 
                                Der innerstaatliche Entscheidungsprozeß als Bestimmungsfaktor für außenpolitische Entscheidungen und das Ebenenproblem Beobachtung:  Staaten verhalten sich in vergleichbarer Lage unterschiedlich 1. Zentrale Fragen:  Aufgrund welcher innenpolitischen Faktoren erfolgt eine außenpolit. Entscheidung unter gegebenen äußeren Rahmenbedingungen ?  warum verhält ein Staat sich nicht immer so, wie der Neorealismus annimmt ?  Erklärungen können von den spezifischen politischen Systemen einzelner Staaten abhängen  keine für alle Staaten geltende 'Theorie' 2. Akteure in der deutschen Außenpolitik a. Außenpolitik ist Gegenstand innenpolitischer Auseinandersetzungen  Es kommt darauf an, welche Akteure beteiligt sind  Welche Interessen vertreten sie jeweils? o in Bezug auf die eigentliche Außenpolitik o in Bezug auf deren innenpolitische Folgen  welche Optionen stehen zur Verfügung ?  außenpolitisches Handeln ist nicht durch die Zwänge des internationalen Systems determiniert Entscheidungen b. Zentrale außenpolitische Akteure in D.  Außenpolitik ist zuerst Bundesangelegenheit o Relevante Akteure der Exekutive: Bundesregierung  Bundeskanzler (+ Amt)  Bundesminister des Äußeren  Bundesminister der Verteidigung  Andere Ministerien - wirtschaftl. Zusammenarbeit - Wirtschaft, Finanzen - Umwelt, Verkehr, Gesundheit usw.  jeweils politisch verantwortl. Leitung  und Ministerialbürokratien o Relevante Akteure der Exekutive: Bundespräsident  Repräsentant des Staates nach außen  unterzeichnet Ratifikationsurkunden  Außenpolitik als Domäne der Exekutive o Relevante Akteure der Legislative: Bundestag und Bundesrat  z.B. Ratifikationsgesetze  Beobachtung und Beratung  Militäreinsätze (BT)  Andere staatliche Akteure o Bundesländer o Nicht-staatliche Akteure, z.B.  Parteien ( bes. in Koalitionsregierungen)  Interessenverbände (z.B. Menschenrechte, Umwelt, Wirtschaft  Ursache unterschiedlicher außenpolitischer Interessen z.B. durch o Abwägung von Vor- und Nachteilen für den betreffenden Akteur  des außenpolit. Handelns selbst  der Entscheidung in der innenpolitischen Interessenauseinandersetzung o normative Grundausrichtung der Akteure o Öffentliche Bewertung der verfügbaren Optionen (ist die betreffende Option beliebt ?) c. Die verfassungsrechtlichen Grundlagen als institutionelle Rahmenbedingung  normative Grundausrichtung o Bekenntnis zur Würde des Menschen, zu den Menschenrechten, zu Frieden und Gerechtigkeit in der Welt (Art. 1)  Einbindung in internationale Institutionen o Allgem. Regeln der Völkerrechts sind Bundesrecht und gehen Gesetzen vor (Art. 25) o Verbot von Angriffskrieg und Handlungen zur Störung des friedl. Zusammenlebens der Völker (Art 26) o Streitkräfte dürfen außer zur Verteidigung nur eingesetzt werden, "soweit dieses Grundgesetz es ausdrücklich zuläßt" (87a) o Möglichkeit z. Übertragung von Hoheitsrechten auf zwischenst. Einrichtungen (24.1) o Möglichkeit z. Einordnung in ein "System gegenseitiger kollektiver Sicherheit" (24) o Auftrag z. Beitritt z. allg., obligatorischen, internat. Schiedsgerichtsbarkeit (Art 24) o Auftrag z. Mitwirkung an der Entwicklung einer EU, die demokrat., rechtsstaatl., sozialen und föd. Grundsätzen und der Subsidiarität verpflichtet ist (neuer Art. 23)  Weiterer Handlungsauftrag (1990 gestrichen) o "in freier Selbstbestimmung die Einheit und Freiheit Deutschlands vollenden" (Präambel)  Organisationsfragen o Verteidigung und ausw. Angelegenheiten sind Bundesaufgaben (Art 73) o Verträge bedürfen der Gesetzesform (Art. 59) (Ratifikation) o Mitwirkung von BT und