Falldiskussionsmuster

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Falldiskussionsmuster
(allgemein – Beispiel „Augenheilkunde/Pferde“)
Erläuterungen:
Die Falldiskussionen sind vom weiterbildenden bzw. betreuenden Tierarzt zu unterzeichnen und bei
der Anmeldung zur Prüfung vorzulegen. Der weiterbildende bzw. betreuende Tierarzt bestätigt durch
seine Unterschrift die Durchsicht und fachliche Richtigkeit der Falldiskussionen. Bei den
Zusatzbezeichnungen Akupunktur, Bienen, Biologische Tiermedizin, Ernährungsberatung (Kleintiere),
Homöopathie und Zahnheilkunde (Pferde) hat eine Durchsicht und Unterzeichnung durch den
weiterbildenden Tierarzt nur dann zu erfolgen, wenn die Weiterbildung in einer Weiterbildungsstätte
durchlaufen wird.
Für die Weiterbildungsgänge Akupunktur und Verhaltenstherapie verwenden Sie bitte die speziell
hierfür vorgesehenen Falldiskussionsmuster. Beachten Sie bitte ferner die für die
Weiterbildungsgänge Akupunktur, Biologische Tiermedizin, Heimtiere und Homöopathie existenten
speziellen Hinweise zur Abfassung der Falldiskussionen.
Relevante Befunde (z.B. Röntgen, Labor, EKG) sind den Berichten beizufügen.
_________________________________
Verfasser
Datum
Falldiskussion Nr. …
Gebiet / Teilgebiet / Zusatzbezeichnung: …….. (z.B. „Augenheilkunde - Pferde“)
Themenbereich: …………………………. (z.B. „Ulcus corneae“)
1.
Datum: 27.02.2016
2.
Patientennummer: 45345
3. Signalement:
-
Rasse:
Alter und Geschlecht:
Kennzeichen:
4.
Anamnese:
Pony
Wallach, 13 Jahre
Name „Ronny“, Rappe, Flocke, rechts hinten weißer
Ballen, links hinten unregelmäßig weiße Fessel
Vor drei Tagen fiel der Wallach erstmals mit starkem Lidkneifen und Tränenfluss am
linken Auge auf. Die behandelnde Tierärztin stellte einen Hornhautdefekt fest.
Zunächst erhielt „Ronny“ eine antibiotische Augensalbe sowie ein NSAID systemisch.
In den folgenden Tagen verschlechterten sich die Symptome allerdings. Das
Lidkneifen nahm zu, und der Ausfluss wurde gelblich. Bei einer Kontrolluntersuchung
stellte sich der Hornhautdefekt wesentlich tiefer dar als beim Erstbesuch, so dass die
Einweisung in eine Klinik erfolgte.
5.
Problemliste:
1.
2.
Lidkneifen
Tränenfluss
2
3.
Tiefer Hornhautdefekt
6. Diagnostisches Vorgehen
Zunächst erfolgt eine klinisch-ophthalmologische Untersuchung des linken Auges.
Zur Darstellung von Hornhautdefekten sollte ein Fluoreszin-Test durchgeführt
werden. Falls die Untersuchung wegen der starken Schmerzhaftigkeit schwierig ist,
empfiehlt sich eine Untersuchung unter Sedation und/oder eine Leitungsanästhesie
des motorischen N. auriculopalpebralis, um die Lider, ohne Druck auf das Auge
auszuüben, öffnen zu können. Sollten die inneren Strukturen des Auges wegen einer
Hornhauttrübung, Linsentrübung oder Miosis nicht mittels direkter Ophthalmoskopie
einsehbar sein, sollte eine Ultraschalluntersuchung durchgeführt werden. Bei dem
vorliegenden Verdacht auf ein einschmelzendes Hornhautulkus ist eine
Probennahme (BU, Zytologie) sinnvoll.
7.
Allgemeine Untersuchung:
-
Verhalten:
Haltung:
-
Ernährungszustand:
Pflegezustand:
Herzfrequenz:
Atemfrequenz:
Nasenausfluss:
Schleimhäute:
Lnn. mandibulares:
Husten:
Temperatur:
ruhig, aufmerksam
belastet alle vier Gliedmaßen gleichmäßig,
Kopf-Hals-Haltung aufrecht
gut
gut
40/min
12/min
keiner
blass-rosa
obB
nicht auslösbar
38,0°C
Zusammenfassend ist das Allgemeinbefinden als ungestört einzustufen.
