Diplomarbeit Die Anwendbarkeit von Nicht-Opioid-Analgetika bei Sportverletzungen und ihren Folgeschäden eingereicht von Simon Geisler zur Erlangung des akademischen Grades Doktor der gesamten Heilkunde (Dr. med. univ.) an der Medizinischen Universität Graz ausgeführt am Institut für Experimentelle und Klinische Pharmakologie unter der Anleitung von Mag. pharm. Dr. phil. Univ.-Prof. Eckhard Beubler Graz, am 16.07.2015 Eidesstattliche Erklärung Ich erkläre ehrenwörtlich, dass ich die vorliegende Arbeit selbstständig und ohne fremde Hilfe verfasst habe, andere als die angegebenen Quellen nicht verwendet habe und die den benutzten Quellen wörtlich oder inhaltlich entnommenen Stellen als solche kenntlich gemacht habe. Graz, am 16.07.2015 Simon Geisler eh i Danksagungen Ich bedanke mich bei meinem Diplomarbeitsbetreuer Herrn Mag. pharm. Dr. phil. Univ.-Prof. Eckhard Beubler für seine Geduld, seine Kooperation und die mir zur Verfügung gestellte Hilfe in allen Belangen. Ein Dank gilt meinem Kollegen und sehr guten Freund Johannes Scharinger, der mich zu jeder möglichen Zeit mit gutem Zuspruch und motivierenden Worten unterstützt hat. Die Aussage „steady and slow“ war mein stetiger Begleiter, vor allem während der letzten Kapitel. Meinen guten Freunden Manfred Herzog und Dr. Peter Emich möchte ich für die ersten Korrekturlesungen danken. Schließlich gilt ein herzlicher Dank meiner Schwester Sandra Geisler, BA und meiner besten Freundin Verena Mayer für den kritischen Blick auf die englische Übersetzung (Abstract). Meiner Familie gilt ein besonderer Dank: Herrn Martin Geisler Frau Elisabeth Geisler Herrn Sebastian Geisler Frau Sandra Geisler, BA Eine der wenigen Konstanten im Leben ist die Familie. ii Zusammenfassung Sportverletzungen sind der dritthäufigste Verletzungsgrund in Deutschland. Ca. 60 % davon sind muskuloskelettale bzw. ligamentäre Läsionen wie Kontusionen, Luxationen oder Schäden am Kapsel-Band-Apparat. In Österreich sind im Jahre 2013 knapp 200.000 Personen aufgrund von entstandenen Sportverletzungen in einem Krankenhaus versorgt worden. Die Zahl derer, die ihre Sportverletzungen in anderen Einrichtungen oder selbstständig behandelten, wird um ein Vielfaches größer geschätzt. Schmerz ist der häufigste Grund einer ärztlichen Konsultation und steht deshalb im Mittelpunkt des therapeutischen Geschehens. Die Ausprägung und die Art der Schmerzen, die bei Sportunfällen oder im Zuge von Überlastungsschäden entstehen, müssen jedoch nicht unbedingt an ihre ursprüngliche Verletzung gebunden sein. Das bedeutet, dass jedwede Sportläsion alle möglichen Schmerzarten provozieren kann, welche unterschiedliche therapeutische Schritte benötigen. Schmerz ist ein subjektives Empfinden, welches immer motivationalen und kognitiven Faktoren unterliegt. In vielen Fällen liegen Mischschmerzen vor. Aus akuten Schmerzzuständen können chronische werden. Während bei nozizeptiven Schmerzen die Diagnostik in der Regel einfach durchzuführen ist und die Therapiewahl erleichtert wird, ist bei neuropathischen Schmerzen die Diagnostik komplexer. Bei chronischen bzw. psychogenen Schmerzen ist das organische Korrelat nicht mehr bzw. gar nicht auszumachen. Viel mehr zeigt sich, dass bei gleichen Verletzungen unterschiedliche pathophysiologische Mechanismen im Zuge der Schädigung und der Reparatur unterschiedliche Schmerzsensationen auslösen. Letztlich erfordert dieses individuelle somatosensorische Profil einen personalisierten Therapieansatz. Diese Arbeitshypothese steckt noch in den Kinderschuhen, doch ist es absehbar, dass sich zukünftig die Therapie von neuropathischen und chronischen Schmerzen mechanismenorientiert gestalten könnte. Nicht-Opioid-Analgetika (NOA) sind eine bedeutende Substanzklasse. Ihre leichte Erhältlichkeit sowie ihr unterschätztes Nebenwirkungsspektrum führen dazu, dass iii NOA häufig falsch und missbräuchlich verwendet werden. Sie können je nach Substanzlasse unterschiedliche, jedoch meistens unspezifische und somit schwer identifizierbare Nebenwirkungen hervorrufen. Toxische Überdosierungen werden lediglich symptomatisch therapiert. Zu den unerwünschten Wirkungen gehören Schäden im Gastrointestinaltrakt, in der Leber, in der Niere und die Veränderungen des Fließgleichgewichtes im Blut. Des Weiteren können allergische Reaktionen, ZNS-Veränderungen sowie Blutbildungsstörungen beobachtet werden. Die Arzneimittelwahl obliegt somit den individuellen Umständen und möglichen relativen oder absoluten Kontraindikationen. Die topische Applikation von Ibuprofen, Piroxicam und v.a. Diclofenac stellt eine effektive Alternative bei Zerrungen, Verrenkungen oder Prellungen dar. Für Diclofenac konnte in der Langzeitbehandlung von Osteoarthrose der Hand oder des Knies gezeigt werden, dass die topische Applikation in ihrer Wirksamkeit der oralen entspricht. Paracetamol und Metamizol gelten als die sichersten NOA. Die bekannten Nebenwirkungen bei Paracetamol (Agranulozytose) scheinen mit (Lebertoxizität) bzw. Lebervorschädigungen oder Metamizol toxischer Überdosierung zusammenzuhängen bzw. sind gut feststellbar und schnell reversibel. Paracetamol kann bei Kindern eingesetzt werden und ist die Therapie der ersten Wahl bei schmerzhafter Osteoarthrose. Metamizol ist ein potentes postoperatives Schmerzmedikament und ist überdies bei akuten und chronischen Schmerzen eine Alternative. Flupirtin ist zurzeit in Österreich nicht im Handel erhältlich. Es entfaltet seine Wirkung nicht über eine Hemmung der Cyclooxygenasen (COX). Flupirtin hat seine Wirksamkeit in der Behandlung von akuten schmerzhaften Muskelverspannungen gezeigt. Die klassischen nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR) bestechen durch die Kombination aus Schmerzstillung und Entzündungshemmung. Es ist aufgrund ihrer breiten Nebenwirkungspalette auf entsprechende Vorerkrankungen, respektive Risikofaktoren sowie auf gefährliche Interaktionen mit anderen iv Medikamenten zu achten. Ihr Haupteinsatzgebiet sind rheumatoide Schmerzzustände, leichte bis mittelstarke Schmerzen in Verbindung mit Fieber und Entzündung sowie muskuloskelettale Schmerzen. Selektive COX-2-Hemmer (Coxibe) haben durch den Mechanismus, vorwiegend die COX-2 zu inhibieren, ein geringeres Risiko für gastrointestinale Nebenwirkungen. Auf der anderen Seite ist ihr kardiovaskuläres Risiko relativ hoch. Es bestehen viele mögliche, zum Teil gefährliche Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln. Einsatzmöglichkeiten betreffen vor allem Arthrosen und rheumatoide Erkrankungen sowie bei Etoricoxib mitunter Tendinopathien. v Abstract Sports injuries are the third most common source of injuries in Germany. Approximately 60 percent of these are musculoskeletally and ligamentary lesions such as contusions, luxations and defects of the capsular ligaments. In Austria in 2013 nearly 200,000 people were treated in hospitals because of sports injuries. The numbers of those who had their sports injuries treated in other medical facilities or who treated themselves is estimated to be many times higher. Since pain is the most frequent cause for consulting a Doctor, reducing it is one of the main parts of the therapy. The extent and type of pain that occurs due to sports accidents or by overuse injuries is not necessarily linked to the original cause. This means that any sports lesion can provoke all possible types of pain, each necessitating different kinds of therapy. The experience of pain is a subjective one which is based on motivational and cognitive factors. In many cases mixed pain syndromes exist. Acute pain states can become chronic. Whereas nociceptive pain is relatively easy to diagnose and subsequently the choice of the therapeutic method is made easier, diagnosing neuropathic pain is more complex. The organic correlation no longer exist at chronic pain patients. Instead, increasingly it is shown that the same injuries show different pathophysiological mechanisms within the lesion and the reparation which create various pain sensations. This individual somatosensorical profile requires a personalised therapy. This working hypothesis is at an early stage. Though it is foreseeable that the therapy of neuropathic and chronic pain will be based on the pathophysiological mechanisms in the future. Non-opioid analgesics (NOAs) are a significant substance class. The ease of availability and its underestimated spectrum of adverse effects lead to frequent incorrect use and abuse. These medications can provoke unspecific side effects that are difficult to identify. Toxic overdoses are only treated symptomatically. Damages in the gastrointestinal tract, liver or kidney and changes to the dynamic equilibrium in the blood are common adverse effects. In addition, allergic reactions, changes in the central nervous system and blood production disorders vi can also be observed. The choice of the medication depends on individual factors as well as on relative and absolute contraindications. The topical application of Ibuprofen, Piroxicam and Diclofenac represents an effective alternative for strains, subluxations or contusions. It has been shown that the topical application of Diclofenac is as effective as an oral application in terms of long term treatment of osteoarthritis of the hand or knee. Paracetamol and Metamizol are considered to belong to the