Ein Blick zurück nach vorn

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––––––– büro für umweltchemie ––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
Report Energiefachbuch 2005
Ein Blick zurück nach vorn
Hauswarte, Verwalter, Besitzer und Nutzer erzählen die Geschichte von Gebäuden, die
anfangs der Neunzigerjahre als ökologisch und energetisch vorbildlich galten. Die
Betroffenen blicken zurück auf ihre Erfahrungen mit einem Schulhaus, einer
Wohnsiedlung, einem Bürogebäude und einem Mehrfamilienhaus. Aus der
Gegenüberstellung der vier Gebäudebiographien mit den damaligen Absichten und
Zielsetzungen ergeben sich sozusagen empirische Beiträge zur Nachhaltigkeitsdiskussion.
„Nachhalten“ hat auch immer etwas mit Dauerhaftigkeit und Beständigkeit zu tun. Diese lässt sich
letzten Endes nur im nachhinein objektiv überprüfen. Nun präsentiert das Energiefachbuch seit 22
Jahren eine Anzahl konkreter Gebäude, die das repräsentieren was man als „Stand der Technik“
des nachhaltigen Bauens bezeichnen kann. Sie setzen Massstäbe, sind richtungsweisend und
Vorbild für manch andere Projekte. Das ist auch in diesem Jahr nicht anders. Doch für einmal soll
auch der Blick zurück gewagt werden. Hat sich auch längerfristig bewährt, was sich die Pioniere
Ende der Achtzigerjahre ausgedacht haben? Sind die Gebäude auch auf die Dauer intensiv
genutzt, ressourceschionend und beständig? Vier vorbildliche Gebäude aus den Jahren 1990 bis
1994 wurden biographisch aufgearbeitet. Es kommen Personen zu Wort, die in diesen Gebäuden
wohnen, diese verwalten oder unterhalten müssen. Ihre persönliche Erfahrungen und
Einschätzungen sollen den Blick für die Zukunft schärfen.
––––––– Ueli Kasser –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
Gemeindestrasse 62 • CH-8032 Zürich • [email protected]
0041 1 252 32 03 • 0041 79 210 69 67 (Mobile)
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Primarschule Chräzeren-Hof St.Gallen
Bild 1
Bild 2
.
1990
Heute
Der Pausenhof 1990 mit den Zu- und Abluftschächten für die Lüftung von Klassenzimmer
und Turnhalle. Der Neubau war auf eine langfristige ökologische Nutzung mit minimalem
Primärenergieverbrauch und guter
Raumluftqualität ausgelegt.
Der bekieste Pausenplatz 2004 mit Wildkräutern
bewachsen und einer ergrauten Holzstülpschalung, die sich wie vieles andere an diesem
Schulbeispiel ökologischen Bauens bewährt hat.
Architektur: Benz und Engeler Architekten
BSA/SIA, St.Gallen
Gebäudehülle
Massivbau mit Holzstülpschalung gegen
Norden und unbehandelte Sperrholzplatten (mit
Vordach) gegen Süden
Die Holzfassade ist in einwandfreiem Zustand
und muss in absehbarer Zeit nicht renoviert oder
saniert werden.
Extensiv begrüntes Flachdach.
Dank jährlichen Kontrollen des Flachdachs
konnten mangelhafte Spenglerarbeiten rechtzeitig repariert und tiefwurzelnde Pflanzen vom
Gärtner entfernt werden.
Innenausbau
Rote Steinholzböden in den Erschliessungszonen
Der Steinholzboden erweist sich dank seiner
natürlichen Patina als sehr unterhaltsfreundlich,
ist jedoch ästhetisch wegen den vielen kleinen
Schwindrissen umstritten.
Buchenparkett mit Wassersiegel in den
Klassenzimmern
Der Parkettboden hat sich dank Finkenbetrieb
gut gehalten und musste bisher nie neu
versiegelt werden.
Korklinoleumboden in der Turnhalle
Der Turnhalleboden war der Beanspruchung
(Verletzung durch Geräte) nicht gewachsen und
wurde nach 13 Jahren durch einen
Sportlinolbelag ersetzt.
Energieerzeugung
Totalenergiemodul Totem kombiniert mit einem
konventionellen Gasheizkessel und einem 4m3
Wasserwärmespeicher
Die Analge funktioniert so wie sie damals ausgelegt wurde, erforderte jedoch eine längere
Phase der Einregulierung und ist vergleichsweise unterhaltsintensiv. Der Nutzen des
Wasserspeichers ist umstritten, der
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Energiespareffekt nicht nachweisen.
Energiekennzahlen Planwerte 1990
EBF0 2250 m2
Erfahrungswerte der letzten Jahre
EBF 3005 m2 (EBF0)*
210 MJ/m2 a Heizen Lüften und Warmwasser
195 MJ/m2 a ( 260)
50 MJ/m2 a Elektrizität
45 MJ/m2 a (60)
Lüftung
Komfortlüftung mit Wärmerückgewinnung und
Luft-Wasser-Wärmepumpe
Die Lüftung funktioniert ohne Probleme, das
Leitungssystem musste bisher noch nie gereinigt werden, die Energieeinsparung beträgt
schätzungsweise 40 MJ/m2 und Jahr
Wirtschaftlichkeit
Mehrinvestitionen von Fr. 175'000.– ( ca. 2 %
der Anlagekosten) für Totem-Wärmepumpenanlage und Komfortlüftung in den
Klassenzimmern.
Auf der monetären Ebene lassen sich die
Investitionen nicht amortisieren. Umweltnutzen
und gutes Raumluftklima stehen im
Vordergrund.
