Erinnern und Verdrängen

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SWR2 MANUSKRIPT
ESSAYS FEATURES KOMMENTARE VORTRÄGE
SWR2 Essay
Erinnern und Verdrängen
Die Unzuverlässigkeit unseres Gedächtnisses
Von Friedrich Pohlmann
Sendung: Montag, 17. November 2014
Redaktion: Stephan Krass
Produktion: SWR 2014
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Dass wir oft unangenehme Erfahrungen zu „verdrängen“ trachten, ist ein beliebter
Topos und eine Jedermanns-Erfahrung. Unangenehme Erfahrungen erzeugen
negative Erinnerungen, die uns manchmal auch ganz ungerufen zu belästigen
vermögen, und als Schutz gegen solche unerbetenen Überraschungsgäste
mobilisiert unsere Psyche dann bestimmte Strategien zur emotionalen Entschärfung
des Unangenehmen. Das in der Alltagsrede heimisch gewordene Wortbild von der
„Verdrängung“ soll eine solche Strategie bezeichnen, obwohl dessen Sinngehalt
eigentlich gängigen Selbsterfahrungen des Erwachsenen nicht vollauf entspricht.
Denn das Abdrängen bedrängender Erinnerungen an negativ getönte Erlebnisse an
den Rand oder unter die Schwelle unseres Bewusstseins – der Wunsch ihrer
Beförderung in den heilsamen Orkus des Vergessens – gelingt uns doch eigentlich
kaum jemals vollständig, irgendwelche Erinnerungsspuren bleiben normalerweise
erhalten. Eher ist es eine auch von der Forschung experimentell bestätigte
Alltagsweisheit, dass ein forciert bewusstes Vergessen-Wollen unliebsamer
Erinnerungen das paradoxe Ergebnis ihrer Akzentuierung im Bewusstsein zeitigt.
Tatsächlich zielt das Wort „Verdrängung“ auch zumeist eher auf einen
innerpsychischen Vorgang der Umdeutung von Ereignissen, der sie in der
Erinnerung nicht verschwinden lässt, ihnen aber doch ihre potentiell verletzenden
Stacheln nimmt. Der in der Psychologie prominent gewordene Begriff der „kognitiven
Dissonanzreduktion“ bezeichnet den wohl typischsten Prozess derartiger
Umdeutungen. Es gibt vielfältige Formen der Disssonanzreduktion, aber den meisten
von uns sind doch Begradigungen und Beschönigungen biographischer Ereignisse nicht nur vor anderen, auch vor uns selbst - wohlvertraut: Wir pflegen Handlungen
oder Widerfahrnisse, die in eklatantem Widerspruch zu unserem Selbstbild und
Selbstbildideal stehen und deshalb mit Scham-, Peinlichkeits- und
Versagensgefühlen assoziiert sind, so umzudeuten, dass sie ihren Charakter eines
bedrohlichen Angriffs auf unser Selbstwertgefühl verlieren. Freilich: Obwohl die
psychischen Mechanismen derartiger Umdeutungen gewöhnlich eher untergründig
ihr Werk verrichten, sind wir uns doch meistens, wenn wir in uns gehen, sehr wohl
irgendwie unserer kleineren und größeren Hochstapeleien vor anderen und uns
selbst bewusst, die Umdeutung belastender Ereignissen impliziert, wenn es nicht um
Kindheitserlebnisse geht, kein Vergessen ihres Kerns. Nun gab es allerdings in der
jüngeren Vergangenheit die weitverbreitete, bis in Teile der fachwissenschaftlichen
Öffentlichkeit hineinreichende Annahme, dass bei einer Gruppe von Erlebnissen die
„Verdrängung“ sehr wohl deren vollständige Auslöschung aus dem erinnernden
Bewusstsein bewirken könne: bei traumatischen Erlebnissen nämlich, insbesondere
Fällen von Kindesmissbrauch. Dabei wurde allerdings die Auslöschung des
traumatischen Erlebnisses aus dem Bewusstsein keineswegs als dessen komplettes
Vergessen verstanden. Das Gedächtnis, so die These, bewahre eine Kopie des
Ereignisses getreulich auf, allerdings nicht der dem Bewusstsein zugängliche Teil
des Gedächtnisses, sondern seine unbewussten Regionen. In dessen Tiefen liege
sie eingekapselt begraben, unerreichbar dem bewussten Ich, dem es gleichwohl
durch beständige unterirdische Attacken schwere pathologische Schädigungen
zufüge. Es gebe aber therapeutische Techniken wie beispielsweise die freie
Assoziation, die die ins Unterbewusste versenkten Erinnerungslasten freizulegen und
in einen Bestandteil bewussten Erinnerns umzuwandeln vermöchten: Was als
vergessene Filmrolle im Kellerarchiv des Gedächtnisses gelagert habe, könne also
nach gewissen Rekonstruktionsarbeiten in der Therapie wieder in den Projektor
eingelegt werden, und der abgespulte Film präsentiere dann dem einzelnen einen
bedeutsamen Teil seiner Vergangenheit, wie „sie wirklich war“. Tatsächlich knüpfen
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solche metapherngesättigten Thesen über den Verlust und die Wiedererlangung von
Erinnerungen - also über die „Verdrängung“ und ihre „Aufhebung“ - an
Grundgedanken der Freudschen Psychoanalyse an, aber gesellschaftliche Brisanz
erlangten sie in den achtziger und neunziger Jahren des letzten Jahrhunderts auch
deswegen, weil sie in den Händen gewisser Alternativ-Psychologen mit
feministischen Zeitgeist-Mythologemen aufgeladen wurden. Im Feminismus war
seinerzeit die Behauptung des massenhaften sexuellen Missbrauchs von Töchtern
durch ihre Väter zu einer Anklage-Mode geworden, die vor allem in den USA medial
aggressiv verbreitet wurde. So führte ein feministischer Opferkult im Zusammenhang
mit den skizzierten Vorstellungen über die „Aufhebung von Verdrängungen“ dazu,
dass in den USA viele junge Frauen in ihren Therapien den sexuellen Missbrauch
durch ihre Väter wieder zu erinnern meinten und ein Entrüstungspotential aufhäuften,
das die Massenmedien begierig aufgriffen. Es war kein Wunder, dass in dieser
Zeitgeist-Atmosphäre das wiedererinnerte Opfer-Sein nicht nur zu Moralattacken
genutzt wurde, sondern auch zu gerichtlichen Anklagen gegen die wiedererinnerten
Täter. So gab es im Gefolge therapeutisch wiedererlangter Erinnerungen eine
Vielzahl von Gerichtsverfahren von Töchtern gegen ihre Väter, von denen dasjenige
gegen Paul Ingram im Jahre 1988 am bekanntesten geworden ist. Den zwei
Töchtern des tiefgläubigen Christen Paul Ingram war während einer quasitherapeutisch angelegten religiösen Freizeit, in der Sünden aufgearbeitet und dunkle
Flecken in der Vergangenheit ausgeleuchtet wurden, wieder ins Bewusstsein
emporgestiegen, dass sie vor Jahren von ihrem Vater grausam missbraucht worden
seien, und zwar im Rahmen satanischer Kulthandlungen, die er damals regelmäßig
praktiziert habe. Der Angeklagte stritt anfangs alle diese Anschuldigungen vehement
ab, bis auch ihm nach aufreibenden Verhören seine Untaten als innere Bilder wieder
gewärtig wurden. Er gestand und musste, wie auch andere aufgrund von WiederErinnerungen ihrer Töchter verurteilte Väter, eine jahrelange Gefängnisstrafe
verbüßen.