8.
Spezielle Untersuchungen:
a)
Ophthalmologische Untersuchung:
-
Augenumgebung:
Augenlider:
Konjunktiven:
Sklera:
Nickhaut:
Hornhaut:
-
Vordere Augenkammer:
Pupille:
Linse:
Glaskörper:
Fundus:
b)
Probennahme:
mukopurulenter Augenausfluss
mgr. Lidkneifen und Lidschwellung
hgr. gerötet
obB
obB
ventrotemporal ca 1 x 0,5 cm tiefes Hornhautulkus
Defektränder wallartig, Hornhautödem in der
Umgebung; feine Neovaskularisation (ca. 2 mm)
von ventral
Fibrinnetz mit blutigen Beimengungen
vollständige Miosis
nicht einsehbar
nicht einsehbar
nicht einsehbar
3
Es wurde eine Tupferprobe des veränderten Hornhautareals entnommen und zur
bakteriologischen und mykologischen Untersuchung eingeschickt. Hierbei konnte
kein spezifischer bakterieller Keimgehalt nachgewiesen werden. Ein Hinweis auf
Pilzbeteiligung bestand ebenfalls nicht. Intraoperativ wurde eine Gewebeprobe zur
histopathologischen Untersuchung entnommen (s. Anlage). Hierbei konnten
Bakteriennester, jedoch keine Pilzhyphen nachgewiesen werden.
Foto vor OP
9.
Diagnose:
Einschmelzendes Hornhautulkus (bakteriell)
10. Differentialdiagnosen:
Da Pferde mit bakteriell infizierten Hornhautulzera zunächst eine Kombination
mehrerer, z. T. unspezifischer Symptome zeigen, kommen mehrere Differentialdiagnosen in Betracht [1, 2]. Neben der Abwehrtrias und Fluorescin-positiven
Hornhautdefekten unterschiedlicher Tiefe und Ausdehnung können bei
Augenkrankheiten des Pferdes häufig Augenausfluss, ein Hornhautödem, Neovaskularisation und eine mehr oder weniger ausgeprägte vordere (Begleit-)Uveitis
beobachtet werden. (ist der Satz so gemeint?)
a)
Mykotisches Ulkus / mykotische Keratitis:
Aufgrund ihrer Haltungsumwelt sind Pferde sehr empfänglich für Pilzinfektionen der
Hornhaut. Die beteiligten Pilzarten (z. B. Aspergillus spp., Candida spp., Fusarium
spp.) können entweder zu einschmelzenden Hornhautulzera, oder aber zu stromalen
Hornhautabszessen oder einer Keratitis (vgl. Keratitis punctata) führen.
Im vorliegenden Fall konnte weder bei der mikrobiologischen Untersuchung eines
Hornhautabstriches noch bei der pathohistologischen Untersuchung von
Hornhautgewebe eine Pilzbeteiligung nachgewiesen werden.
b)
Nicht-heilendes Ulkus ohne Infektion:
Nicht heilende Hornhautdefekte zeigen eine verzögerte Heilungstendenz ohne
zugrundeliegende Infektion. Diese Ulzera bestehen in der Regel seit mehr als zwei
Wochen, haben oft einen wallartigen Rand von losem Epithel und können ebenfalls
Anzeichen einer milden Begleituveitis verursachen.
Im vorliegenden Fall bestanden die Symptome erst seit wenigen Tagen, und es
bestanden deutliche Hinweise auf ein infektiöses Geschehen.
4
c)
Trauma (Hornhautverletzung, Fremdkörper):
Traumatische Hornhautverletzungen bis hin zu vollständigen Perforationen treten
beim Pferd relativ häufig auf. Die unspezifischen Symptome ähneln denen eines
infizierten Hornhautulkus. Allerdings treten die Veränderungen in der Regel plötzlich nach einem Trauma - auf. Hinweise für eine Infektion fehlen zunächst. Oft sind durch
stumpfe Traumata auch hintere Augenstrukturen betroffen. Fremdkörper sind ab
einer gewissen Größe deutlich zu erkennen.