* Im Gegensatz zu heute rechnete man damals mit der nicht höhenkorrigierten
Energiebezugsfläche EBF0
Schule als Schulbeispiel
Die Schule sollte Schule machen dachte man sich auf dem Städtischen Hochbauamt St.Gallen als
man Mitte der Achtzigerjahre das Primarschulhaus Chräzerenhof plante. Ein kleines
Blockheizkraftwerk, das Totem (Total Energie Modul) der Fa. Saurer sollte sowohl Wärme wie
Elektrische Energie produzieren. Die Totems wurden als ein möglicher Weg in eine
atomkraftwerkfreie Zukunft propagiert. Für kältere Tage brauchte es einen zusätzlichen
konventionellen Heizkessel. Eine Komfortlüftung der Schulzimmer wurde unter dem Aspekt der
Wärmeverlustminimierung gebaut und war für damalige Zeiten aussergewöhnlich. Die Wärme der
lernenden Kinder wird über die Abluft im Wärmetauscher wieder der Zuluft zugeführt. Nach dem
Wärmetauscher entnimmt eine Luft-Wasser-Wärmepumpe der Abluft die restliche Energie und
speist sie in den Warmwasserkreislauf ein. Damit überschüssige Wärme auch gespeichert werden
kann, steht im Technikraum ein 4 m3 grosser Wasserspeicher. Doch Energie sollte nur ein Aspekt
des vorbildlichen Primarschulhauses sein. Die Gebäudehülle und die Materialien im Innern wurden
nach ökologische Gesichtspunkten realisiert. Das Buchenholzparkett wurde mit den damals noch
umstrittenen Siegel auf Wasserbasis beschichtet, in den Korridoren plante man einen rötlichen,
fusswarmen Steinholzboden, der aus einem mineralischem Bindemittel, Eisenpigmenten und
Sägemehl besteht. Seine Herstellung ist besonders ressourcenschonend. Die massiven
Aussenwände mit Dämmstärken von 14 cm wurden mit Holzwerkstoffen verkleidet, das Flachdach
extensiv begrünt und die Umgebung naturnah gestaltet. 1990 wurde das Vorzeigeobjekt den
Lehrern und Schülerinnen übergeben.
Lieber Lüftung als Lift
14 Jahre später ist das Schulhaus fast unverändert. Abgesehen von der grau gewordenen
Holzschalung hat sich weder an der Bauhülle noch an der Technik viel verändert. Beat Bigler vom
Hochbauamt der Stadt St.Gallen ist zufrieden. Vor allem die gute Raumluftqualität wird von der
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Lehrerschaft geschätzt. Allerdings braucht es zu Beginn der Heizsaison immer noch eine
Überwindung, die Fenster geschlossen zu lassen. Es ist mehr eine emotionale Angelegenheit. Bei
der kühlen Aussenluft hat man einfach mehr das Gefühl von Frische, sagt der Hauswart Walter
Frei. Eine Lehrerin, die seit 14 Jahren im Chräzerenhof Schule gibt, sagt ohne Begeisterung, man
habe sich nun einfach daran gewöhnt. Aus Kostengründen vor die Wahl gestellt, im
Erweiterungsbau 1994 entweder eine Lüftung oder einen Lift zu bauen, hat sich die Mehrheit der
Lehrerschaft für die Lüftung entschieden. Schlussendlich wurde aus Gründen der
Behindertengerechtigkeit der Lift ebenfalls gebaut.
Kies gegen Asphalt
Walter Frei, seit 14 Jahren Hauswart im Schulhaus verfügt über eine breite Erfahrung im Umgang
mit ökologischen Materialien und Massnahmen. Er wird schon fast philosophisch, wenn er diese
zusammenfassen soll. Überall gebe es Probleme die einen Mehraufwand für den Hauswart verursachen. Die Frage sei nur, ob man stets dagegen kämpft, oder die Probleme anpackt. Es sei in
einem ökologischen Schulhaus auch besonders wichtig, dass man mit Lehrern, Besuchern und
Eltern spricht. Er habe sich nicht verstecken wollen, weil auf dem bekiesten Pausenplatz halt
immer Wildkräuter wachsen und das Kies nicht immer nur dort liegen bleibt wo es hingehört. Eine
asphaltierte Umgebung sei einfacher sauber zu halten und verursache weniger Schäden auf dem
Belägen im Innern des Schulhauses. Doch die Kinder hätten auf dem Kiesplatz mehr Spass. Der
engagierte Hauswart ist überzeugt, dass diese naturnahe Umgebung einen positiven Effekt auf die
Atmosphäre der Schülerinnen und Schüler habe.
Bild 3
Walter Frei, Hauswart im Chäzeren-Hof-Schulhaus: „ Eine naturnahe Umgebung ist für die
Atmosphäre unter den Schülern und Lehrern
gerade in der heutigen Zeit sehr wichtig“
Portrait Walter Frei
Kontroverse Steinholzböden
Die rötlich eingefärbten Steinholzböden in den Korridoren haben sich im grossen und ganzen
bewährt. Man müsse allerdings die Patina und das wolkige Erscheinungsbild akzeptieren. Die
Reinigung ist einfach, weil die Böden keine Grundreinigung und Beschichtung erfordern.
Unbefriedigend für das ästhetische Empfindungen eines Hauswart sind nach Frei die vielen
kleineren und grösseren Schwindrisse, die nach seiner Ansicht auf eine mangelhafte Ausführung
zurückzuführen sind. Im Untergeschoss musste man deswegen die Steinholzböden vor einem Jahr
mit einem Zweikomponenten-Kunstharzfliessestrich überdecken. Gute Erfahrungen hat Walter Frei
mit dem Buchenparkett in den Klassenzimmern gemacht. Er wurde vor vierzehn Jahren mit den
damals noch neuen Wassersiegel beschichtet. Die Oberfläche hat dank Finkenbetrieb und
entsprechender Pflege 14 Jahre gehalten.
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Zu viele Systeme
Das Energieproduktionssystem funktioniert so, wie es seiner Zeit ausgelegt wurde. Das
komplizierte System erfordert jedoch stets ein waches Auge. Walter Frei hat viele Stunden im
Technikraum verbracht, bis er das System verstanden und im Griff gehabt habe. Nun könne er bei
jedem Ausfall eines Teilsystems richtig reagieren. Der Energieverbrauch liegt sowohl bei Heizung
und Warmwasser wie auch bei der Elektrizität etwa 20 % über den Planwerten (vgl. Übersicht).
Verglichen mit dem heutigen Minergiestandard (gewichtete Energieträger) braucht das 14-jährige
Schulhaus etwa 30 % mehr Energie . Bei der Elektrizität wird der SIA-Grenzwert 380/4 um 50 %
überschritten. Dies ist wohl das Ergebnis einer intensivierten Nutzung (Mittagstisch) und der
Technisierung des Unterrichts.
Bild 4
Trotz guter Zugänglichkeit der Zu- und
Abluftstutzen auf dem Pausenhof im
Chräzerenhof-Schulhaus, musste das
Lüftungssystem in den letzten 14 Jahren noch
nie gereinigt werden.