Von verdrängten und wiedererinnerten traumatischen Opfererfahrungen einer
anderen Art handelt der Fall des Schweizer Klarinettenlehrers Bruno Doesseker.
Während in den Fällen sexuellen Missbrauchs typischerweise spezifisch weibliche
Opfer-Erinnerungen verhandelt wurden, ging es bei Doesseker um Traumata, die
ihrer Natur nach geschlechtsspezifische Limitierungen ausschließen, gleichwohl aber
immer mit einem höchst aufnahmebereiten Medienpublikum rechnen können.
Doesseker, der in einer Pflegefamilie aufgewachsen war und sehr früh begonnen
hatte, mit empathischer Leidenschaftlichkeit Erinnerungsliteratur von
Konzentrationslager-Insassen zu verschlingen, war nämlich während eines
Polenbesuches im Jahre 1972, der ihn unter anderem nach Auschwitz geführt hatte,
auf bislang tief vergrabene Erinnerungen gestoßen, die ihm mehr und mehr
unzweifelhaft evident erscheinen ließen, dass er „in Wahrheit“ jüdischer Abstammung
sei, Binjamin Wilkomirski heiße, in Südpolen geboren und in seiner frühen Kindheit
nach Ermordung der Eltern ins Konzentrationslager deportiert. Im Jahre 1948 sei er
mit einem Kindertransport in die Schweiz verbracht worden und dort bei seiner
Pflegefamilie untergekommen. Die Wiedererinnerungen seiner verschütteten
Kindheitserfahrungen erlebte Wilkomirski in Sequenzen ihrerseits traumatischer
Flashbacks. „Meine frühesten Erinnerungen“, so Wilkomirski, „gleichen einem
Trümmerfeld einzelner Bilder und Abläufe. Brocken des Erinnerns mit harten,
messerscharfen Konturen, die noch heute kaum ohne Verletzung zu berühren sind“.
Wilkomirskis Niederschrift seiner selbst-verletzenden Erinnerungsfetzen wurde 1995
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unter dem Titel „Bruchstücke“ veröffentlicht, einem erschütternden Werk, dessen
Sprachstil wie eine gelungene Adaption an die Inkohärenz der im Autor
empordrängenden inneren Bilder erscheint, die ihm sein wahres Selbst offenbarten.
Die literarische Kritik wertete diesen Stil als Authentizitätsnachweis, und euphorische
Rezensionen, die das Werk in eine Reihe mit den Erinnerungen Paul Celans und
Primo Levis stellten, trugen dazu bei, dass es zu einem mehrfach ausgezeichneten
Bestseller wurde.
Die Wiedererinnerungen der Töchter Paul Ingrams und Binjamin Wilkomirskis sind
ganz offensichtlich anderer Art als diejenigen Marcel Prousts, für den eine
Geruchswahrnehmung zum Auslöser sehnsuchtsvoller Assoziativketten von
Kindheitsbildern wurde oder als die wehmütigen tagtraumartigen Jugendbilder, die
dem alternden Goethe in seiner „Zueignung“ zu Beginn des Faust wieder in den Sinn
traten. Prousts und Goethes Erinnerungen sind subtile Bilder von introvertierter
Individualität, während es in den Fällen Ingram und Wilkomirski um verdrängte
traumatische Opfererlebnisse geht, die trotz aller Exklusivität doch durchaus
Typisches zur Sprache bringen wollen: Typische Erfahrungen großer Kollektive - der
Frauen im einen, von Opfergruppen des Nationalsozialismus im anderen Fall -, wie
sie in den Medien immer wieder dargestellt wurden und werden. Mit anderen Worten:
Was in den individuellen Gedächtnissen der Töchter Ingrams und Wilkomirskis
wieder aufgedeckt wurde, will gleichzeitig Grundmerkmale eines überindividuellen
Wissens bezeichnen, für das man auch den Begriff des „kollektiven“ Gedächtnisses
geprägt hat; eines Erfahrungsfundus großer Menschengruppen, aus dem sie ihr WirBild beziehen, dessen konstitutive Bestandteile in medialen Erinnerungsspeichern
aufbewahrt und durch Ströme alt-neuen Meinungsmaterials beständig revitalisiert
werden. Die Fälle Ingram und Wilkomirski konnten nur deswegen derart
publizitätswirksam werden, weil in ihnen eine Kongruenz individueller mit typischen
Kollektiverinnerungen hervorzutreten schien.
