Helmut Kramer/ Die Presse 21. Juni 2013 Vom Verblassen der internationalen Handschrift Österreichs: Plädoyer für eine Re-Internationalisierung der österreichischen Außenpolitik Für die Entscheidung der Regierung, die österreichischen Blauhelm-Soldaten vom Golan abzuziehen, gab es berechtigte Gründe, die vielerorts kommentiert wurden. Zweifellos ist die Beendigung der Golan-Mission und vor allem, wie die Entscheidung dem UNGeneralsekretär kommuniziert wurde, dem internationalen Image Österreichs und seiner Position als UNO-Standort nicht zuträglich. Jedoch ist dem Argument, Österreich habe mit der Golan-Mission die große Tradition der Vermittlungspolitik Bruno Kreiskys im Nahen Osten endgültig aufgegeben, entgegenzuhalten, dass Österreich im Nahen Osten und in Nordafrika politisch und diplomatisch schon lange keine Rolle mehr gespielt hat. Die Golan-Entscheidung wäre somit nur mehr als Indiz einer generellen Tendenz zum Abbau einer aktiven Außenpolitik in den letzten Jahren zu sehen. Das Verblassen der außenpolitischen Handschrift Österreichs manifestiert sich praktisch in allen Bereichen der österreichischen Außenpolitik: in den Beziehungen zu den osteuropäischen Nachbarstaaten, wo Österreich aus den EU-Aktivitäten der Visegrád-Gruppe (Polen, Tschechien, Slowakei und Ungarn) ausgeschlossen ist ebenso wie die auf bloße Ankündigungspolitik und auf wirtschaftliche Interessen eingeschränkten politischen Initiativen im Donauraum und im Schwarzmeergebiet. Nur am Balkan, wo die österreichische Wirtschaft stark verankert ist und Österreich eine wichtige Rolle als Truppensteller im Kosovo und in Bosnien-Herzegowina spielt, setzte Österreich in den letzten Jahren noch einige Akzente, um zur Belebung der durch die Finanz- und Wirtschaftskrise stagnierenden EU-Erweiterungspolitik am Westbalkan beizutragen. Wichtige Chancen, in der Balkanpolitik mitzuwirken, wurden jedoch zu wenig energisch genützt. So sollte Ulrike Lunacek, Abgeordnete der Grünen und seit 2010 Kosovo-Beauftragte des Europäischen Parlaments, auf Wunsch der Hohen Beauftragten Lady Ashton Leiterin der EU-Mission im Kosovo werden, was aber an der mangelnden Unterstützung durch das österreichische Außenministerium scheiterte. Dazu kommt, dass auf Grund der rigiden Einsparungspolitik bei der auch den Balkanländern bisher zugute kommenden Entwicklungszusammenarbeit viele Projekte der zuständigen Agentur ADA (Austrian Development Agency) zurückgefahren bzw. überhaupt eingestellt wurden. Der Abbau des internationalen Engagements von Österreich ist vor allem Folge davon, dass Österreich viel zu wenige Ressourcen in die Vorbereitung und Umsetzung von Außenpolitik und internationaler Politik investiert. Zu verweisen ist hier auf die katastrophale Personalsituation im Außenministerium, wo wichtige Abteilungen krass unterbesetzt sind. So besteht die Balkanabteilung aus einem Abteilungsleiter und einem Verwaltungspraktikanten und für Nord- und Südamerika stehen gerade einmal zwei Beamte zur Verfügung. Hingegen sind die Kabinette von Spindelegger und Staatssekretär Lopatka, in dem vorwiegend die innen- und parteipolitischen Agenden des ÖVP-Vizekanzlers behandelt werden, sowie die Presseabteilung personell enorm aufgebläht worden. Kein Wunder also, dass die Entscheidungsprozesse schlecht vorbereitet und konfus sind und dass, wie es Diplomaten beklagen, keine Ansätze für strategische Überlegungen zu den Interessen und den Möglichkeiten Österreichs in der internationalen Politik erkennbar sind. Durch die Sparpolitik im Außenministerium wurde der diplomatische Vertretungsapparat Österreichs, vor allem in Lateinamerika und Afrika weiter ausgedünnt. Besonders abträglich für die Position Wiens als dritten UNO-Sitz ist die weitere Reduktion der ohnehin schon skandalös niedrigen Ausgaben für Entwicklungszusammenarbeit und für andere internationale Solidarleistungen, wie etwa der finanziellen Zuwendungen an die Sonderorganisationen der Vereinten Nationen. Wesentlich für diesen Abbau einer aktiven außenpolitischen Haltung Österreichs ist die Tatsache, dass Außenminister Spindelegger seit der Übernahme der Parteiobmannsund Vizekanzler-Funktion im Frühjahr 2011 als Teilzeitminister nicht die nötige Zeit findet, um seine außenpolitischen Aktivitäten auf ein durchdachtes strategisches Gesamtkonzept zu stützen und bei Auslandskontakten nicht mehr als flüchtige Gespräche und Fototermine absolviert. Durch die Konzentration auf innenpolitische Aufgaben als Vizekanzler und Parteiobmann, unterlässt es Spindelegger auch, die Öffentlichkeit zu internationale Fragen zu informieren. Die Rolle der Außenpolitik in seiner Österreich-Rede am 15. Mai dieses Jahres, am Tag der Unterzeichnung des österreichischen Staatsvertrags kam – abgesehen von einem Verweis, dass er bei seinen Auslandsreisen voller Stolz die erfolgreichen wirtschaftlichen Aktivitäten österreichischer Unternehmen konstatieren könne – de facto nicht vor. In der Kampagne zur Volksbefragung über das österreichische Bundesheer ging der Außenminister in seiner auf innenpolitische Argumente, auf Zivildienst und auf Katastropheneinsatz ausgerichteten politischen Beweisführung nicht auf die internationalen Aufgaben des österreichischen Bundesheeres ein. In diesem politischen Vakuum, das auch durch die Abmeldung der SPÖ aus der Außenpolitik und dem Zurückschrauben ihres internationalen Engagements vergrößert wird, setzen sich, wie dies in der GolanEntscheidung besonders augenfällig war, die isolationistischen und provinziellen Argumente und Sichtweisen des Boulevards durch. „Die Regierung liest in der Früh die ‚Kronen Zeitung’ und ‚Heute’ , dann weiß sie ,was sie an diesem Tag zu machen hat“, so Erhard Busek in einem Interview über die österreichische Außenpolitik (Profil 16.3.12). Eine Strategie der Re-Internationalisierung müsste nicht nur auf einer deutlichen Steigerung der materiellen und personellen Investitionen in internationale Politik und Außenpolitik basieren, sondern vor allem auch auf einer Intensivierung des politischen Engagements auf diesem Gebiet: Das Amt des Außenministers muss wieder mehr als ein Nebenjob sein und in Parlament und Parteien müssen Personen tätig sein, die internationale Zusammenhänge kompetent analysieren können. Unter Beteiligung aller relevanten außenpolitischen Akteure, von Wirtschaft, Parteien und Zivilgesellschaft und der Wissenschaft wäre eine Strategie auszuarbeiten und öffentlich zu diskutieren, in der die Interessen und die Handlungsmöglichkeiten Österreich in Europa und außerhalb Europas ausgelotet und bestimmt werden.