Biofocus 382 B I O S P E K T R U M • 5. 0 0 • 6. J A H R G A N G Habilitierte stellen sich vor Temperaturabhängige Bildung von Virulenzfaktoren in pflanzenpathogenen Bakterien Matthias Ullrich, Max-Planck-Institut für terrestrische Mikrobiologie, Marburg 쑺 Bisherige Kenntnisse der Genexpression in bakteriellen Krankheitserregern zeigen, daß Virulenzfaktoren in Abhängigkeit der jeweiligen Umweltbedingungen gebildet werden. Erreger von Pflanzenkrankheiten, wie das von uns verwendete Sojabohnen-Pathogen Pseudomonas syringae, müssen im Laufe der Infektion unter anderem auf Temperaturveränderungen reagieren. Wie bei Krankheitserregern von Säugern, die ihre warmblütigen Wirte beispielsweise an der im Vergleich zur Außenwelt erhöhten Körpertemperatur (37-40°C) erkennen und in diesen mit der Bildung von Virulenzfaktoren beginnen, könnten auch Pflanzenpathogene auf veränderte Temperaturen reagieren. Die selektive Bildung von wichtigen Virulenzfaktoren ist vermutlich notwendig, um Energiereserven einzusparen. Die Thermoregulation in Pflanzenpathogenen ist bisher nur unzureichend verstanden. Zu thermoregulierten Virulenzfaktoren gehören neben Phytotoxinen auch die Schleimbildung, Enzyme, die die pflanzliche Zellwand abbauen, sowie die Übertragung bakterieller Erbinformation in Pflanzenzellen. Zwei Fragen stehen bei der molekularen und ökophysiologischen Untersuchung der Thermoregulation in Pflanzenpathoge- nen im Vordergrund: a) wie erfolgt die Aufnahme und Weiterleitung des Temperatursignals in der Bakterienzelle? und b) warum erfolgt die Bildung bestimmter Virulenzfaktoren bei niedrigen Temperaturen nicht jedoch bei höheren, das Wachstum fördernden Temperaturen (Abb. 1)? Unsere Schwerpunkte sind: 1.) die Thermoregulation der Bildung des Phytotoxins Coronatin durch P. syringae; 2.) die Analyse der zellulären Prozesse in den Bakterien bei Temperaturveränderungen; 3.) die Identifizierung und Charakterisierung neuer temperaturabhängiger Faktoren; 4.) der Einfluß der Temperatur auf die Pflanzen-Bakterien-Wechselwirkung. P. syringae bildet das Phytotoxin Coronatin in Abhängigkeit von der Temperatur, wobei die beteiligten Gene vorrangig bei 18 °C abgelesen werden [1]. Für die Transkription der für die Coronatin-Bildung wichtigen Gene benötigt P. syringae ein System, das aus den drei regulatorischen Proteinen CorR, CorP und CorS besteht und das durch Mutationen nachgewiesen und kloniert werden konnte [2]. Die drei Proteine ähneln in ihren Eigenschaften einer in Bakterien weitverbreiteten Gruppe von Proteinen, die Zwei-Komponenten-Systeme bilden und an der Aufnahme bzw. Weiterleitung von Um- Abb. 1: Schematische Darstellung der Wechselwirkungen des pflanzenpathogenen Bakteriums Pseudomonas syringae mit einer Wirtszelle. Die hervorgehobenen Faktoren sind temperaturabhängig und werden zur Zeit in unserem Labor auf ihre Expression und ihre spezifische Rolle bei der Pathogenese hin näher charakterisiert. Matthias Ullrich Jahrgang 1963, Biologiestudium (1985-1990) an der Friedrich-Schiller-Universität Jena, Forschungsaufenthalt am Max-Planck-Institut für medizinische Forschung Heidelberg bei Dr. Klaus Geider (Stipendium des Fonds der Chemischen Industrie) (19911992), 1992 Promotion bei Prof. Dr. Wolfgang Fritsche an der Friedrich-Schiller-Universität Jena, DAAD-Postdoktorand (1992-1994) sowie NSFpostdoctoral fellow (1994-1996) bei Prof. Dr. Carol L. Bender, Oklahoma State University in Stillwater, USA, seit 1996 Leiter der selbständigen Nachwuchsgruppe „Ökophysiologie“ am Max-Planck-Institut für terrestrische Mikrobiologie in Marburg, 2000 Habilitation in Mikrobiologie an der PhilippsUniversität Marburg. weltsignalen beteiligt