Nun wurden freilich schon früh Zweifel an der Zuverlässigkeit von WiederErinnerungen wie in diesen Fällen laut. Die bekannte Sozialpsychologin Elizabeth
Loftus, die schon die Gründe für typische Irritierbarkeiten unseres Gedächtnisses,
wie sie immer wieder in unwillentlich falschen Zeugenaussagen zu Tage treten,
erforscht hatte, war von ihrer gänzlichen Unhaltbarkeit überzeugt und entwarf
deshalb Anfang der neunziger Jahre ein berühmt gewordenes Experiment, das
genauer die Wege der Implantierung „falscher“ Erinnerungen - solcher, die objektiv
falsch sind, aber subjektiv für wahr gehalten werden - aufdecken wollte. Im
Experiment wurden den Versuchsteilnehmern vier Erlebnisse aus ihrer Kindheit
präsentiert, zu denen sie ihre Erinnerungen schildern sollten. Drei dieser
Erlebnisberichte, die mit Hilfe anderer Familienmitglieder entworfen worden waren,
beruhten auf tatsächlichen Begebenheiten, während eine frei erfunden war. Sie
handelte davon, wie der Versuchsteilnehmer als fünf- oder sechsjähriges Kind
angeblich in einem Einkaufszentrum verloren gegangen war, handelten also von
einer tendenziell traumatischen Kindheitserfahrung von Verlust und hilflosem
Ausgeliefertsein. Das erste interessante Versuchsergebnis war, dass sich tatsächlich
ca. ein Drittel der Versuchsteilnehmer an dieses Kindheitsereignis „erinnerte“, ihr
Gedächtnis also eine „falsche“ Erinnerung produzierte, aber noch verblüffender war,
was dann in der Folge mit dieser falschen Erinnerung geschah. Nachdem das
Samenkorn der falschen Erinnerung eingepflanzt worden war, „erinnerten“ die
Versuchsteilnehmer, die in gewissen Zeitabständen zu weiteren
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Erinnerungsschilderungen gebeten wurden, von Mal zu Mal mehr Details des
Ereignisses. Aus dem Samenkorn waren Assoziationsketten weiterer falscher
Erinnerungen entsprossen, die sich zu „stories“ zusammenfügten, deren Einzelheiten
zwar irgendwie Sinn machten, aber in dem implantierten ursprünglichen Sinnmaterial
in keiner Weise enthalten waren. Offensichtlich hatte die intensive gedankliche
Beschäftigung mit einer fiktiven Erfahrung die Fiktion der Vorstellungskraft so vertraut
gemacht, dass an ihrer „Wahrheit“ gar nicht mehr gezweifelt wurde; und ineins mit
diesem Zur-Wahrheit-Werden einer Fiktion entstand im Zuge „passender“
Assoziationen eine subjektiv sinnvolle Geschichte, die die Fiktion umschloss und ihr
Halt gab - eine Form, die sich dem Gedächtnis eingravierte, leicht abrufbar war und
sich mit jeder „Wiedererinnerung“ bestätigte und vertiefte. Auch die angeblich in
Therapien aus ihrer „Verdrängung“ befreiten traumatischen Erinnerungen an
Missbrauchserfahrungen á la Ingram waren für Loftus falsche Erinnerungen;
Produkte der Suggestion durch ideologisch voreingenommene Therapeuten, mittels
derer sich banale psychische Verletzungen ihrer weiblichen Klienten in dramatische,
zweifelsfrei für wahr gehaltene Geschichten verwandelten, die der Person eine
festumrissene Identität geben: die des Opfers. Sie waren also - um das
sozialwissenschaftliche Modewort zu benutzen - „Konstrukte“ fehlgeleiteter
Therapeut-Patient-Interaktionen, Konstrukte ohne jeglichen Wirklichkeitsbezug. Es
gibt aber nicht nur falsche Opfer-Erinnerungen. Loftus gelang in einem QuasiExperiment sogar der Nachweis, dass auch die Implantierung falscher Erinnerungen
möglich ist, in denen es um Täterschaft geht. Sie ließ den verurteilten Paul Ingram,
der ja seine angeblichen Verbrechen nach erschöpfenden Polizeiverhören gestanden
hatte, im Gefängnis durch einen Kollegen besuchen, der ihm eröffnete, man habe
Beweise für eine weitere, bisher unentdeckte Untat. Nach deren Schilderung - einer
frei erfundenen Geschichte - konnte sich Ingram zunächst zwar an nichts erinnern,
bekannte sich aber am nächsten Tag zu seiner Täterschaft auch in diesem Fall mit
einer ausgeschmückten Version der ihm erzählten Geschichte. Dem Gericht reichte
das allerdings nicht als Unschuldsbeweis, Ingram musste noch lange Jahre hinter
Gittern für die falschen Erinnerungen seiner Töchter und seine eigenen büßen.
Übrigens waren auch die Selbst-Erinnerungen Binjamin Wilkomirskis falsche
Erinnerungen. Wilkomirski, der die Lesungen der „Bruchstücke“ durch seinen Lektor
auf seiner Klarinette mit traurig-wehmütigen Klezmer-Weisen zu umrahmen pflegte,
war, wie die - im Literaturbetrieb nur ganz ungern aufgenommene - zweifelsfreie
Aufdeckung seiner wahren Herkunft ergab, gar kein jüdisches KZ-Opfer, also auch
nicht Wilkomirski. Aber offensichtlich war er auch kein banaler Betrüger oder
Hochstapler, den unlautere Motive zur Teilnahme am beliebten Wettrennen um einen
Spitzenplatz auf der Nazi-Opferliste gedrängt hatten. Er war wohl eher ein Mensch
mit problematischer Persönlichkeitsstruktur, der im Zuge seiner langjährigen
obsessiven Beschäftigung mit Konzentrationslager-Literatur in Prozessen der SelbstSuggestion mehr und mehr mit einer neuen Identität und den entsprechenden
„Erinnerungen“ verwachsen war. Die endgültige Selbstbeglaubigung dieser neuen
Identität geschah dann durch die Niederschrift der „Bruchstücke“, die seinen
Erinnerungsfiktionen eine fixierte, externalisierte Form verschaffte.
Elizabeth Loftus jedenfalls zog aus ihren Forschungen zu Extremfällen falscher
Erinnerungen á la Ingram oder Wilkomirski nicht nur den Schluss, dass etliche der im
feministischen Opfer-Diskurs als unanzweifelbare Wahrheiten gehandelten Thesen
ganz unglaubwürdige Ideologeme seien - wofür sie von politisch korrekter Seite in
erwartbar persönlichkeitsverletzender Weise attackiert wurde -, sondern dass man
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auch das psychologische Konzept der „Verdrängung“ in seiner auf Freud
zurückgehenden Form endgültig ad acta legen solle: Es gebe nicht den geringsten
Beweis für einen psychischen oder hirnphysiologischen Verdrängungsmechanismus,
der die Erinnerungen an traumatische Erfahrungen aus dem Bewusstsein vollständig
zu löschen vermöchte und sie in unbewusste Regionen verbannte, aus denen sie
dann nur therapeutische „freie Assoziationen“ oder „Flashbacks“ aufgrund
spezifischer Auslösereize zu befreien vermöchten. Viel typischer als eine irgendwie
geartete Verdrängung sei für viele Traumaopfer die geradezu obsessive
Beschäftigung mit ihren traumatischen Erlebnissen.
Nun ist aber unbestreitbar, dass es die kindliche Amnesie gibt, das vollständige
Vergessen früher Kindheitserlebnisse. Die Freudsche Annahme allerdings, dass sie
durch Verdrängung entweder traumatischer Erfahrungen oder als ungehörig
zensierter Sexualwünsche zustande gekommen sei, spielt in der modernen
psychologischen und neurologischen Forschung keine Rolle mehr. Diese Forschung
ist in den letzten beiden Jahrzehnten zu faszinierenden neuen Einsichten in die
Struktur und Entwicklung unseres Gedächtnisses gelangt, die vollkommen andere
Deutungen nahelegen. Um zu einem besseren Verständnis unseres Erinnerns zu
gelangen, sollen zunächst einige dieser neuen Einsichten grob skizziert werden.
Zwei Grundgedanken müssen dabei an die Spitze gestellt werden: Dass erstens die
Rede von „dem“ Gedächtnis eine vollkommen unzulässige Verkürzung darstellt – das
entwickelte Gedächtnis ist ein System, in dem unterschiedliche Untersysteme
zusammengeschlossen sind, die für höchst divergente Formen des Erinnerns
zuständig sind; und dass sich, zweitens, diese multiplen Gedächtnissysteme in der
Ontogenese in einer angebbaren Stufenfolge erst emporbilden - sie existieren nicht
von vornherein -, bis zur Entfaltung der höchsten Form unseres Gedächtnisses, des
episodischen oder autobiographischen Gedächtnisses, die ihrerseits ein langer, bis
ins frühe Erwachsenenalter hineinreichender Entwicklungsprozess ist. Ein
autobiographisches Erinnern vor der Entwicklung des episodischen Gedächtnisses,
dessen früheste Rudimente sich erst ab dem dritten Lebensjahr auszubilden
beginnen, ist unmöglich - die kindliche Amnesie ist kein Produkt der Verdrängung,
sondern Folge eines noch ganz unfertigen Gedächtnissystems. Dem scheint
allerdings eine autobiographische Erinnerung eines der bedeutendsten Psychologen
des zwanzigsten Jahrhunderts zu widersprechen. Es handelt sich um Jean Piaget,
der eine Erinnerung aus seiner Zeit als eineinhalbjähriges Kleinkind aufbewahrt hat.
