Thema des Monats UMNUT ZUNG Kultur im Knast Das ehemalige Gefängnis in Palencia/Spanien ist heute ein Kultur- und Begegnungszentrum. Dafür wurde das alte Backsteingebäude umfangreich erweitert und mit Zinkbekleidungen ergänzt. Text: Guido Wollenberg | Fotos: VM Zinc/Fernando Guerra und Exit Architects 14 dachbau magazin 12 | 2015 N ▴▴Dächer und Fassaden aus Zink schaffen eine harmonische Verbindung zwischen den neuen Bauteilen und dem alten Ziegelmauerwerk ach einer umfassenden Sanierung wird das ehemalige Gefängnis im nordspanischen Palencia nun für kulturelle und soziale Aktivitäten genutzt. Ein Ziel der Erneuerung war es, dem Gebäude durch zeitgemäße Erweiterungen mehr Licht und Offenheit zu geben. Um dies zu erreichen, setzten die Architekten viel Glas ein und wählten Titanzink für die Fassadenbekleidungen der neuen Bauteile aus. Das ehemalige Provinzgefängnis von Palencia stammt aus dem späten 19. Jahrhundert. Errichtet im Neo-Mudéjar-Stil, ist es stark von der maurischen Architektur und ihren Elementen geprägt. Das Bauwerk besteht im Wesentlichen aus vier zweistöckigen Pavillons, die alle um einen zentralen Kern angeordnet sind, sowie einigen Nebengebäuden. Die Sanierung und Umstrukturierung des Gefängnisses hatte zum Ziel, das Gebäude zu einem Treffpunkt im Stadtviertel zu machen. Licht ins Gefängnis Der Entwurf von Exit Architects aus Madrid integriert die bestehende Fassade aus Ziegelmauerwerk in das neue Gesamtkonzept. Das Innere der Pavillons wurde jedoch entkernt und mit einer Struktur gefüllt, die dem gewandelten Charakter der Einrich- dachbau magazin 12 | 2015 tung Rechnung trägt. Neue architektonische Elemente transformieren die Schwere und Geschlossenheit der Gefängnismauern, sodass nun Leichtigkeit und Helligkeit in das Gebäude einziehen. Für den Ansatz der Architekten spielt das natürliche Licht eine große Rolle. Um es ins Gebäude zu leiten, erhielten die Pavillons Aufstockungen mit großzügigen Einsätzen aus Glas. Große Oberlichter lassen nun viel direktes Sonnenlicht in den einst sehr dunklen Innenraum hinein. Das Gebäude ist um einen großen zen­ tralen Saal angeordnet. Dieser verbindet die vier ehemaligen Gefängnistrakte und leitet 15 Thema des Monats www.dachbaumagazin.de die Besucher wie eine Drehscheibe in die anderen Bereiche des Gebäudes. Der Zugang erfolgt durch einen Wintergarten, der als „Filter“ zwischen dem städtischen Leben und den Aktivitäten im Inneren vorgesehen ist. Für die Nutzer gibt es ein Auditorium sowie mehrere Unterrichtsräume für Musik und bildende Künste. Direkt unter den Glaselementen im Obergeschoss befinden sich zudem zwei Mehrzweckräume für größere Gruppen. Und dort, wo sich früher die Zellen der Gefangenen befanden, ist heute eine Bibliothek angesiedelt. Im Inneren wie im Äußeren erinnert die Verbindung des alten Mauerwerks mit der neuen Struktur aus Stahlträgern und Glas an Bauten der Industriearchitektur. Zusätzliche Stabilität erhält die Konstruktion durch eine Verschraubung der neuen Träger mit dem Bestandsmauerwerk. Die Erweiterungen sind eine Mischkonstruktion aus Stahlträgern, Bodenträgerplatten und Metallelementen. Rahmen aus Zinkblech Die Verbindung des alten Mauerwerks mit Zink und Glas erinnert an Industriearchitektur. Die großen Oberlichter sorgen für viel Tageslicht im Inneren Die Dächer der alten Gefängnistrakte erforderten besondere Aufmerksamkeit. Die Dachziegel waren in einem so schlechten Zustand, dass sie komplett entfernt werden mussten. Die Dachlandschaft des Gebäudes erhielt durch die Sanierung eine radikal neue Gestaltung: Eine Kombination aus Flachdächern und geneigten Dachbereichen ersetzt nun die alten Ziegeldächer. Zinkelemente prägen die neue Optik des Backsteinbaus – sie gehen vom Dach in die Fassade über und reichen bis zum Boden hinunter. Die Zinkbekleidungen bilden dabei einen Rahmen um das alte Ziegelmauerwerk, der gleichzeitig die neue Stahlträgerkonstruktion umhüllt. Zudem verleiht das Titanzink mit seinen hellen, reflektierenden Metallflächen dem Gebäudekomplex zusammen mit den Glaselementen und den Jalousien aus Aluminium einen deutlich offeneren Charakter. Exit Architects entschieden sich, die