23.4 Signalverarbeitung in der Netzhaut

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23.4 Signalverarbeitung in der Netzhaut
die Erregung aus dem Zapfensystem erhalten und bei
Tagessehen die Stäbchenamakrinen (Abb. 23.8) hemmen
und damit die Fortleitung der Stäbchenantwort unterbrechen. Eine weitere neuronale Komponente der Dunkeladaptation ist die Zunahme der erregenden Konvergenz
im rezeptiven Feld (s. u.).
Stäbchenmonochromat
2
Kohlrausch-Knick
3
5
23.4
Nachtblindheit
4
normale
Dunkeladaptation
6
0
5
10
15
20
25
30
Adaptationszeit (min)
35
40
Abb. 23.10 Dunkeladaptation. Normale Dunkeladaptationskurve (schwarz), Verlauf bei Nachtblindheit (rote unterbrochene Linie) und beim Stäbchenmonochromaten (blaue
gepunktete Linie). In Abwesenheit der Zapfen verläuft die
Dunkeladaptation schneller, der Beginn der Messungen liegt
in diesem Fall bei t = 6 min.
des nicht lichtempfindlichen All-trans-Retinals (Helladaptation), während längerer Aufenthalt im Dunkeln zu
einem Überwiegen der 11-cis-Form und damit zu einer
hohen Photosensibilität der Stäbchen führt (Dunkeladaptation).
hell
Signalverarbeitung in der Netzhaut
Die Hyperpolarisation des Photorezeptors nach Belichtung wird im retinalen Netzwerk durch synaptische
Übertragung an Folgeneuronen entweder als Hyperpolarisation weitergeleitet oder in eine Depolarisation
umgekehrt. Unter den Bipolar- und Ganglienzellen
entstehen dadurch lichterregte und lichtgehemmte
Neurone (on- bzw. off-Neurone). Sie können als Hellund Dunkelsystem betrachtet werden. Laterale Hemmungsmechanismen beeinflussen benachbarte Netzhautzellen. Dadurch entstehen die rezeptiven Felder
der Ganglienzellen bzw. der Fasern des N. opticus mit
erregenden Zentren und hemmenden Umfeldern. Der
Mechanismus führt zu einer Kontrastverschärfung in
der Netzhaut.
Je eine Klasse großer und kleiner Ganglienzellen sind
Ausgangspunkte eines magnozellulären und eines parvozellulären Systems für eine im Gehirn zunehmend
spezialisierte Weiterverarbeitung von Bewegungs- und
Tiefenwahrnehmung (magnozellulär) und Farb- und
Formwahrnehmung (parvozellulär).
11-cis-Retinal Ð All-trans-Retinal
dunkel
Nach einer kurzen, sehr hellen Beleuchtung der Netzhaut
dauert der Resyntheseprozess (photochemischer Anteil
der Dunkeladaptation) über 1 Stunde.
Bei der Dunkeladaptation (Abb. 23.10) nimmt die
Empfindlichkeit des Auges in 30 – 50 min um 6 – 7 Zehnerpotenzen zu. Das photopische Sehen (Tagessehen)
der Zapfen geht am Ende der Zapfenadaptation nach etwa
8 – 10 min am Kohlrausch-Knick in das skotopische Sehen (Dämmerungs- und Nachtsehen) der Stäbchen
über. Die Stäbchenadaptation trägt dann den Hauptanteil
zur Empfindlichkeitszunahme bei.
Da 11-cis-Retinal ein Aldehyd des Vitamin A1 ist, lässt
sich die durch Vitamin-A-Mangel bedingte Nachtblindheit erklären.
Durch die unterschiedlichen Absorptionsmaxima der
Zapfenpigmente (555 nm) und des Stäbchenpigments
(500 nm) ergibt sich bei der Dunkeladaptation eine Empfindlichkeitsverschiebung zum kurzwelligeren Lichtbereich hin (Purkinje-Verschiebung).
Neben der photochemischen Adaptation und der oben
beschriebenen Helladaptation der enzymatischen Produktion von cGMP tragen auch neuronale Komponenten zur Adaptation bei. Die bereits beschriebene Pupillenreaktion wirkt als schnellerer Schutz gegen Blendung
bei Helladaptation. Die Umschaltung vom Zapfen- auf
das Stäbchensehen ist ein weiterer neuronaler Mechanismus. Beim photopischen Sehen wird das Stäbchensystem durch das Zapfensystem unterdrückt. Dies geschieht durch einen Typ dopaminerger, amakriner Zellen,
Heller- und Dunklersehen wird durch
verschiedene Ganglienzellen vermittelt
Die Signalverarbeitung in Rezeptoren und Bipolarzellen
(auch in Horizontalzellen und in amakrinen Zellen) erfolgt über fein abgestufte Änderungen des Membranpotenzials, synaptische Übertragung und postsynaptische
Potenziale. An den Ganglienzellen treten innerhalb der
Retina erstmalig Aktionspotenziale auf.