Als Umweltnutzen und Raumluftqualität verbuchen
Dass sich die Mehrinvestitionen finanziell nicht auszahlen werden, hatte man von Anfang an
geahnt. Auch bei deutlich höheren Energiepreisen müssten sie unter Umweltnutzen und
Raumluftqualität verbucht werden. Hanspeter Bohren vom Hochbauamt der Stadt St.Gallen, seit 14
Jahren für die Haustechnik des Schulhauses verantwortlich, schätzt dass die jährliche Wartung der
drei Produktionssysteme und der Lüftung rund fünf Mal teurer zu stehen kommt, als wenn man nur
einen Gasheizkessel warten müsste. Zudem zeichnet sich bereits ab, dass das Totem wohl kaum
über das Jahr 2010 wirtschaftlich zu betreiben ist und für diese relativ kurze Nutzungszeit viel zu
kurze Betriebszeiten aufweist (2200 Std. pro Jahr). Auch der Nutzen des 4 m3 grossen Wasserspeichers ist umstritten und lässt sich kaum quantifizieren. Heute würde man nach Meinung von
Hanspeter Bohren wohl eher eine Holzschnitzelfeuerung zur Wärmeerzeugung installieren. Drei
verschiedene parallele System seien unter dem Aspekt des Unterhalts, der unterschiedlichen
Nutzungsdauer und der Störanfälligkeit einfach zu viel.
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Wohnbausiedlung „Im Niederholzboden“ in Riehen bei Basel
Bild 5
Bild 6
1994
Heute
Die Genossenschaft Wohnstadt hatte ambitiöse
Ziele: Gute Architektur und preisgünstige
Wohnungen sollten mit Selbstverwaltung und
Ökologie verbunden werden.
Architektur: Metron Architekturbüro Brugg
Thomas Fries, Bewohner der Siedlung
Niederholzboden seit Beginn und seit zwei
Jahren verantwortlich für die Wartung der
Gebäudetechnik „ Die Siedlung ist fast optimal,
vielleicht könnte man ein paar Details anders
machen, aber das hätte vermutlich wiederum
andere Nachteile“
Gebäudehülle
Extensiv begrüntes Flachdach, hinterlüftet und
mit Zellulosefasern gedämmt (Kaltdach)
Im Dach haben die regelmässigen Kontrollen bis
heute keine Schäden ergeben.
Aussenwände aus KS mit 16 cm Glaswolle
gedämmt und einer farbig lasierten,
hinterlüfteten Dreischichtplatte verkleidet.
Die Dreischichtplatten sind dank dem grossen
Vordach als Witterungsschutz auf der Ostseite
fast wie neu, auf der Westseite etwas stärker
verwittert..
Innenausbau
Eichenparkett mit einem Wasserlack versiegelt
in allen Zimmer und Diele
Keramikplatten in Küche und Nasszellen
Der Weissputz an Wänden mit
Naturharzdispersion gestrichen
Das einfache Materialkonzept hat sich bewährt.
Bei Wohnungswechsel kann nach Bedarf das
Eichenparkett geschliffen und neu geölt werden.
Der Weissputz ist beschädigungsanfällig, weil er
wahrscheinlich verarbeitungsbedingt zu weich
ist.
Energieerzeugung
Konventioneller Gasheizkessel,
Radiatoren im hinteren Teil der Zimmer
Erfahrungswerte gemessen 1994/95,
heizgradtagbereinigt:
Energiekennzahl Planwerte
72 – 108 MJ/m2 a für Heizen
Geschosswohnungen:
100 + 85 MJ/m2 (Heizen + Warmwasser)
Durchschnitt gesamte Siedlung*
150 + 85 MJ/m2 (Heizen + Warmwasser)
Lüftungsanlage
Wohnungseigene Lüftungsgeräte mit Wärmerückgewinnung und Vorkonditionierung über
erdverlegte Zuluftschächte, Zulufteinlass über
den Heizkörpern, Abluft in Bad/WC und Küche,
Die Qualität der Raumluft wird geschätzt, die
Lüftungsanlage funktioniert im grossen und
ganzen, auch wenn immer wieder Probleme
auftauchen. Sie ist wartungsintensiv (34
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Individuelle Regulierung über drei Stufen.
Monoblockeinheiten!) und die periodische
Reinigung kostenintensiv.
Wirtschaftlichkeit
Mehrinvestitionen von Fr. 16'500.– für die
gesamte Lüftungsanlage pro Wohnung.
Auf der monetären Ebene lassen sich die Investitionen nicht amortisieren. Der Unterhalt der
Anlage ist etwa gleich gross wie die Einsparung
von Energiekosten. Umweltnutzen (CO2 Reduktion), Reduktion von Bauschäden und
verbessertes Raumklima stehen im Vordergrund.
* Der Kopfbau mit 12 Kleinwohnungen für Behinderte hat keine Komfortlüftung, die 4
Reiheneinfamilienhäuser haben einen erhöhten Energiebedarf.
Ziele erreicht
Günstig, schön und sparsam waren die Zielvorgaben der Baugenossenschaft Wohnstadt, die das
Grundstück im Baurecht erworben und die Siedlung bei den Metron Architekten in Brugg in Auftrag
gegeben hat. Die Siedlung sollte zum Vorzeigeobjekt von DIANE werden, einem Bundesprogramm
im Rahmen von Energie 2000, das der innovativen Anwendung von neuen Energietechniken zum
Durchbruch verhelfen sollte. Heute, nachdem das 10-jährige Bestehen gefeiert wurde sieht die
Bilanz sehr positiv aus. Das erste grössere Wohnbauprojekt in der Schweiz mit einer kontrollierten
Wohnungslüftung hat den „Praxistauglichkeitstest“ gut bestanden. Etwa die Hälfte der
Erstbewohner leben noch immer in der Siedlung. Die Siedlung wird intensiv genutzt. In den 30
Wohnungen und 4 Reiheneinfamilienhäusern leben zwischen 50 bis 60 Kinder. Der effektive
Energieverbrauch entspricht den Planungswerten und erreicht zumindest in den
Geschosswohnungen mit Komfortlüftungen annähernd den heutigen Minergiestandard. Die
Lüftungsanlagen funktionieren im wesentlichen gut, wenn auch mit erheblichem
Unterhaltsaufwand. Architektur, Gebäudehülle und Materialkonzept haben sich bewährt.
