Fortbildungsakademie Mont-Cenis, Herne-Sodingen Planung der natürliche Beleuchtung und Belüftung Ursula v. Bohlen, Martin Kischkoweit-Lopin*, Helmut F.O. Müller und Till Pasquay Universität Dortmund, Lehrstuhl Klimagerechte Architektur Auf der ehemaligen Zechenbrache Mont-Cenis im Stadtteil Sodingen der Stadt Herne entsteht im Rahmen der Internationalen Bauausstellung Emscherpark nach dem Entwurf der Architekten Jourda & Perraudin, Lyon und HHS, Kassel, die Fortbildungsakademie MontCenies in Verbindung mit öffentlichen Einrichtungen des Stadtteils. Zentraler Bestandteil der Anlage in einer ovalen Lichtung des neuen Landschaftsparks ist eine gläsernen Mikroklimahülle, in die die Gebäude der Forbildungsakademie und des Stadtteilzentrums eingestellt sind. Die Glashülle bewirkt eine Verschiebung des Innenklimas gegenüber dem winterlichen Außenklima zu höheren Temperaturen hin. Auf dem Glasdach der Halle entsteht das weltweit größte dachintegrierte Solarkraftwerk mit einer Modulfläche von 10.000 m_ und einer Spitzenleistung von 1 Megawatt. Die Solarzellen sind wolkenförmig über den eingestellten Gebäuden angeordnet und dienen zugleich als Sonnenschutz für den Halleninnenraum. Abb. 1: Fortbildungsakademie Mont-Cenis Tab. 1: Auszug der Beteiligten am Gesamtprojekt Bauherr, Projektleitung Projektsteuerung Entwurf Objektplanung Tragwerksplanung TGA Solarkraftwerk Beratung bzgl. Tageslicht, thermischen Raumklimas und natürlicher Lüftung Staatliches Bauamt Bochum Entwicklungsgesellschaft Mont-Cenies, Herne DMP Architekten Stuttgart Jourda & Perraudin, Lyon Arbeitsgemeinschaft Jourda Architects, Paris, HHS Planer und Architekten Kassel Schlaich, Bergermann & Partner HL-Technik AG, Niederlassung Frankfurt Pilkington Solar International, Köln, Betreiber: Stadtwerke Gelsenkirchen Universität Dortmund, Lehrstuhl Klimagerechte Architektur, Mitarbeit von: Institut für Licht- und Bautechnik, Köln, Schmidt Reuter Partner, Köln 1. Tageslicht Die im Dach der Mikroklimahülle angeordneten Solarzellen dienen der Stomerzeugung und der Verschattung der Halle im Sommer. Gleichzeitig muß jedoch eine ausreichende Beleuchtung der Innenräume gewährleistet werden. Untersucht wurde die Tageslichtbeleuchtung der Halle in Abhängigkeit von der Solarzellenverteilung und der Belegungsdichte der Module. Ferner wurden photorealistische Visualisierungen erstellt, um dem Bauherrn und den an der integrierten Planung Beteiligten einen möglichst realistischen Eindruck von der Tageslichtverteilung innerhalb der Glashülle zu geben. * Institut für Licht- und Bautechnik Während des Planungsprozesses wurde eine Vielzahl von Varianten bezüglich Anordnung und Belegungsdichte der einzelnen Photovoltaikmodule auf dem Dach mit den Zielen untersucht, eine Überhitzung im Sommer zu vermeiden, eine gute Tageslichtbeleuchtung zu gewährleisten und die Peak-Leistung der Solaranlage von einem Megawatt zu garantieren. Durch die Visualisierung wurden verschiedene Probleme deutlich. Die optische Wirkung einer Komplettbelegung des Daches wurde sofort ausgeschlossen. Auch eine durchgehend streifige Anordnung von dichtbelegten Modulen kam wegen der Verdunklung des Innenraumes und der architektonischen Wirkung nicht in Frage. Das Ergebnis des Entwurfsprozesses ist eine gemeinsam mit den Architekten und Pilkington Solar International optimierte Verteilung der Module auf dem Dach und teilweise in der Fassade mit einer wolkenförmigen Anordnung der Solarzellen über den eingestellten Gebäuden mit zum Rand hin abnehmender Belegungsdichte der Module. Im Dach werden Module mit