Piaget schreibt: „Ich sehe noch mit größter visueller Genauigkeit folgende
Szene…Ich saß in meinem Kinderwagen, der von einer Amme auf den ChampsElysées geschoben wurde, als ein Kerl mich entführen wollte“. Einige Zeilen weiter
freilich klärt uns Piaget auf, was es mit dieser Erinnerung auf sich hatte. Die Amme
hatte, wie sich weit später herausstellte, diese Geschichte, die immer wieder im
Familienkreis erzählt worden war, erfunden, auch Piagets Erinnerung war also eine
falsche Erinnerung. Piaget schreibt: „Ich musste als … Kind diese Geschichte gehört
haben …In der Form einer visuellen Erinnerung habe ich sie in die Vergangenheit
zurückprojiziert. So ist die Geschichte also eine Erinnerung an eine Erinnerung,
allerdings an eine falsche. Viele echte Erinnerungen sind zweifellos von derselben
Art“.
Für eine differenzierende Betrachtung unserer Gedächtnis- und
Erinnerungsleistungen sind in der modernen Forschung drei kategoriale
Dimensionen leitend geworden: Erstens eine zeitliche, zweitens eine funktionale und
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drittens eine am Gegensatzpaar explizit/implizit orientierte. Die zeitliche Ebene betrifft
die Unterscheidung zwischen einem Ultrakurzzeit-, Kurzzeit- und einem
Langzeitgedächtnis. Während das Ultrakurzzeitgedächtnis im Bereich von
Millisekunden operiert und sich vorwiegend auf die neuronalen Vorgänge des
Wahrnehmungssystems bezieht, bleibt das Kurzzeitgedächtnis bis auf wenige
Minuten aktiv. Es vermag sogar visuelle Wahrnehmungen zu speichern, die wegen
der Schnelligkeit ihres Auftauchens und Verschwindens nicht unser Bewusstsein
erreichen, auf die wir aber trotzdem emotional reagieren, - eine Kompetenz, die man
experimentell getestet hat und die sich die Wirtschaftswerbung zunutze gemacht hat,
indem sie beispielsweise blitzartig erscheinende Firmenlogos in Spielfilme
hineingeschmuggelt hat. Für die Einspeicherung ins Langzeitgedächtnis sind
Prozesse gerichteter Aufmerksamkeit notwendig, ansonsten gehen
Kurzfristinformationen verloren, und dieses Vergessen ist ein höchst funktionaler
Vorgang. Denn blieben alle diese Informationen für unsere gesamte Lebenszeit
erinnerbar, wäre unser Gedächtnis derart mit Irrelevantem überlastet, dass wir
handlungs- und entscheidungsunfähig würden. Die Einspeicherung von
Erinnerungsgehalten ins Langzeitgedächtnis bewirkt neuronale Verknüpfungen, ein
Engramm. Damit dieses - und damit das Erinnerte – erhalten bleibt, bedarf es bei
kognitiven Erinnerungen normalerweise wiederholter Wieder-Erinnerungen, also der
Erinnerung von Erinnerungen, eines Vorgangs, der kortikale Konsolidierung genannt
wird. Freilich führt jede Erinnerung autobiographischer Erinnerungen auch zu
Modifikationen derselben und ihrer Engramme in Abhängigkeit vom situationellen
und lebensgeschichtlichen Kontext, in dem sie geschieht – keine Wieder-Erinnerung
ist eine passgenaue Kopie ihrer Vorgängerin, sondern enthält immer auch
Umdeutungen. Neben der zeitlichen Differenzierung unserer Gedächtnisleistungen
ist, zweitens, eine funktional orientierte wichtig. Die moderne Forschung operiert
nicht mehr mit der Vorstellung eines einheitlichen Gedächtnisses, sondern
unterscheidet zwischen fünf Subsystemen des Langzeitgedächtnisses, denen man
auch divergente Gehirnareale zuordnet. Erwähnt seien von diesen Subsystemen nur
das sogenannte prozedurale, das semantische und das episodische Gedächtnis. Im
prozeduralen Gedächtnis werden erlernte körperliche Verhaltensabläufe gespeichert,
die dann vollständig automatisiert sind wie das Fahrradfahren und zu ihrer Abrufung
keiner bewussten Bemühung bedürfen; das semantische Gedächtnis ist der Fundus
für unser Sprachvermögen und alle jene symbolisch repräsentierten Wissensgehalte,
die wir ohne Rekurs auf die Kontexte ihrer Entstehung erinnern wie etwa schulisch
erlernte Rechenoperationen oder Geographiekenntnisse. Hingegen umschließt das
episodische oder autobiographische Erinnern solche Gedächtnisgehalte, in denen
auch die Zeit und der Ort ihrer Entstehung eingraviert sind - neben einem „Was“ also
auch ein „Wann“ und ein „Wo“ -, und dabei der Erinnernde das Bewusstsein in
besonderem Maße auf sich selbst im damaligen situationellen Kontext ausrichtet; Erinnerungen also, die von einer Person als Episoden ihrer eigenen Vergangenheit
verstanden werden und ihr das Gefühl eines kohärenten und unaustauschbaren
Selbst verleihen. Nur dieses Gedächtnissystem ist in vollem Sinn ein
anthropologisches Privileg des Menschen - ein autobiographisches Erinnern ist
keinem Tier möglich. Die Symbole und Wissensgehalte des semantischen
Gedächtnisses bilden zwar eine logische und ontogenetische Voraussetzung für das
episodische Gedächtnis, aber trotz der engen Beziehung beider Systeme okkupieren
beide doch unterschiedliche Gehirnareale, was aus solchen ganz seltenen
Krankheitsfällen erhellt, in denen der Totalausfall der lebensgeschichtlichen
Erinnerung das semantische Gedächtnis unangetastet lässt. Die große Irritierbarkeit
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unseres Gedächtnisses, von dem die spektakulären Fälle „falscher Erinnerungen“,
die wir skizziert haben, künden, betrifft vor allem das episodische Gedächtnis und
weniger das semantische und noch weniger das prozedurale. Denn das Typische für
das semantische Gedächtnis ist nur das Verblassen und Vergessen von
Gedächtnisinhalten, wenn sie nicht beständig wiedererinnert werden. Die aktive
Umkonstruktion hingegen, die uns bei falschen Erinnerungen Fiktionen als subjektiv
unangezweifelte Wahrheiten erscheinen lassen, geschieht vornehmlich beim
autobiographischen Erinnern. Und zuletzt, drittens, noch einige Hinweise auf die
dritte kategoriale Dimension, die in der modernen Forschung bei der
differenzierenden Betrachtung von Gedächtnisleistungen bedeutsam geworden ist,
die Unterscheidung zwischen impliziten und expliziten Erinnerungen. Explizite
Erinnerungen sind immer sprachlich vermittelt und von einem Bewusstsein für die
