in die amerikanischen Südstaaten, da die Baumwolle eine solche Nachfrage genoss: 17. Jh.: 750.000 Afrikaner nach Amerika verschifft 18. Jh.: 6,1 Millionen Menschen Die politische Ordnung 1. Staatsbildungsprozesse 2. Internationale Beziehungen 53 Grundprobleme Neuzeit / Haug-Moritz Paradigmenphänomen: In der Neuzeit kommt es zum Entstehen eines neuen Staates, der die Souveränität nach innen und außen innehat. Diese Staatsbildung war ein europäisches Produkt, besonders die Merkmale der klaren Abgrenzung und des Staatsvolks. Literatur zum Staatsbildungsprozess: Wolfgang Reinhard, Die Geschichte der Staatsgewalt – dieses Buch erhielt viele Preise und behandelt die Zeit bis in die 1970er Jahre. Die grundlegende Entwicklung war die Zentrierung des Staatsbetriebs und seine Vereinheitlichung. Die Monarchie wurde so zum Inbegriff des Staates, obwohl die staatlichen Mittel unzulänglich blieben. Das Streben nach der Vereinheitlichung des Staates und die Zentrierung der Macht und Verwaltung wurde das Ziel der Monarchen (Ludwig XIV.), obwohl es sich dabei mehr um ihre Handlungsabsicht, nicht jedoch um die Realität handelte. Der Begriff des Staates nach heutigen Maßstäben entstand erst ab 1800! Gründe zur Entwicklung (National)Staates: Die Demographie war ein wichtiger Bestandteil zur Entwicklung eines Staatssystems, sodass Denker wie Hobbes oder Locke Staatstheorien zu entwickeln begannen. Die Theorie von Charles Tilly besagt „War made the state – and states made war!“ Diese Machtkonkurrenz der verschiedenen Dynastien führte so zu Kriegen und einer Anhäufung von Territorien. Literatur: The origin of the modern state in Europe (8 Teile) So war die Außenpolitik der neuzeitlichen Staaten stets dem Krieg zugewandt, was einen gesteigerten Finanzbedarf benötigte. Es kam der coercion-extraction-cycle in Bewegung, sodass das Volk die Finanzierung der staatlichen Belange übernehmen musste. Die staatliche Bürokratie formte sich dagegen nur sehr langsam aus, sodass sich der Monarch nie über die Mächtigen im Staat hinwegsetzen konnte – noch kein direkter Zugriff der staatlichen Spitze auf den Untertanen, es werden noch Mittler gebraucht (Adel, Kirche). Diese Mächtigen verdichteten sich im Ständewesen und waren meist im Parlament vertreten, wo auch die Französische Revolution dann ausging. Die wichtigsten Grundmerkmale des Ständewesens: 1. Gesellschaftliche Formation 2. Politische Formation Das Ständewesen trägt in jedem europäischen Land eine unterschiedliche Bezeichnung, doch ist dieses Phänomen am ganzen Kontinent anzutreffen. Man unterscheidet zwischen dem Modernen und dem Vormodernen Parlamentarismus. Innere Struktur und Merkmale: Beim Vormodernen Parlamentarismus war das Parlament noch keine Kontrollinstanz der Regierung, sondern diente nur der Rechtfertigung des Monarchen – hatte auch kein Selbstversammlungs-recht! In erster Linie hatte das Parlament die Funktion die budgetären Mittel aufzutreiben. Die Teilhabe an der politischen Macht beruhte auf Privilegien und nicht auf der Volkssouveränität, sodass der Adel (Hoher & Niedriger) alle Ständeversammlungen dominierte. Die einzigen Ausnahmen, wo der Adel nicht im Parlament das Sagen hatte, waren die Vereinigten Niederlande, Kastilien und Baden Württemberg. Auch die Städte waren in den Ständen vertreten, denn hier war das Eigentum des Landesherrn, sodass die Städte an der politischen Einflussnahme teilnehmen konnten. Bis auf Ausnahmen wie in Tirol, den Niederlanden, Schweden oder dem südwestdeutschen Raum, hatten die Bauern keine Vertretung. Die Abstimmung der Ständeversammlungen erfolgte nach Kurienrecht, nicht wie nach Köpfen, wie im demokratischen Parlament heutiger Prägung. Die Abstimmungen waren sehr 54 Grundprobleme Neuzeit / Haug-Moritz langwierig und auch inkonsequent! In erster Linie hatte die Versammlung eine