einer Belegungsdichte von 86%, 73% und 63% verwendet. Die Belegungsdichte der Module in der Südfassade beträgt 53%. Abb. 1 und Abb. 2 zeigen die Verteilung der Solarzellen auf dem Dach und in der Südfassade der Mikroklimahülle. In Abb. 3 ist der visuelle Eindruck des Innenraumes aus verschiedenen Perspektiven jeweils für den Sommer und den Winter dargestellt. Abb. 2: Belegung des Dachs und der Südfassade der Halle mit PV-Modulen Südfassade Sommer Südfassade Winter Westfassade Sommer Westfassade Winter Nordfassade Sommer Nordfassade Winter Abb. 3: Photorealistische Darstellung des Halleninnenraumes In Abb. 4 sind die zugehörigen Isolinien des Tageslichtquotienten (Verhältnis von Innen- zu Außenbelichtungsstärke) in der Halle dargestellt. Die Ergebnisse der vom Institut für Lichtund Bautechnik durch lichttechnische Simulationen ermittelten Tageslichtquotienten waren die Grundlage für die mit dem Programm Softimage erstellten Visualisierungen. Abb. 4: Isolinien des Tageslichtquotienten in der Halle Durch den Einsatz von lichtlenkendem Glas mit holographisch optischen Elementen (HOE) können einzelne Bereiche der Halle ohne großen Aufwand (Nachführung o. ä.) mit aufgeweitetem direkten Sonnenlicht versorgt werden. Über der Bibliothek werden Weißlichthologramme im Dach der Mikroklimahülle eingesetzt, die das direkte Sonnenlicht farbneutral in die in die Bibliothek umlenken (Abb. 5). Über dem Foyer werden holograpische Gitter mit spektraler Farbzerlegung eingesetzt, deren Farb- und Lichteffekte mit der Sonne im Eingangsbereich wandern. Abb. 5: Lichtlenkung mit hologhrapisch optischen Elementen in der Bibliothek (links) und im Foyer (rechts) 2. Thermische Simulation Für den Entwurf und die Planung der Mikroklimahülle ist es entscheidend, Erkenntnisse über das thermische Verhalten der Halle zu erhalten. Die thermische Simulation mit dem Programm TRNSYS (Kooperation mit dem Institut für Licht und Bautechnik) berücksichtigt Transmission und Absorbtion von Solarstrahlung in den Solarmodulen, sowie den Luftwechsel der Halle infolge natürlicher Lüftung. Thermische und Strömungssimulation werden iterativ durchgeführt. Die Temperaturen liegen im Sommer zwar zeitweise über den Außentemperaturen, sind jedoch durch den hohen Luftwechsel, der über die Öffnungen in der Hülle erreicht werden kann, akzeptabel (Abb. 6). Bei weitgehend geschlossenen Öffnungen im Winter kann bei einem einfachen Luftwechsel in der Halle der gewünschte Effekt von moderaten „mediteranen“ Temperaturen in der Halle erzielt werden (Abb. 7). Abb. 6: Sommerliche Temperaturen in den eingestellten Gebäuden 20 15 Temperatur in °C 10 5 0 -5 -10 -15 31.1 1.2 2.2 3.2 4.2 5.2 6.2 7.2 Datum Außentemp. Abb. 7: Winterliche Temperaturen in der Halle Temp Luft LW=1 8.2 9.2 10.2 4. Natürliche Belüftung der Halle Für die Fortbildungsakademie Mont-Cenis wurde in Zusammenarbeit mit der Ingenieurgesellschaft Schmidt Reuter Partner mit Hilfe umfangreicher Strömungssimulationen im Innenraum der Halle ein Konzept für die natürliche Be- und Entlüftung der Mikroklimahülle erarbeitet. Auf der Basis von Simulationsrechnungen für die typischen Jahreszeiten wurden gemeinsam mit den Architekten die Art und Lage der Lüftungsöffnungen festgelegt. Entsprechend der meteorologischen Randbedingungen von Sonne, Wind, Außentemperatur und der Innentemperatur wurde ein Schema entwickelt, das eine Ansteuerung einzelner Gruppen von Lüftungsöffnungen festlegt. Zur Untersuchung der Übergänge zwischen den verschiedenen Jahreszeiten wurden weitere Strömungssimulationen durchgeführt. Die für