Bild 7
Die farbig lasierten Dreischichtplatten an der
Westfassade 1994 (links) und nach 10 Jahren
(rechts) : trotz ausreichendem Vordach sind die
Folgen der UV-Strahlung und Verwitterung
erkennbar. In den nächsten Jahren ist eine
sanfte Erneuerung des Anstrichs nötig.
Faktor Neun für Benutzerverhalten
Dass Komfortlüftungen in Wohnungen während der Heizperiode ein anderes Benutzerverhalten
verlangen, ist allgemein bekannt. Dem wurde zumindest am Anfang zu wenig Rechnung getragen.
Die neuen Mieter waren zuwenig informiert. Eine Erfolgskontrolle in der ersten Heizperiode ergabt
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nutzungsbedingte Unterschiede im Heizenergieverbrauch von einem Faktor neun. Die Information
wurde inzwischen verbessert. Ein Prospekt gibt u.a. Tipps zum energiesparenden Heizen und
Lüften. Zur Sensibilisierung wurde eine transparente, verbrauchsabhängige
Heizkostenabrechnung an alle Mieter verteilt. Die Mieter konnten so ihren eigenen Verbrauch am
Durchschnitt und den Extremwerten aller Geschosswohnungen messen. Doch das hat wenig bis
nichts gebracht. Thomas Fries, Verantwortlich für die Wartung der technischen Anlagen führt dies
weitgehend auf das unterschiedliche Fensterlüften zurück. Offensichtlich sind angestammte
Gewohnheiten kaum beeinflussbar.
Bild 8
Ostfassade mit Zuluftschacht: die mechanische
Bedarfslüftung im Wohnungsbau ist
vergleichsweise unterhaltsintensiv und gibt auch
nach 10 Jahren noch zu Diskussionen Anlass.
Teurer Lüftungsservice
Dass sich die energiesparende Bauweise günstig auf die Nebenkosten auswirken sollten war eine
Illusion. Die Heizkosten sind zwar mit durchschnittlichen Fr. 17.– pro Monat für eine warme 4-ZiWohnung sehr niedrig. Dazu kommen jedoch beispielsweise gleichviel für den Unterhalt und
Betrieb der Lüftung, Fr. 24.– für Warmwasser, Fr 32.– für Wasser/Abwasser usw. Mit Fr. 200.– pro
Monat und Wohnung sind die gesamten Nebenkosten nicht günstiger als anderswo. Für die
kürzlich erfolgte, erstmalige Reinigung aller Lüftungsleitungen in der Siedlung bezahlte die
Genossenschaft Fr. 25'000.–. Besonders die Abluftleitungen waren stark verschmutzt. Die
Abluftfilter müssen in der Regel zweimal jährlich gewechselt werden und der Ausfall von
technischen Komponenten nimmt langsam zu. Thomas Fries sieht ein weiteres Problem auf die
Siedlung zukommen. Für die 34 Monoblockeinheiten in der Siedlung mit je zwei Ventilatoren, zwei
Filtern, dem Wärmetauscher und der Regeltechnik ist das Ende der Nutzungsdauer absehbar.
Ersatzteile sind zunehmend schwieriger zu beschaffen, da die Herstellerfirma nicht mehr existiert.
Heizen durch Lüften ?
Thomas Fries als Pionierbewohner und kompetenter Beobachter des Gebäudes würde kaum
etwas ändern, wenn er die Möglichkeit hätte. Der Wohnungsgrundriss sei sehr gut, das
Mitsprache- und Partizipationsmodell funktioniere und die Stimmung im Hause gut. Allerdings
brauche es immer Mieter, die am Gemeinschaftsleben interessiert und für die Ökologie
sensibilisiert seien. Das sei vielleicht in Zukunft, angesichts der gestiegenen Mietpreise nicht mehr
in dem Masse gewährleistet wie in der Anfangsphase. Bei der Technik würde Thomas Fries die
Möglichkeit prüfen, ob sich Lüftung und Heizung nicht kombinieren liessen. Es wäre doch ein
grosser Vorteil wenn man durch Vorwärmen der Luft und eine geschickte Verteilung in der
Wohnung auf Heizkessel und Radiatoren verzichten könnte. Auch Andreas Herbster,
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Geschäftsführer der Baugenossenschaft Wohnstadt zieht eine positive Bilanz: „Wir haben Freude
an diesem Haus, es ist ein erfolgreiches, innovatives Projekt“.
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Büroneubau Tenum, Zentrum mit Infrastrukturen und
Dienstleistungen in Liestal
Bild 9
Bild 10
1991
Heute
Das energie- und umweltbewusste
Bürogebäude von 1991 sollte auch einen
Beitrag zur Humanisierung der Arbeitsplätze
leisten
Die Solartankstelle wird kaum mehr benutzt, von
der ambitiösen Technik zur rationellen
Energienutzung ist einiges verschwunden.
Architektur: IEU artevetro ag, Liestal
Gebäudehülle
Vorfabriziertes Sandwichelement aus Holz und
Gipswerkstoffen mit Zellulosedämmung, teils mit
Holzschalung und teils mit zementgebundenen
Holzwerkstoffplatten verkleidet
Fichtenholzfenster imprägniert mit drei
verschiedenen Wärmeschutzglastypen
Die Konstruktionen haben sich bis heute
mehrheitlich bewährt. Die Holzflächen sind je
nach Orientierung der Fassade unterschiedlich
verwittert
Die Holzfenster auf der Westseite sind stark
verwittert und verzogen. Heute würde man dort
Holz-/Alufenster montieren.
Stoffstoren, Fluchtbalkone und Blenden aus
Glaslaminaten mit Fotovoltaikzellen als
Sonnenschutz
In den meisten Büros sind innen zusätzliche
Blendschutzvorrichtungen angebracht worden.
Innenausbau
KS-Wände, Betonstützen und Betondecken sind
meist roh, Trennwände aus
Gipsständerkonstruktionen gestrichen. In den
Erschliessungszonen und in den Büro ist der
Boden mit graublau marmorierten Linoleum
belegt.
Die Oberflächen sind in guten Zustand.