Kreditfunktion, musste also Geld auftreiben, aber auch Schulden übernehmen. Der Staatskredit war zu dieser Zeit noch nicht vorhanden, und wurde erst im 19. Jh. Wirklichkeit, vorher befand sich der gesamte Besitz in den Händen der Stände. Gründe für die ununterbrochenen Kriege der Frühneuzeit: Literatur: Johannes Burchardt beschreibt in der Historischen Zeitschrift die Kriegsneigung zu dieser Zeit. Auch im Handbuch der Geschichte der Internationalen Beziehungen kann man sich mit diesem Phänomen beschäftigen. Die Forschung geht davon aus, dass es die innere Verfassung im europäischen Gemeinwesen war, welche sehr heterogen war und die ständigen Konflikte auslöste. Dies nennt man den Composite State, wobei die Habsburgerländer hier das beste Beispiel bilden, denn in ihrem Einflussbereich sind viele verschiedene Traditionen vorhanden. Diese Vielgestaltigkeit wurde stets als Schwäche ausgelegt und wahrgenommen, weil die Herrscher ihren Bestand immer gefährdet sahen, aufgrund der Uneinheitlichkeit. Auch das Frankreich Richelieus sah sich gefährdet, sodass eine Expansion gerechtfertigt schien. Ein weiteres Beispiel ist die Politik Friedrich II. als er seinen Angriff auf Schlesien mit einem steigenden Sicherheitsbedürfnis rechtfertigte. Die europäischen Staaten waren zu dieser Zeit durch Dynasten verklammerte Herrschaftsgebiete, deren Zusammenhang durch den Monarchen herbeigeführt wurde (Karl V.), nicht jedoch aus inneren Zwängen oder gar einer Entwicklung, was erst mit dem Nationalismus einsetzte. Auch das österreichische Kaisertum Franz II. war nur eine Ansammlung von Ländereien, aber kein zusammenhängendes Staatsgebiet. Das war der Grund, warum das Aussterben einer Dynastie gewichtige Probleme mit sich brachte. Das gesamteuropäische Machtsystem geriet dann nämlich ins Wanken, weil nun Ansprüche aufs führungslose Gebiet gestellt wurden. So kam es besonders im 18. Jahrhundert zu vermehrten Erbfolgekriegen – Spanien 1701, Polen 1735, Österreich 1739, Bayern,… Zugleich entstand in Europa eine große Dynamik, denn mit dem Zerfall des Osmanischen Reichs, beginnend mit dem Ende des 17. Jh. konnten gewisse Mächte neue politische Ziele verfolgen, hervorzuheben sind dabei Österreich und Russland. Dieses Ausgreifen der europäischen Mächte wurde jedoch besonders im außereuropäischen Raum zur Regel und neuen Spielwiese. Auch kleinere europ. Staaten wollten nun ihren Einfluss geltend machen, während die mächtigeren Staaten eine immer bedeutendere Rolle spielten. Auch die Eliten neigten zum Krieg, da der Wohlstand und die Macht ausgebaut werden konnten. Schlussendlich war auch das diplomatische Instrument noch zu wenig ausgebaut um wirksam Kriege verhindern zu können, und Krieg wurde als akzeptable Problemlösung gesehen. Auflistung der vermehren kriegerischen Auseinandersetzungen (4): 1. Staat = Dynastie: Aussterben eines Herrschergeschlechts führt zum Machtvakuum, deshalb Erbfolgekriege 2. Militärische Überlegenheit Europas: Dies und der Abstieg des Osmanischen Reiches führen zur globalen Machterweiterung der Europäer 3. Neigung der Eliten zum Krieg: Besonders der Adel, der im Militärapparat stark vertreten war, nutzte den Krieg zum Wohlstand und zur Machterweiterung 4. Keine Internationale Diplomatie (erst im 19. Jh. vollständig ausgebildet): Konflikte wurden am Schlachtfeld ausgetragen Bedeutende Entwicklungen (2) in der Kriegsführung: 1. Stehendes Heer im Zuge des 30jährigen Krieges entstanden 2. Umgestaltung des Krieges zur Angelegenheit der Nation (Französische Revolutionskriege) 55 Grundprobleme Neuzeit / Haug-Moritz 1. Stehendes Heer: Nicht mehr bloße Militärunternehmer organisierten den Krieg, sondern die staatliche Bürokratie nahm sich diesem immer stärker an, was besonders in Preußen und Frankreich zu beobachten war. Es entwickelte sich ein eigenständiger Behördenzweig