safest NOAs. Liver toxicity, the well known side effect of Paracetamol, appears to be associated with pre-existing liver damage or toxic overdose. Agranulocytosis is frequently mentioned as a dangerous adverse effect of Metamizol, even though it is easy to identify and quickly reversible. Paracetamol can be used on children and is the first choice for painful osteoarthritis. Metamizol is a potent post-operative painkiller and is also an alternative for acute and chronic pain. Flupirtin has shown its efficacy in the treatment of acute painful muscle tensions. Since its analgesic effect is not based on the inhibition of cyclooxygenase (COX), it is considered an alternative to other NOAs. The classic non-steroidal anti-inflammatory drugs (NSAIDs) stand out due their positive effects such as reducing pain on the one hand and inflammation on the other. Because of their broad range of possible side effects, previous illnesses and present risk factors of the patient as well as drug interactions have to be taken into consideration. The main use is the treatment of rheumatoid pain states, slight to moderate pain in connection with fever and inflammation and musculoskeletal pain. COX-2 selective inhibitors carry a relatively small risk on gastrointestinal side effects due to their mechanism that primarily operates on COX-2. However, they bear a relatively high cardiovascular risk. In addition, there exist many possible and, in part, dangerous drug interactions with other medications. The main use is the treatment of osteoarthritis and several forms of rheumatoid diseases as well as tendinopathies with Etoricoxib. vii Inhaltsverzeichnis DANKSAGUNGEN II ZUSAMMENFASSUNG III ABSTRACT VI INHALTSVERZEICHNIS GLOSSAR UND ABKÜRZUNGEN VIII X ABBILDUNGSVERZEICHNIS XII TABELLENVERZEICHNIS XIII 1 EINLEITUNG 1 2 ALLGEMEIN 3 2.1 HÄUFIGKEIT VON SPORTVERLETZUNGEN 3 2.2 SCHMERZPHYSIOLOGIE 6 2.2.1 ENTSTEHUNG 6 2.2.2 WEITERLEITUNG 8 2.2.3 VERARBEITUNG 10 2.2.4 INTERPRETATION 12 2.3 AKUTE VS. CHRONISCHE SCHMERZEN 13 2.3.1 AKUTE SCHMERZEN 14 2.3.2 CHRONISCHE SCHMERZEN 15 2.3.3 SCHMERZCHRONIFIZIERUNG 16 2.4 SCHMERZARTEN 18 2.4.1 NOZIZEPTIVE SCHMERZEN 18 2.4.2 NEUROPATHISCHE SCHMERZEN 20 2.4.3 PSYCHOGENE SCHMERZEN 25 2.4.4 MISCHSCHMERZEN 27 2.5 3 DIAGNOSTIK SCHMERZTHERAPIE MIT NICHT-OPIOID-ANALGETIKA 28 32 3.1 EINTEILUNG 32 3.2 CYCLOOXYGENASEN 34 3.3 GEFAHREN UND NEBENWIRKUNGEN VON NOA 37 viii 3.3.1 GASTROINTESTINALTRAKT UND UNTERE DARMREGION 38 3.3.2 NIERE 38 3.3.3 LEBER 39 3.3.4 THROMBOZYTENAGGREGATIONSHEMMUNG 39 3.3.5 THROMBOSE 39 3.3.6 ZNS-VERÄNDERUNGEN 40 3.3.7 ALLERGISCHE REAKTIONEN 40 3.3.8 BLUTBILDUNGSSTÖRUNGEN 41 3.3.9 VORZEITIGER VERSCHLUSS DES DUCTUS ARTERIOSUS BOTALLI 41 3.4 GRUNDSÄTZE DES ANALGETISCHEN EINSATZES 42 3.4.1 DER WHO-STUFENPLAN 43 3.4.2 AUSWAHL DES RICHTIGEN ANALGETIKUMS 46 3.4.3 SCHMERZTHERAPIE IM GANZHEITLICHEN VERSTÄNDNIS 47 3.4.4 ZUKUNFTSAUSSICHT 47 3.5 TOPISCHE ANWENDUNG 49 3.6 NICHT SAURE, ANTIPYRETISCHE ANALGETIKA 50 3.6.1 PARACETAMOL 50 3.6.2 METAMIZOL 52 3.7 NOA OHNE ANTIPYRETISCHE UND ANTIPHLOGISTISCHE WIRKUNG 3.7.1 3.8 FLUPIRTIN 54 FEHLER! TEXTMARKE NICHT DEFINIERT. SAURE, ANTIPYRETISCHE UND ANTIHLOGISTISCHE ANALGETIKA 56 3.8.1 ACETYLSALICYLSÄURE 56 3.8.2 DICLOFENAC 58 3.8.3 INDOMETACIN 59 3.8.4 IBUPROFEN 60 3.8.5 DEXIBUPROFEN 61 3.8.6 NAPROXEN 62 3.8.7 MELOXICAM 63 3.8.8 PIROXICAM 64 3.8.9 LORNOXICAM 65 3.8.10 NIMESULID 66 3.9 SELEKTIVE COX-2-HEMMER 68 3.9.1 CELECOXIB 68 3.9.2 PARECOXIB 69 3.9.3 ETORICOXIB 70 4 LITERATURVERZEICHNIS 72 ix Glossar und Abkürzungen % Prozent ACE Angiotensin-Converting-Enzyme ASS Acetylsalicylsäure ca. circa CGRP Calcitonin Gene-Related Peptide COX Cyclooxygenase bzw. Cyclooxygenasen CRPS komplexes regionales Schmerzsyndrom CYP Cytochrom P450 FPS Faces-Pain-Skala FR Formatio reticularis GABA γ-Aminobuttersäure GIT Gastrointestinaltrakt h Stunde KFV Kuratorium für Verkehrssicherheit kg Kilogramm KG Körpergewicht KHK koronare Herzkrankheit LOX Lipoxygenase bzw. Lipoxygenasen MAA 4-N-Methylaminoantipyrin: wirksamer Metabolit von Metamizol max. maximal bzw. maximale Ncl. Nucleus NMDA N-Methyl-D-Aspartat NOA Nicht-Opioid-Analgetikum bzw. -Analgetika NRS numerische Rating-Skala NSAR Nichtsteroidale Antirheumatika PNS peripheres Nervensystem PPI Protonenpumpenhemmer SMP sympathisch unterhaltener Schmerz sog. sogenannt SSNRI selektive Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer SSRI selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer x TCA trizyklische Antidepressiva TIA transitorische ischämische Attacke u.a. unter anderem v.a. vor allem VAS visuelle Analog-Skala VRS verbale Rating-Skala vs. versus WDR-Neuron wide-dynamic-range-Neuron WHO Weltgesundheitsorganisation z.B. zum Beispiel ZNS Zentralnervensystem xi Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Verteilung von Druck- und Schmerzpunkten auf der Haut eines Unterarms (aus Bartels & Bartels 2004, S. 273)_________________________________________________ 7 Abbildung 2: Mögliche Schmerzzentren (und ihre Funktionen) einer Schmerzerfahrung (aus Butler & Moseley 2009, S. 33) ________________________________________________ 11 Abbildung 3: Schmerzerfassung mittels Schmerzskalen (aus Beubler 2012, S. 7)_________ 30 Abbildung 4: WHO-Stufenleiter (aus Diener & Maier 2011, S. 234) ____________________ 43 xii Tabellenverzeichnis Tabelle 1: Sportverletzungen in Österreich 2013: aufgeschlüsselt nach Körperregionen (aus KFV 2013)_________________________________________________________________ 4 Tabelle 2: Charakteristika von akutem und chronischem Schmerz (aus Specht-Tomann & Sandner-Kiesling 2014, S. 35) ________________________________________________ 13 Tabelle 3: Fragenkatalog zur Schmerzerfassung __________________________________ 29 Tabelle 4: Einteilung der Nicht-Opioid-Analgetika (modifiziert nach Beubler 2012, S. 18) ___ 33 Tabelle 5: Selektivität der COX-Hemmung (modifiziert nach Beubler 2012, S. 20) ________ 35 Tabelle 6: Prozentuale COX-2-Hemmung (modifiziert nach García Rodríguez et al. 2008) __ 36 Tabelle 7: Arzneimittelentscheidungshilfe (aus Beubler 2012, S. 100) __________________ 46 xiii 1 Einleitung Egal ob bei Hobby- oder Spitzensportlern, egal ob zur Gesundheitserhaltung, zur Gesundheitswiedererlangung oder um persönliche Ziele zu erreichen, Sport spielt für sehr viele Menschen eine wichtige Rolle im Leben. Einhergehend mit sportlichen Tätigkeiten sind leider häufig Verletzungen bzw. die Folgeschäden von jahrelanger Fehl- oder Überbelastung. Im Zentrum der Behandlung steht mitunter der Schmerz. Aus ärztlicher Sicht ist es ein notwendiges Ziel Schmerzreduktion bzw. Schmerzfreiheit zu erreichen. Dabei können die therapeutischen Möglichkeiten unterschiedlicher nicht sein. Angefangen von Sofortmaßnahmen an Ort und Stelle über Trainings-Zwangspausen, medikamentöser Schmerzstillung, Wiederherstellung der Bewegungsfunktion bis hin zur Begleitung chronischer Angelegenheiten reicht das therapeutische Spektrum. Im allgemeinen Teil dieser Arbeit wird auf die Häufigkeit von Sportverletzungen und auf die physiologischen und pathophysiologischen Prozesse bei der Entstehung, der Weiterleitung, der Interpretation und der Unterhaltung von Schmerzen eingegangen. An dieser Stelle wird der Unterschied zwischen akuten und chronischen Schmerzen Schmerzchronifizierung Schmerzarten führen. besprochen. aufgezeigt Andererseits Nozizeptive, und welche werden die neuropathische Prozesse zur unterschiedlichen oder psychogene Schmerzen entstehen auf unterschiedlichen Wegen. Die Kenntnis darüber ist deshalb wichtig, da einzelne Schmerzarten besser oder schlechter auf die diversen Schmerztherapien anschlagen. Oft liegt aber nicht nur eine einzelne Schmerzform vor, sondern eine Kombination von mehreren Arten, sogenannten Mischschmerzen. Innerhalb der Klasse der neuropathischen Schmerzen führen diverse pathophysiologische Mechanismen zu einem individuellen somatosensorischen Schmerzprofil. Dies verkompliziert die Wahl einer geeigneten Therapie immens und erklärt das teilweise noch unzufriedenstellende Outcome. Die Anzahl chronischer Schmerzpatienten/innen in Europa liegt bei ca. 20 % und verdeutlicht, dass dieses Volksleiden eine große Rolle spielt und bis dato nur unzureichend effektiv therapiert wird (Van Hecke et al. 2013). In dieser Studie 1 sollen mögliche Arbeitshypothesen und Theorien aufgezeigt werden, die zukünftige Schmerztherapien revolutionieren und Alternativen bieten könnten. Im speziellen Teil Einsatzmöglichkeiten werden die besprochen. Nicht-Opioid-Analgetika Die Substanzklassen werden und ihre in ihren generellen Wirkungen und Wechselwirkungen vorgestellt. Innerhalb der einzelnen Substanzklassen werden die gängigsten Arzneimittel im Hinblick auf Pharmakodynamik, -kinetik und den Nebenwirkungen zueinander verglichen. Ein eigenes Kapitel ist der topischen Applikation gewidmet. Wer häufig Sport treibt, kann häufig von Schmerzen betroffen sein (Seither 2008). Ein oftmaliger Einsatz von Analgetika erhöht die Wahrscheinlichkeit von Nebenwirkungen. Deshalb gilt es festzustellen, ob die topische Verabreichung eine konkurrenzfähige Therapieerwägung ist. 2 2 Allgemein 2.1 Häufigkeit von Sportverletzungen Sportliche Tätigkeiten können den aktiven Menschen auf verschiedenste Art und Weise in Mitleidenschaft ziehen. Die eingeschränkte Bewegungsfunktion und vorhandene Schmerzen sind die häufigsten Gründe für eine ärztliche Konsultation (Brasseur 1997). Grob werden aus sportmedizinischer Sicht akute Verletzungen von chronischen Überlastungsschäden unterschieden. Akute Verletzungen können nach Ereignissen wie Stürzen, Zusammenstößen, Unfällen, etc. entstehen und sind meist mit Makrotraumen verbunden. Einer Datenerhebung des Kuratoriums für Verkehrssicherheit zufolge, verletzten sich im Jahr 2013 in Österreich knapp 200.000 Menschen im Zuge von sportlichen Aktivitäten so schwer, dass eine Versorgung in einem Krankenhaus die Folge war. Die Sportarten Skifahren, Fußballspielen und Radfahren deckten in Österreich fast die Hälfte aller behandelten Sportunfälle ab. Verletzungen an der oberen oder unteren Extremität überwiegen gegenüber jenen von anderen Körperteilen. Das Risiko für Kopfverletzungen ist anteilsmäßig vor allem beim Reiten und anderen Pferdesportarten sowie beim Schwimmen, Springen und Tauchen erhöht. Beim Ausüben der Sportarten Snowboarden, Inlineskaten und Skateboarden sieht man sich anteilsmäßig vor allem mit Verletzungen an Schulter, Arm und Handgelenk konfrontiert. Fußballer, Wanderer und Jogger sind mit einem erhöhten Verletzungsrisiko besonders der unteren Extremität behaftet. 