getätigte Erinnerungsleistung begleitet, während grundsätzlich alle vorprachlichen
Erinnerungen des Säuglings und Kleinkindes, Erinnerungen an sensomotorische
Abläufe, aber auch an emotionale Situationskomponenten also, implizite
Erinnerungen sind. Implizit sind auch die Erinnerungen an frühkindliche
Bindungserfahrungen. Unzureichende Bindungserfahrungen etwa samt der ihnen
korrespondierenden psychischen Reaktionsmuster haben sich zwar dem Gedächtnis
eingeschrieben und prägen die Charakterstruktur und typisch wiederkehrende
Verhaltensmuster einer Person, sie können aber nicht über die Schwelle des
expliziten Bewusstseins treten und sind gerade deswegen so resistent gegen
Veränderungen. Auch das Abrufen unserer automatisierten Sprachkompetenzen im
semantischen Gedächtnis oder die Orientierung an fraglos gültigen Sitten einer
Gemeinschaft bezeichnet im wesentlichen ein implizites Erinnern, das erst dann
bewusst wird, wenn unserem Gedächtnis beispielsweise ein Wort entglitten ist. Und
schließlich darf nicht unerwähnt bleiben, dass auch in unserem autobiographischen
Gedächtnis implizite Erinnerungen gespeichert sind, die, wie wir sehen werden,
keineswegs jederzeit der Person verfügbar sind und dass die verfügbaren auch von
impliziten umlagert und durchzogen sein können. So wird das implizite Erinnern in
allen Subsystemen des Gedächtnisses aktiviert, und es ist bestimmend in den
Frühphasen der Ontogenese des Menschen. Der Begriff der impliziten Erinnerung
hat die größte Nähe zum klassischen psychoanalytischen Konzept des
Unbewussten, mit dem Unterschied allerdings, dass man dabei auf den Begriff der
„Verdrängung“ vollständig verzichtet.
Soweit einige differenzierende Hinweise zum Begriff des Gedächtnisses. Im
folgenden werde ich mich ausschließlich auf das autobiographische Erinnern
konzentrieren. Ich versuche zunächst eine anthropologisch orientierte
Grundcharakterisierung.
Unsere Vorstellung von Zeit bezeichnet ein an den Begriffen von Vergangenheit,
Gegenwart und Zukunft ausgerichtetes lineares Kontinuum, das unumkehrbar ist:
Der Zeitpfeil zeigt nur in eine Richtung, vom Gestern ins Heute, aber nicht vom Heute
ins Gestern. Einzig die menschliche Erinnerungsfähigkeit vermag den Zeitpfeil zur
Umkehr zu zwingen, natürlich nicht in der materiellen Wirklichkeit, aber doch in der
Wirklichkeit des Bewusstseins, als Vergegenwärtigung der Vergangenheit, WiederErleben des Gestern im Heute in der Innenwelt unserer Vorstellungskraft. Die
mentale Zeitreise ins Gestern, die das autobiographische Erinnern ist, kann von
starken Gefühlsaktivierungen begleitet sein, was aber nichts an der Tatsache ändert,
dass ein derartiges Erinnern immer auch ein distanznehmender Vorstellungsprozess
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ist: Die Erinnerung lässt den Sich-Erinnernden auf sich selbst wie auf einen Anderen
blicken; sie produziert nach innen gerichtete Wahrnehmungsvorgänge auf ein Objekt,
das niemand anders als das wahrnehmende Ich selbst ist, ein Ich, das erst in und
durch diese Akte abstandnehmender Objektivierung, dieses Sich-selbstGegenübertretens, seiner selbst als einer unaustauschbaren Person gewahr wird. So
ist die Abrufung von Erinnerungen des Ich an sich selbst der Inbegriff des
menschlichen Selbst-Bewusstseins, das sich dabei ständig erneuert. Zwar ist die
Rückbiegung des erinnernden Bewusstseins auf den Erinnernden eine mentale
Rückreise in die Vergangenheit, aber dort muss nun das erinnerte Ich-Erlebnis
seinerseits innerhalb einer zeitlichen Sequenz verortet werden, einem Vorher, einem
Dann und einem Nachher, womit sich in der Vergangenheit die Temporalstruktur von
Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft noch einmal reproduziert. Diese wenigen
Bemerkungen deuten schon an, ein welch anspruchsvoller anthropologischer
Prozess das autobiographische Erinnern ist und welche Kompetenzen ontogenetisch
entfaltet sein müssen, damit es überhaupt möglich wird. Ohne drei
Schlüsselkompetenzen ist es undenkbar: entwickeltes Sprachvermögen, entwickeltes
Selbst-Bewusstsein und Verfügung über einen ausgebildeten Zeitbegriff. Im
Kindesalter bilden sich diese Kompetenzen erst langsam empor, was der Grund
dafür ist, dass Kleinkinder zum autobiographischen Erinnern noch kaum befähigt
sind. Und weil ihnen diese Erinnerungsfähigkeit abgeht, können auch Erwachsene
keine Erinnerungen aus diesem Alter wiedererinnern, was der Hauptgrund für die
Amnesie ist, die unsere frühe Kindheit - trotz ihrer prägenden Wirkung auf unsere
Charakterstruktur - für uns unverfügbar macht. Die langsame Emporbildung der
autobiographischen Erinnerungsfähigkeit geschieht in Kommunikationsprozessen
zwischen dem Kind und seinen Bezugspersonen, in denen in der frühen Kindheit
sogenannte „Erinnerungsgespräche“ eine zentrale Rolle spielen; Gespräche, in
denen die Erwachsenen die Kommunikation gezielt auf zurückliegende Ereignisse
hinlenken und im Dialog dem Kind immer mehr Details entlocken, unter denen seine
emotionalen Bewertungen des Vergangenen eine herausgehobene Bedeutung
einnehmen. Vom Differenziertheitsgrad derartiger Erinnerungsgespräche hängt ganz
wesentlich die Ausbildung des Differenziertheitsgrades der kindlichen
Erinnerungsfähigkeit als einer intrapsychischen Kompetenz ab, was übrigens ebenso
für den Erwachsenen gilt: Je mehr und je differenzierter wir über autobiographisch
bedeutsame Ereignisse reden - und sei es nur im inneren Zwiegespräch -, desto
besser können sie erinnert werden. Die Entwicklung des autobiographischen
Gedächtnisses ist ein langwieriger Prozess, der sich bis ins Ende der Adoleszenz
hinein erstreckt. Entwicklungspsychologische Forschungen zeigen, dass die
Fähigkeit zur Verknüpfung punktueller individuell bedeutsamer Erinnerungen zu einer
linear ausgerichteten kohärenten Lebenserzählung mit einer plausiblen Eröffnung
und Beendigung erst jungen Erwachsenen möglich ist. Wichtig ist noch der Hinweis
auf kulturspezifische Besonderheiten der autobiographischen Erinnerungsfähigkeit.