Durch die Verschaltung der retinalen Zellen entstehen
rezeptive Felder (Abb. 23.11). Als rezeptives Feld eines
Neurons, z. B. einer Faser des N. opticus, wird derjenige
Bereich der Netzhaut bzw. des Gesichtsfeldes bezeichnet,
von dem aus seine Aktivität beeinflusst werden kann. Auf
der Netzhaut entspricht das der Photorezeptorenfläche,
die mit der Zelle verbunden ist. Entsprechend dieser Definition gibt es rezeptive Felder bei Bipolarzellen ebenso wie
bei Ganglienzellen. Die rezeptiven Felder der Ganglienzellen bestehen aus einem Zentrum und einem Umfeld.
On-Zentrum- und Off-Zentrum-Zellen bilden zwei
getrennte Systeme für die Hell- und Dunkelwahrnehmung bei gegebener Adaptation. Abb. 23.11 A zeigt, wie
auf dem Weg zwischen Zapfen und Ganglienzellen
(Abb. 23.8) die On- und Off-Zentrum-Eigenschaften entstehen. Der durch den Dunkelstrom ausgelöste, kontinuierliche Transmitterfluss des Glutamats vom Photorezeptor zur Bipolarzelle wird durch Lichtreize moduliert. Erregende Synapsen geben die Signale zu den Off-Bipolaren
gleichsinnig weiter, die invaginierenden, hemmenden
Synapsen kehren die Signale an den On-Bipolaren um.
Während die Depolarisation an den Off-Bipolaren
durch das Glutamat über ligandengesteuerte Kationenka-
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log relative Sensitivität
0
1
695
23 Sehsystem
rezeptives Feld
Licht
Zentrum
Licht
Umfeld
Rezeptor
Depolarisation
Hyperpolarisation
Hyperpolarisation
mGLUR
iGLUR
iGLUR
Horizontalzelle
A Beleuchtung im Zentrum
Abb. 23.11 On- und Off-Zentrum-Antworten im retinalen
Netzwerk und Verschaltung des antagonistischen Umfeldes. A Oben ist das rezeptive Feld mit Zentrum und
Umfeld auf der Netzhaut dargestellt. Der Photorezeptor
hyperpolarisiert bei Licht im Zentrum. Die invaginierte,
hemmende Synapse zur On-Bipolarzelle invertiert das Signal.
näle und einen Na+-Einwärtsstrom vermittelt wird, erfolgt die Hyperpolarisation durch Glutamat an den OnBipolaren über einen metabotropen Glutamatrezeptor
und eine intrazelluläre Signalkaskade ähnlich wie im
Photorezeptor: Ein Na+-Kanal wird geschlossen, der in
Abwesenheit von Glutamat geöffnet ist. Glutamat löst
über ein G-Protein das Schließen dieser Kanäle aus und
führt damit zur Hyperpolarisation der Bipolarzelle. Ein
Lichtreiz hyperpolarisiert den Photorezeptor, vermindert
die Glutamatausschüttung und bedingt so eine Depolarisation der On-Bipolaren und eine Hyperpolarisation der
Off-Bipolaren, die diese Signale dann über erregende
Synapsen gleichsinnig an die On-Zentrum- und Off-Zentrum-Ganglienzellen weitergeben. Die Hyperpolarisation
der Rezeptoren wird für das On-System bereits im Auge
in eine Depolarisation von Bipolar- und Ganglienzellen
umgesetzt. Diese Darstellung gilt so für die Zapfen und
das photopische Sehen. Die Stäbchenantwort beim skotopischen Sehen verwendet dagegen einen Umweg zu den
On- und Off-Zapfenbipolarzellen (Abb. 23.8): Spezielle
Stäbchenbipolarzellen werden zunächst durch Lichtreize depolarisiert. Sie erregen Stäbchenamakrine, die
dann On-Bipolare über eine elektrische Synapse erregen
OFF-Zellen
Axone im
N. opticus
ON-Zellen
OFF-Zellen
Ganglienzellen
B Beleuchtung im Umfeld
B Licht im Umfeld wirkt auf den Photorezeptor im Zentrum
über die laterale Horizontalzellverschaltung hemmend (negative Rückkoppelung auf den Photorezeptor, Transmitter
unbekannt); das Signal wird invertiert und führt zu einer
Depolarisation am Photorezeptor, die im On-Kanal hemmend, im Off-Kanal erregend wirkt (nach 16).
und Off-Bipolare über eine chemische Synapse hemmen.