3 Tabelle 1: Sportverletzungen in Österreich 2013: aufgeschlüsselt nach Körperregionen (aus KFV 2013) Zu diesen 200.000 Sportunfällen kommt wahrscheinlich ein Vielfaches an Schmerzzuständen als Folge von sportlicher Tätigkeit hinzu, die bei dem/der Hausarzt/Hausärztin, einem/r anderen Therapeuten/in oder zu Hause selbst behandelt werden. Eine repräsentative Studie in Deutschland unter 7.000 Befragten ergab, dass sich 3,1 % der untersuchten Personen in den vorhergehenden zwölf Monaten eine Sportverletzung zugezogen haben. Damit liegen Sportverletzungen an dritter Stelle knapp nach Heim- bzw. Arbeitsunfällen (3,7 % bzw. 3,2 %). Mit Zunahme der sportlichen Tätigkeit erhöht sich die Gefahr eine Verletzung zu erleiden. Bereits bei durchschnittlich einer Trainingsstunde pro Woche erhöht sich die jährliche Inzidenz auf 6,4 %. Ca. 60 % aller Verletzungen sind muskuloskelettale bzw. ligamentäre Verletzungen wie Kontusionen, Luxationen oder Schäden am Kapsel-Band-Apparat (Seither 2008). Hochrisikogruppen sind junge Männer. Sportverletzungen, die zur ärztlichen Versorgung gelangten, waren in über der Hälfte der Fälle mit einer Arbeitsunfähigkeitsperiode verbunden. Zwei Drittel davon 4 konnten der Arbeit nach spätestens zwei Wochen wieder nachkommen (Schneider et al. 2006). Im Gegensatz zu Sportunfällen entstehen chronische Beschwerdebilder infolge von Überbeanspruchungen des skelettalen oder muskulären Bewegungsapparates über einen längeren Zeitraum. Hierbei handelt es sich um entstandene Mikrotraumen, die sich über die Zeit zu einem Belastungsschaden subsummieren können. Jahrelanges Überbeanspruchen einer Körperregion aufgrund falscher Haltung oder falschem Ehrgeiz kann die Basis für Folgeerkrankungen bilden. 5 2.2 Schmerzphysiologie Die Kenntnis über die physiologischen sowie pathophysiologischen Abläufe der Schmerzverarbeitung bildet die Grundlage für das Verständnis der Schmerztherapie. Es handelt sich um eine vielschichtige Sinnesempfindung, die ihren Ursprung (v.a. beim nozizeptiven Schmerz) in den Schmerz wahrnehmenden Nozizeptoren des PNS (peripheres Nervensystem) hat. Über sensorische Nervenfasern erfolgt die Weiterleitung. Verarbeitet und interpretiert werden die eingehenden Signale vom ZNS. 2.2.1 Entstehung Schmerz entsteht u.a. in Nozizeptoren. Rein morphologisch handelt es sich hier um freie Nervenendigungen, an denen aus gewebsschädigenden Reizen ein elektrisches Potenzial entsteht und weitergeleitet wird. Solche Nozizeptoren befinden sich in allen schmerzempfindlichen Geweben, u.a. in Haut, Gelenken, Muskeln, Bändern (Lüllmann-Rauch 2012). Die Zahl der Nozizeptoren ist in manchen Geweben, z.B. in der Haut, um ein Vielfaches höher als die Zahl anderer Hautrezeptoren. In Abbildung 1 wird die Dichte von Nozizeptoren im Vergleich zu jenen von Druckrezeptoren und Haaren auf der Beugeseite eines Unterarmes gezeigt. 6 Abbildung 1: Verteilung von Druck- und Schmerzpunkten auf der Haut eines Unterarms (aus Bartels & Bartels 2004, S. 273) Nozizeptoren werden durch unterschiedliche Reizarten erregt. Thermische, mechanische oder chemische Reize von genügend hoher Intensität lösen ein Aktionspotenzial aus. Auf chemischem Wege führen schmerzauslösende Mediatoren, die z.B. bei Entzündungen oder Zellzerstörung ausgeschüttet werden, zu einer nozizeptiven Erregung (D’Mello & Dickenson 2008). Zu diesen Botenstoffen, gehören u.a. Kalium, Histamine, Prostaglandine, Bradykinin, Leukotriene und Zytokine. Der Gewebeschaden regt des Weiteren die Blutgerinnung an, welche zur Ausschüttung von Bradykinin und Serotonin führt. Es kommt zu Gefäßverschlüssen. Die entstehende Ischämie und der durch die eigentliche Verletzung entstandene Zellschaden bedingen eine extrazelluläre Anhäufung von Kaliumionen und Protonen, die Nozizeptoren werden für weitere Reize sensibilisiert. Dagegen wirken Bradykinin, Histamin und Prostaglandin E2 vasodilatatorisch, steigern die Gefäßpermeabilität und führen zu einem lokalen Ödem. Der erhöhte Druck durch die Raumforderung sensibilisiert seinerseits die Nozizeptoren. Substanz P und CGRP werden bei eingehenden Reizen sezerniert, was ebenfalls die Entzündung und die Vasodilatation fördert sowie eine erhöhte Gefäßdurchlässigkeit bewirkt. Durch diese vielfältigen Prozesse wird das schmerzwahrnehmende Gebiet in Summe empfänglicher und größer (Silbernagl & Lang 2009). 7 2.2.2 Weiterleitung Sobald genügend Schmerzreize (chemisch, thermisch, mechanisch) auf die pseudounipolaren Neurone wirken, wird ein kritischer Schwellenwert erreicht. Mit dem Überschreiten dieser Schwelle wird ein Aktionspotenzial ausgelöst. Das elektrische Signal wird von unterschiedlichen Fasertypen zum Rückenmark befördert. Zum kleineren Teil gibt es A-δ-Fasern. Sie sind dünn myelinisiert und leiten deshalb die Information relativ rasch weiter (10 – 30 m/s). Diese erste Schmerzempfindung wird häufig auch als 1. (Oberflächen-)Schmerz bezeichnet und eher als „scharf und schnell“ beschrieben. Schmerzen, die durch A-δ-Fasern übertragen werden, sind zumeist gut lokalisierbar. Sie sind für die rasche Entwicklung von Flucht- und Abwehrreflexen verantwortlich. Nach dem ersten Schmerz erfolgt nach einem kurzen Latenzintervall der eher als „dumpf“ empfundene sogenannte 2. (Oberflächen-)Schmerz. Dieser ist schwieriger zu lokalisieren. Schätzungen gehen davon aus, dass 80 - 90 % aller Nozizeptoren langsame C-Fasern (0,5 – 2 m/s) haben (Gekle et al. 2010). CFasern sind entwicklungsgeschichtlich älter und besitzen keine Myelinscheiden. Das erklärt die geringere Leitgeschwindigkeit. Am anderen Ende des ersten Neurons kommt das Signal im Hinterhorn des Rückenmarks an und wird dort umgeschaltet. Biochemisch gesehen kommt es am synaptischen Spalt zur Ausschüttung von Neurotransmittern, wodurch das Signal auf das zweite Neuron übertragen wird. Einerseits kommt es hier zu Reflexverschaltungen. Damit wird der eigentliche Warncharakter erfüllt. Noch bevor der Schmerz bewusst wahrgenommen wird, wird eine Flucht- oder Abwehrbewegung getätigt. Beim Berühren eines spitzen Gegenstandes z.B. wird der Fuß reflexartig zurückgezogen. Auf der anderen Seite kreuzen die Fasern nach Umschaltung im Rückenmark zur Gegenseite und gelangen über den Tractus spinothalamicus bzw. den Tractus spinoreticularis (2. Neuron) ins Gehirn, wo die Informationen weitergeleitet, verarbeitet und interpretiert werden. Erst so kommt es zu einer bewussten schmerzhaften Empfindung. 8 2.2.2.1 Spinale Modulation Die komplexen Verschaltungen im Rückenmark machen es möglich, dass die Signale vor ihrer Weiterleitung ans Gehirn verstärkt oder gehemmt werden können. Eine Schwächung des Immunsystems infolge einer Erkrankung kann eine Signalverstärkung bedingen, weshalb Menschen, die z.B. an einer Grippe leiden, eine allgemein höhere Schmerzempfindlichkeit haben. Dagegen kann es zu einer Signalminderung kommen. Die Schmerzempfindung ist unter Schock oder großer Euphorie gedämpft. Für diese Modulation mitverantwortlich sind Interneurone, WDR-Neurone und absteigende hemmende Bahnen. Interneurone sind Nervenzellen, die in kleinen definierten Bereichen andere Nervenzellen miteinander verschalten. Im Rückenmark haben sie die Aufgabe das Signal vom 1. Neuron (Nozizeptoren) zum 2. Neuron weiterzuleiten. Diese Zwischenstationen steuern den Ein- und Ausgang der Nervenzellen und können so die Signalströme modifizieren. So haben GABAerge Interneurone einen hemmenden Einfluss auf WDR-Neurone. Das 2. Neuron ist ein WDR-Neuron (wide-dynamic-range). Sie haben die Fähigkeit aus der Peripherie multizeptive (Schmerz, Berührung, Druck, Wärme), polymodale (A-δ-Fasern, C-Fasern) Signale aufzunehmen und projizieren weiter im Tractus spinothalamicus. Das bedeutet, dass viele Signale (Nozizeptoren, Mechanorezeptoren) auf ein WDR-Neuron zusammenlaufen (Konvergenz). Diese Tatsache ist die Basis der GateControl-Theorie. Melzack und Wall postulierten zum ersten Mal 1965 mit ihrer Gate-Control-Theorie eine multidimensionale Darstellung eines Schmerzkonzeptes und formulierten eine Schmerzverarbeitung, welche auf mehreren Ebenen passiere. Sie sprachen dabei