Bekleidungen mit Titanzink von VM Zinc in der Oberflächenqualität Quartz-Zinc auszuführen. Die samtgraue Oberfläche erinnert an die Patina von walzblankem Zinkblech, wie sie durch die natürliche Bewitterung entsteht. Damit bilden die Zinkflächen an Dach und Fassade eine stimmige Ergänzung zu den Rottönen des alten Ziegelmauerwerks. Durch ihre Vorbewitterung mildern sie zudem den Gegensatz zwischen Alt und Neu etwas ab. »» 17 Thema des Monats ▴▴Radikale Umnutzung: Zinkblech, Glaselemente und Jalousien aus Aluminium verleihen dem Backsteingebäude einen deutlich offeneren Charakter Aus technischer Sicht spielten auch die zinktypischen Eigenschaften eine Rolle für die Materialwahl: Einfache Verarbeitung bei hoher Ausführungsgeschwindigkeit, Haltbarkeit, Schutzschichtbildung und Wartungsfreiheit sprachen für den Einsatz. Zudem besitzt Zink eine hohe Flexibilität, die es erlaubte, das Material sowohl fürs Dach als auch für die Fassade zu verwenden. Gutes Abstimmungsergebnis Die geneigten Dachflächen besitzen eine Außenbekleidung aus Steinwolle und Zinkblech. Befestigt sind die Titanzink-Elemente auf einer unterstützenden Unterkonstruktion, die aus einer Holzschalung besteht. Hier kam die traditionelle Doppelstehfalztechnik zum Einsatz: sie bietet eine einfache und gebräuchliche Ausführungsweise mit einer ▴▴Originalzustand: Vor dem Umbau waren alle Dächer des Gefängnisses in Palencia mit Dachziegeln gedeckt 18 dachbau magazin 12 | 2015 sicheren Abdichtung des Dachs sowie die Vorteile eines hinterlüfteten Dachaufbaus. Die Flachdächer zeichnen sich durch eine geringe Aufbauhöhe und hohe Ebenheit bei einem verhältnismäßig niedrigen Gewicht aus. Erreicht wird dies mit einer Kombination aus Trapezblechen und Betonverbundplatten sowie einer Polystyrol-Dämmung mit PVC-Abdeckung. ▴▴Erweiterung: Die neuen Stahlträgerkonstruktionen wurden allesamt mit modernen Zinkelementen bekleidet DAMIT SIE AUCH BEI MINUSGRADEN EIN PLUS AN UMSATZ MACHEN. ▴▴Die Innenräume des Kulturzentrums erhalten durch die großen Glasflächen viel Tageslicht Die Fassaden sind selbsttragend ausgeführt. Sie besitzen eine hinterlüftete Polyurethan-Dämmung und eine Gipskartonbekleidung auf der Innenseite. Außen wurden Steckfalz-Paneele aus Titanzink eingesetzt. Diese greifen die Gliederung der Glaselemente auf und schaffen so eine Fassadenkonstruktion mit einem Höchstmaß an Planheit. Befestigt sind die Fassadenelemente auf einer nicht vollflächig unterstützenden Unterkonstruktion. Bei der Fassade wurde viel Wert auf eine sorgfältige Planung gelegt, um die SteckfalzPaneele und die Glasmodule bestmöglich zu koordinieren. Fugenbreiten, Achsabstände und die Länge der Zinkelemente sind variabel lieferbar, sodass es genug Spielraum gab, um die Materialien aufeinander abzustimmen. So bilden die Zink-Paneele nun optisch eine Einheit mit den Glaselementen, wobei die passenden Abschlussprofile für einen gleichmäßigen Übergang sorgen. Die Steckfalz-Paneele sind 1,0 mm dick und haben eine Profiltiefe von 20 mm. Kultur statt Knast Exit Architects ist mit der Idee angetreten, aus dem ehemaligen Gefängnis einen Ort der Begegnung zu machen. Trotz der tiefgreifenden Änderungen in der Gebäude- substanz schaffen die Dächer und Fassaden aus Titanzink eine harmonische Verbindung zwischen den neuen Elementen und dem alten Ziegelmauerwerk. ■ S TECK BRIEF Objekt/Standort: Centro Cívico-Cultural Palencia E-34004 Palencia Bauherr: Stadt Palencia, Ministerium für Inlandsentwicklung Architekten: Exit Architects | E-28028 Madrid www.exit-architects.com und Eduardo Delgado Orusco E-28004 Madrid www.resetarquitectura.com Produkte: VMZ-Doppelstehfalz- und VMZ-Steckfalz-Paneele in der Oberflächenqualität Quartz-Zinc Hersteller: VM ZINC, Umicore Bausysteme GmbH D-45326 Essen | www.vmzinc.de Unsere Dachabdichtungssysteme basieren auf Flüssigkunststoff. Sie lassen sich ganzjährig bei bis zu -5 °C verarbeiten und schützen die Bausubstanz dauerhaft vor Nässe. Unsere Systeme haften auf fast allen Untergründen und eignen sich für einfache, detailreiche und komplizierte Dachkonstruktionen. Vor allem aber lösen wir Projekte immer gemeinsam. www.triflex.com dachbau magazin 12 | 2015