Die Klassiker der Ideengeschichte haben sich durchweg allein mit

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2 Außenpolitik - was ist das?
 Die Klassiker der Ideengeschichte haben sich durchweg allein mit
dem Sachbereich Herrschaft beschäftigt.
Der Italiener Niccoló Machiavelli hat in seinem Lehrbuch für Fürsten aus
dem Jahr 1513 Il Principe in den Mittelpunkt gestellt, wie Herrschaft
erworben, gesichert und bewahrt werden kann.
Eroberung
und
Unterdrückung
werden
selbstverständliche Mittel angesehen.
dabei
zeitgemäß
als
Interessant ist, dass Machiavelli schon von einer Entsprechung zwischen
äußerer und innerer Lage ausging.
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 Bei den liberalen Klassikern wie John Locke, Montesquieu und
Jean-Jacques Rousseau ist Außenpolitik mehr oder weniger
selbstverständlich als Aufgabe der Exekutive gesehen worden.
Dieser oblag es, den Schutz der Bürger nach innen und nach außen zu
gewährleisten.
Immanuel Kant hingegen setzte den Akzent auf den Frieden, Zum Ewigen
Frieden nannte er ein Hauptwerk.
Die Entscheidung über Krieg und Frieden als wichtigste außenpolitische
Entscheidung überhaupt wollte er in den Händen des Volkes sehen.
Dies verbürge die Friedenserhaltung, weil dann, so nahm Kant an, „... sie
sich sehr bedenken werden, ein so schlimmes Spiel anzufangen.“
Kant vertraute auf das kommerzielle Interesse, auf den „Handelsgeist, der
mit dem Krieg nicht zusammen bestehen kann.“
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 Die marxistische Tradition (Karl Marx, Friedrich Engels,
Lenin, Rosa Luxemburg) behauptete genau das
Gegenteil.
In den Rivalitäten zwischen kapitalistischen Ländern wurden die
eigentlichen Kriegsursachen gesehen.
Der Stellenwert der Außenpolitik im politischen Prozess ist demnach
klärungsbedürftig.
Eine Klärung zu versuchen, heißt, zuerst die Frage nach dem Verhältnis
von Innen- und Außenpolitik zu stellen.
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Primat der Außenpolitik

Seit dem Ende des 19. Jahrhunderts wird der
Vorrang von Außen- oder Innenpolitik, das so
genannte Primat, diskutiert.
Der Historiker Wilhelm Dilthey hat den Begriff vom Primat der Außenpolitik
geprägt und sich auf seinen berühmten Fachkollegen Leopold von Ranke
berufen, der 1836 schrieb:
„Das Maß der Unabhängigkeit gibt einem Staat die Stellung in der Welt;
es legt ihm zugleich die Notwendigkeit auf, alle inneren Verhältnisse zu
dem Zweck einzurichten, sich zu behaupten. Dies ist sein oberstes
Gesetz.“
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 Das Primat der Exekutive hat eine lange
ideengeschichtliche Tradition.
Auf den Punkt gebracht haben es die Protagonisten des Nationalstaats wie
Ranke, Dilthey und auch Max Weber.
Dieser große deutsche Sozialwissenschaftler, Max Weber, war, was die
Außenpolitik betrifft, ein Expansionist.
Seine Unterscheidung in „kleine“ Kulturstaaten und „große“ Machtstaaten
bedeutete in seiner Sicht für das Deutsche Reich die Aufgabe, wenn nicht
die Mission, das Machtvakuum in Mitteleuropa auszufüllen.
Folglich kritisierte Weber auch die „territoriale Saturiertheit“ der Politik
Bismarcks.
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 In dieser Tradition, der Max Webers, steht die so
genannte realistische Schule mit ihrem Hauptvertreter
Hans Morgenthau.
Macht und nationales Interesse sind die zentralen Begriffe für dieses
Verständnis von Außen- und Weltpolitik.
Ziel der Politik ist bei Morgenthau der Zugewinn an Macht. Macht ist
identisch mit dem Nationalinteresse.
Morgenthau nennt neun Merkmale von Macht:
geographische Lage, natürliche Ressourcen, industrielle Kapazität, den
Stand der Rüstung, Bevölkerungszahl, Nationalcharakter, die nationale
Moral, Qualität der Diplomatie und Qualität der Regierung.