Bei „Ronny“ ergaben weder der Vorbericht noch die Augenuntersuchung einen
Hinweis auf ein vorangegangenes Trauma. Die Symptome verschlechterten sich
über mehrere Tage, was als Hinweis auf die Beteiligung eines Infektionserregers
angesehen werden kann.
d)
Keratitis (IMMK, eosinophile Keratitis etc.):
Verschiedene Keratitisformen können ebenfalls mit starker Schmerzhaftigkeit,
Belägen auf der Hornhaut, anfärbbaren Hornhautläsionen oder einer begleitenden
vorderen Uveitis einhergehen.
Zur Abgrenzung sind Gewebeproben sowie eine mikrobiologische Untersuchung
hilfreich.
e)
Stromaler Hornhautabszess:
Infektiöse Erreger können beim Pferd auch zu stromalen Hornhauabszessen führen.
Hierbei sind per definitionem die tieferen Hornhautschichten betroffen, das Epithel ist
in der Regel intakt (Fluoreszin-negativ). Bei „Ronny“ lag hingegen ein deutlicher
Oberflächendefekt vor.
f)
ERU mit sekundärer Beteiligung der Hornhaut:
Ein akuter Uveitisschub ist ebenfalls hoch schmerzhaft, die Pferde weisen neben
anderen Veränderungen im inneren Auge auch Hornhauttrübungen, teilweise
Neovaskularisation sowie Anzeichen einer Iritis / vorderen Uveitis auf. Teilweise
liegen auch zusätzlich Fluoreszin-positive Hornhauterosionen vor. Im chronischen
Stadium der ERU entwickeln die Patienten (teilweise verursacht durch Inhaltstoffe
der Augensalben) Hornhauterkrankungen (Hornhautdegeneration, Calcific band
keratopathy).
Im vorliegenden Fall lieferten weder der Vorbericht noch die Augenuntersuchung
Hinweise auf das Vorliegen einer ERU.
g)
Nicht ulzerierende Keratouveitis:
Hierbei handelt es sich um eine recht seltene Erkrankung beim Pferd, die mit
fleischigen stromalen Infiltraten in Limbusnähe mit deutlicher Neovaskularisierung bei
intaktem Epithel und deutlichen Anzeichen einer vorderen Uveitis einhergehen.
Bei „Ronny“ lag allerdings ein deutlicher Oberflächendefekt vor, die
Neovaskularisation war nur sehr gering und die Hornhautveränderung war deutlich
vom Limbus entfernt.
11.
Prognose:
Bezüglich Bulbuserhalt:
Bezüglich Sehfähigkeit:
gut
gut bis vorsichtig
5
12. Therapie:
Aufgrund der Tiefe des Hornhautulkus, der deutlichen Begleituveitis und der
vorhandenen Infektionsanzeichen wurde zu einer chirurgischen Versorgung des
Auges geraten.
In Vollnarkose wurde zunächst das veränderte Hornhautgewebe mittels lamellärer
Keratektomie abgetragen und eine Probe zur histopathologischen Untersuchung in
ein Labor gesandt.
Im Anschluss wurde zum Schutz und der besseren Blutversorgung ein
Bindehautlappen auf das keratektomierte Hornhautareal aufgenäht [1, 3, 4].
Foto während OP
Zur lokalen Behandlung wurde ein subpalpebrales Lavagesystem eingelegt. Im
Anschluss wurden die Lider vorübergehend vernäht, und es wurde ein Kopfverband
angebracht.
Je nach Präferenz des Chirurgen und, sofern die jeweiligen Materialien verfügbar
sind, hätte im vorliegenden Fall statt einer Bindehautlappenplastik auch eine
Abdeckung des veränderten Bereichs mit kommerziell verfügbarer extrazellulärer
Schweineblasen-Matrix (A-cell®) [5] oder Amnion erfolgen können [6, 7].
Über den subpalpebralen Katheter wurde das Auge mit Atropin und Levofloxacin
behandelt. Systemisch erhielt der Wallach Trimethoprim-Sulfadiazin (20 mg/kg,
2 x täglich per os) [8, 9].
13.