ästhetisch ansprechend und unterhaltsarm. Der
Linolbelag in den Erschliessungszonen wurde
erst kürzlich einer Grundreinigung und
Neubeschichtung unterzogen. Den Mietern kann
man allerdings nicht verwehren, den
Innenausbau individuell zu gestalten und
beispielsweise Laminate auf den Linoleumbelag
zu verlegen.
Energieerzeugung
Grünschnitzelfeuerung mit
Rauchgaskondensator (ein Prototyp)
Der Rauchgaskondensator war vor allem
Experimentierfeld für die Ingenieure und
Hersteller. Der Reparatur- und
Unterhaltsaufwand wurde so gross, dass die
Anlage vor 5 Jahren ausgebaut wurde.
80 m2 Photovoltaik an den Südost und –
Südwest-Fassaden als Glas-Laminatblenden
9000 kWh pro Jahr für die Solartankstelle
Die Photovoltaikanalge produzierte 1993 5000
kWh pro Jahr und wird heute von der Elektra
Baselland EBL betrieben und unterhalten. Die
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Solartankstelle wird nur noch sehr selten
genutzt.
8 m2 Sonnenkollektoren 3200 kWh pro Jahr für
Warmwasserbedarf der Hauswartwohnung und
Reinigung, dezentrale 15 Liter
Warmwasserboiler elektrisch
Die Warmwasserkollektoranlage funktioniert gut
und das dezentrale Konzept hat sich bewährt,
die meisten Boiler sind ausgeschaltet.
Energiekennzahl Planwerte
150 MJ/m2 a Heizen
100 MJ/m2 a Elektrisch
Erfahrungswerte gemessen 1992 – 94*
125 MJ/m2 a Heizen
80 MJ/m2 a Elektrisch
Wegen der Stillegung der Lüftungsanlage und
dem Ausbau des Rauchgaskondensators
dürften die Werte heute deutlich höher liegen.
Die Wärme wird heute im Contracting von der
Elektra Baselland EBL bezogen, ein Controlling
wird nicht mehr durchgeführt.
Lüftungsanlage
Komfortlüftung nach dem Quelllüftungssystem
mit niedrigem Luftwechsel und
Wärmerückgewinnung
(Rotationswärmetauscher), Luft-LuftWärmepumpe
Die zentrale Lüftungsanlage wurde vor drei
Jahren stillgelegt, sie war nicht ausgelegt für die
häufig wechselnden Büroraumunterteilungen,
verursachte immer wieder Neuinstallationen und
Neuregulierungen, Geruchsübertragungen und
hat auch bei stärkeren Windlagen nicht
funktioniert. Die Wärmepumpe war eine
Fehlplanung und hat nie funktioniert.
Regenwassernutzung
Einsparung 500 m3 Trinkwasser pro Jahr für die Effektive Einsparung 1993 360 m3 (1993), die
WC-Spülung
Anlage funktioniert gut, erfordert wenig
Unterhalt, es wird keine Erfolgskontrolle mehr
durchgeführt.
Wirtschaftlichkeit
Die Mehrinvestitionen für besonders
energiesparende Massnahmen betrugen inkl.
Planung etwa 500'000.–, (ca. 4,1 % der
Anlagekosten) ohne Lüftungsanlage, davon
270'000.– für Photovoltaik und 90'000.– für die
Kondensationsanlage
Die jährlichen Einsparungen an Energiekosten
betrugen 1992 -94 etwa Fr. 8'000.–. Der
Unterhaltsaufwand ist im Vergleich zu
konventionellen Systemen hoch und in der
Bilanz nicht berücksichtigt. Die Investitionen
mussten als Lehrgeld abgeschrieben werden.
Besonders teuer war die Wärme aus der
Kondensationsanlage und sind der Strom aus
Photovoltaik.
* Wegen unterschiedlicher Werte für die Energiebezugsfläche während Planungsphase und
Erfolgskontrolle sind die Werte nur begrenzt miteinander vergleichbar.
Konzentrierte Kompetenz
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Etwa 40 Firmen, von denen viele im Bereich der Planung und Ausführung von Energie- und
Umwelttechnik tätig sind, haben ihren Sitz im Bürogebäude Tenum im Industrie Quartier Grammet,
am südlichen Stadtrand von Liestal. Sie sind Mieter und teilweise auch Miteigentümer des 1991 als
energetisch und ökologisch vorbildlich erstellten Musterbaus. Man wollte damals die vereinigte
Kompetenz und das Beratungsknow-how der Initianten nutzen und die Technik der rationellen
Energienutzung und des ökologischen Bauens eins zu eins am eigenen Gebäude umsetzen.
Entstanden ist ein fünfgeschossiges Bürogebäude in gemischter Bauweise mit einem
Raumangebot für 120 bis 150 Arbeitsplätzen und gemeinsamer Infrastruktur.
Viel Technik, viel Holz
Die Betondecken werden durch Stützen getragen, der kompakte Gebäudekörper ist mit
vorfabrizierten Sandwich-Elementen eingekleidet. Die Fassadenflächen bestehen zu 55 % aus
Holzfenstern und sind je nach Orientierung funktionell unterschiedlich gestaltet. Im Südosten sind
Laminatgläser mit Photovoltaik gleichzeitig Blendschutz, Witterungsschutz und Brandabschottung
der hinterlüfteten Holzschalung. Im Nordosten übernehmen die Laubengänge aus einer StahlHolz-Konstruktionen diese Funktion und sind gleichzeitig Fluchtwege. Die anderen Fassaden sind
mit zementgebundenen Spanplatten verkleidet und durch Stoffstoren geschützt. Hinter dieser
variantenreichen Fassade versteckt sich ein Haufen Technik: Komfortlüftung mit
Wärmerückgewinnung und Wärmepumpe, Grünschnitzelfeuerung mit Prototyp einer
Rauchgaskondensationsanlage, eine Regenwassersammlungsanlage für WC-Spülung,
Flachkollektoren für Warmwasser, ein dreistufiges Beleuchtungskonzept und energiesparende
Aufzüge. Viel Technik mit Pilot- und Pionier- und Prototypcharakter.
Bild 11
Der Innenhof mit der Cafeteria als Platz für
Gedankenaustausch und Ideenentwicklung
unter den 40 Firmen ist das Herzstück des
Tenum geblieben.