der spinalen Verschaltung im Hinterhorn einen hohen Stellenwert zu. Viele unterschiedliche Neurone aus der Peripherie konvergieren dort mit einer Menge an eingehenden Sinnesreizen auf ein Neuron. Mehrere eingehende Berührungsreize (A-βFasern) hätten so z.B. einen hemmenden Effekt auf nozizeptive Afferenzen. Die Gate-Control-Theorie beschränkt sich auf das Verständnis des klassischen, nozizeptiven Schmerzes, wurde aber selbst in diesem Kontext von anderen Arbeiten widerlegt (Schmidt 1993). Nichtsdestotrotz prägte 9 das Gedankengut, Schmerzen auf mehreren Ebenen zu betrachten und auch psychische Faktoren miteinzubeziehen, die folgenden Jahre der Schmerzforschung. Eine Hyperreagibilität peripherer Afferenzen führt sekundär zu einer Veränderung der chemischen Zusammensetzung am synaptischen Spalt der WDR-Neurone, wodurch sie ebenfalls verstärkt erregbar sind. In diesem Zusammenhang spricht man von zentraler Sensibilisierung (Traub 1997; Baron et al. 2013). WDR-Neurone haben dadurch einen großen Einfluss auf das Schmerzgedächtnis. Vom Locus coeruleus und den Raphekernen kommend ziehen absteigende inhibitorische Bahnen zum Rückenmark und projizieren dort auf Interneurone. Diese wiederum hemmen GABAerg oder durch endogene Opiode die Übertragung vom Nozizeptor auf das zweite Neuron. Ihr physiologischer Nutzen Schmerzchronifizierung liegt von des Beginn Weiteren an darin, einer entgegenzuwirken. Pharmakologisch setzen Opioide an genau diesem Punkt an. Sie sind hochpotente Schmerzmittel und hemmen über Bindung an verschiedenen Opioid-Rezeptoren zum einen die Schmerzübertragung im Rückenmark und aktivieren zum anderen die absteigende hemmende Bahn. 2.2.3 Verarbeitung Die im Rückenmark aufsteigenden Bahnen erreichen das Gehirn und werden dort verarbeitet. Die bewusste Wahrnehmung, die kognitive und emotionale Bewertung und die affektiven, endokrinen, motorischen, autonomen und vegetativen Reaktionen erfolgen in zahlreichen sogenannten Schmerzzentren, die untereinander vernetzt sind und sich so gegenseitig beeinflussen. Es ist festzuhalten, dass im Gegensatz zur Berührungs- und Temperaturempfindung die Schmerzwahrnehmung ein unglaublich komplexes Geschehen ist. Im Folgenden wird versucht die Schmerzverarbeitung grob darzustellen. 10 Abbildung 2: Mögliche Schmerzzentren (und ihre Funktionen) einer Schmerzerfahrung (aus Butler & Moseley 2009, S. 33) Abbildung 2 zeigt Hirnareale, die im Zuge von Schmerzerfahrungen häufig aktiv sind. Die zugehörigen Funktionen sind ebenso aufgelistet. Wichtige Projektionsorte und -bahnen sind überdies: Der Ventrobasalkern des Thalamus: Die vom Tractus spinothalamicus aufsteigenden Nervenfasern erreichen den Ventrobasalkern des Thalamus und gelangen von dort zum somatosensorischen Kortex (3. Neuron), wo die bewusste Schmerzwahrnehmung und -lokalisierung erfolgt. Die Formatio reticularis (FR): Lateral des Tractus spinothalamicus steigt der Tractus spinoreticularis im Rückenmark auf zur Formatio reticularis, wo die durch Schmerzreize ausgelöste Weckreaktion ihren Ursprung hat. Von der FR ziehen Fasern zum Hypothalamus. Hier resultieren einige der vegetativen und endokrinen Reaktionen auf Schmerzreize. 11 Des Weiteren gibt es von der FR Projektionen zur Amygdala. Vor allem die affektiven Komponenten des Schmerzes werden hier vermittelt (Furcht, Angst). Aufsteigende Informationen werden in medialen Thalamuskernen umgeschaltet und verlaufen von dort zu anderen Strukturen des limbischen Systems (z.B. zum Gyrus cinguli), welche für die emotionale Bewertung zuständig sind. Bildgebende Untersuchungen über die Hirnaktivität bei Schmerzen haben gezeigt, dass Schmerzerfahrungen konstante Aktivierungsmuster aufweisen können. Das Maß der Hirnaktivität und die Lokalisation der angeregten Areale schwanken zwischen mehreren Personen aber enorm. Selbst bei ein und derselben Person sind unter verschiedenen Gegebenheiten mannigfaltige Ergebnisse im Aktivitätsmuster festzustellen. Die Verarbeitung und Interpretation von Schmerzen obliegt also nicht nur einzelnen Schmerzzentren, sondern erfolgt in einer Vielzahl von Hirnanteilen (Peyron et al. 2000; Ingvar 1999). Die Erkenntnis über die komplexe Schmerzverarbeitung im Gehirn und der individuellen Abweichung der hirnaktiven Zentren ist die Basis für ein erweitertes Verständnis der Schmerzentstehung und der Schmerzbetrachtung aus ärztlicher Sicht. 2.2.4 Interpretation Schmerz ist nicht einfach nur das Ergebnis von angeregten Nozizeptoren, deren Signale über verschiedene Umschaltstationen ins Gehirn geleitet und eben als solche wahrgenommen werden. Es handelt sich um ein subjektives Empfinden. Seit unzähligen Jahren werden deshalb zur Feststellung von Schmerzzuständen mitunter Anamnesegespräche durchgeführt, in denen es um die Wahrnehmung aus der Sicht des/der Patienten/in geht. So wird die subjektive Schmerzempfindung, besonders bei chronischen Schmerzerlebnissen, sehr von motivationalen (Clark et al. 2001; Auvray et al. 2010) und kognitiven (Bunketorp et al. 2006; Tremblay & Sullivan 2010) Faktoren geprägt. 12 2.3 Akute vs. Chronische Schmerzen Schmerzen äußern sich auf unterschiedlichsten Ebenen. Um dem/der behandelnden Arzt/Ärztin die Auswahl des Therapeutikums zu erleichtern, ist eine Einteilung von Vorteil. Dahingehend werden sie nach ihrem zeitlichen Auftreten in akute und chronische Schmerzen eingeteilt. Akute Schmerzen hängen ursächlich mit körperlichen Schäden zusammen und dienen als Warnsignal. Dieser Zusammenhang ist für die Diagnose oft wegweisend. Sie sind durch Behebung der Ursache und adäquater Schmerztherapie nach Stunden bis Tagen reversibel. Chronische Schmerzen haben dagegen ihr körperliches Korrelat verloren, dafür kommen soziale und psychische Faktoren hinzu (Rückzugsverhalten, Isolation, Katastrophisierung, Angst, Depression usw.), die den Zustand für den/die Patienten/in unerträglich machen können. Die Behandlung dieser ist wesentlich schwieriger. Je nach Autor/in spricht man von chronischen Schmerzen, wenn diese länger als drei bis zwölf Monate bestehen. Tabelle 2: Charakteristika von akutem und chronischem Schmerz (aus Specht-Tomann & Sandner-Kiesling 2014, S. 35) Sowohl akute Sportverletzungen, als auch chronische Überlastungsschäden können sich vorerst durch akute Schmerzen äußern und später chronifizieren. Z.B. 13 kann eine wochenlange Reizung der Achillessehne (chronischer Überlastungsschaden) plötzlich schmerzhaft werden (akute Schmerzen). Bei Nichtbeachtung des Warnsignales kann die betroffene Region hinterher dauerhaft schmerzen (Schmerzchronifizierung). 2.3.1 Akute Schmerzen Akute Schmerzen sind als Warnsignal anzusehen. Sie entstehen durch gegenwärtige oder potenzielle Gewebeschädigung, haben also einen körperlichen Bezugspunkt und sind wichtige Wegbegleiter. Primäres Ziel ist es den Organismus vor weiteren Schäden zu schützen. Sie können physiologische Prozesse wie z.B. das Knochenwachstum in den Wachstumsfugen begleiten. Sie kommen zum Vorschein, wenn durch endogene oder exogene Faktoren eine Gefährdung besteht. Zum einen wird gemeldet, wann die körperlichen Grenzen im Zuge einer Beanspruchung erreicht sind. Bei oberflächlichen Verletzungen schützen akute Schmerzen vor weiteren Schäden. Andererseits geben sie einen Hinweis darauf, dass ein Lebenswandel oder ein Umdenken z.B. in der Trainingsplangestaltung notwendig ist. Sie sind gut behandelbar und bilden sich nach kausaler Therapie oder mit entsprechenden Therapeutika schnell zurück. Auch heilen sie ohne ärztliches Zutun nach einer gewissen Zeit komplikationslos ab. NOA können, sofern keine Kontraindikationen bzw. kein Indiz für eine andere bessere Therapie vorliegen, initial bei akuten Schmerzen verwendet werden. Bei Verstauchungen, Prellungen und anderen mit Sportverletzungen häufig in Verbindung gebrachten Schmerzzuständen ist ein NOA ein möglicher Startpunkt. Die Auswahl des NOA richtet sich nach den Begleiterscheinungen und eventuell vorhandenen Vorerkrankungen. Muskelverspannungen, Entzündungen etc. sind Sachverhalte, die die Arzneiwahl beeinflussen. Bei unzufriedenstellendem Therapieerfolg sollte die Schmerzdiagnose (fehldiagnostizierte Schmerzart) überdacht und eventuell die Arzneimittelklasse geändert werden. Ansonsten kann bei Fortdauer der Schmerzen der Empfehlung des WHO-Stufenschemas folgend auf die nächsthöhere Stufe gewechselt werden. 