Beitrag aus der Festschrift

Werbung
Beitrag aus der
Festschrift
2005
50 Jahre Landesanstalt für
Pflanzenschutz Stuttgart
50 Jahre integrierter Pflanzenschutz Baden-Württemberg
1955
LANDESANSTALT FÜR PFLANZENSCHUTZ
2⏐
DR. HINRICHS-BERGER, JAN
DR. HINRICHS-BERGER, JAN
Integrierter Ansatz zur Bekämpfung des bakteriellen Zwetschensterbens
An integrated approach towards the control of bacterial canker disease of
the plum tree caused by Pseudomonas syringae
Seit einigen Jahren kommt es in den baden-württembergischen Zwetschenanbauregionen
wie in anderen intensiven Anbaugebieten Mitteleuropas verstärkt zu einem Absterben von
Zwetschenbäumen. Betroffen sind vor allem junge Bäume, die noch nicht oder gerade erst
in den Vollertrag gekommen sind. Da in Anlagen über 50 % der Bäume betroffen sein
können, ist der wirtschaftliche Schaden oft sehr hoch (Abb. 1). Daher beantragte das Sachgebiet Bakteriologie der Landesanstalt für Pflanzenschutz beim Ministerium für Ernährung
und Ländlichen Raum Baden-Württemberg ein Forschungsvorhaben, in dem eine Bekämpfungsstrategie gegen diese gefährliche Erkrankung der Zwetschenbäume erarbeitet werden
sollte.
Abb. 1:
Durch eine Pseudomonas-Infektion absterbende Zwetschenbäume
Symptome
Vor allem am Stamm betroffener Bäume findet man Einsenkungen, die den Stamm kantig
und abgeflacht aussehen lassen (Abb. 2). Darüber hinaus kann dort die Rinde aufreißen und
Harz austreten (Abb. 3). Die Einsenkungen sind bräunlich-violett verfärbt und geben dem
Krankheitsbild den Namen „Rindenbrand“. Das Gewebe unter der Rinde ist verbräunt und
erstreckt sich zungenartig in das gesunde, grüne Gewebe. Diese Anfangssymptome werden
oft übersehen oder nicht als gefährlich erachtet. Breitet sich die Nekrose jedoch stammum-
Integrierter Ansatz zur Bekämpfung des bakteriellen Zwetschensterbens
⏐3
fassend aus, was vor allem zu Beginn der sommerlichen Witterungsphase zu beobachten
ist, werden die Leitgewebe des Baumes zerstört und damit die Krone von der Nährstoffversorgung durch die Wurzel abgeschnitten. Die Folge ist, dass das Laub gesund erscheinender
Bäume plötzlich vergilbt und dann sehr schnell welkt. Die Früchte werden nur noch notreif.
Darüber hinaus wird die Rinde erkrankter Bäume oftmals sekundär von Pilzen der Gattung
Cytospora besiedelt, die dann die Valsa- oder Krötenhautkrankheit hervorrufen.
Bei Besiedelung von Blatt- und Blütenknospen sterben diese vorzeitig ab. Blütenfröste
Abb. 2: Rindenbrand: bräunlich-violette Einsenkungen geben dem Stamm
ein kantiges Aussehen
Abb. 3: Mit Gummifluss und Bildung von Kallusgewebe wehrt sich
der Baum gegen eine PseudomonasInfektion
begünstigen einen Befall, der dann leicht mit einer Monilia-Infektion verwechselt wird.
Zu Laubinfektionen kommt es im Frühjahr und Sommer. Die Blätter weisen zunächst hellgrüne Flecken auf, die später verbräunen (Abb. 4). Diese Nekrosen sind von einem ölig
durchscheinenden Hof umgeben und fallen später heraus (Schrotschuss-Symptom). Daher
kann das Krankheitsbild leicht mit dem der Schrotschusskrankheit (Closterosporium carpophilum) verwechselt werden.
Ursache
Das Zwetschensterben wird in den meisten Fällen von Pseudomonas syringae hervorgerufen. Dieses Bakterium kommt weit verbreitet auf Pflanzenresten und auf der Oberfläche
von Wirts- wie Nichtwirtspflanzen vor, ohne an diesen eine Erkrankung hervorzurufen.