Energieverbauch ist kein Thema mehr
Die Energiekennzahl lag aufgrund der Messwerte im zweiten und dritten Betriebsjahr deutlich unter
dem Minergiestandard. Das erstaunte, da die Gebäudehülle mit einem durchschnittlichen U-Wert
von 0,6 relativ schlecht gedämmt ist. Man konnte sich diese, durch eine seriöse Erfolgskontrolle
bestätigte Tatsache nur mit zwei Faktoren erklären: die Sonnenenergie und die internen „Gewinne“
wurden in diesem kompakten Gebäude optimal genutzt und das Benutzerverhalten der meist im
Energie oder Umweltbereich tätigen Firmen war vorbildlich. Doch das ist heute, im dreizehnten
Betriebsjahr nicht mehr aktuell.
Bild 12
Hans Jörg Luchsinger Mitinitiant, Miteigentümer
und Mitbenutzer des Bürogebäude Tenum, „Die
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Flexibilität in unserem Bürogebäude ist extrem
wichtig, ich würde heute die ganze Technik,
dezentralisieren und möglichst autonome
Arbeitsplätze schaffen. Nur die einfachen
Systeme haben sich bewährt“
Zurückbuchstabieren
Hans Jörg Luchsinger, Mitinitiant und Nutzer des Gebäudes erläutert die verschiedenen Gründe,
weshalb heute das Gebäude ohne Lüftungsanlage und Rauchgaskondensator betrieben wird, und
man sich um die Energiebilanz des Vorzeigeobjektes, das bis weit über die Grenzen hinaus
Beachtung fand, nicht mehr kümmern mag. Die Hauptursache ist in der fehlenden Flexibilität
zentraler und komplizierter Technik zu suchen. In den 13 Jahren habe er anhand der eigenen
Firma erfahren, wie schnell die Bedürfnisses wechseln. Die eine Firma expandiert, die andere
verkleinert, jene wollen Grossraumbüros, diese bevorzugen Einzelräume. Ein Bürogebäude mit
einem Potential von 130 Arbeitsplätzen müsse heute ausserordentlich flexibel sein. Das habe man
in der Planung teilweise unterschätzt. Dank dem Stützenraster seien zwar die baulichen
Anpassungen verhältnismässig einfach, Technik und Vernetzung jedoch viel zu wenig flexibel.
Lüftungsanlage stillgelegt, Kondensationsanlage demontiert
Bei jeder baulichen Veränderung der Bürotrennwände habe man die Leitung und die Steuerung
der Lüftung den neuen Verhältnissen anpassen müssen. Geruchsübertragungen und
Zugserscheinungen konnten immer weniger gelöst werden, die Reparatur- und Unterhaltskosten
stiegen enorm, so dass man die Anlage vor drei Jahren schliesslich ausser Betrieb gesetzt hat.
Auch bei gewissen Windverhältnissen habe sie nicht richtig funktioniert. Geprägt von der reichen
Erfahrung ist Hans Jörg Luchsinger heute überzeugt, dass man die Probleme nur mit mehr
Autonomie am Arbeitsplatz lösen könne. Einfachere und intelligentere Systeme würde er heute für
ein solches Bürogebäude in Betracht ziehen, z. B. dezentrale Lüftungselemente an den
Fensterbrüstungen, Leuchten mit Sensoren an jedem Arbeitsplatz und individuellen
Eingriffsmöglichkeiten, Pumpen und Ventilatoren die sich dank eingebauter Elektronik selber
Regulieren. Eine Rauchgaskondensationsanlage sei ein kleinere chemische Fabrik und für so ein
Gebäude viel zu störanfällig, unterhalts- und wartungsintensiv.
Bild 13
Zu komplex und zu wenig flexibel: trotz
konzentriertem Know-how unter den TenumMietern und Besitzern ist das Energiekonzept
gescheitert.
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Wirtschaftlich trotz allem
Die Mehrinvestitionen in die effiziente Energienutzung von rund einer halben Million Franken (ohne
Lüftungssystem) bei gesamten Anlagekosten von 12 Millionen liessen sich selbstverständlich nicht
durch Einsparungen amortisieren oder gar verzinsen. Die Energieeinsparungen wurden in den
ersten Jahren, als die ganze Haustechnik noch in Betrieb war mit Fr. 8'000.– berechnet. Dieser
Betrag vermochte wahrscheinlich nicht einmal den erhöhten Unterhaltsaufwand decken.
Besonders teuer war die Energie aus der Kondensationsanlage und Photovoltaik. Der Liter
Erdölaequivalent aus der Rauchgaskondensationsanlage dürfte etwa 5 Franken betragen haben,
der Solarstrom kommt deutlich über einen Franken pro kWh zu stehen. Man hat die halbe Million
von Beginn weg als Investition in Know-how abgeschrieben. Dennoch ist das Gebäude
wirtschaftlich.
Mehr Nutzungsqualität weniger Technik
Die Büroräume können auch heute gut vermietet werden, die Mieten sind konkurrenzfähig und die
Arbeitsplatzqualität hoch. Besonders geschätzt wird die Cafeteria im Lichthof, wo beim täglichen
Mittagstisch ein reger Austausch zwischen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen der verschiedenen
Firmen stattfindet. Auch die beiden Damen im Empfang wirken mit ihrem Telefon- und
Schreibdiensten integrativ. Das Auditorium wird wenig genutzt und ist eher zu klein. Aus der
geplanten gemeinsamen Bibliothek ist eine virtuelle Bibliothek entstanden. „Heute würde ich
bedeutend mehr in die Nutzungsqualität investieren und den entsprechenden Betrag bei der
Technik einsparen“ meint Hans Jörg Luchsinger in einem zusammenfassenden Statement.
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Solares Mehrfamilienhaus Dentenberg bei Worb (BE)
Bild 14
Bild 15
Ein Pionierwerk in der Landwirtschaftszone von
Worb wollte gute alte Bautradition mit
revolutionärer Energietechnik verbinden
So wie die Lebensdauer dieser Flachkollektoren
wurde vieles zu optimistisch eingeschätzt. Das
Haus ist auch heute noch ein Experimentierfeld
für Solartechnik.
1992
Heute
Gebäudehülle
KS-Mauern und Betondecken neu als
Tragstruktur des alten Daches, Aussenwände
mit 32 cm Glaswolle gedämmt und mit einer
hinterlüfteten Holzschalung resp.