die Strömungssimulation notwendigen Randbedingungen d.h. die Temperaturen der Oberflächen in der Halle (Unterseite der Solarzellen, eingestellte Gebäude, Außenfassade und Boden) wurden mit dem thermodynamischen Simulationsprogramm ermittelt. Das Programm (siehe auch Kapitel 3) berechnet die thermodynamischen Vorgänge in der Halle (Temperaturen, Wärmeströme, Solareinstrahlung, etc.) über einen Jahreszyklus. Die thermische Speicherfähigkeit der Bauteile wird hier berücksichtigt. Der in der thermischen Simulation zugrundegelegte Luftwechsel wurde iterativ in der Strömungssimulation berechnet. Die bei Wind wichtigen Druckverhältnisse auf der Außenhaut der Mikroklimahülle wurden durch die Gesellschaft für Aerophysik, Zürich in einer detaillierten Windkanalstudie bestimmt. Abb. 8: Fassadenbezeichnung und Lage der Schnitte Die Ergebnisse der Strömungssimulation, insbesondere die Temperaturen, hängen immer von den zugrundegelegten Randbedingungen ab. Gleichzeitig beeinflussen sich Luftströmung, Temperaturen und Wärmeflüsse gegenseitig, so daß eine genaue Abstimmung dieser Werte nur näherungsweise gelingen kann. Die Strömung wurde ohne Berücksichtigung der Vegetation berechnet und kann durch diese noch beeinflußt werden. Der Luftwechsel in der Halle beträgt am einem windstillen Tag im Sommer mit 28 °C Außentemperatur 6,45 pro Stunde. Insgesamt ist eine gute Durchlüftung der gesamten Halle (auch in der Mittelzone) im Aufenthaltsbereich festzustellen (Abb. 11). Bei dieser Simulation wurden alle Fenster in der Außenhülle der Halle und die Tore als geöffnet angenommen. Die Aufheizung der Hallenluft durch die Solarzellen beschränkt sich hier auf einen relativ kleinen Bereich über den Gebäuden unterhalb der Solarzellen (vgl. Abb. 9 und Abb. 10). Abb. 9: Temperaturen und Strömung, Achse bei 109 m (siehe Abb. 8), windstiller Sommertag Abb. 10: Temperaturverteilung im Hallenraum, windstiller Sommertag Abb. 11: Luftströmungsgeschwindigkeiten im Aufenthaltsbereich, windstiller Sommertag Im Winter und vor allem in der Übergangszeit kann die Mikroklimahülle genutzt werden, um angenehme Aufenthaltstemperaturen außerhalb der eingestellten Gebäude zu schaffen. Abb. 12 zeigt die Temperaturverteilung im Schnitt an einem Tag im Testreferenzjahr mit einer Außentemperatur von 15 °C. Abb.12: Temperaturen und Strömung an einem Übergangstag Das für die Regelung der Lüftungsöffnugen wichtige dynamische Verhalten der Halle wurde durch die Simulation einer Reaktion auf die plötzliche Änderung der einzelnen Einflußgrößen ermittelt (Sprungfunktion). So betrug beispielsweise die Zeit einer Reaktion der Halle auf eine erhöhte Solareinstrahlung 3 Stunden bis 70% des Endwertes erreicht waren (Abb. 13). Für die Regelung wurde ein Zeitintervall von 1 Stunde abgeleitet. Ergebnis der Berechnungen sind detaillierte Vorgaben für das Öffnen und Schließen der Lüftungsöffnungen in den Fassaden und im Dach in Abhängigkeit von Außentemperatur, Windgeschwindigkeit, Windrichtung und der Zustände in der Halle. Sprungantwort Sonnenschein 32 31 30 29 28 27 Temperatur [°C] 26 25 24 23 22 21 20 19 18 17 16 15 14 13 995 1000 1005 1010 1015 1020 1025 1030 Zeit [h] Temp. Boden Temp Wand unten Temp Wand oben Temp PV Abb. 13: Sprungantwort bei einer Veränderung der Solarstrahlung Temp Glas Temp Luft 5. Gesamtenergiebilanz der Mikroklimahülle Die Mikroklimahülle mit Ihren eingestellten Gebäuden trägt zur Heizenergieeinsparung bei und wandelt gleichzeitig Solarstrahlung in elektrischen Strom um. Die Vorgaben der Wärmeschutzverordnung können durch einen guten