14 2.3.2 Chronische Schmerzen Im Gegensatz dazu hat der chronische Schmerz seinen physiologischen Nutzen als Warnsignal verloren und wird von dem/der Patienten/in als belastend betrachtet. Das ursprünglich auslösende körperliche Geschehen ist bereits abgeheilt oder hat mit der Fortdauer der Schmerzzustände gar nichts mehr zu tun. Vielmehr kommt es im Rückenmark und Gehirn zu Strukturveränderungen. Kleinste Schmerzreize oder Berührungen werden übertrieben lang und stark empfunden. Dazu gesellen sich körperliche und psychische Chronifizierungsfaktoren, die schmerzverstärkend und schmerzerhaltend wirken. Das Spektrum reicht von Angst, Depression, Lustlosigkeit, Antrieblosigkeit, Schlafstörungen und Verdauungsstörungen bis hin zu Appetitlosigkeit. Zu den quälenden Schmerzen und der niedergeschlagenen Psyche kommen soziale Verhaltensänderungen hinzu. Rückzugstendenzen und Isolation sind zu beobachten. Aufgrund dessen, dass Leidende dazu neigen immerzu über ihre Schmerzen und die damit verbundenen Probleme zu reden, wird der Kontakt mit ihnen zusätzlich gemieden. Von chronischen Schmerzen spricht man, wenn sich diese über einen Zeitraum von mehr als drei bis zwölf Monaten erstrecken. Langwierige und schwer behandelbare Rückenschmerzen, degenerative Wirbelsäulen- und Bandscheibenläsionen, rheumatische Erkrankungen oder Abnutzungserscheinungen an Gelenken (wie z.B. die Arthrose) sind Beispiele für Erkrankungen mit häufig vorkommenden, chronischen Schmerzen. Die Gabe von NSAR hat sich bei chronischen Schmerzen nicht bewährt (außer bei Erkrankungen des rheumatoiden Formenkreises bzw. bei Schmerzen, die eine wesentliche Entzündungskomponente inkludieren). Stattdessen werden Opioide, Antikonvulsiva und Antidepressiva bei chronischen Schmerzen verabreicht. Antidepressiva haben bei neuropathischen Schmerzen ihren Nutzen. Sie können auch bei einer ausgeprägten psychogenen Komponente einen hilfreichen Anstoß aus einer depressiven Phase geben. Je länger ein Schmerzzustand andauert, desto mehr muss der Behandelnde psychologische und ökosoziale Aspekte mit in die Therapie integrieren. Physiotherapie, Psychoedukation und die Schaffung bzw. Festigung sozialer Netzwerke können für den Menschen äußerst dienlich sein. Verhaltenstherapeutische Ansätze, die in der Akuttherapie keine Rolle spielen, 15 erweisen sich bei chronischen Schmerzpatienten/innen als sehr hilfreich (Pfingsten et al. 1997). 2.3.3 Schmerzchronifizierung Im Rahmen von sportlichen Schmerzchronifizierung kommen. Tätigkeiten Werden über kann es indirekt einen längeren zur Zeitraum Sportübungen im Sinne einer körperschädigenden Ausführung falsch praktiziert, kann es zu Verletzungen des Halte- und Bewegungsapparates kommen (z.B. Bandscheibenvorfall, Nervenwurzelkompressionssyndrom etc.), welche in weiterer Folge zu einer chronischen Schmerzkrankheit führen. Bei der Schmerzchronifizierung kommen verschiedene Mechanismen zum Tragen. Sie beruhen auf Neuroplastiztiät, also der Fähigkeit des Nervensystems sich abhängig von ihrer Verwendung in ihren Eigenschaften zu verändern. Die wichtigsten Mechanismen sind das Schmerzgedächtnis und das Wind-Up-Phänomen. 2.3.3.1 Schmerzgedächtnis Wiederholte Schmerzreize bedingen molekularbiologische Veränderungen im Reiz-Leitungssystem. Diese äußern sich durch Anpassung der Proteinbiosynthese. Verschiedene Proteine für Rezeptoren und Ionenkanäle werden in Folge in einer unphysiologisch hohen Anzahl umgesetzt. Es kommt zu einer Veränderung der Synapsen und dem Umbau von Zellnetzwerken. Die Reaktionsbereitschaft bleibt der Nervenzelle erhalten, sodass selbst physiologische Reize auf chemischem, thermischem oder mechanischem Wege Schmerzsignale an das Gehirn weiterleiten (sog. Allodynie). Mehrere Tierversuche haben Veränderungen der Genexpression im Hinterwurzelganglion nach Verletzung (Bangaru et al. 2015), nach induziertem Kältestress (Kozaki et al. 2015) und bei Entzündung (Watanabe et al. 2015) belegt. Das Spinalganglion könnte eine zentrale Rolle in der Entwicklung des Schmerzgedächtnisses einnehmen. Bis zu einem gewissen Grad kann der Körper durch die hemmenden absteigenden Bahnen die Ausbildung eines Schmerzgedächtnisses kontrollieren. 16 Ab einem gewissen Punkt ist dies aber nicht mehr möglich. Therapeutisches Ziel ist es daher der Entwicklung eines Schmerzgedächtnisses zuvorzukommen. Allerdings haben Untersuchungen gezeigt, dass durch den Einsatz von Opiaten der Zustand eines Schmerzgedächtnisses reversibel ist (Drdla-Schutting et al. 2012). 2.3.3.2 Wind-Up-Phänomen Repetitive Schmerzreize lassen die Intensität des 1. Schmerzes kontinuierlich abnehmen, während sich die Ausprägung des 2. Schmerzes erhöht. Über CFasern kommende Schmerzmeldungen summieren sich langsam und folgende Reize werden mit einer immer ausgeprägteren Stärke und länger empfunden. Die NMDA-Rezeptoren an den glutaminergen Synapsen scheinen bei der Entstehung der bedeutendste Faktor zu sein (Woda et al. 2001). Letztlich kommt es zu einer verstärkten Reizweiterleitung, was einer erhöhten Schmerzwahrnehmung entspricht (sog. Hyperalgesie). Auch kann es zu Entladungen kommen, ohne dass es einer Reizung bedarf. 17 2.4 Schmerzarten Einerseits wird zwischen akuten und chronischen Schmerzen, auf der anderen Seite zwischen ihrer Entstehungsart und den damit verbundenen (patho-)physiologischen Grundlagen differenziert. Speziell für die Therapieplanung ist dies von enormer Bedeutsamkeit. Je nach Autor/in sind zwischen drei und fünf Formen zu nennen. Im Folgenden ist eine Aufteilung in die drei Kategorien nozizeptiver (Unterpunkt: viszeraler Schmerz), neuropathischer (Unterpunkt: Sympathikus-vermittelte Schmerzen) und psychogener Schmerz gewählt worden. Dabei kommen die einzelnen Schmerzarten selten isoliert voneinander vor. Meistens lassen sich bei einem pathologischen Geschehen mehrere Komponenten gemeinsam ausmachen. Man spricht dann von Mischschmerzen. 2.4.1 Nozizeptive Schmerzen Jeder Mensch erfährt während seines Lebens unzählige Male den nozizeptiven Schmerz. Wann immer durch innere oder äußere Ereignisse eine zu hohe mechanische, thermische oder chemische Belastung auf ein Gewebe einwirkt, werden Nozizeptoren aktiv und generieren den nozizeptiven Schmerz. Es werden mehrere Untergruppen unterschieden, die verschieden wahrgenommen werden. Oberflächenschmerzen Tiefenschmerzen Viszerale Schmerzen Zusätzlich kann man ebenso Kopfschmerzen und Tumorschmerzen dem nozizeptiven Schmerz zuordnen, auf die im Folgenden nicht eingegangen wird. 18 2.4.1.1 Oberflächenschmerz: Dieser entsteht kutan z.B. bei einer Schnittverletzung, bei einer Verbrennung oder einer Verätzung. Da in der Haut viele freie Nervenendigungen liegen, ist dieser Schmerz zumeist gut lokalisierbar. Er wird zu Beginn vorwiegend von schnell leitenden A-δ-Fasern geleitet und wird deshalb als „hell, scharf, schneidend, stechend und spitz“ beschrieben (1. Oberflächenschmerz). Wenn das Agens länger auf das Gewebe einwirkt, kommt es durch die sekundäre Ausschüttung von Gewebshormonen zur Unterhaltung der Entzündung. Dies führt zu einer Mehrdurchblutung und einer peripheren Sensibilisierung für weitere Schmerzreize mit dem Ergebnis, dass das Areal später als „dumpf, pochend und hämmernd“ aufgefasst wird. Die Übertragung erfolgt durch langsamere C-Fasern (2. Oberflächenschmerz). 2.4.1.2 Tiefenschmerz Läsionen des Bewegungsapparates (Bänder, Sehnen, Muskeln, Knochen, Gelenke) äußern sich als Tiefenschmerz. Die geringe Anzahl an Nozizeptoren bedingt die schlechtere Lokalisierbarkeit. Meist strahlt er in die Umgebung aus. Das Spektrum der Schmerzsensation entspricht dem des sekundären Oberflächenschmerzes. Er wird als „dumpf“ beschrieben und ebenso vorwiegend von C-Fasern geleitet. Oberflächenschmerzen und Tiefenschmerzen können mit unterschiedlichsten NOA behandelt werden. Der Grad der Verletzung bzw. die Schmerzintensität, die Lokalisation, ihre Begleiterscheinungen und etwaige Kontraindikationen bestimmen die Medikamentenklasse und die Applikationsform. Hierbei darf nicht vergessen werden, dass auch bei offensichtlichen Verletzungen eine weitere Komponente bestehen kann, die z.B. neuropathische Schmerzen verursachen könnte. 19 2.4.1.3 Viszerale Schmerzen Zur Gruppe des Nozizeptorschmerzes gehören ebenso viszerale Schmerzen, die sich auf den Brust- und Bauchraum beziehen. Im Vergleich zum Oberflächenschmerz decken wenige Nervenfasern ein größeres Gebiet ab. Dies bedingt, dass die Schmerzen meist schwer zu lokalisieren sind und eher als diffus erlebt werden. Je näher sich die geschädigte Region an der Brust- oder Bauchwand befindet, welche verhältnismäßig stark innerviert sind, desto besser ist der Schmerz zu lokalisieren und desto klarer (heller, schärfer) wird er wahrgenommen. Eingeweideschmerzen treten u.a. bei Sodbrennen, Gastritiden, Blinddarmentzündungen, Herzinfarkten, Gallenkoliken und Blasenentzündungen auf. Bei viszeralen Schmerzen muss therapeutisch immer an Begleiterkrankungen gedacht werden, die eine relative bzw. absolute Kontraindikation für die Gabe von NOA darstellen (gastrointestinale Geschehen, Blutungen, Leber- oder Nierenschäden etc.). Deshalb schränkt sich die Anwendung von NOA ein. Aus der Gruppe der NOA ist Metamizol für seine spasmolytischen Eigenschaften bekannt und wird u.a. bei kolikartigen Schmerzen gegeben. 2.4.2 Neuropathische Schmerzen Beim neuropathischen Schmerz handelt es sich um einen pathologischen Prozess, der seinen Ursprung in den Nervenfasern selbst hat. Meistens ist das PNS betroffen. Zentrale neuropathische Schmerzen haben ihren Ursprung im ZNS, liegen also im Gehirn oder im Rückenmark. Läsionen im Thalamus (Ncl. ventralis posterolateralis), der sogenannte Thalamusschmerz sowie im Tractus spinothalamicus im Rückenmark sind bekannte Vertreter dieser Gruppe. Bei den häufigeren, peripheren neuropathischen Schmerzen gibt es kein schädigendes Korrelat an den freien Nervenendigungen, weshalb der klassische Erklärungsansatz der Schmerzphysiologie hier nicht anzuwenden ist. Auf vielfältigste Weise können die Nervenfasern betroffen sein, wodurch es zu Schmerzen kommt. 