Dreischichtplatten verkleidet.
Dank den grosszügigen Vordächern wie sie bei
Bauernhäusern Tradition sind und einer
fachgerechten Konstruktion ist die Gebäudehülle
in einwandfreiem Zustand. Selbst die der
Witterung ausgesetzten Balkonbrüstungen aus
unbehandelten Dreischichtplatten sind intakt.
Ein zukünftiger Ersatz ist problemlos möglich
Holzfensterrahmen mit Argon gefüllten
Isolierglaskonstruktionen.
Energieerzeugung
22 m2 Vakuumkollektoren auf dem Steildach
70 m2 Flachkollektoren im Garten
Die Solaranlage war zu optimistisch ausgelegt.
Seit 1993 muss das Haus ab Mitte bis Ende
Januar zusätzlich geheizt werden. Eine WasserWasser-Wärmepumpe, die die Restwärme aus
dem Speicher nutzen sollte war zu wenig effizient. Danach wurde ein zusätzlicher,
konventioneller Heizkessel eingebaut.
172 m3 Wasserspeicher in der Mitte des
Hauses für Warmwasser und Heizenergie
Wärmetauscher für die Nutzung der Restwärme
aus dem Grauwasser (Bad, Küche)
Der Nutzen der
Brauchwasserwärmerückgewinnung ist
umstritten, der Wartungsaufwand enorm gross.
Energiekennzahlen Planwerte
100 MJ/m2 a Heizen
42 MJ/m2 a Warmwasser
Die Planwerte wurden nie seriös überprüft, allein
der heutige zusätzliche Heizölbedarf (ohne
Elektrizität für die Solaranlage) überschreitet die
Planwerte deutlich.
Wirtschaftlichkeit
Mehrinvestitionen von Fr. 500‘000.– ( 14,7 %
der Anlagekosten) für die solare
Wärmeerzeugungsanlage und den
Mehraufwand an Wärmedämmung
Die Kosten müssen als Investitionen in die
Zukunft und Lehrgeld für Erfahrungen mit
solaren Energieversorgungssystemen
abgeschrieben werden. Abgesehen von den
Kollektoren handelt es sich um Investitionen mit
grosser Nutzungsdauer (Speicher,
Gebäudehülle)
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Ambitiöses Pionierwerk
Eine günstige Gelegenheit in den Achtzigerjahren war die Ausgangssituation für Jürg Mauerhofer.
dem Mitbesitzer, dem Architekt, dem Baumeister, dem Verwalter und dem Bewohner des solaren
Mehrfamilienhauses auf dem Dentenberg. Er ist ein Totalunternehmer im Taschenformat und
Investor darüberhinaus. Am Südhang gegen das Aaretal zwischen Bern und Worb stand ein
stattliches Bauernhaus, das durch die Zusammenlegung von Gütern und mangels Erben leer stand
und landwirtschaftlich nicht mehr genutzt werden konnte. In der Tradition des Bauernhauses wollte
Jürg Mauerhofer unter dem bestehenden Dach möglichst vielen Leuten ein Wohnen im Einklang
mit der Natur ermöglichen. Als Gegner der damaligen Energie- und Atomkraftwerkpolitik plante er
ein Haus, dessen Wärme- und Warmwasserbedarf ausschliesslich durch aktive Nutzung der
Sonnenenergie gedeckt wird. Fünf attraktive Wohnungen, eine Werkstatt, ein Büro und ein
Atelierraum entstanden unter dem bestehenden Dach.
32 cm Dämmung
Ein 12 Meter hoher Wasserspeicher aus Beton mit 4,4 Metern Durchmesser und rundum mit 50
cm Dämmung wurde ins Zentrum des sternförmigen Hauses gebaut. Er ist ausschliesslich von
beheiztem Wohnraum umgeben. Die 172 m3 Speichervolumen entsprechen der Wassermenge
eines grösseren Swimmingpool und sollen die Wärme aus den Sommermonaten aufnehmen und
für den Winter speichern. Um die Sonnenenergie einzufangen sind auf dem Dach
Vakuumröhrenkollektoren und im Garten Flachkollektoren montiert. Aussenwände und Dach sind
mit 32 cm Glaswolle gedämmt, was auch heute noch eine absolute Ausnahme darstellt. Um die
Verluste zu minimieren wird auch dem Brauchwasser aus Küche, Dusche und Badewanne die
Restwärme mit einem Wärmetauscher entzogen und genutzt. An eine mechanische Lüftung mit
Wärmerückgewinnung, um die Lüftungsverluste zu minimieren, hat Jürg Mauerhofer damals nicht
gedacht. Das hätte dem bäuerlichen Charakter doch etwas gar widersprochen. Es sollte sich im
nachhinein als eine von mehreren „Fehlkalkulationen“ erweisen.
Bild 16
In der Tradition des Bauernhauses: die gut
geschützte Holzfassade (Vordach) mit 32cm
Dämmung ist gut erhalten und ein bleibender
Wert
Merkblatt für energiebewusstes Lüften
In den ersten Jahren hat Jürg Mauerhofer als Besitzer, Mitbewohner und Verwalter, den Mietern
anfangs der Heizperiode ein Merkblatt über das energiebewusste Lüften in einem solaren
Mehrfamilienhaus verteilt. Doch er habe die Illusion schnell verloren, dass man die Leute erziehen
könne. Seine Mieter entschliessen sich für eine Wohnung wegen der einmaligen Lage und dem
Ausblick ins Aaretal in der ländlichen, ruhigen Umgebung, die dennoch nicht weit von Bern entfernt
ist. Auch der Grundriss der Wohnungen ist attraktiv. Aber die erforderlichen Einschränkungen
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bezüglich Lüften in der Heizperiode wollen die meisten Mieter nicht in Kauf nehmen. Er hätte sogar
Mieter gehabt, die die Haustüre täglich längere Zeit offen liessen, um den Hunden freien Ausgang
zu ermöglichen. Der ursprüngliche Gedanke, die Wohnungen vor allem an umweltbewusste Mieter
abzugeben habe sich nicht realisieren lassen. Auch in einem Solarhaus herrscht in erster Linie das
Gesetz von Angebot und Nachfrage.