Dämmstandart der eingestellten Gebäude, eine Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung, und den Einfluß der Mikroklimahülle um 55% unterschritten werden. (dynamische Simulation mit dem Programm TRNSYS). Die Photovoltaikanlage auf dem Dach der Glashalle „erntet“ ca. 750 MWh elektrischen Strom mit einem Primärenergieäquivalent von 2.200 MWh im Jahr. Nach Abzug des Eigenenergiebedarfs der Halle können immer noch 550 MWh elektrische Energie ins öffentliche Netz eingespeist werden. Insgesamt kann die Halle auch unter Abzug der Heizenergie als Energiegewinngebäude mit einem Gewinn an Primärenergie von ca. 1150 MWh im Jahr angesehen werden (Abb. 14). 1500 1000 energy [MWh/a] 500 0 -500 electric power supplied by the PV heating power allowed by german building regulation (WSchVo 95) required heating power of the buildings total balance required electric power -1000 -1500 energy at site primary energy -2000 -2500 Abb. 14: Energiebilanz der Mikroklimahülle Rechnerisch können für die Beheizung der Glashülle wesentlich höhere Energiegewinne angesetzt werden, wenn der Energieaufwand für eine Temperatur in der Halle über die Wärmeabgabe an die Umgebung berechnet wird. Grundlage der Berechnung sind die Lüftungswärmeverluste und die Transmissionsverluste der Hallenkonstruktion, die durch die solaren Gewinne, die Wärmeabgabe der eingestellten Gebäude und die Wärmeabgabe des Erdbodens ausgeglichen werden. Zugrundegelegt wurden die mit dem dynamischen Simulationsprogramm TRNSYS berechneten mittleren Hallentemperaturen. Berechnet wurde nur der sogenannte Heizfall, d.h. die Stunden im Testreferenzjahr 3, an denen die Außentemperatur unter 15°C liegt. Energiegewinne, die zu einer höheren Hallentemperatur als 25°C führen, werden nicht berücksichtigt (Abb. 15). Bei einem Luftwechsel von 1/h in der Halle (Heizfall insgesamt 6679 h) beträgt der Energiegewinn der Halle 6.745.000 kWh (6.745 MWh). An 1623 Stunden werden dabei Hallentemperaturen von über 18 °C erreicht. 10000 9000 8000 Endenergie Energie [MWh/a] 7000 Primärenergie 6000 5000 4000 3000 2000 1000 0 Energieeinsparung der eingestellten Gebäude Stromproduktion der Photovoltaik Solargewinne zur Beheizung der Halle Abb. 15: Energiegewinne der Mikroklimahülle 6. Zusammenfassung Mit Hilfe der in diesem Projekt durchgeführten Tageslichtsimulationen und Visualisierungen konnte eine wolkenförmige Verteilung der Solarzellen im Dach der Mikroklimahülle erarbeitet werden werden, die gute Tageslichtbeleuchtung garantiert, eine Peak Leistung von einem Megawatt erreicht und durch die Verschattung in Verbindung mit der natürlichen Lüftung eine mögliche Überhitzung verhindert. Die auf der Basis von Windkanalversuchen (Druckbeiwerte auf der Hülle) durchgeführten Strömungssimulationen des Innenraumes der Halle waren in Kombination mit der thermischen Simulation die Grundlage für die Entwicklung eines detaillierten Regelungskonzeptes für die natürliche Belüftung der Mikroklimahülle mit Hilfe von Lüftungsklappen. Die Temperaturen in der Halle liegen zwar im Sommer zeitweise über den Temperaturen im Freien, sind jedoch durch die hohen Luftwechsel, die durch die Hüllenöffnungen ermöglicht werden, akzeptabel. Im Winter kann eine deutliche Anhebung des Temperaturniveaus in der Halle gegenüber der Umgebung erreicht werden. Insgesamt produziert die Mikroklimahülle durch die im Dach integrierten Solarzellen deutlich mehr Energie als Sie selbst verbraucht. Wird die Energie nach Ihrer Qualität bewertet, so ergibt sich umgerechnet in Primärenergie ein Überschuß von fast 1.200 MWh im Jahr.