20 Durch die Irritation kommt es am Entstehungsort sowohl in der Peripherie als auch im ZNS zu weitreichenden Umbauvorgängen. Die Schmerzen selbst werden vorwiegend im Bereich des Versorgungsgebietes verspürt. Es kommt auch dort zu schmerzbegleitenden entzündlichen Prozessen (Ausschüttung von Mediatoren, Schwellung). Ein verletzter Nerv im Rücken kann z.B. einen geschwollen, geröteten Fuß zur Folge haben (Howe et al. 1977). Für den/die Therapeuten/in und den/die Patienten/in sind Nervenschmerzen aufgrund ihrer vielfältigen zugrunde liegenden Pathomechanismen viel schwieriger zu bewältigen. Man schätzt, dass 5% der Bevölkerung unter neuropathischen Schmerzen leiden. Genauere Zahlen dazu gibt es nicht. Die Prävalenz dieser Erkrankungen scheint deutlich unterschätzt zu werden. Es ist davon auszugehen, dass aufgrund der längeren Lebenserwartung neuropathische Schmerzzustände in Zukunft noch häufiger werden (Dworkin 2002). Ursachen: Direkt-mechanisch bedingte Beschwerden entstehen nach Durchtrennung eines Nervs, welcher darauf mittels verschiedener Reparaturmechanismen wieder zusammenwächst. Dabei können unterschiedlichste Probleme entstehen. Phantomschmerzen entstehen, wenn ein schmerzfähiges Areal des Körpers abgetrennt wird. Je größer das betroffene Areal, desto stärker ist die Empfindung. Wird ein Nerv gequetscht, entzündet sich dieser durch die mechanische Irritation (man spricht von indirekt-mechanischen Prozessen). Je nach der Dauer der Einwirkung kommt es zu kleineren oder größeren Umbauprozessen, welche für die Schmerzen verantwortlich sind. Beispiele für indirekt-mechanische Schädigungen sind das Karpaltunnelsyndrom oder das Nervenwurzelkompressionssyndrom. Metabolische Erkrankungen wie Diabetes Mellitus oder Amyloidosen schädigen multiple Nervenfasern und werden deshalb auch den Polyneuropathien zugeordnet. Manche Infektionen können das Nervensystem in Mitleidenschaft ziehen. Verbleiben nach einer Windpockeninfektion Varicella-Zoster-Viren in den 21 Nervenwurzeln, kann es durch Reaktivierung zu einer Zosterneuralgie (Gürtelrose) kommen. Des Weiteren können vaskuläre Pathologien und neoplastische Prozesse neuropathische Schmerzen verursachen. Pathophyisiologische Erklärungsmodelle: Neuropathische Grundsätzen Schmerzen der lassen nozizeptiven sich mit den Schmerzentstehung, (patho-)physiologischen -weiterleitung und - verarbeitung nur bedingt erklären. Wie sich die jeweiligen Schmerzen äußern, hängt weniger mit ihrer Ursache, sondern viel mehr mit den Vorgängen zusammen, die während der Schädigung bzw. der Reparatur vor sich gehen. Sie sind das Produkt von individuell unterschiedlich ausgeprägten pathophysiologischen Veränderungen peripherer und zentraler Strukturen auf physiologischem, morphologischem und biochemischem Weg. Die noch unzufriedenstellende Behandlung neuropathischer Schmerzen könnte in Zukunft auf Basis der zugrunde liegenden pathophysiologischen Mechanismen treffsicherer gestaltet werden (Baron 2006; Baron et al. 2010). Ein Ansatz basiert auf der Vernarbung im Läsionsgebiet, wodurch es zu Verbindungen zwischen verschiedenen Nerventypen kommen kann. So können z.B. Berührungsnerven mit Schmerzleitungen verschmelzen. Dies zieht nach sich, dass Berührungen schmerzhaft verspürt werden (Allodynie). Diese Verbindungen können ihrerseits Impulse entladen. Eine Arbeit aus dem Jahre 1993 schreibt sensibilisierten C-Fasern infolge einer Nervenverletzung die Ursache zu (Ochoa & Yarnitsky 1993). Entzündungszellen, die nach einer Nervenläsion einwandern, bedingen Veränderungen der Nervenfaser und ihrer Umgebung. Es kommt zu Spontanentladungen und einer Hyperreagibilität der Schmerzleitungen. Spontanschmerzen, Hyperalgesie und Allodynie auf thermische und mechanische Reize sind die Folge (Nickel et al. 2012). Einschießende Spontanschmerzen entstehen durch neu exprimierte Ionenkanäle, die die Erregungsschwelle senken können. Patienten/innen 22 berichten über ausgeprägte Schmerzverstärkungen, die Sekunden andauern (von Hehn et al. 2012). Bei Nervendurchtrennungen ging man früher davon aus, dass in dem betroffenen Bereich ein Entzündungsprozess stattfindet und dieser den Fortbestand von Schmerzsensationen sicherte. Der mangelnde Therapieerfolg (chirurgische Entfernung von vermuteten, entzündeten Nervenendigungen) legte dar, dass das angenommene Konzept nicht zu verwenden ist. Anfang der Neunziger wurde ein anderes Erklärungsmodell entwickelt. Bei Amputationen übernehmen im somatosensorischen Kortex durch Ausfall der Afferenzen benachbarte Areale - dem Homunkulus entsprechend - zum Teil die Repräsentation. Man spricht vom Remapping. Dies führt dazu, dass Berührungen einer angrenzenden Region eine Empfindung in der fehlenden Gliedmaße auslösen können (Borsook et al. 1998). Eine neuere Studie zeigt, dass die Neuroplastizität nicht alleine auf das Remapping vom somatosensorischen Homunkulus beschränkt ist, sondern eine Reihe von kortikalen Reorganisationen in anderen Bereichen zusätzlich vonstattengehen (Makin et al. 2015). Die Neurone selbst sind mit zahlreichen Nozizeptoren ausgestattet, die ihrerseits wie alle anderen schmerzempfindlichen Gewebe im menschlichen Körper bei mechanischer, chemischer oder thermischer Irritation erregt werden können. Klinik: Man unterscheidet Positiv- und Negativ-Symptome. Die individuell ausgeprägte Zusammenschau aus diesen Symptomen wird somatosensorisches Profil genannt. Gesteigerte sensorische Empfindungen wie z.B. Par- und Dysästhesien, evozierte Schmerzen (Hyperalgesie oder Allodynie bei mechanischen oder thermischen Reizen) oder Spontanschmerzen werden den Positiv-Symptomen zugesprochen. Auf der anderen Seite können sensorische Reize von den von den betroffenen Nerven versorgten Regionen schlechter (Hypalgesie) oder gar nicht (Analgesie) wahrgenommen werden oder das Berührungsempfinden herabgesetzt sein (Hypästhesie). Diese Zeichen entsprechen den Negativ-Symptomen. 23 Neuropathische Schmerzen werden als elektrisierend, einschießend, explosionsartig und wegen ihrer Intensität oft als unerträglich beschrieben. Sie können aber auch länger andauern und als brennend, dumpf und schwer lokalisierbar bei mittlerer bis höherer Intensität wahrgenommen werden. Häufig wird klinisch der Dreierverbund aus einschießenden Schmerzattacken, evozierten Schmerzen sowie brennenden Spontanschmerzen beobachtet. Patienten/innen mit derselben Erkrankung weisen dabei oft ein unterschiedliches somatosensorisches Profil auf. Umgekehrt können sich verschiedene Erkrankungen, die neuropathische Schmerzen bedingen, aber in denselben Symptomenmustern äußern (Maier et al. 2010; von Hehn et al. 2012). NOA, manche Antikonvulsiva mit der Wirkung auf neuronale Natrium- oder Calciumkanäle und Antidepressiva wie TCA oder SSNRI können initial angewandt werden. Alternativ sind topische Arzneimittel wie Capsaicin- oder Lidocainpflaster angezeigt. Bei unzureichendem Therapieerfolg kann die behandelnde Person auf langwirksame Opioide umsteigen. 2.4.2.1 Sympathikus-vermittelte Schmerzen Das sympathische Nervensystem ist bei einigen Schmerzerkrankungen mitbeteiligt (Maier & Gleim 1998). Man geht einerseits davon aus, dass es nach Nervenverletzungen (z.B. im Zuge von Frakturen) an der Verletzungsstelle zu Kurzschlüssen zwischen sympathischen Efferenzen und Schmerzafferenzen kommen kann. Es wird vermutet, dass nozizeptive Fasern adrenerge αRezeptoren exprimieren, welche bei einer Noradrenalinfreisetzung genau wie das sympathische Nervensystem aktiviert werden (Treede 1998). Eine andere Theorie spricht einer sympathisch vermittelten Entzündungsreaktion mit nachfolgender Sensibilisierung des nozizeptiven Systems die pathophysiologische Basis zu (Michaelis & Jänig 1998). Andererseits kann es bei neuropathischen Schmerzen im Bereich der Zellkörper des 1. Neurons (Spinalganglion) zur Aussprossung (Sprouting) von sympathischen Nervenfasern rund um den Zellkörper kommen, weshalb auch hier 24 Verbindungen zwischen dem nozizeptiven und dem sympathischen Nervensystem entstehen können (Jones et al. 1999). Schmerzen, die im Zusammenhang mit pathologischen Phänomenen des Vegetativums stehen, äußern sich durch starke Berührungsschmerzen und /oder übertriebene Hitze- oder Kälteempfindlichkeit. Begleitsymptome sind oft hinweisend. Die Haut kann in Farbe (heller, dunkler, rot), Konsistenz (Ödem, teigig) und Wärme im Seitenvergleich unterschiedlich auftreten. Haare können an der betroffenen Region ausfallen. Die Motorik kann eingeschränkt sein. Einige Erkrankungen, wie z.B. das komplexe regionale Schmerzsyndrom (CRPS), sind durch das Symptom des sympathisch unterhaltenen Schmerzes (SMP), gekennzeichnet. Werden die Schmerzen bei sympathischer Aktivität verstärkt, stellt die Sympathikusblockade eine Therapiemöglichkeit dar. 2.4.3 Psychogene Schmerzen Psychogene Schmerzen stehen im Zusammenhang mit seelischen Problemen und betreffen Sportverletzungen nur indirekt. Daher soll die Kenntnis und die therapeutische Herangehensweise von psychogenen Schmerzen hier nur kurz umrissen werden. Es werden belastende Erfahrungen wie etwa Kummer, Trennung, Zurückweisung, Verlust, Ängste, Überlastung, Depression etc. als körperlicher Schaden empfunden (Somatisierung). Außerdem können somatische Beschwerden eine Ursache sein, aus der sich somatoforme Störungen entwickeln. Die während des Krankheitsprozesses erhaltene Aufmerksamkeit und Zuwendung stellen für Betroffene oft einen Krankheitsgewinn dar, weshalb ein Circulus vitiosus entsteht und der Fortbestand der Schmerzerkrankung gesichert ist. Psychogene Schmerzzustände zählen mit