der sich um die Rekrutierung, Versorgung, Besoldung, Bewaffnung, etc. der Soldaten kümmerte. Es kam zur Teilung in Offiziere und einfachen Soldaten, welche meist aus unterbürgerlichen bzw. -bäuerlichen Schichten stammten. In Preußen fand diese Entwicklung 1733, im Habsburgerreich 1771 statt, sodass nun jeder in den Heeresdienst eintreten konnte. Jedem Regiment wurde ein Ergänzungsgebiet zugeteilt, es kam zur Einschreibung der Soldaten. Wurde man als Soldat ausgelost, gab es trotzdem die Möglichkeit sich freizukaufen, andererseits konnte man auch als Söldner in Europa eine Karriere machen. Kam es in der Schlacht aufgrund widriger Umstände zu Desertierungen wurden drakonische Strafmaßnahmen angewendet, bspw. der Spießrutenlauf. Die Kriegsfolgen wiederum mussten die Soldaten ohne Hilfe ertragen, wurden also sich selbst überlassen. In Preußen löste man dieses Problem, indem man altgedienten Soldaten einen Lehrerposten gab. 2. Nationalisierung und Allgemeine Wehrpflicht: Das System des Stehenden Heeres veränderte sich durch die französischen Kriege, beginnend 1792, besonders durch die Napoleonischen Kriege. Die allgemeine Wehrpflicht bedeutete einen unauflöslichen Zusammenhang mit der Ideologisierung des Krieges. Dadurch, dass der Krieg eine Angelegenheit des Volkes wurde, erfuhr dieser eine neue Legitimation, was den engen Zusammenhang zwischen dem Nationalismus und den Krieg zeigt. Außerdem kam es durch die militärische Entwicklung zu einer Veränderung der Geschlechterbeziehung, sodass die Frauen eine Rollenzuweisung erfuhren. Vollkommen setzte die Militarisierung der Gesellschaft dann im 19. Jh. ein, wobei Preußen hier den Anfang tat, wobei an der Jahrhundertwende (19/20. Jh.) diese Entwicklung dann mit aller Heftigkeit im Gang war. Literatur: Heinrich Mann, Der Untertan – Dies ist ein gutes Beispiel für die Entwicklung des Menschen zum Staatsbürger. Die Kriege des 18. Jahrhunderts zogen die Zivilbevölkerung noch wenig in Mitleidenschaft, mit der Nationalisierung der Gesellschaft betraf der Krieg jedoch jeden – Ludendorffs Totaler Krieg entstand! Nach Ende der napoleonischen Herrschaft kam es zur entgültigen Ausformung des europ. Gleichgewichts – Pentarchie! Friedensbemühungen und Bellum Justum: Bereits im 16. Jh. und später auch im ausgehenden 17. Jahrhundert gab es Bestrebungen mit Hilfe des Völkerrechts die Kriege einzudämmen. Von besonderer Bedeutung war Hugo Grotius im Jahre 1625 mit seinen völkerrechtlichen Namen. Im Mittelalter entstand ein Konstrukt, das bis zum 18. Jh. anhielt, nämlich jenes des Gerechten Krieges (Bellum Justum), der stets zur Legitimation dienen konnte, wenn man einen gerechten Krieg vorweisen konnte – vgl. Religionskrieg! Meistens bestand die Rechtfertigung des Kriegsgrunds aus dem gerechten Grund, Wiederherstellung des Friedens weil man aus rechten Absichten den Krieg führte oder darin, dass die Fürstengewalt bereits die Legitimation war (Gottesgnadentum). Die spanischen Völkerrechtler des 16. Jahrhunderts Vitoria und Ayala versuchten die Lehre des Gerechten Kriegs weiterzuentwickeln, ausgelöst durch die völkerrechtlichen Fragen beim Umgang der spanischen Conquistadoren in der Neuen Welt. Die religiöse Komponente sollte 56 Grundprobleme Neuzeit / Haug-Moritz nun keinen Grund mehr darstellen, sodass ein Krieg gegen christliche oder nichtchristliche Völker keinen Unterschied mehr darstellen sollte. Konsequenzen: Heiligen Kriege: verschwinden zwischen dem 16. & 17. Jh. Jede Seite ging nun von der Legitimation aus einen gerechten Krieg zu führen Diese Verbundenheit, dass beide Seiten in ihrem Sinne gerecht handelten ermöglichte die Festschreibung der Amnestie, da es keinen Kriegsschuldigen gab. Die Schuldzuweisungen begannen erst nach dem Ende des Ersten Weltkriegs! Ayala: „Jeder Krieg ist dann gerecht, wenn er von einem Gemeinwesen geführt wird!