Damit lösen sie an den Ganglienzellen dieselben Lichtantworten aus wie das Zapfensystem.
Hemmende Umfelder
verstärken den visuellen Kontrast
Die Horizontalzellen spielen eine wichtige Rolle bei der
Signalverarbeitung in der Netzhaut. Sie sind an der
Entstehung des retinalen Zentrum-Umfeld Antagonismus beteiligt, der auf einer lateralen Hemmung zwischen Umfeld und Zentrum beruht (Abb. 23.11 B). Seitlich
gelegene Photorezeptoren übertragen ihre Signale gleichsinnig über erregende Synapsen auf die Horizontalzellen.
Diese hemmen über invertierende Synapsen benachbarte
Photorezeptoren. Somit löst ein Lichtreiz in der Peripherie am Photorezeptor im Zentrum umgekehrte Effekte
aus als ein Licht im Zentrum.
Durch die lateralen Hemmungsmechanismen entstehen in der Netzhaut konzentrische, antagonistische
rezeptive Felder, die kontrastverstärkend wirken. Man
findet sie bereits bei den Bipolarzellen, besonders ausgeprägt aber bei den On- und Off-Zentrum-Feldern der
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Bipolarzellen
ON-Zellen
696
23.4 Signalverarbeitung in der Netzhaut
697
Elektrische Signale ermöglichen objektive
Bestimmungen der Netzhautfunktion
–
– +
–
–
– +–
–
B Hermann-Gitter
–
– + –
–
– + –
C Erregungsmuster im rezeptiven Feld
Abb. 23.12 Psychophysische Beispiele lateraler Hemmung: Simultankontrast und Hermann-Gitter. A Beide
Kreisflächen haben die gleiche Graustufe, dennoch erscheint das Grau im hellen Umfeld dunkler und im dunklen
heller. B Die Kreuzungsstellen im Gitter erscheinen dunkler
als die Streifen. Das gilt bei zentraler Fixation nicht für die
Kreuzung in der Mitte (wegen der zentral kleineren rezeptiven Felder). C Erklärung der Täuschungen durch Hemmung
aus der RF-Peripherie von On-Zentrum-Neuronen. In beiden
Fällen führt die stärkere Reizung der hemmenden Peripherie
(am Rand des hellen Umfeldes in A und an den Kreuzungsstellen in B) zu einer geringeren Helligkeitswahrnehmung.
retinalen Ganglienzellen. Bei einer On-Zentrum-Zelle
führt „Licht an“ im Zentrum zu einer erhöhten Impulsrate
(On-Erregung), „Licht aus“ im Zentrum führt zu einer
verminderten Impulsrate (Off-Hemmung). Entgegengesetzt wirkt sich die Reizung des Umfeldes derselben OnZentrum-Zelle aus. „Licht an“ im Umfeld führt zu einer
verringerten Impulsrate (On-Hemmung), während „Licht
aus“ zu einer erhöhten Impulsrate führt (Off-Erregung).
Genau spiegelbildlich verhalten sich die Off-ZentrumZellen.
Eng verbunden mit den funktionellen Eigenschaften
der Netzhaut sind einige bekannte psychophysische Beobachtungen. Nach längerer Fixation eines visuellen
Musters entstehen Nachbilder (Sukzessivkontrast). Sie
beruhen auf lokaler, photochemischer und neuronaler
Adaptation. Demgegenüber sind sofort sichtbare Phänomene wie der visuelle Simultankontrast, bei dem die
Wahrnehmung einer Fläche durch die Umgebung beeinflusst wird (Abb. 23.12 A, B), eine Folge lateraler Hemmung. Durch die Wirkung der hemmenden Umfelder
rezeptiver Felder werden hier Kontraste überhöht und
Helligkeitswahrnehmungen verändert. Solche psychophysischen Beobachtungen sind auch Beispiele dafür,
dass die dem Sehen zugrunde liegenden photochemischen und neurophysiologischen Mechanismen unter
speziellen Bedingungen zu Täuschungen führen können.
