Flexibel, aber ehrlich

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Politik — 15 Südtiroler Wirtschaftszeitung — Nr. 39 | 09 — Freitag, 16. Oktober 2009
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Das „rhetorische Gummiband“ – Unerlässliches
Hilfsmittel für „Wähler suchende“ Politiker und Parteien
Flexibel, aber ehrlich
Politiker müssen möglichst viele Wähler ansprechen, aber auch ein
Profil entwickeln, das sie wählbar macht. Das „rhetorische Gummiband“
hilft dabei, Ziele zu formulieren und sich doch selbst treu zu bleiben.
Bozen – Wähler haben zuweilen das Ge­
fühl, dass Parteien und Politiker je nach
Windrichtung – sprich: nach auch kurz­
zeitiger Stimmung in Medien und Be­
völkerung – ihre Positionen wechseln.
Dies kann am Wahltag Folgen haben.
Es gilt deshalb, „seine“ Wähler zu fin­
den und diese gezielt anzusprechen,
ohne sich zu verbiegen. Das kann unter
anderem mit dem „rhetorischen Gum­
miband“ gelingen. Dieses grenzt, bild­
lich gesprochen, den Bereich an Wäh­
lerschichten ein, das ein Politiker ab­
decken kann. Dabei gibt es eine Kern­
wählerschicht und eine Schicht, in der
weitere Wähler gefunden werden kön­
nen. Und entsprechend können Poli­
tiker ihre rhetorischen Auftritte und
Diskussionen danach ausrichten. Da­
bei ist entscheidend, wie überzeugend
jemand die Botschaften „rüberbringt“.
Aber der Reihe nach.
Die Arbeit mit dem „rhetorischen
Gummiband“ erstreckt sich in drei
Phasen.
1. Jeder Politiker muss wissen, wo
sein „Gummiband“ liegt – Dazu
muss er sich über seine eigenen Kern­
botschaften im Klaren sein und auch
wissen, wie viele Menschen diese Bot­
schaft teilen könnten. Dies ist die
ethisch ehrlichste Form der Rhetorik
(und der Politik). Wer das ausspricht,
wovon er überzeugt ist, spricht je nach
Thema mehr oder weniger Menschen
an. Bei der Ausarbeitung der Kernbot­
Klaus Egger
des festgelegt. Natürlich kann das Gum­
miband auch mehrere Milieus berüh­
ren, die sich ähneln. Jetzt kann man
die rhetorischen Kernbotschaften noch
genauer definieren und modulieren.
Nun kennt der Politiker „seine“ Wäh­
lerschichten und seine zentralen Kern­
botschaften.
Darauf folgt Phase 2.
2. In welche Gebiete kann ich mich
„ausdehnen“, ohne unglaubwürdig
Spätestens beim allumfassenden
Begriff „ökosoziale Marktwirtschaft“ ist
das rhetorische Gummiband so gespannt,
dass es zu reißen droht.
schaften müssen sich Politiker jedoch
so konkret wie möglich festlegen. „Ar­
beit für alle“ ist keine Kernbotschaft,
sondern eine Floskel, die heutzutage
niemanden mehr überzeugt.
Rhetorisch gesehen gibt es hierbei
durchaus unterschiedliche Positionen
zwischen modernen Rhetorikern und
vielen Wahlkampfberatern. Letztere ra­
ten oft dazu, sich nicht zu sehr festzule­
gen, weil dies einen Rückzug erschwert
oder später die politische Konsensfin­
dung einschränkt. Es gibt aber viele Bei­
spiele, dass es auch konkreter geht.
Um herauszufinden, was gewählt
wird, werden Wählermeinungen er­
hoben. Eine der interessantesten Un­
tersuchungen ist eine Milieustudie,
die das Magazin „Stern“ im deutschen
Wahljahr 2009 veröffentlicht hat: „So
sind die Deutschen – wie sie wohnen,
wie sie denken, wie
sie wählen“. In die­
Wahlverhalten
sem Artikel wird
entspricht
die Studie der Fir­
dem Milieu
ma Sinus Sociovi­
sion vorgestellt. Dieses Institut ent­
wickelte sinus-milieus®, welches Ei­
genschaften wie Bildung, Beruf oder
Einkommen mit den realen Lebenswel­
ten der Menschen verbindet, d.h. mit
ihrer Alltagswelt, ihren unterschiedli­
chen Lebensauffassungen und Lebens­
weisen. So ergeben sich verschiedene
Milieus, in denen wir uns bewegen
und denen unser Wahlverhalten ent­
spricht (gesamter Artikel unter www.
sociovision.de).
Interessant ist, dass die viel zitierte
Mitte gar nicht so ausgeprägt ist, wie
mancher es gerne hätte. Nur 15 % se­
hen sich in der „bürgerlichen Mitte“
verankert. Nun geht die Arbeit mit
dem „rhetorischen Gummiband“ wei­
ter. Nachdem die Milieus studiert und
die Kernbotschaften festgelegt wur­
den, besteht die erste Aufgabe darin,
das schlaffe „rhetorische Gummiband“
über diese Grafik zu legen, um das eige­
ne „Heimatgebiet“ einzugrenzen. Dem
jeweiligen Heimatgebiet entsprechend
wird dann die Größe des Gummiban­
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um die Glaubwürdigkeit des Politikers
ist es geschehen.