“ Die Kriegsführung der staatlich-monarchisch-organisierten Gewalt erfolgt so in der Ermessung der Berechtigten. 1919 kam es durch die völkerrechtlich Legitimation zu einer Erweiterung dieser Möglichkeit. Im 16. Jh. erfolgte die Entmoralisierung und Verrechtlichung des Krieges in Europa, bis neben dem völkerrechtlichen Denken im 19. Jh. auch der diplomatische Apparat hinzustieß. Zwar gab es schon zuvor Gesandte, die über die Staatsinteressen verhandelten, doch dass der Austausch der Staaten auf Dauer möglich war erforderte feste Gesandte (Botschaften wurden errichtet). Mit der Ausformung der Rechte kam es so aber auch zu einer Ausformung der Pflichten, was eine Professionalisierung bewerkstelligte. Mit dem Aufbau eines Diplomatensystems war ein Meilenstein der Außenpolitik erstanden, deren erstes Auftauchen sich mit dem Westfälischen Friedens einstellte. Der erste Außenministerposten entstand dann im 17. Jahrhundert in Frankreich, was sich dann im Laufe des 18. Jh. zur Regel weiterentwickelte, sodass permanenter politischer Austausch zum Alltag wurde. Speziell in der ersten Hälfte des 19. Jh. wurde diese Form der Politik allgegenwärtig. 57 Grundprobleme Neuzeit / Haug-Moritz 11. Einheit Kriege in der Spätneuzeit Im Laufe des 17./18. Jh. wandelte sich die Natur des Krieges, denn nun stand nicht mehr der Heilige Krieg im Mittelpunkt, sondern die Autorität gab nun den Ausschlag, dynastische Kriege des 18. Jahrhunderts. Damit gab es aber keine moralische Aufladung des Krieges mehr, den man damit rechtfertigte, ein friedliches Europa zu schaffen – das Völkerrecht begann zu entstehen! In der zweiten Hälfte des 17. Jh. kam es so zur Entstehung der Diplomatie – diplomatische Revolution (Kaunitz, Friedrich II., Talleyrand). Zu dieser Zeit, beginnend im 18. Jh. bildete sich in Europa die Pentarchie heraus, während die früheste europäische Macht das Haus Habsburg war, beginnend im 16. Jh. (Karl V.), mit dem Schwerpunkt auf Spanien und OstMitteleuropa verlagerte sich die habsburgische Macht nach 1700 auf die italienischen und österreichischen Habsburgerländer. Beginnend im 15. Jh. bis in die Mitte des 18. Jh. war Frankreich unter den Königshäusern Valour und Bourbon der Gegenspieler Habsburgs, besonders in Oberitalien und Mitteleuropa (deutsche Territorien). Erst am Ende des 18. Jh. gerieten die Habsburger in zunehmenden Interessenskonflikt mit dem Zarenreich. Frankreich war also neben den Habsburgern die zweitälteste Macht in Europa, das sich im Laufe des 17. Jh. als kontinentale Hegemonialmacht ausbaute und durch den 7jährigen Krieg mit dem Verlust der bedeutenden Kolonien ein Ende bedeutete. Zum größten Opponenten der französischen Machtpolitik wurde England, indem seit 1714 die Welfen aus Hannover regierten (Georg I.). England wurde im Laufe des 18. Jh. zur Großmacht, wo im revolution settlement alle Katholiken, wie die früher regierenden Stuarts, von der Thronfolge ausgeschlossen wurden. Während London kontinentaleuropäisch weniger ambitioniert und kaum expansiv vorging, gingen die Engländer mit viel Engagement im Bereich der Kolonisation vor. Hier trat England bedeutender hervor, und wurde zur europäischen Führungsmacht auf maritimen Gebiet, sodass von 1763 bis zum Höhepunkt im 19. Jh. die englische Seestellung unangefochten blieb. Als letzte europäische Macht trat die Hohenzollerndynastie (Brandenburg-Preußen) in Erscheinung, sie war die schwächste Großmacht im europäischen Konzert des 18. Jahrhunderts. Diese Macht geriet schon bald in den Gegensatz zu den Habsburgern, welche bis dahin die unbestrittene Vormacht in Deutschland bildeten. Neben Preußen wurde das Zarenreich zu dieser Zeit zum Teil des europäischen Mächtesyndikats. Russland profitierte ebenso wie Österreich und in geringerem Maße auch Preußen vom Rückgang der osmanischen Macht, was