Verlauf:
Die postoperative Versorgung verlief komplikationslos. Die antibiotische Therapie mit
Trimethoprim-Sulfadiazin wurde über sieben Tage fortgesetzt. Ebenfalls eine Woche
post OP wurden der Kopfverband und das temporäre Ankyloblepharon entfernt. Zu
diesem Zeitpunkt war der Bindehautlappen gut in die Hornhautoberfläche eingeheilt,
die Hornhaut in der Umgebung war klar, die Pupille war maximal weit, und es
bestanden keine Anzeichen einer vorderen Uveitis. Der Wallach reagierte prompt auf
Licht und Drohgebärden.
Drei Wochen nach der Operation wurden unter Sedation und Lokalanästhesie die
restlichen Fäden aus der Hornhaut entfernt und der Stiel des Bindehautlappens
durchtrennt. Im Anschluss erhielt „Ronny“ Meloxicam (0,6 mg/kg, 1 x täglich p.o)
sowie eine Dexamethason-haltige Augensalbe lokal, beides jeweils über fünf Tage.
Nach dieser Zeit wurde der Wallach mit vollständig geöffnetem Auge nach Hause
entlassen.
6
Bild zum Zeitpunkt des Fädenziehens
14. Anlagen
Pathohistologischer Befund
15. Literatur
1. Clode, Diseases and Surgery of the Cornea, in Equine Ophthalmology, Gilger,
(Hrsg). 2011, Elsevier Saunders: Missouri. S. 181-256.
2. Nasisse and Nelms, Equine ulcerative keratitis. The Veterinary Clinics of North
America. Equine practice, 1992. 8(3): S. 537.
3. Annear and Petersen-Jones, Surgery of the Ocular Surface, in Equine Surgery,
Auer and Stick, (Hrsg.). 2012, Elsevier Saunders: St. Louis. S. 770-791.
4. Denis, Equine corneal surgery and transplantation. Veterinary Clinics of North
America: Equine Practice, 2004. 20(2): S. 361-380.
5. Mancuso, et al., Porcine urinary bladder extracellular matrix grafts (ACell Vet®
Corneal Discs) for keratomalacia in 17 equids (2012–2013). Veterinary
ophthalmology, 2014.
6. Plummer, The use of amniotic membrane transplantation for ocular surface
reconstruction: a review and series of 58 equine clinical cases (2002–2008).
Veterinary ophthalmology, 2009. 12(s1): S. 17-24.
7. Lassaline, et al., Equine amniotic membrane transplantation for corneal
ulceration and keratomalacia in three horses. Veterinary ophthalmology, 2005.
8(5): S. 311-317.
8. Matthews, Ophthalmic antimicrobial therapy in the horse. Equine Veterinary
Education, 2009. 21(5): S. 271-280.
9. Keller and Hendrix, Bacterial isolates and antimicrobial susceptibilities in equine
bacterial ulcerative keratitis (1993–2004). Equine veterinary journal, 2005. 37(3):
S. 207-211.
Die fachliche Richtigkeit dieser Falldiskussion wird bestätigt:
.....................................
Datum
…………………………..
Praxisstempel
...................................................................
Dr. Max Mustermann
(weiterbildender bzw. betreuender Tierarzt)
© K. Fischer, S. Gesell-May
Anlage
Histopathologischer Befund:
Eingang:
02.03.16 MI ng/st
Ausgang: DO 03.03.16 Pf/pl
Ein knapp reiskorngroßes, festelastisches Gewebsstückchen mit ausgefaserter, hellgrauer
Oberfläche. (Vollständig eingebettet.)
BEURTEILUNG:
Ulzeröse, eitrige, stromale Keratitis
Nachweis von reichlich Bakterienkolonien
Spezialfärbung auf Pilze negativ
Kein Hinweis für Tumor.
KRITISCHER BERICHT:
Es handelt sich - Repräsentativität vorausgesetzt - um eine floride, eitrige Entzündung. Eine
konsequente Antibiose nach bakteriologischer Untersuchung mit Resistenztest wird - falls nicht
schon getätigt - angeraten. Die Suche nach Pilzen verlief negativ.
Sicherheitshalber werden wir noch eine weitere Spezialfärbung auf Pilze anfertigen (PAS-Reaktion).
Sie erhalten hierüber einen ergänzenden Bericht.
Im vorliegenden Material kein Anhalt für Bösartigkeit.
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