„Man sollte nicht gegen das normale Verhalten der Leute planen, man sollte es in die
Planung einbeziehen“ Jürg Mauerhofer, Architekt, Baufachmann, Besitzer und Bewohner des
solaren Mehrfamilienhauses Dentenberg
So habe sich bereits in der ersten Heizperiode gezeigt, dass die teure Solaranlage im Winter nicht
länger als bis Ende Januar ausreiche, um eine komfortable Wärme in den Wohnungen
sicherzustellen. Allerdings sind die Lüftungsverluste bei weitem nicht die einzige Ursache. Die
volle Nutzung der Geschossfläche als beheizte Wohnfläche sei zuwenig mit dem Speichervolumen
abgestimmt und die Wirkungsgrade der technischen Komponenten zu optimistisch geplant worden.
So muss heute in der Regel ab Mitte Januar mit einem zusätzlichen, konventionellen Heizkessel
geheizt werden. Der Verbrauch an fossilen Brennstoffen liegt etwas höher als der
Minergiestandard für Neubauten.
Ein Geschenk an die zukünftige Generation
Im Laufe der Planung wurde schnell einmal klar, dass sich die Mehrinvestitionen nie amortisieren
lassen. Etwa eine halbe Million hat der Allroundbaufachmann und Besitzer in die solare
Versorgung und die überdimensionale Dämmung investiert. Den verhältnismässig aufwändigen
Unterhalt bewerkstelligt er sozusagen in der Freizeit. Alleine die Reinigung des Wärmetauschers
für das Brauchwasser erfordere 2 Tage Arbeit pro Jahr. Die Nutzungsdauer der Flachkollektoren
ist nach 12 Jahren bereits absehbar. Die UV-Strahlung und die enorme Hitze in den Kammern
lassen Folien, Dichtungen und Abdeckungen schnell altern. Da hätten sich die Vakuumröhren viel
besser bewährt. Dennoch hat Jürg Mauerhofer Freude an seinem Haus, das einen besonderen
Charme ausstrahlt. Dass er die Fr. 500'000.– nie mehr sehen werde nimmt der leidenschaftliche
Handwerker gelassen. Das sei ein Geschenk an die Zukunft. Der Wert der soliden massiven
Gebäudehülle und der übergrosse Speicher bleiben erhalten. Mit diesem könne man etwas
machen, d.h. sein Nachfolger, denn er möchte nach der bevorstehenden Pensionierung wieder in
die Stadt ziehen.
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Teure Negawatts
Was viele Ende der Achtzigerjahre bereits geahnt hat, hat sich an den vier Beispielen mit aller
Deutlichkeit bewahrheitet. Alternative Energieträger oder eingesparte Energie, die man früher
Negawatt nannte sind teuer. .Die Mehrinvestitionen in die rationelle liessen sich bei keinem der
vier Gebäude durch Einsparungen amortisieren oder verzinsen. Selbst bei massiv höheren
Energiepreisen, die volkswirtschaftlich erhebliche Folgen verursachen würden, wären die Systeme
kaum rentabel gewesen. Die Wartungs- und Unterhaltskosten für der Haustechnik sind meist
ebenso hoch wenn nicht höher als die Kosten für die eingesparten Energieträger. Sie nehmen mit
dem Alter der Gebäude naturgemäss zu. Die durchschnittliche Nutzungsdauer von
Haustechnikkomponenten wurde in allen Fällen überschätzt. Für den Investor und Planer hat die
weitreichende Konsequenzen. Die Mehrinvestitionen in das ökologische Bauen müssen entweder
besondere Nutzungsqualitäten aufweisen oder durch Einsparungen an anderen Orten kompensiert
werden. Auch Politiker sollten die Lehren aus dem Rückblick ziehen. Nur durch substanzielle
Unterstützung oder gesetzliche Regelungen kann der rationellen Verwendung von Energie im
Gebäude zum Durchbruch verholfen werden.
Einfach und flexibel
Die rationelle Verwendung von Energie verführte die Planer oft zu mehr Haustechnik. Jede aus
dem Gebäude entweichende Restwärme wollte auch noch mit einer Wärmepumpe genutzt
werden. Diese Strategie hat sich als falsch erwiesen. Mehr Technik bedeutet immer auch mehr
Unterhalt, mehr Störanfälligkeit und geringere Wirtschaftlichkeit. Auch in der
Niedrigenergiebauweise muss die Technik einfach bleiben. In Zukunft werden wohl jene Lösungen
Erfolg haben, die den Wärme- und Frischluftbedarf mit einem einzigen System decken können.
Einfache Systeme sind auch flexibler. Nur der Blick zurück vermag zu konkretisieren, wie schnell
sich beispielsweise die Raum- und Infrastrukturbedürfnisse von Firmen im Bürobereich oder in der
Schule ändern. Vor zehn Jahren plante man für Schulen noch spezielle EDV-Klassenzimmer mit
hoher Abwärme. Solche Räume waren meistens bereits bei der Inbetriebnahme nicht mehr
gefragt. Und wer weiss heute schon wie die Elektrizitäts- und Medienversorgung von Gebäuden in
15 Jahren aussieht?
Faktor Mensch
Die vier Biographien veranschaulichen sehr deutlich wie gross auch im Gebäude der Einfluss des
Individuums auf den Energieverbauch ist. Im Minergiebereich mit kontrollierter Lüftung sind
verhaltensbedingte Unterschiede vermutlich besonders gross. Bevor man neue technische
Standards schafft müsste man eigentlich ein Minergielabel für Nutzerinnen und Nutzer kreieren. Ihr
Spielraum ist viel grösserer als derjenige der Planer und Investoren. Durch vorbildliches Verhalten
lässt sich auch im Niedrigenergiebereich beispielsweise ein berechneter Standardverbrauch um
den Faktor vier unterschreiten, ohne besonderen Aufwand. Der „Faktor“ Mensch wäre
volkswirtschaftlich somit unglaublich effizient. Allerdings belegen die Gebäudegeschichten aber
auch, dass sich dass individuelle Verhalten der Bewohnerinnen und Nutzer kaum ändern lässt.
Nichts ist so unflexibel wie der Mensch. Gewohnheiten lassen sich durch Aufklärung und
Sensibilisierung kaum ändern. Der Mensch ist Schlüssel und Rätsel zugleich.
Ueli Kasser, 09.10.2004
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