sind. Während es sich bei CorS um eine Histidin-Proteinkinase (Sensor) handelt, stellen CorR und CorP Anwort-Regulatoren dar, die nach Aktivierung durch CorS die Transkription bestimmter COR biosynthetischer DNA-Abschnitte ermöglichen [3]. Das System unterscheidet sich von orthodoxen Zwei-KomponentenSystemen durch die Anwesenheit des zweiten Regulatorproteins CorP, das über keine DNA-Bindungsaktivität verfügt und dessen möglicherweise modulatorische Funktion zur Zeit genauer analysiert wird. Es wird ebenfalls ermittelt, in welcher Art und Weise CorS das Temperatursignal detektiert und weiterleitet. Bei Temperaturveränderungen auftretende zelluläre Änderungen werden analysiert, indem das Wachstum, die Toleranz gegenüber widrigen Umweltbedingungen (z.B. Austrocknung bzw. UV-Strahlung), das Vermögen zum Austausch der Erbinformation sowie die Muster an gebildeten Proteinen vor und nach der Temperaturveränderung miteinander verglichen werden [4]. Zur Erkennung und Charakterisierung neuer temperaturabhängiger Virulenzfaktoren nutzen wir die Insertion promotorloser Reportergene (für β-Glucuronidase bzw. das grünfluoreszierende Protein) ins BakterienChromosom. Mittels der dabei entstehenden Fusionen gelang die Entdeckung einer Reihe thermoregulierter Gene aus P. syringae. Gleichfalls konnten über den molekularen Vergleich der Protein-Muster zweier Kulturen, die bei 18 bzw. 28 °C gewachsen waren, neuartige bzw. bekannte Gene (z.B. das für Biofocus B I O S P E K T R U M • 5. 0 0 • 6. J A H R G A N G Levansucrase) als thermoreguliert identifiziert werden [5]. Wechselwirkungen mit Pflanzen werden untersucht, indem die Vermehrung der Pathogene in der Pflanze bei verschiedenen Temperaturen verglichen wird. Die Ausprägung der pflanzlichen Abwehrreaktion wird auf zellulärer Ebene mittels NorthernblotAnalyse studiert. Dabei steht die temperaturabhängige Expression sogenannter Pathogenitäts-assoziierter Proteine (PR-Proteine) im Vordergrund. Gleichfalls werden zelluläre Veränderungen in der Pflanzenzelle unter verschiedenen Temperatur- und Infektionsbedingungen mikroskopisch analysiert. Literatur [1] Budde, I., Rohde, B., Bender, C. & Ullrich, M. (1998) Growth phase and temperature influence promoter activity, transcript abundance and protein stability during biosynthesis of the Pseudomonas syringae phytotoxin coronatine. J. Bacteriol. 180: 1360-1367. [2] Ullrich, M., Penaloza-Vasque, A., Bailey, A. & Bender, C. (1995) A modified two-component regulatory system is involved in temperaturedependent biosynthesis of the Pseudomonas syringae phytotoxin coronatine. J. Bacteriol. 177: 6160-6169. [3] Wang, L., Bender, C. & Ullrich, M. (1999) The transcriptional activator CorR is involved in biosynthesis of the phytotoxin coronatine and binds to the cmaABT promoter region in a temperature-dependent manner. Mol. Gen. Genet. 262: 250-260. [4] Rohde, B., Schmid, R. & Ullrich, M. (1999) Thermoregulated expression and characterization of an NAD(P)H-dependent 2-cyclohexen-1-one reductase in the plant pathogenic bacterium Pseudomonas syringae pv. glycinea. J. Bacteriol. 181: 814-821. [5] Hettwer, U., Jaeckel, F., Boch, J., Meyer, M., Rudolph, K. & Ullrich, M. (1998) Cloning, nucleotide sequence and expression in Escherichia coli of levansucrase genes from the plant pathogens Pseudomonas syringae pv. glycinea and P. syringae pv. phaseolicola. Appl. Environm. Microbiol. 64: 3180-3187. Korrespondenzadresse PD Dr. Matthias Ullrich Max-Planck-Institut für terrestrische Mikrobiologie Karl-von-Frisch-Straße D-35043 Marburg Tel.: 06421-178101 Fax: 06421-178109 eMail: [email protected] http://www.uni-marburg.de/mpi/ullrich/ullrich.html 383