sich nach 1683/86 immer stärker abzeichnete. Im Frieden von Passarowitz 1718 erreichte Österreich durch den osmanischen Niedergang so die größte territoriale Ausbreitung. So füllen die Romanows und Habsburger das Machtvakuum, das die Osmanen hinterließen. Preußen profitierte im besonderen Maße vom Niedergang des schwedischen Einflusses in Nordosteuropa nach 1700, ebenso wie St. Petersburg. Zur gleichen Zeit stießen die Russen bis zu Krim vor, indem sie einen Dauerkrieg gegen die Hohe Pforte führten und diese Schritt für Schritt aus Europa hinauszudrängen trachteten. Durch diesen Machtgewinn wurden die zwei europäischen Flügelmächte England und Russland zu den Garantiemächten des europäischen Gleichgewichts, was sich besonders stark in den Napoleonischen Kriegen zeigte. Friedrich Meinecke beschreibt dies als Machtverteilungssyndikat, indem sich die internationale (europäische) Politik nach zwei Grundsätzen hielt: 1. Kabinettkriege: Permanent wechselnde politische Konstellationen, welche zur Durchsetzung der einzelnen Machtinteressen benutzt wurden. Der-Feind-meinesFeindes-ist-mein- Freund-Denken! Kurzfristige Bündnissysteme waren die Regel! 58 Grundprobleme Neuzeit / Haug-Moritz 2. Aufteilung: Kriege waren kurz, da sie sonst die Wirtschaft ruinierten, deshalb wurde die billige Außenpolitik bevorzugt: Tausch- und Teilpolitik der Territorien, da die meisten Kriege zum Gewinn von Territorien geführt wurden (Ludwig XIV., Friedrich II., Peter I.). So kamen auch die polnischen Teilungen der Jahre 1772, 1793 und 1795 zustande. Mit dem Wiener Kongress kam es nach der 20jährigen Kriegserfahrung (1792-1815), bei dem ganz Europa im Krieg mit oder gegen Frankreich stand, zu einem Paradigmenwechsel, der das europäische Mächtegleichgewicht als oberstes Ziel sah (Gründung der Hlg. Allianz etc.). Diese Politik brachte fast 50 Jahre europäischen Frieden, was sich erst mit dem Krimkrieg 1854-56 wieder änderte, doch dauerte es noch bis 1914 ehe alle europäischen Großmächte wieder involviert waren. Ab den Befreiungskriegen gegen den kleinen Korsaren sah man Europa als zusammenhängendes Ganzes an, sodass nicht das eigene Machtinteresse im Mittelpunkt stand, sondern der europäische Kongress als Mittel bzw. Instrument zur Lösung der Probleme verwendet wurde. Obwohl außenpolitisch richtungsweisend, weil Krieg durch die Übereinkommen verhindert werden konnte, war diese Zeit aus innenpolischer Sicht jedoch äußerst problematisch, weil reaktionär. Der Nationalismus und Liberalismus wurden durch das metternich’sche System unterdrückt, was schließlich in die 1848er Revolution gipfelte. In der zweiten Hälfte, ab Krimkrieg, wurde der Krieg als natürliches Phänomen wieder dominierend, wobei die nationalen Einigungskriege eine neue Art der Kriegsbegründung darstellten, Volkssouveränität und Nationalismus als Legitimation besonders deutlich 1870/71 ersichtlich. Die Geschichte der Geschichtswissenschaft Das Entstehen der modernen Wissenschaften war eine Folge der Verwissenschaftlichung der Weltordnung, eingeleitet durch die europäische Aufklärung. Dadurch kam es zu einer Veränderung der Begriffsgeschichte, bei der die individuelle Wissenschaft dem überpersonalen Aggregatszustand wich. Merkmale: 1. Wahrheit verpflichtet 2. Systemcharakter bietet Erklärungsansätze 3. Wissenschaften werden autonom, Entwicklung einzelner Fächer 4. Methoden geleitete Wissenschaft – die einzelnen Fächer folgen einer fachspezifischen Methodik! Mit dem Verständnis von der Wissenschaft folgt der Aufstieg der Geschichtsdisziplin, die ein Kind der Aufklärung war. Mit dem ausgehenden 18. Jh. war nämlich der Mensch der Gestalter seiner eigenen Geschichte, und nicht mehr die Religion (Bibel). Neue Fragen wurden gestellt, und die Menschen waren interessiert wie die Geschichten auseinander folgten. Der Entwicklungsgedanke