Zum Schaderreger wird das Bakterium erst, wenn es in die Pflanze eindringt. Das kann
über natürliche Öffnungen (Spaltöffnungen) oder Verletzungen erfolgen (Frostrisse, Baumschnitt; Abb. 5). Der Infektion geht meist eine starke Vermehrung auf der Oberfläche voraus, bei der die Bakteriendichte um den Faktor 1000 innerhalb von 24 Stunden zunehmen
kann. Das ist vor allem nach Regenfall im Frühling und Herbst zu beobachten. Da jedes
Pseudomonas-Bakterium für sich genommen nur eine sehr geringe Chance besitzt, in die
Pflanze einzudringen, begünstigt die rasante Vermehrung zum einen die Infektionswahrscheinlichkeit und zum anderen die Ausbreitung der Pseudomonaden über Wind und Re-
4⏐
DR. HINRICHS-BERGER, JAN
gentropfen. Tiere spielen als Überträger keine Rolle, eine Übertragung durch Schnittwerkzeuge oder infiziertes Pflanzmaterial ist hingegen möglich. Im Boden kann das Bakterium
nicht überdauern.
Während sich der Baum in der Vegetationsperiode durch die Bildung von Kallusgewebe
Abb. 4: Auf Pseudomonas-infizierten Blättern entwickeln sich zunächst
chlorotische Flecken, die später
nekrotisch werden und herausfallen
(Schrotschuss-Symptom)
Abb. 5: Infektion der Schnittfläche
mit Pseudomonas syringae nach Winterschnitt
und anderen unspezifischen Resistenzreaktionen sehr gut gegen Pseudomonas-Infektionen
wehren kann, ist das während der Vegetationsruhe aufgrund der drastisch reduzierten
Stoffwechselaktivität nicht der Fall. Zu den gefährlichen Stamminfektionen kommt es daher vor allem im Herbst mit dem Einsetzen der ersten Fröste. Die zu diesem Zeitpunkt in
großer Anzahl auf der Baumoberfläche vorhandenen Pseudomonaden nutzen die kleinsten
Verletzungen und Frostrisse, um in den Stamm einzudringen. Pseudomonas syringae vermehrt sich noch bei Temperaturen von knapp über 0 °C und breitet sich insbesondere nach Frösten leicht im Baum aus. Dicht aufeinander folgende Frost-Wärme-Perioden begünstigen daher die Pseudomonas-Infektion des Baums. Mit steigenden Temperaturen im
Frühjahr vermehren sich die Bakterien, was zu einer Vergrößerung der Rindennekrose und
für den Fall, dass die Nekrose stammumfassend wird, zu einem Absterben des Baumes
führt.
Pseudomonaden, die über die Blatt- und Blütenknospen bzw. über die Blätter in die Zwetsche eindringen, sind, wie Versuche an der LfP gezeigt haben, nicht in der Lage in den
Stamm vorzudringen und damit den Baum tödlich zu schädigen. Ebenso ist eine Blattnarbeninfektion während des Blattfalls für die Zwetsche im Gegensatz zur Kirsche nicht relevant.
Aufgrund der Ausbreitung von Pseudomonas syringae vor allem über Wind und Regen,
nimmt das Risiko einer Infektion mit zunehmendem Abstand von der Infektionsquelle
(infizierte Bäume) ab. Die Gefahr stammumfassender Infektionen sinkt mit zunehmendem
Stammumfang, das heißt mit jedem Standjahr reduziert sich das Risiko des Pseudomonasbedingten Baumsterbens (Altersresistenz). Wenn in einer infizierten Anlage abgestorbene
Bäume durch neue ersetzt werden sollen, sind die nachgepflanzten Bäume aufgrund des
hohen Infektionsrisikos besonders zu schützen.
Integrierter Ansatz zur Bekämpfung des bakteriellen Zwetschensterbens
⏐5
Maßnahmen zur Bekämpfung
Das auf Pseudomonas-Infektionen zurückzuführende Zwetschensterben ist ausgesprochen
schwierig zu bekämpfen, denn es sind weder hoch resistente (immune) Sorten noch systemisch wirksame Bakterizide verfügbar. Eine Abwehr des Erregers kann daher nur darauf
abzielen, den Infektionszyklus zu unterbrechen. Das ist neben direkten Pflanzenschutzmaßnahmen vor allem durch eine Optimierung der obstbaulichen Produktionstechnik möglich.
Neuanlagen sollten nur auf für Zwetschen geeigneten Standorten erstellt werden. Insbesondere frostgefährdete Lagen wie Senken sowie Böden, die zur Staunässe oder Trockenheit neigen, sind zu meiden. Standorte, an denen jedes Jahr eine größere Anzahl Bäume
Pseudomonas bedingt absterben, sind aufzugeben. Hier ist es meistens zwecklos, Zwetschenbäume nachzupflanzen, da sie sehr schnell wieder infiziert werden.
In der Praxis haben sich Sortenunterschiede im Hinblick auf die Pseudomonas-Anfälligkeit
gezeigt. Leider sind die hoch anfälligen Sorten (z. B. Cacaks Schöne, Hanita, Valjevka)
wirtschaftlich von besonderer Bedeutung, sodass über die Sortenwahl derzeit keine Abwehr
der Krankheit zu erreichen ist.