Die klassischen Untersuchungen des Sehsystems beruhen
auf subjektiven Aussagen des Patienten. Durch klinischneurophysiologische Messungen können jedoch auch einige objektive Aussagen gemacht werden.
Zwischen dem Pigmentepithel und den Rezeptoraußengliedern besteht eine Potenzialdifferenz, das korneoretinale Bestandspotenzial, das zu einer relativen Positivität des vorderen Augenabschnitts gegenüber dem hinteren führt. Das Elektrookulogramm (EOG) (Kap. 22 und
26) entsteht als Folge dieses elektrischen Dipols und kann
mit Elektroden beiderseits an den Schläfen zur Darstellung von Augenbewegungen genutzt werden. Das Bestandspotenzial ist belichtungsabhängig. Bei Dunkeladaptation fällt es ab, bei Helladaptation steigt es auf den
doppelten Wert.
Dieses Phänomen wird diagnostisch genutzt. Bei Störungen
des Stoffwechsels zwischen Pigment- und Sinnesepithel, wie
z. B. fortgeschrittener diabetischer Retinopathie, ausgedehnter
Netzhautablösung oder Medikamentenvergiftungen (z. B.
durch Chloroquin) ist der Anstieg des Potenzials bereits
vermindert, bevor irgendwelche subjektiven oder ophthalmoskopisch sichtbaren Veränderungen auftreten.
Zur Ableitung von Signalen aus der Netzhaut liegt eine
ringförmige, differente Elektrode in einer Kontaktlinse
eingebettet auf der Kornea, die indifferente Elektrode an
der Stirn.
Das frühe Rezeptorpotenzial (early receptor potential – ERP) und das Elektroretinogramm (ERG) stehen
im direkten Zusammenhang mit dem photorezeptorischen Prozess und der Signalverarbeitung im neuronalen
Netzwerk der Retina (Abb. 23.13).
Das ERP tritt nach einem kurzen Lichtblitz mit einer
Latenz unter 1 ms und einer Dauer von 1,5 ms auf und
stellt das bioelektrische Äquivalent der primären Rezeptorprozesse in den Photorezeptoren (lichtinduzierter Abbau der Sehfarbstoffe) dar. Trotz der geringeren Zapfenzahl in der Netzhaut beruht dieses Potenzial zu 70% auf
der Zapfenantwort.
Das Elektroretinogramm zeichnet sich durch verschiedene Komponenten aus, die der zeitlich aufeinander
folgenden Aktivität von Netzhautstrukturen zugeordnet
werden können. Die negative a-Welle entspricht der
elektrischen Aktivierung der Photorezeptoren. Es wird
auch als spätes Rezeptorpotenzial (late receptor potential – LRP) bezeichnet. Die Latenz dieser Welle beträgt
zwischen 10 und 15 ms und liegt damit weit hinter dem
ERP, das nach 2 ms abgeschlossen ist. Die aufwärts gerichtete positive b-Welle entspricht der Aktivität der
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A Simultankontrast
Bestimmte Funktionen der Netzhaut können mit klinisch-neurophysiologischen Methoden gemessen werden. So beruht das Elektrookulogramm auf einer Potenzialdifferenz zwischen Pigmentepithel und Rezeptoraußengliedern und spiegelt mögliche Funktionsstörungen in diesem Bereich wider. Das Elektroretinogramm kann der Funktion von Photorezeptoren und
dem folgenden neuronalen Netzwerk zugeordnet und
entsprechend interpretiert werden.
23 Sehsystem
ERP (early receptor potential)
a=1’(1/60°)
ERG (Elektroretinogramm)
K
d
d’
c-Welle
b-Welle
A Visusbestimmung mit Landolt-Ring
x
a »10’’
d-Welle
OFF-Effekt
= LRP (late receptor potential)
C foveales Zapfenmosaik
Lichtreiz
1
2
3
4
Zeit (s)
Abb. 23.13 Frühes Rezeptorpotenzial (ERP) und Helligkeitselektroretinogramm (ERG) in Beantwortung eines
Ganzfeldlichtreizes von 1 s Dauer (gelber Balken, unten).