Obwohl das autobiographische Erinnern eine anthropologische Universalie
bezeichnet – es gehört wesentlich zu unseren Vorstellungen vom Mensch-Sein -,
wird ihm doch in unterschiedlichen Kulturen eine ganz unterschiedliche Bedeutung
beigemessen, und entsprechend differieren auch seine Formung und
Differenziertheit von Kultur zu Kultur ganz erheblich. Die positive Betonung der
Einmaligkeit der persönlichen Geschichte ist ein Produkt der westlichen Kultur mit
ihrem hochentwickelten Individualitätsbegriff, während in den gruppenorientierten
Kulturen Asiens und Afrikas persönliche Erinnerungen viel stärker in die Kontexte
eines Wir-Gruppenbewusstseins eingebettet sind.
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Wir müssen jetzt genauer Einzelaspekte des autobiographischen
Erinnerungsprozesses unter die Lupe nehmen. Zuerst richten wir das Augenmerk auf
einen Modus des autobiographischen Erinnerns, den die Forschung stiefmütterlich
behandelt, der aber in der künstlerischen Literatur um so häufiger beschrieben wird
und jedem wohlvertraut ist: Die ganz ungerufen plötzlich aufgrund irgendeines
Reizes, beispielsweise einer Geruchswahrnehmung auftauchenden Erinnerungen,
die Proust „mémoire involontaire“ genannt hat; eine Erinnerung, um die sich die
Person nicht willentlich bemüht hat, sondern die gewissermaßen in sie wie von
außen hineingeweht ist. Oft sind das Erinnerungen sehr weit zurückliegender
Ereignisse aus der Kindheit oder Jugend. Günter Grass hat in einer Rede einmal
beide Modi des Sich-Erinnerns in einem Satz zusammengebunden. Er begann die
Rede so: „Ich erinnere mich oder ich werde erinnert durch etwas, das mir quer steht,
seinen Geruch hinterlassen hat oder in verjährten Briefen mit tückischen Stichworten
darauf wartet, erinnert zu werden“. Der Satz vollzieht eine abrupte Wende von einer
aktiven zu einer passiven Konstruktion, zum „ich werde erinnert“, zum Modus der
mémoire involontaire. Was hat es nun mit dieser Variante der Erinnerung auf sich?
Während der willentliche Erinnerungsprozess, das „ich erinnere mich“ ein aktiv
steuerbarer rein intrapsychischer Vorgang ist, werden im passiven „ich werde
erinnert“ der mémoire involontaire schlummernde Erinnerungen der Person erst dann
wieder verfügbar, wenn sie durch äußere Reize aktiviert werden. Die Erinnerungen
sind impliziter Natur und mit gewissen Sinneseindrücken visueller, akustischer oder
geruchlicher Art unauflöslich verknüpft, und sie werden erst dann hervorgelockt,
wenn kongruente Sinneseindrücke die Person von außen wieder berühren. Erst der
passende äußere Reiz setzt die Erinnerung frei, übersetzt sie aus ihrem impliziten
Latenzzustand in eine explizite Form, und weil dies ein von der Person nicht
steuerbarer und weitgehend auf Zufällen beruhender Vorgang ist, kann man die
mémoire involontaire zwar phänomenologisch beschreiben, aber für die empirischexperimentell ausgerichtete psychologische Forschung stellt sie ein weitgehend
unzugängliches Feld dar. Neben der Unterscheidung der beiden Modi
autobiographischer Erinnerung muss nun, zweitens, ein bereits oftmals angedeuteter
Sachverhalt erläutert worden: Dass Erinnerungen an uns selbst kaum jemals nur
Akte eines gefühlsneutralen Zur-Kenntnis-Nehmens darstellen, sondern gewöhnlich
von mitschwingenden Emotionen unterschiedlicher Intensität begleitet werden.
Emotionen aber sind keineswegs nur-psychische Phänomene, sondern unauflöslich
mit bestimmten Reaktionsweisen des Körpers verknüpft, die ihrerseits differenzierbar
sind. Drei Ebenen lassen sich unterscheiden: rein physiologische, wie sie sich
beispielsweise in Veränderungen der Atem- oder Herzfrequenz und dem Erröten
zeigen; zweitens Veränderungen der Mimik –Emotionen sind typischerweise mit ganz
bestimmten mimischen Ausdrucksmustern verknüpft, unter denen diejenigen für die
sechs Grundemotionen - Freude, Angst, Ärger, Trauer, Ekel und Überraschung anthropologische Universalien sind; und drittens Veränderungen der Körperhaltung –
man denke an den in sich „eingesunkenen“ Körper des Trauernden oder
Depressiven, den „gestrafften“ bei der Freude oder die Verbindung des Errötens mit
dem zum Boden gewendeten Blick bei der Scham. Alle diese körperlichen Korrelate
von Emotionen werden bei der Erinnerung emotional getönter Ereignisse auch
wieder zum Schwingen gebracht, natürlich in unterschiedlichen Intensitätsgraden.
Aber dass auch unausgesprochene Erinnerungen des Einzelnen an freudvolle
Erfahrungen ein Lächeln oder sogar ein lautes Lachen entbinden können und zu
einem „gehobenen“ Körpergefühl führen, ist jedem genauso vertraut wie die
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Veränderung von Atemfrequenz, Mimik und Körperhaltung bei wiedererinnerten
Angst- oder Schamerlebnissen. Wir kommen nun, drittens, zum Problem der
Authentizität unserer autobiographischen Erinnerungen, ein Problem, das die
eingangs behandelten Fälle „falscher Erinnerungen“ spektakulär verdeutlichten. Das
Authentizitätsproblem ist aber nur angemessen behandelbar im Rahmen
differenzierender Gesichtspunkte, von denen zunächst die Fragen nach dem
Adressaten der Erinnerung und diejenige nach ihrer Medialität wichtig sind.