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 Als kritische Standardfragen und Einwände können
gegen diesen Ansatz vorgebracht werden:
1. ob denn das Nationalinteresse objektivierbar und konstant sei,
2. ob nicht andere Staaten und die Systemebene des internationalen
Systems dabei vernachlässigt werden,
3. ob das elitistische Herrschaftsmodell Einflüsse von Interessengruppen
im außenpolitischen Entscheidungsprozeß negiert oder diese als
irrational bewertet,
4.
ob nicht das machtstaatliche Denken antiquiert und die Doktrin vom
Gleichgewicht der Mächte eine Denkfigur des 19. Jahrhunderts sei,
5. ob das Konzept von Macht als Ziel im Sinne von Zwang zu eng sei,
weil Macht auch ein Mittel sein kann.
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
Die These, der Realismus sei völlig überholt, wird allerdings
wieder diskutiert, seit die amerikanischen Neorealisten, die den
Ansatz Morgenthaus weiterentwickelt haben, auch bei uns
Resonanz und nicht bloß krude Ablehnung gefunden haben.
Neorealisten leiten aus der vorherrschenden Anarchie im zwischenstaatlichen Verhältnis ab, dass die Staaten nach wie vor auf Sicherheit und
Machterhalt zielen, und erwarten deshalb in der Regel mehr Konflikt als
Kooperation.
Neben dem aus den USA importierten strukturellen Realismus von Waltz
hat der Münchner Ansatz (Kindermann) des synoptischen Realismus keine
große Beachtung in der Fachdebatte gefunden.
Auch wenn die Neorealisten auf der Systemebene ansetzen, führt diese
Denkrichtung unmittelbar zu einem Vorrang der Außenpolitik, weil diese die
staatliche Existenz und den Handlungsspielraum abzusichern hat.
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 Ein zweites Theorem des Primats der Außenpolitik
stammt von dem englischen Historiker John Seeley.
Danach steht der Grad der Freiheit im umgekehrten Verhältnis zum Grad
der Bedrohung von außen.
Die Freiheit des Einzelnen von staatlicher Bevormundung wäre dann also
um so größer, je geringer der Druck von außen wäre.
Eine Wechselbeziehung ist plausibel, ob sie so einfach und direkt ist, muss
bezweifelt werden.
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Primat der Innenpolitik

Für die Entwicklung dieses konkurrierenden Theorems waren Ideen wie die
des Staatstheoretikers Otto Hintze von Einfluss. Eckart Kehr hat diese
These in den zwanziger Jahren vertreten.
Nach dem 2. Weltkrieg wurde sie von der sozial-strukturellen Forschungsrichtung der Historiker wie Hans-Ulrich Wehler und Jürgen Kocka aufgegriffen.
Danach ist Außenpolitik stets auch Innenpolitik, weil
1. Außenpolitik das Ergebnis von im Innern wirkenden politischen
Einflüssen und Entscheidungen sei,
2. Außenpolitik von der Regierung mit dem Blick auf innenpolitische
Gruppierungen und Handlungsspielräume betrieben würde.
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 In der Politikwissenschaft hat Ekkehart Krippendorff den
Primat-der-Innenpolitik-Ansatz in einem Aufsatz aus
dem Jahr 1963 Ist Außenpolitik Außenpolitik? grundlegend abgehandelt.
Der Untertitel macht das Vorhaben klar, nämlich Ein Beitrag zur Theorie und
der Versuch, eine unhaltbare Unterscheidung aufzuheben.
Nach Krippendorff ist außenpolitische Analyse stets gesellschaftspolitische
Analyse.
Die Akteure in der Außenpolitik sind die „Anwälte“ der Gesellschaft.
Sie vertreten nicht Ideen oder Philosophien, sondern objektive Interessen
und erfüllen gesellschaftliche Aufträge.
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 Zu den definierbaren Aufträgen zählt dieser Ansatz:
1. die Sicherung des Staatsgebiets, also der territorialen Integrität oder
Gebietserweiterung,
2. Angehörige des eigenen Staates bei Aktionen jenseits der Staatsgrenze
zu unterstützen,
3. günstige Bedingungen für Wirtschaft und Handel zu gewährleisten,
4. eigene Führungspositionen zu bewahren und zu erweitern.
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 Oberstes Gebot ist die Erhaltung des gesellschaftlichen
Systems. Nach dem Prinzip der Systempersistenz soll
es einen Primat der Systemerhaltung geben.
Dabei spielen die Führungseliten eines Landes die entscheidende Rolle,
“... denn Regierungen kommen und gehen, Führungsschichten wandeln
sich nur langsam ...“.