ERP und die reizabhängigen Wellen (a – d) des ERG lassen
sich bestimmten retinalen Funktionen zuordnen (s. Text).
nachgeschalteten Netzhautzellen. Parallel zur b-Welle
ändert sich auch das Membranpotenzial der Glia (MüllerZellen). Mit einer Verzögerung von etwas über 1 s beginnt
die langsame c-Welle. Sie wird der Reaktion der Pigmentepithelzellen zugeordnet. Bei Licht-aus entsteht die dWelle (Off-Effekt), die durch das Ende der a-Welle mitbedingt wird. Nur a-, b- und d-Wellen sind Ausdruck
intraretinaler Informationsverarbeitung.
Bei akutem Zentralarterienverschluss fallen die inneren
Netzhautschichten aus, während durch die getrennte Blutversorgung die Rezeptorschicht funktionell intakt bleibt. In
diesem Fall zeigt das ERG nur noch die a-Welle. Demgegenüber fällt bei Netzhautablösung wegen der fehlenden Blutversorgung der Rezeptorschicht das gesamte ERG aus. Eine
klinische Bedeutung des ERG liegt in der Beurteilung der
Netzhautfunktion bei Trübungen der brechenden Medien zur
Bestimmung der Operationsindikation (z. B. bei intraokular
liegenden Metallfremdkörpern wie Eisen, Kupfer). Eine wichtige Rolle spielt das ERG bei erblichen degenerativen Netzhauterkrankungen (Retinitis pigmentosa S. 693). Hier kann
bereits lange vor Auftreten klinischer Symptome eine Voraussage über die mögliche Manifestation oder das Ausbleiben
dieser erblichen Krankheit gemacht werden.
23.5
x
B Noniussehschärfe
a-Welle
0
x » 2,4 – 2,6 mm
Sehschärfe
Die Sehschärfe (Visus) ist der Kehrwert des räumlichen
Auflösungsvermögens des Auges in Winkelminuten.
Die normale Sehschärfe (Visus = 1) liegt vor, wenn Einzelheiten eines Zeichens erkannt werden, die 1 Winkelminute Sehwinkel entsprechen. Die Noniussehschärfe,
bei der ein Kontursprung erkannt wird, ist 5 – 10fach
größer. Die Grundlage der Sehschärfe ist das Photorezeptormosaik der Netzhaut sowie die Größe und
Funktion der weiterverarbeitenden rezeptiven Felder.
d’
x
x
x » 2,5 mm
D maximale Auflösung
Abb. 23.14 Grundlagen der Sehschärfe. A Landolt-Ring
mit Lücke d und Abbildung d' im Auge. B Kontursprung zur
Prüfung der Noniussehschärfe. C Rezeptormosaik in der
Primatenretina mit Zapfenreihenabstand x (schematisch
nach 28). D Interpretation der maximalen räumlichen Auflösung in Bezug auf den mittleren Zapfenreihenabstand x in
der Fovea (nach 25).
Die Sehschärfe ist vom retinalen Ort und der Helligkeit
abhängig, sie verringert sich mit Abstand von der Fovea
und bei abnehmender Helligkeit.
Das Mosaik der Photorezeptoren und die
rezeptiven Felder bestimmen die Sehschärfe
Die Bestimmung der Sehschärfe (Visus) ist eine der
wichtigsten Kontrollen für die Funktion des Auges. Die
Sehschärfe ist der Kehrwert des in Winkelminuten angegebenen räumlichen Auflösungsvermögens des Auges.
Visus = 1/α (Winkelminuten–1)
Wenn eine Lücke (d) im Landolt-Ring (Abb. 23.14 A)
unter einem Sehwinkel von 1 Winkelminute von der
Netzhaut aufgelöst wird, beträgt der Visus 1. Das ist (zufälligerweise) der Wert für die normale Sehschärfe unter
derart standardisierten Testbedingungen. Der Visus kann
besser als 1 sein, Jugendliche erreichen oft Werte von
1,2 – 1,6. 5 – 10fach größer als der normale Visus ist die
Noniussehschärfe (5 – 10 Winkelsekunden Auflösung), bei
der ein Sprung im Verlauf einer Kontur wahrgenommen
wird (Abb. 23.14 B).
Die Sehschärfe ist in der Fovea am größten und nimmt
zur Peripherie der Netzhaut hin ab. Sie spiegelt die
räumliche Verteilung der Netzhautzellen mit ihrer höchsten Dichte in der Fovea centralis wider. Das trianguläre
foveale Zapfenmosaik (Abb. 23.14 C) hat einen minimalen
Zapfenmittenabstand von 2,8 – 3,0 µm und einen Zapfen-
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