Auch Volksparteien, die gegründet
wurden, um das ganze Volk anzuspre­
chen und zu vertreten, müssen sich be­
wusst sein, dass dies heutzutage nicht
mehr möglich ist. Deshalb sollten Poli­
tiker, wenn sie von „den Menschen da
draußen“ oder „den Bürgern unseres
Landes“ sprechen, vorsichtig sein. Und
genau hier beginnt Phase 3.
3. Auf welche Gebiete (Wählerschichten) muss ich verzichten, da
sonst mein Gummiband reißt? –
Politiker sollten diese Arbeit schrift­
lich machen und dabei ehrlich sein.
Mein Rat: Grenzen Sie Meinungen, Ar­
gumente und politische Vorstellungen
aus, die nicht in Ihr „Gummiband“
passen. Jeder Unternehmer weiß: Spe­
zialisierung bedeutet Profilierung und
somit bessere Sichtbarkeit, aber auch
Verzicht. Am Ende stehen jene, die
Profil besitzen, in neun von zehn Fäl­
len besser da. Und genauso ist es in
der Politik.
Diese Überlegungen haben nichts
mit Manipulation von Menschen zu
tun, sondern mit ehrlicher Selbstund Fremdanalyse. Wer sich klar da­
rüber ist, was er überhaupt zu sagen
hat, spricht die Menschen mit gleicher
oder ähnlicher Meinung an. Weiters ist
es durchaus legitim, in den Teichbe­
reichen zu fischen, wo es Schnittmen­
gen mit anderen Wählerschichten gibt.
Politiker sollten aber den Mut haben,
Dinge, die sie nicht ehrlich vertreten,
auch beim Namen zu nennen. Die Eier
legende Wollmilchsau gibt es nicht –
und lässt sich auch mit rhetorischen
Kniffen (die es leider auch gibt) nicht
herbeireden. Spätestens beim Begriff
„ökosoziale Marktwirtschaft“ ist das
rhetorische Gummiband so gespannt,
dass es zu reißen droht.
29.09.2009
13:55 Uhr
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Am Anfang besteht Ihre
Wellness-Anlage aus einem
leeren Stück Papier. Am Ende
aus purer Zufriedenheit.
Wellness beginnt mit KLAFS.
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Klaus Egger
zu werden? – Der Wahlwerber zieht
nun an seinem Gummiband und schaut,
in welche Richtung er es ziehen kann,
ohne dass es reißt. Bin ich in diesem
Milieu mit meiner Botschaften noch
glaubwürdig? lautet die Frage. Wenn
ja, kann das Gummiband je nach Situ­
ation ein wenig rhetorisch „gedehnt“
werden. Klar ist aber: Sobald jemand
versucht, alle oder fast alle Schichten
zu bedienen, reißt das Gummiband und
Der Autor: Klaus Egger ist Kommu­
nikationstrainer und unterrichtet an
politischen Bildungseinrichtungen in
Südtirol sowie in einem Management­
institut in München. Er ist Autor des
Buches „Überzeugende Reden und Vor­
träge halten“ und den Lesern der SWZ
als Verfasser von Fachbeiträgen
zum Thema Rhetorik bekannt
(www.klaus-egger.com).
• Info Zu wem gehören Sie?
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Quelle: „stern“/Sinus Sociovision
Das Institut Sinus Sociovision teilt
die Bevölkerung Deutschlands in
zehn Milieus auf, die in anderen
hoch entwickelten Ländern ähn­
lich sein dürften, aber doch Beson­
derheiten aufweisen. Sinus-Mili­
eus sind Menschen, die sich in ihrer
Lebensauffassung und Lebensweise
ähneln. Grundlegende Werte gehen
ebenso in die Analyse ein wie Ein­
stellungen zu Arbeit, Familie, Frei­
zeit, Geld oder Konsum.
Die Grenzen zwischen den Mili­
eus sind fließend. Je weiter oben ein
Milieu in der beigestellten Grafik ange­
siedelt ist, desto höher sind Bildung und
Einkommen, desto höher ist demnach
auch der soziale Status. Je weiter rechts,
desto „moderner“ sind Menschen ein­
gestellt. So ist das Milieu „Bürgerliche
Mitte“ moderner als die „Konservativen“,
hat aber weniger Status und Einfluss.
Sinus-Milieus sind nützlich für Unterneh­
men, die Marketing und Vertrieb auf Ziel­
gruppen ausrichten – und natürlich poli­
tische Parteien und Politiker, die ihre
Zielgruppen bestimmen und erreichen
wollen.
Zentrale: KLAFS GmbH • www.klafs.at
A - 6361 Hopfgarten • Sonnwiesenweg 19
Tel. + 43 (0) 5335 /2330 0
Kontakt in Südtirol: Jürgen Theiner
14.10.2009 11:16:34 Uhr
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