Dieser Ansatz legt eine intensive Elitenanalyse nahe. Nationale Akteure sind
also vornehmlich die politischen Eliten, deren Bandbreite unterschiedlicher
Positionen zu untersuchen ist.
Dazu gehören vor allem der Spielraum der jeweiligen Regierung, der
Regierungswechsel und seine außenpolitische Bedeutung.
Wenn eine Gesellschaft fest etabliert ist, dann bedeutet der Wechsel ihrer
politischen Entscheidungsträger relativ wenig. Die Persönlichkeitsfaktoren
der Akteure bleiben allerdings von Interesse.
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 Reziprok ist bei einer außenpolitischen Analyse die
Position der Adressaten, der Partner im Ausland,
Untersuchungsgegenstand.
Politische Strategien hängen vom "Mitspieler", dem Adressaten der Politik,
ab.
Das heißt, die gleichen Kategorien wie für den eigenen Staat müssen auch
für das Ausland angewandt werden. Auch hier geht es um die Analyse der
Gesellschaftsorganisation mit ihrem Kollektivverständnis und dem zugrunde
liegenden Interesse an Systemerhaltung.
Die Erfolgschancen von Außenpolitik sind also davon abhängig, ob die
entscheidenden, einflussreichen Gruppen im anderen System erkannt und
ihr Interesse richtig eingeschätzt worden ist.
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 Krippendorffs Modell des außenpolitischen Entscheidungsprozesses ist weniger pluralistisch als elitenorientiert.
Eine Schwäche dieses gesellschaftspolitischen Ansatzes könnte sein, dass damit
die Vorstellung eines autistischen nationalen Systems zu stark hervorgehoben wird.
Der nationale Akteur ist nach diesem Bild überaus stark, das internationale System
als die Summe anderer außenpolitischer Akteure erscheint recht schwach. Die
neuere Debatte hat deshalb Begriffe wie „Entgrenzung“ und „Denationalisierung“
eingeführt.
Die Entstehung der beiden deutschen Staaten nach dem Zweiten Weltkrieg z. B.
kann mit der Krippendorffschen Gesellschaftsanalyse nicht erklärt werden. Hier hilft
allenfalls die Gesellschaftsanalyse der Staaten der Siegermächte weiter.
Das Konzept Nachkriegsdeutschlands als eines „penetrierten Systems“ wäre also
das Gegenbild zu Krippendorffs „autistischem“ System. Dieser Fall der Gestaltung
eines Landes oder seiner Teile nach dem Modell der Sieger ist allerdings kein
Regel-, sondern ein Ausnahmefall.
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 Probleme
zeigen
sich
beim
Versuch,
den
Krippendorfschen Ansatz eines relativ autistischen
nationalen Systems mit stark an ihrer Selbsterhaltung
orientierten nationalen politischen Eliten auf den Fall
der Europäischen Gemeinschaft und des wachsenden
Integrationsprozesses anzuwenden.
Der amerikanische Autor David Calleo hob statt dessen die
außenpolitischen Konstellationen als überpersönlich wirkende Faktoren
hervor.
Die „eingepferchte“ Lage Deutschlands etwa habe zum Außenverhalten
mehr beigetragen als primär innenpolitische Faktoren.
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 Als Gründe für die stärkere Betonung der Innenpolitikthese anstatt des älteren Primats der Außenpolitik wären
hingegen zu nennen:
1. Das Konzept des Primats der Exekutive entspricht nicht mehr den Bedürfnissen
einer parlamentarischen Demokratie. Parlamente und öffentliche Meinung haben
an Einfluss im außenpolitischen Entscheidungsprozeß gewonnen.
2. Verständlicherweise mündete die Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus in Deutschland in eine intensive Beschäftigung mit den innenpolitischen
Akteuren, die dessen Erfolg ermöglicht haben könnten.
3. Die Demokratisierung von Staat und Gesellschaft hat die Beteiligung
gesellschaftlicher Akteure, also die Innenpolitik, zu einem entscheidenden Faktor
der Außenpolitik werden lassen.
4. Übernationale und überstaatliche Zusammenschlüsse in Europa haben nach dem
2. Weltkrieg tendenziell das Bild von einer Außenpolitik europäischer Staaten als
innereuropäische Politik entstehen lassen. Es fand ein Prozess der regionalen
„Vergemeinschaftung“ statt.
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