einer Lebenszeitprävalenz von 12,9 % zu den häufigsten psychischen Störungen überhaupt (Meyer et al. 2000). Bei längerem Bestehen der Erkrankung sind anamnestisch häufig ausgeprägte diagnostische Eingriffe mit wenig bis keinem organischem Korrelat zu erheben. Klassische Analgetika und auch Opioide bringen nur bedingt und große, missverständlich durchgeführte Operationen oft nur temporär einen Nutzen. Bemerkenswert ist, wie sensibel auf ein Anzweifeln der Schmerzen reagiert wird. 25 In dieser Hinsicht kann auch der Begriff „Sportverletzung“ anamnestisch bei psychogenen Schmerzen erhoben werden. Es ist gar nicht so selten, dass das eigentliche psychische Problem durch eine vermeintliche Verletzung, die im Alltag oder eben im Sport entstanden sein soll, überdeckt wird. Um seitens des/der Patienten/in zu untermauern, dass man kein/e Simulant/in oder Hypochonder ist, erklärt sich dieser oft und überaus schnell zu großen Eingriffen bereit. Psychogene Schmerzen sind für den/die Therapeuten/in äußerst schwer zu behandeln. Häufig entsteht aufgrund einer nicht enden wollenden Suche nach einer organischen Ursache seitens des/der Patienten/in ein Zielkonflikt zwischen Behandler/in und zu behandelnder Person. Zusätzlich kommen die meisten Patienten/innen anamnestisch mit einer langen Liste von bereits durchlebten und für sie nicht zufriedenstellenden Therapieversuchen. Eine zu hohe Erwartungshaltung ist die Folge, die für einen/eine ungeduldigen/ungeduldige Hilfesuchenden/Hilfesuchende sofort in Enttäuschung münden kann (Kenny 2004). Diese Punkte tragen von vornherein zu einer erschwerten Beziehung zwischen Arzt/Ärztin und Patient/in bei, welche aber Basis für alle weiteren Behandlungsschritte wäre. Auf eine unnötige Medikamentenanhäufung ist Acht zu geben. Dies stellt eine besondere Herausforderung dar, da psychogene Schmerzpatienten/innen von Zeit zu Zeit neue Symptome entwickeln können. Tranquilizer, im Speziellen Benzodiazepine, sind aufgrund ihrer Suchtgefahr abzulehnen. Neuroleptika sind ebenso nicht zu empfehlen. Opioide sollten nur bei entsprechenden Komorbiditäten verwendet werden (z.B. starke Schmerzen bei schwerer Osteoarthrose). Antidepressiva, insbesondere trizyklische, können eine schmerzstillende Wirkung erzeugen und zusätzlich bei Einschlafstörungen verwendet werden (Fishbain et al. 1998). Die Psychotherapie gilt zurzeit als Therapie der ersten Wahl. Sie inkludiert die Aufklärung über die Krankheit, ihr Entstehen und psychologische bzw. soziale Faktoren. Schmerzbewältigungsstrategien werden vermittelt und psychische Konflikte erkannt und behoben. 26 2.4.4 Mischschmerzen Tatsächlich ist in den seltensten Fällen nur eine Schmerzart für den/die Hilfesuchenden/Hilfesuchende das Problem. Zumeist sind mehrere Schmerzarten an der Erkrankung beteiligt. Die Schmerzen wie z.B. beim Bandscheibenvorfall oder einer Risswunde bestehen aus einer nozizeptiven und einer neuropathischen Komponente. Ohtori et al. (2013) kam in einer Arbeit zur Behandlung von schmerzhafter Gonarthrose zum Schluss, dass die Kombination von Meloxicam mit Pregabalin Meloxicam alleine überlegen war. Dies lässt die Folgerung zu, dass bei osteoarthrotischen Beschwerden ein neuropathischer Anteil für die Schmerzen mitverantwortlich ist (Ohtori et al. 2013). Auf der anderen Seite ist jede ärztliche Konsultation auch nur eine Momentaufnahme. Zu der ursprünglichen Schmerzart können sich im Verlauf andere hinzugesellen. Der Bandscheibenvorfall kann psychogene Schmerzen triggern. So ermöglicht die Erkrankung das Fernbleiben von Problemstellen (z.B. Mobbing am Arbeitsplatz). Ein Fortbestand der Schmerzsymptomatik wäre ein Krankheitsgewinn. An der Risswunde könnte es zu nozizeptiv-sympathischen Verschaltungen kommen. Ein komplexes regionales Schmerzsyndrom könnte die Folge sein. 27 2.5 Diagnostik Die Schwierigkeit der Schmerzdiagnostik liegt in der Subjektivität. Steht der Schmerz im Mittelpunkt der ärztlichen Konsultation, ist ein ausführliches Anamnesegespräch das wichtigste Diagnostikum. Neben gezielten Fragen werden verschiedene Schmerzskalen zur Objektivierung verwendet. Eine ausgiebige Inspektion und Palpation sowie klinische Tests und Untersuchungen (orthopädisch wie neurologisch) können vor allem nach einer entsprechenden Vorgeschichte nützliche Hinweise zur Therapieplanung geben. Zur Feststellung organischer Schäden sind bildgebende Verfahren wie Röntgen, Sonografie, Computertomografie, Magnetresonanztomografie etc. hilfreich. Bei chronischen und schwer behandelbaren Schmerzpatienten/innen ist anamnestisch immer an psychische und soziale Aspekte zu denken. Ein organischer Schaden - wenn überhaupt vorhanden - gibt keinen Rückschluss auf die vorhandenen Schmerzen, weder auf die Stärke noch auf die Ausprägung. Um eine erfolgversprechende Therapieschiene zu wählen, ist die Anamnese das A und O der Diagnosestellung. Angelehnt an den offiziellen Leitlinien der Deutschen Krebsgesellschaft, sind Schmerzen anamnestisch auf sieben Ebenen zu erfassen. Die Lokalisation, die Schmerzstärke, die Qualität, die Häufigkeit, die Dauer, modulierende Faktoren und Begleiterscheinungen sind zu erheben. 28 Mit einfachen „W-Fragen“ kann der/die Therapeut/in die Informationserfassung einleiten. W-Frage Charakteristikum Wo? Lokalisation und Ausstrahlung Wie stark? Schmerzintensität Wie fühlt es sich an? Qualität Wie oft/regelmäßig? Frequenz Wie lange? Dauer Was macht den Schmerz stärker/schwächer? Modulierende Faktoren Was hat sich noch verändert? Begleitsymptome Tabelle 3: Fragenkatalog zur Schmerzerfassung Lokalisation und Ausstrahlung Mithilfe von einfachen Fragen kann der/die behandelnde Arzt/Ärztin bei der Erstkonsultation das Schmerzgebiet eingrenzen. Wandernde Schmerzen im Verlauf geben Rückschlüsse auf die Erkrankungsursache. Eine etwaige Ausstrahlung in andere Körperregionen weist auf Kompressionssyndrome hin. Vermeintlich offensichtliche Ursachen von Schmerzen können in Wahrheit auch andernorts begründet liegen. Diffuse, nicht genau lokalisierbare Schmerzen weisen eher auf einen nozizeptiven Tiefenschmerz oder auf einen viszeralen Schmerz hin. Der Tiefenschmerz strahlt häufig in benachbarte Regionen aus. 29 Schmerzintensität Ein sehr wichtiges Charakteristikum zur Ersteinschätzung der Schmerzerkrankung - aber auch zur Therapiekontrolle - ist die Intensität. Um dem subjektiven Leiden des/der Hilfesuchenden Selbstbeurteilungsskalen Ausdruck herangezogen. zu Die verleihen, am werden häufigsten hierfür verwendete Schmerzskala ist die numerische Ratingskala (NRS). Hierbei wird der/die Patient/in gebeten den erlebten Schmerz mit einer Zahl zwischen Null und Zehn zu bewerten, wobei Null einem schmerzfreien Zustand entspricht und Zehn den stärksten vorstellbaren Schmerz darstellt. Analog verhält es sich mit den anderen Skalen, die in Abbildung 3 ersichtlich sind. Die verbale Ratingskala (VRS), die visuelle Analog-Skala (VAS) und die NRS können ab einem Alter von ca. 4 Jahren verwendet werden. Bis zu diesem Alter ist die Smiley-Skala nach Pothmann sehr gängig. Abbildung 3: Schmerzerfassung mittels Schmerzskalen (aus Beubler 2012, S. 7) Die Faces-Pain-Skala (FPS) ist ein weiteres, mittlerweile sehr gängiges Schmerzerfassungsinstrument und hat den Vorteil gegenüber der Smiley-Skala nach Pothmann, dass die gezeigten Gesichtsausdrücke Schmerzen verdeutlichen, 30 wohingegen die Smiley-Skala mit Emotionen wie Fröhlichkeit und Furcht verbunden werden kann. Qualität Neben der Schmerzquantität ist die Schmerzqualität ein wegweisendes Charakteristikum zur Diagnosestellung und zur weiteren Planung. Für den/die Therapeuten/in kann es hilfreich sein, sich die Beschwerden in ihrer Ausprägung beschreiben zu lassen. Die Frage „Wie fühlen sich die Schmerzen an?“ kann ein Anstoß sein. Zur genaueren Differenzierung können Adjektive verbal oder mittels eines Fragebogens angeboten werden. Häufig verwendet wird die Kurzform des McGill-Pain-Fragebogens. Dieser stellt zur genaueren Schmerzbeschreibung mehr als ein Dutzend Adjektive zur Verfügung. Frequenz, Dauer, Auslöser und modulierende Faktoren Die Frequenz und die Dauer des Auftretens geben in Kombination mit auslösenden und/oder modulierenden Faktoren wertvolle Rückschlüsse auf die pathophysiologischen Mechanismen, auf etwaige Körperschäden und somit auf die vorhandene Schmerzart. Begleitsymptome Eventuell vorhandene Begleitsymptome (Rötung, Ödem, Überwärmung) deuten auf einen Entzündungsprozess hin, der im Zuge eines Traumas entstanden ist. Außerdem können zusätzliche vegetative Symptome auftreten. Besteht zwischen der Verletzung und vegetativen Symptomen ein zeitliches symptomloses Intervall bzw. verstärken sich diese, könnte dies ein Hinweis auf einen Sympathikus unterhaltenen Schmerz sein, der möglicherweise mit einem CRPS zusammenhängt. 