wurde zur entscheidenden Denkweise, denn Entwicklung wurde als ein Fortschritt betrachtet, sodass erst in den 1970er Jahren dieser Fortschrittsglaube (Optimismus) ein Ende fand. Bis ins 18. Jh. war die Geschichte fixer Bestandteil der Theologie und Jurispundenz, erst mit der Ausdifferenzierung des Begriffs im 19. Jahrhunderts und der Epoche des Historismus (Definition Wolfgang Hartwig) kam es zur Etablierung der Geschichts(wissenschaft). In der Mitte des 19. Jh. entwickelte schließlich Treussen die geschichtliche Methode, und seit 1832 entstanden die ersten Historischen Seminare, das erste Seminar fand in Berlin bei Leopold von Ranke statt. 59 Grundprobleme Neuzeit / Haug-Moritz Geschichte im 19. Jahrhundert: Diese Geschichtsseminare können jedoch nicht mit der heutigen Institution verglichen werden, denn damals es sich um eine Versammlung von Schülerkreisen um einen Lehrer, was zu einer allmählichen Standardisierung führte. Ursprünglich handelte es sich bei solchen Sitzungen um ein Gespräch zwischen dem Lehrenden und Lernenden, sodass sich das Fach erst institutionalisieren musste. Als Geschichtelehrer seinen Lebensunterhalt zu verdienen ist erst seit der Mitte des 19. Jh. möglich (Lehramt am Gymnasium). Das Studium diente damals noch zur Ausbildung, sodass sich die Geschichte als wissenschaftliche Disziplin erst mit der Zielsetzung der Bildung statt Ausbildung durchsetzen konnte. Historismus: Der Historismus strebte wiederum nach keiner zweckfreien historischen Bildung, sondern nach einer Orientierung der eigenen Wirklichkeit, weshalb der Bedarf auch so groß war – Jakob Burchardt: Die eigene Gegenwart soll historisch erklärt werden! Geschichte wurde deshalb im politisch-erzieherischen Sinn geschrieben, so die Darstellung Schlossers: Weltgeschichte für das deutsche Volk, die zwischen 1854-56 entstand, in 66 Auflagen erschienen. Nietzsche vertrat die Ansicht, dass Bildung und Menschen zusammengehören, was den Historismus in seine erste Krise brachte. Veränderung der Geschichtsforschung: Kritik wurde vor allem von außen herangetragen und kam zumeist von Nationalökonomen, speziell auch von der Soziologie. Die Geschichtswissenschaft wurde nun als eine Instrumentalisierung für die Nationalstaatsbildung hergenommen, und war in erster Linie als Legitimation gedacht. So wurde die Geschichte immer politisierter und beschrieb in erster Linie die Geschichte der großen Taten/Männer. Die Größe der eigenen Nation soll damit hervorgehoben werden! Diese nationale Aufladung des Faches änderte sich erst mit Max Weber (Soziologe und lebte zwischen 1864 und 1920, hatte Jura und Geschichte studiert, dann Professor in Heidelberg), der die historische Schule der Nationalökonomie schrieb. Mit der Beschäftigung mit Wirtschaft & Gesellschaft reagierte Weber auf die Lücke der Politikgeschichte. Es kam zu einer Methodenreflexion, der in einem Streit um die Werturteilsfreiheit der Wissenschaft mündete. Ist Geschichte objektiv? Die Problematik dabei war, dass sich der Historiker/Wissenschaftler nicht von seinen vorwissenschaftlichen Erfahrungen trennen konnte, denn kein Mensch kann objektiv bleiben bspw. in der Definition der Demokratie! Grundsätze: Wissenschaft soll keine Werturteile abgeben, auch um die bestehenden (Vor)urteile zu revidieren. Die Wissenschaft soll in erster Linie der Reflexion dienen, worüber Weber zur Makrotheorie gelangte, welche die Geschichte Europas von der Antike bis in die Gegenwart geprägt hat – okzidentaler Rationalismus! Die Säkularisierung, Rationalisierung und Disziplinierung sollen die beherrschenden Züge der europäischen Geschichte darstellen. Theodor Schieder, 1908 geboren, war der Lehrer von Wehler, der die Bielefelder Schule begründete – Handwörterbuch des Auslandsdeutschtum (1935) – Geschichtsschreibung in der NS-Zeit! Sehr problematisch! 60