Adressaten der Erinnerung können einzig die sich erinnernde Person selbst sein,
aber auch ganz unterschiedliche Typen Anderer, bis hin zur anonymen Vielheit eines
Lesepublikums, während als Medien der Erinnerung das innere Bild oder das
gesprochene oder geschriebene Wort in Frage kommen. Berühren wir zunächst
allein die in der inneren Vorstellungswelt des einzelnen verbleibenden Erinnerungen,
und zwar jene der mémoire involontaire. Von äußeren Sinnesreizen in uns
heraufgerufen, erreichen derartige Erinnerungen die Person typischerweise als
assoziativer innerer Bilderreigen, dessen Authentizität für sie subjektiv völlig außer
Frage steht: Sie wird eines lange nicht mehr verfügbaren Eindruckes in ihr
Gedächtnis wieder gewahr, den gerade seine emotional-körperliche Resonanz und
seine quasi-sinnliche Beschaffenheit - als visuelle, geruchliche oder akustische
Erinnerung - als „echt“ vor ihr selbst beglaubigt. Derartige Erinnerungen aber sind
gewöhnlich flüchtiger Natur. Sollen sie festgehalten und erweitert werden, so müssen
sie ausgedrückt werden, wofür man aber gemeinhin in ein anderes Medium
überwechseln muss: ins Medium des Wortes. Die Versprachlichung der erinnerten
Eindrücke aber ist eine Übersetzung, die niemals vollauf ihrem emotionalen und
sinnlich-somatischen Gehalt gerecht werden kann, was am meisten übrigens für
Geruchswahrnehmungen und -erinnerungen gilt, für deren Unterscheidung - obwohl
sinnlich eindeutig identifizierbar - die Sprache nur ganz dürftige Mittel zur Verfügung
stellt. Christa Wolfs Diktum „Wie man es erzählen kann, so ist es nicht gewesen“ gilt
auch für den Hiatus zwischen der Erinnerung als innerer Bilderfolge und ihrem
sprachlichen Ausdruck. Man kann die Versprachlichung des Erinnerten als den
Beginn einer Vielfalt von Metamorphosen seines Gehalts begreifen, jedenfalls dann,
wenn die Versprachlichung nicht zu einer Verschriftlichung weitergeführt wird. Denn
die Verschriftlichung zurrt das Erinnerte in einer ganz spezifischen, externalisierten
Sprachform fest; einer Form, die jeder Wieder-Erinnerung Halt zu geben vermag und
sie auf eine standardisierte, tendenziell „zeitlose“ Version festlegen kann. Wenn die
autobiographische Erinnerung dagegen nur im Medium des gesprochenen Wortes
verbleibt und wenn sie dergestalt auch Anderen verfügbar gemacht werden soll, also
in einer Kommunikationssituation vergegenwärtigt wird, dann werden sich
zwangsläufig unterschiedliche Versionen entfalten, und zwar in Abhängigkeit von im
wesentlichen drei Variablen: von den vermuteten Erwartungen des Gegenüber jedes erzählende Abrufen einer autobiographischen Erinnerung ist zuhöhrerorientiert;
zweitens in Abhängigkeit von der aktuellen lebensgeschichtlichen Selbstdeutung des
Sich-Erinnernden - jedes erzählende Sich-Erinnern versucht eine Assimilation eines
Vergangenen an gegenwärtige Bedürfnisse und Selbstbilder des Erzählers; und
drittens in Abhängigkeit von der zeitlichen Distanz der Erinnerungen zu den
Erlebnissen, und zwar im wesentlichen deswegen, weil die Ausdrucksmittel für
autobiographische Erinnerungserzählungen nicht konstant bleiben, sondern sich
zeitspezifisch verändern. Erinnerungen passen sich auf der Inszenierungsebene
ihrer Erzählungen, ihren „Rahmungen“ und in ihren Wertungen, immer auch an den
gesellschaftlichen Wandel von Ausdruckstechniken und Ausdruckssemantiken - den
jeweiligen „Zeitgeist“ - an, was übrigens in wahrscheinlich noch stärkerem Maße für
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die Wahrnehmung und die Erinnerung von Erinnerungen Anderer gilt: Die erzählte
Erinnerung wird von demjenigen, der sie aufnimmt, ganz zwangsläufig durch
zeittypische Wahrnehmungsmuster gefiltert. Dass autobiographische Erinnerungen in
adressaten- bezogenen Versionen - orientiert an den vermuteten Erwartungen des
Gegenüber - abgerufen werden, dass wir also verschiedenen Anderen andere
Erinnerungen und Erinnerungen anders erzählen, nimmt deswegen kein Wunder,
weil die Bestätigung durch den Anderen als eine der wesentlichen Quellen für die
Selbst-Bestätigung des Erzählers als eines authentischen Autobiographen fungiert:
Es ist nicht die objektive Richtigkeit der Erzählung, sondern ihre Bestätigung durch
den Anderen, die die subjektive Überzeugung von der Zugehörigkeit der Erinnerung
zu mir als unaustauschbarer Person festigt. Genauso evident wie die
Adressatenbezogenheit der Erinnerungserzählung ist aber auch ihre Ummodelung im
Hinblick auf die aktuellen Bedürfnisse und Selbstbilder des Erzählenden selbst.
Jeder von uns betreibt seine eigene, höchst individuelle Erinnerungspolitik, die
willentlich oder unwillentlich die Vergangenheit der Person in Deutungen aufscheinen
lässt, welche das Selbstbild des gegenwärtigen Ich nicht gefährden. Der dritte Aspekt
schließlich, die Variation der Erinnerungserzählung in Abhängigkeit von jeweils
unterschiedlichen zeittypischen Ausdruckstechniken und Bewertungsmustern ist
besonders bezüglich solcher Erinnerungen anzutreffen und untersucht worden, in
denen die Lebensgeschichte des einzelnen mit dramatischen Phasen der
Weltgeschichte verschlungen war, also etwa bei Erinnerungen über den
Nationalsozialismus und den zweiten Weltkrieg. Vor allem Harald Welzer hat
aufzeigen können, dass in bemerkenswert viele Kriegserinnerungen Erzählmuster
absichtslos hineingeschmuggelt worden sind, die beispielsweise durch berühmt
geworden Filme oder literarische Erzählungen für ein großes Publikum zur Nutzung
bereitgestellt waren; und dass die unterschiedlichen Nachkriegsbewertungen des
Nationalsozialismus - die unterschiedlichen Varianten seiner Markierung als „böse“ autobiographische Erzählungen aus dieser Zeit nicht unberührt lassen können,
versteht sich von selbst. Das gilt freilich noch stärker für die Erinnerungen derartiger
Erinnerungen durch die Nachgeborenen: Was sie vom Erzählten wie erinnern, ist
unauflöslich durch die Macht massenmedial vermittelter Bilder und Erzählungen über
diese Zeit mitgeprägt. Diese wenigen Hinweise auf Ursachen für die Variantenvielfalt
von Erinnerungserzählungen legen das Resümée nahe, dass unser
autobiographisches Gedächtnis nicht als eine feste Entität begriffen werden sollte,
sondern, so Welzer, „als eine synthetisierende Funktionseinheit, die sich in jeder
kommunikativen Situation auf jeweils neue Weise realisiert“.