BR in Angelegenheiten der EU (neuer Art. 23) o Länder können mit Zustimmung des Bundes auswärtige Verträge abschließen (32) o BT Ausschüsse für Verteidigung, Auswärtiges und Angelegenheiten der EU (45, 45a)  Verfassung legt normative und organisatorische Grundlagen der dt. Außenpolitik fest o Bundesverfassungsgericht wird zum außenpolit. Akteur  Grundlagenvertrag (1973)  Wiedervereinigungsgebot darf nicht aufgegeben werden  Maastricht-Vertrag (1993)  kein Aushöhlen der dt. Verfassungsordnung durch unbegrenzte Übertragung von Hoheitsrechten an die EU  keine 'eigendynamische' Erweiterung der EU-Kompetenzen  Auslandseinsätze der Bundeswehr (1994)  im Rahmen eines Systems kollektiver Sicherheit nach Art 24.2 zulässig  Zustimmungspflicht des Bundestages  Ausweitung des NATO-Auftrages 'out of area'  möglich d. Beispiele: o Außenpolitische Entscheidung durch Regierungswechsel  (Ostpolitik) o Außenpolit. Entscheidungen und Regierungskoalitionen  Bosnien-Entscheidung: Regierungsfraktion (FDP) klagt gegen Regierung  Kosovo-Einsatz: grüner Außenminister trägt Militäreinsatz o Außenpolit. Entscheidungen und Öffentlichkeit  Irak-Politik der Regierung Schröder jeweils zentrale Frage: Wäre die betreffende Politik ohne den betreffenden Faktor anders ausgefallen ? 3. Länderspezifische 'Kulturen' als Ursache außenpolitischer Entscheidungen Beobachtung:  Grundentscheidungen bleiben über längere Zeit konstant, trotz Regierungswechsel u.ä.  'politische Kultur' o Grundausrichtung als Maßstab für gegenwärtige Einzelentscheidungen o ableitbar aus dem Grundmuster vergangener Entscheidungen o aber nicht aus der zu erklärenden Entscheidung selbst  Typisierung außenpolitischen Verhaltens o Militärmächte  richten ihre Außenpolitik nach militärischen/Sicherheitserfordernissen aus  verwenden Volkseinkommen verstärkt für militärische Zwecke  nutzen Militär als Instrument der Außenpolitik o Handelsmächte  richten ihre Außenpolitik nach wirtschaftlichen Interessen aus  verwenden ihr Volkseinkommen verstärkt zur Wohlfahrtssteigerung  nutzen Wirtschaftskraft als Instrument der Außenpolitik o Zivilmächte  Richten ihre Außenpolitik auf den Aufbau einer 'zivilisierten' internat. Ordnung aus  kein Unilateralismus/Isolationismus, sondern verstärkt Multilateralismus  Anwendung von Zwangsmittels (Militär, Wirtschaft) nur im internat. Konsens  Es gibt also Wahlmöglichkeiten über außenpolit. Grundentscheidungen  keine Frage des internat. Systems  keine Frage der nat. politischen Systeme /wechselnder Akteurkonstellationen  nationale 'politische Kultur' als Erklärungsfaktor auf der gesellschaftl. Ebene des einzelnen Staates  Mögliche Feedback-Effekte o Militärmächte bedrohen durch ihre Politik auch Nachbarn  Rüstungsspirale o Wirtschaftsmächte  lassen sich auf verstärkte Interdependenz ein  friedensfördernd  verschieben die (ökonomische) Machtverteilung  Konfliktpotential o Zivilmächte  wenig bedrohlich für Nachbarn  aber: Trittbrettfahrerposition gegenüber aggressiven Staaten  Deutschland als Zivilmacht ? o Bereitschaft zur Einbindung in multilaterale Institutionen  auch auf Kosten der nat. Autonomie  auch nach Ende des Ost-WestKonfliktes o Bemühen um friedliche Koexistenz mit möglichst vielen Staaten  auch wenn sie ideologisch/politisch andersartig sind (z.B. Ostpolitik, Nahostpolitik, China) o nicht-militärische Außenpolitik  geringer politischer Status und enge gesellschaftliche Kontrolle der Bundeswehr  vgl. geringer Militärhaushalt  keine militärische Handlungsoption (Ausnahme: Krisenintervention oder humanitäre Intervention im multilateralen Verbund)