Eine an den Nährstoffbedarf angepasste Düngung verringert das Infektionsrisiko deutlich.
Stickstoffdüngungen sollten ab Juni nicht mehr durchgeführt werden, bei starkem Fruchtbehang sollte vielmehr eine Ausdünnung vorgenommen werden. Ziel ist es, im Herbst einen „ruhigen“ Baum zu haben, denn treibende Bäume im Herbst neigen erheblich zur Bildung von Frostrissen, durch die die Bakterien infizieren können.
Kupferbehandlungen reduzieren die Bakterienpopulation auf der Pflanzenoberfläche um
etwa 95 %. Damit sinkt das Infektionsrisiko erheblich. Um eine optimale Wirkung zu erzielen, sollten vor allem der Stamm und die stärkeren Gerüstäste nach Möglichkeit kurz vor
Frostperioden behandelt werden. Eine Zulassung im Steinobst hat derzeit nur Funguran
(Kupferoxychlorid) mit maximal vier Behandlungen im Jahr. Da sich die Bakteriendichte
an warmen Wintertagen insbesondere an der von der Sonne beschienenen Stammseite explosionsartig erhöhen kann, sind die Behandlungen gegebenenfalls bis zu dreimal im Winter
zu wiederholen.
Da Wunden im Winter schlecht verheilen und Schaderregern lange Zeit als Infektionsweg
offen stehen, sollte kein Schnitt während der Vegetationsruhe (Winter) erfolgen. Ein
Schnitt während der Vegetationsperiode bei trockener Witterung verheilt schnell und bietet
den Bakterien keine Eintrittspforte in den Baum. Hierfür eignet sich am besten das Frühjahr
bis in die abgehende Blüte.
Ein Ausschneiden von befallenen Ast- und Stammpartien bis ins gesunde Holz ist vor
allem bei kleineren Nekrosen Erfolg versprechend. Es sollte bei trockenem Wetter am besten im Sommer erfolgen, da in diesem Zeitraum die Wunden sehr gut verheilen und der
Baum sich durch die Bildung von Kallusgewebe und anderen unspezifischen Resistenzfaktoren gegen Infektionen aktiv zu Wehr setzt.
Schnittverletzungen sind mit Wundverschlussmitteln zu behandeln.
Durch Weißeln des Stammes und der stärkeren Gerüstäste wird ein Großteil des auf dem
Stamm einstrahlenden Sonnenlichts reflektiert, was eine geringere Erwärmung der Stammoberfläche zur Folge hat (Abb. 6). Die Bakterien vermehren sich daher nicht so schnell, was
zu einer geringeren Bakteriendichte und damit auch zu einem geringeren Infektionsrisiko
führt. Ein Weißeln vor dem ersten Frost verhindert oder reduziert darüber hinaus die Bildung von Frostrissen, sodass den Pseudomonaden keine oder nur noch wenige Eintrittspforten zur Verfügung stehen. Um den Effekt zu verstärken, kann man dem Weißelmittel bis zu
3 % eines kupferhaltigen Pflanzenschutzmittels zusetzen. Da der Effekt des Weißelns ein
rein physikalischer ist (verringerte Stammerwärmung durch Reflektion des Sonnenlichts),
kann jedes zugelassene Produkt eingesetzt werden, mit dem sich der Stamm weiß färben
6⏐
DR. HINRICHS-BERGER, JAN
lässt. Zur optimalen Wirkung sollte die weiße Stammoberfläche von dem ersten Frost im
Herbst bis zum letzten Frost im Frühjahr Bestand haben. Bei Neupflanzungen im Herbst
empfiehlt sich die Weißel- bzw. Kupferbehandlung unmittelbar vor bzw. nach dem Pflanzen durchzuführen.
Abb. 6: Durch Weißeln vor Winter können Frostrisse vermieden werden, durch die Bakterien und
andere Schaderreger in den Stamm eindringen können. Auf diese Weise können PseudomonasInfektionen vermieden werden.
Da Pseudomonas syringae praktisch überall in großer Zahl auf der Pflanzenoberfläche
vorhanden ist, die Infektion sehr von den Umweltbedingungen und der obstbaulichen Produktionstechnik abhängt und kurativ wirksame Bakterizide sowie immune Sorten nicht
existieren, sind Einzelmaßnahmen zur Bekämpfung wenig erfolgreich. Vielmehr ist eine
integrierte Pflanzenschutzstrategie erforderlich, denn nur durch eine Kombination der
oben genannten Maßnahmen ist diese gefährliche Zwetschenerkrankung erfolgreich zu
bekämpfen.
Herunterladen