Bisher war ausschließlich von individuellen Erinnerungen die Rede. Gerade unsere
letzten Bemerkungen aber haben zumindest angedeutet, wie sehr individuelle
Erinnerungen durch zeitgeisttypische kollektive Erzählmuster gemodelt sein können,
die sich auf eben jene Vergangenheit beziehen, in die die erinnerte Episode der
Person eingebettet ist. Damit ist bereits das große Thema der kollektiven
Erinnerungen angesprochen, das in seinen Besonderheiten noch mit einigen
abschließenden Bemerkungen profiliert werden soll. In der Literatur werden
gemeinhin zwei Grundformen eines Wir-Gedächtnisses unterschieden, die man
„kommunikatives“ und „kulturelles“ Gedächtnis genannt hat. Das kommunikative
Gedächtnis einer Gruppe ist gewissermaßen ein kollektives Kurzzeitgedächtnis, es
umspannt einen Zeitraum von drei bis vier Generationen und bezieht sich auf
kommunizierte Erinnerungen von Erlebnissen innerhalb dieser Gruppe. Die
kommunikativ tradierte Erinnerung über die Generationenschwelle hinweg gewinnt
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typischerweise in gewissen stereotypen Erzählungen mit fiktional ausgeschmücktem
Beiwerk eine feste Form, deren oftmals quasi-ritualisierte Wiedererzählung ein
wesentliches Fundament für das Wir-Gefühl eben dieser Gruppe darstellt, ihre
„Identität“. Prototyp eines derartigen kollektiven kommunikativen Gedächtnisses ist
das Familiengedächtnis. Das kollektive kulturelle Gedächtnis ist zwar mit dem
kommunikativen durch Übergänge verbunden, unterscheidet sich von ihm aber durch
seine weit größere Alltagsferne und historische Ausdehnung. Es gewinnt in jenen
Geschichtserzählungen und Ritualen seine Form, in denen sich Großgruppen wie
„die“ Deutschen und selbst ganze Kulturkreise wie „Europa“ als spezifisch geprägte
Einheiten in Abgrenzung zu anderen deuten, als imaginierte
generationenübergreifende kollektive Subjekte. Zwar sind in der Gegenwart derartige
Narrative nie vollkommen eindeutig und es zirkulieren immer unterschiedliche
Versionen, aber es gibt doch zeitgeisttypische Hegemonialformen, die, obwohl durch
die Wissenschaft mitgeprägt, in ihren Selektionstechniken und Wertungen doch
primär geschichtspolitische Produkte sind. Sie ranken sich um spezifische
Schlüsselbegriffe und Mythologeme, an deren Inkrustierung im Bewusstsein der
Zeitgenossen ihre fortwährende Nutzung durch die Massenmedien einen großen
Anteil hat. Grundsätzlich gilt - und das wird selten in voller Klarheit gesehen -, dass
allzu enge Analogisierungen zwischen dem kollektiven kulturellen Gedächtnis und
dem individuellen Gedächtnis der Person schnell auf Holzwege führen können:
Worte wie Erinnern, Vergessen oder Verdrängen sind im strikten Sinn nur auf das
Ich-, aber nicht auf das kulturelle Wir-Gedächtnis anwendbar, denn sie haben immer
das selbsterlebte Ereignis zur Voraussetzung, während das kulturelle Gedächtnis im
wesentlichen aus Deutungen besteht, die in der Gegenwart über nichterlebte
Vergangenheiten entworfen werden. Das kollektive kulturelle Gedächtnis hat also
einen ganz anderen Konstruktcharakter als das individuelle Gedächtnis. Dem
widersprechen auch nicht die eingangs besprochenen spektakulären Fälle falscher
Erinnerungen, in denen die Person nichterlebtes erlebt zu haben meinte. Sie
veranschaulichen zwar trefflich die Irritierbarkeit unseres Ich-Gedächtnisses, sollten
aber doch als pathologische Produkte fehlgeleiteter Suggestionen gewertet werden,
denn der Normalfall individuellen Erinnerns ist der Bezug auf zumindest einen
Kerngehalt des Selbsterlebten. Begriffe wie Erinnern, Vergessen und Verdrängen
sind im Kontext des kollektiven kulturellen Gedächtnisses wegen dieser
grundlegenden Differenz eigentlich immer in Anführungszeichen zu setzen und in
dieser Form hier auch nur so gemeint. Mit diesem Vorbehalt versehen lässt sich aber
die These vertreten, dass das falsche Erinnern im kollektiven Gedächtnis wohl noch
verbreiteter als im individuellen ist. Kollektive können identitätsstiftende Bilder über
ihre Vergangenheit herbeiphantasieren, die, an wissenschaftlichen Ansprüchen
gemessen, schlicht falsch sind. Gerade in der jüngeren Vergangenheit hat es
hysterisierte Aufladungen kollektiver Gedächtnisse gegeben, in denen imaginierte
generationenübergreifende Kollektivsubjekte wie „die“ Frauen, „die“ Deutschen, „die“
Muslime oder „die“ Juden ihre Geschichte ganz wesentlich in Begriffen des Opferoder auch des Täter-Seins auslegten, mit der Folge, dass fiktionale Bilder über die
Vergangenheit sehr reale Auswirkungen auf gegenwärtige Kollektivbefindlichkeiten
hatten und politisch handlungswirksam wurden. Die eingangs dargestellten
pathologischen Grenzfälle falscher Erinnerungen im individuellen Gedächtnis
jedenfalls sollten auch als Produkte hysterisch aufgeladener und somit höchst
problematischer kollektiver Erinnerungen begriffen werden. Im kollektiven kulturellen
Gedächtnis gibt es Prozesse heilsamen und schädlichen Vergessens. Was
heilsames kollektives Vergessen bedeuten kann, demonstriert am eindrücklichsten
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das Gegenbeispiel von Rachekulturen, die Erinnerungstechniken pflegen, die ein
friedliches Miteinander unterschiedlicher Kollektive ausschließen. Schädlich
hingegen ist ein kollektives Vergessen, das sich auf das historische Geworden-Sein
der Fundamente republikanischer Ordnungen bezieht. Ein derartiges Vergessen
setzt grundlegende Freiheitsrechte und das zukünftige Schicksal ganzer Völker und
Kulturkreise aufs Spiel. Genau diese Variante kollektiven Vergessens scheint sich
nicht nur in Deutschland, sondern in vielen europäischen Gesellschaften immer
stärker zu verbreiten, und zwar in Verbindung mit einer zweiten höchst schädlichen
Komponente kollektiver Erinnerung: der permanenten kollektiven Selbstabwertung
der eigenen Vergangenheiten. Bei uns schwindet das Bewusstsein, welche Opfer
historisch mit der Erkämpfung grundlegender Freiheitsrechte verbunden waren.
Wenn aber im kollektiven kulturellen Gedächtnis das Wissen um das opferreiche
historische Gewordensein derartiger Freiheiten vergessen wird und die Kraft zur
kollektiven Selbstaffirmation schwindet, werden in den Auseinandersetzungen mit
identitätsstarken fremdkulturellen Kollektiven, die sich in Europa zukünftig
intensivieren werden, grundlegende Freiheiten, die man für unverlierbar hielt,
schrittweise verschwinden. Es gibt Pathologien des individuellen und des kollektiven
Erinnerns. In den europäischen Gesellschaften ist ein Typus des kollektiven
Erinnerns bestimmend geworden, dessen Narrative der kollektiven Selbstabwertung
in die kulturelle und gesellschaftliche Selbstdestruktion führen.
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