31 3 Schmerztherapie mit Nicht-Opioid-Analgetika Nicht-Opioid-Analgetika zählen rund um den Globus zu den am meisten eingenommenen Medikamenten überhaupt. Aufgrund ihrer leichten Verfügbarkeit gelten sie als sehr beliebt. Aufgrund ihres breiten Nebenwirkungsspektrums gerade bei Langzeittherapie ist der kritische Blick unabdingbar. Sie sind in der Medizin unverzichtbar, aber nicht in jeder Schmerzsituation die passende Arznei. NOA können mit zig anderen Arzneimitteln interagieren und so schwerwiegende Komplikationen verursachen. Ein Grundsatz lautet: Speziell bei polygramatischen Patienten/innen ist genau zu überprüfen, ob die Wechselwirkungen von NOA diese zur Schmerztherapie disqualifizieren können. Alternativ bieten sich hier Opioide an. 3.1 Einteilung Bei den Nicht-Opiod-Analgetika wird zwischen folgenden Gruppen differenziert. nicht saure, antipyretische Analgetika NOA ohne antipyretische und antiphlogistische Wirkung klassische NSAR (saure, antipyretische und antiphlogistische Schmerzmittel) neue NSAR (selektive COX-2-Hemmer, kurz: Coxibe) 32 Nicht saure, antipyretische Analgetika Paracetamol, Metamizol, Phenazon Nicht-Opioid-Analgetika ohne antipyretische und antiphlogistische Wirkung Flupirtin Klassische NSAR: Saure, antiphlogistisch-antipyretische Analgetika Salicylate (Acetylsalicylsäure) Arylessigsäuren (Diclofenac, Indometacin) Arylproprionsäuren (Ibuprofen, Dexibuprofen, Naproxen) Anthranilsäuren (Mefenaminsäure) Heterozyklische Ketoenolsäuren (Meloxicam, Piroxicam, Lornoxicam, Nimesulid) Neue NSAR: Selektive COX-2-Hemmer Celecoxib, Parecoxib, Etoricoxib Tabelle 4: Einteilung der Nicht-Opioid-Analgetika (modifiziert nach Beubler 2012, S. 18) 33 3.2 Cyclooxygenasen Die Cyclooxygenase ist ein Enzym, dem ein wesentlicher Beitrag an der Schmerzentstehung zukommt. Durch das Enzym Phospholipase A 2 wird aus Membranlipiden die vierfach ungesättigte Fettsäure Arachidonsäure freigesetzt. Diese wird mittels der COX zu zyklischen Endoperoxiden metabolisiert. Durch weitere biochemische Vorgänge entstehen daraus Prostanoide. Dazu zählen u.a. Prostacyclin, Prostaglandin E2, Prostaglandin F2α und Thromboxan A2. Die Wirkungen der genannten Vertreter sind äußerst variabel, der Einfluss stellt sich abhängig vom Rezeptor bei ein und demselben Prostanoid vielfältig dar. Im Folgenden werden für das grundlegende Verständnis die hauptsächlichen Funktionen gezeigt. Prostacyclin: Es hemmt die Thrombozytenaggregation und wirkt vasodilatatorisch. Sein Gegenspieler ist das Thromboxan A 2. Zusätzlich wirkt Prostacyclin pyretisch und erhöht die Schmerzempfindlichkeit. Es wird von den Endothelzellen der Gefäßwände über COX-2 produziert. Prostaglandin E2: Dieses ist unter anderem an der Fieber- und Schmerzentstehung, am Schutz der Magenschleimhaut und an der normalen renalen Funktionstätigkeit beteiligt. Prostaglandin F2α: Es steuert u.a. den Muskeltonus der Bronchialmuskulatur und des Uterus. Thromboxan A2: Es ist der Gegenspieler von Prostacyclin. Es ist für die Thrombozytenaggregation und für die Vasokonstriktion mitverantwortlich. Thromboxan A2 wird mittels COX-1 von den Thrombozyten produziert. In der Schmerzentstehung gelten die Prostaglandine als wichtige Faktoren, wobei im Speziellen das Prostaglandin E2 das bedeutendste entzündungsfördernde Prostaglandin darstellt. Die Häufigkeit ihres Vorkommens ist abhängig davon, wie viel seiner Vorstufen durch die Cyclooxygenase metabolisiert werden kann. Pharmakologisch kann antiinflammatorisch auf der Achse der Phospholipase A 2 34 (Hemmung des Enzyms durch Glukokortikoide) wie auch auf der nächsten Ebene durch Hemmung der Cyclooxygenasen (COX-Hemmer) angesetzt werden. Zum ersten Mal wurde Anfang der 70er-Jahre gezeigt, dass ASS (und verwandte Stoffe) durch Hemmung der COX die Ausschüttung proinflammatorischer Prostaglandine verringern (Vane 1971). In den 90er-Jahren wurden zwei verschiedene Isoformen von COX entdeckt. Vane & Botting (1995) stellten fest, dass COX-1 physiologischerweise fast überall im Körper vorkommt und dort wertvolle Aufgaben erfüllt. Dagegen finde man einen sehr hohen Umsatz der COX-2 in entzündeten Geweben (Vane & Botting 1995). Die Idee nur das Isoenzym COX-2 zu hemmen, um ausschließlich auf den Entzündungsprozess abzuzielen und damit vielen Nebenwirkungen zu entgehen, war Grundlage für intensive Forschung. Mittlerweile weiß man, dass auch die COX-2 physiologischerweise in verschiedenen Organsystemen vorkommt und bedeutend zur Wundheilung beiträgt. Eine Einteilung der NSAR im weitesten Sinne wird mitunter auch dadurch getroffen, in welcher Relation zueinander die beiden COX-Isoformen inhibiert werden. präferenzielle COX-1-Hemmer (ca. 10 fach COX-1 selektiv): Indomethacin, Ibuprofen, Naproxen, Piroxicam, ASS unselektive COX-Hemmer: Metamizol präferenzielle COX-2-Hemmer (2-10 fach COX-2 selektiv): Paracetamol, Meloxicam, Diclofenac, Celecoxib selektive COX-2-Hemmer (80-100 fach COX-2 selektiv): Parecoxib, Etoricoxib Tabelle 5: Selektivität der COX-Hemmung (modifiziert nach Beubler 2012, S. 20) Als Daumenregel gilt: Je größer die Hemmungsrelation zwischen COX-1- und COX-2 ausfällt, desto stärker ist die Thrombozytenaggregationshemmung, sprich die Wahrscheinlichkeit Arneimittelnebenwirkungen einer mit Blutung. Todesfolge geht Die auf Mehrzahl aller Blutungen zurück. Gerinnungshemmende Mittel (auch SSRI) und NSAR wurden mit den meisten der tödlichen Fälle in Verbindung gebracht (Wester et al. 2008). 35 Je größer die Inhibition der COX-2 im Vergleich zur COX-1 ist, desto weniger GITassoziierte Nebenwirkungen stellen sich ein. Auf der anderen Seite birgt eine verstärkte COX-2-Hemmung aber ein erhöhtes Thromboserisiko. Deshalb kann man NOA auch bezogen auf ihr Thromboserisiko einteilen: COX-2-Hemmung < 90 % (relatives Risiko einer Thrombose: 1,02 - 1,38): Ibuprofen, Meloxicam, Celecoxib, Etoricoxib COX-2-Hemmung >90 % (relatives Risiko einer Thrombose: 1,41 - 1,81): Diclofenac, Indomethacin, Piroxicam Tabelle 6: Prozentuale COX-2-Hemmung (modifiziert nach García Rodríguez et al. 2008) Je höher das Ausmaß der tatsächlichen COX-2-Hemmung ist (unabhängig von der Selektivität), desto höher ist das Risiko einen ischämischen Insult oder einen nicht-tödlichen Myokardinfarkt heraufzubeschwören (García Rodríguez et al. 2008). 36 3.3 Gefahren und Nebenwirkungen von NOA Tatsächlich wird das breite Nebenwirkungsprofil von Nicht-Opioid-Analgetika, besonders der klassischen NSAR und ASS, vom Gros der Bevölkerung unterschätzt. Rezeptfreie Schmerzmittel werden, vermutlich auch aufgrund ihrer Vermarktung als „verträgliche Soforthelfer“, zu schnell, zu oft und zu häufig eingenommen. Im Einzugsbereich des Giftnotrufs Erfurt (Mecklenburg- Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen: ca. 11.000.000 Einwohner) wurden im Zeitraum von zehn Jahren (2003 bis 2012) knapp 5.000 Vergiftungen durch Mono-Expositionen von Nicht-Opioid-Analgetika gemeldet. Ein großer Anteil der Vergiftungen geschah in suizidaler bzw. parasuizidaler Absicht, ebenso groß ist der Anteil der Vergiftungen, die zufällig entstanden sind (wahrscheinlich aus Unwissenheit). Auch wenn großteils keine bis nur leichte Symptome feststellbar waren (77 %), erinnern diese Zahlen an die unverantwortliche Einnahme von manchen Patienten/innen in Eigenregie (Hentschel et al. 2014). Kombinationspräparate mit Zusätzen wie Koffein haben dazu geführt, dass die Einnahmefrequenz von NOA mit Koffein als Adjuvans in die Höhe schoss. Der minimale therapeutische Vorteil einer schnelleren Anlaufzeit wich dem putschenden Effekt auf das ZNS mit der Folge der vermehrten missbräuchlichen Verwendung. Bei einer Untersuchung von 127 zahnärztlichen Patienten/innen kamen bei der Erstvorstellung 99 Patienten bereits analgetisch prämediziert. 54 % davon nahmen mindestens zwei verschiedene rezeptfreie Schmerzmedikamente schon vorab ein (Heard et al. 2008). Eine Befragung unter über 500 Patienten/innen, die sich in einer Notfallambulanz vorstellten, ergab, dass 56 % Naproxen, Paracetamol, Ibuprofen oder ASS innerhalb von 72 Stunden vor der ärztlichen Konsultation einnahmen. Sechs Prozent der Patienten/innen gaben an, die vom Hersteller vorgeschriebene tägliche Dosis überschritten zu haben (Heard et al. 2006). 37 Die unerwünschten Wirkungen von NOA unterscheiden sich von Substanzklasse zu Substanzklasse und selbst darin von Präparat zu Präparat. Zu den häufigsten Nebenwirkungen gehören Schäden und Veränderungen des Gastrointestinaltrakts, der Niere, der Leber und der Hämostase. Des Weiteren sind ZNS-Veränderungen, allergische Reaktionen und Blutbildveränderungen möglich. Bei Schwangeren und Kindern ist der Einsatz von NOA eingeschränkt möglich und von der Substanz abhängig. 3.3.1 Gastrointestinaltrakt und untere Darmregion Durch die verminderte Synthese von Prostaglandin E2 (COX-Hemmung) wird die protektive Wirkung der Magenschleimhaut gestört. Das Spektrum der Symptome bzw. Schäden reicht von Bauchschmerzen, Übelkeit, Sodbrennen, Durchfall bis hin zur Entstehung von Geschwüren und Blutungen. Präferenzielle COX-1Hemmer bergen dahingehend das größte Risiko. Um möglichen Magen-DarmProblemen entgegen zu wirken, können Misoprostol oder Protonenpumpenhemmer zusätzlich verabreicht werden. Dieser kombinierte Einsatz soll aber nicht der Norm entsprechen und nur bei längerer NSAR-Therapie Verwendung finden. Zahlreiche Studien weisen daraufhin, dass viele Nebenwirkungen (Blutungen, Ulzerationen etc.) ebenso im unteren Darmtrakt auftreten können (Bjarnason et al. 1993; Thiéfin & Beaugerie 2005). 3.3.2 Niere Durch die lokale Hemmung der COX wird die Nierendurchblutung gedrosselt. Der Körper ist daraufhin bemüht, dagegen zu steuern. Dies geschieht, indem Wasser und Natrium retiniert werden. Die Folge ist eine Blutdruckerhöhung. Dies ist vor allem dann kritisch, wenn die Niere schon vorgeschädigt ist bzw. die Patienten/innen an einer Herz-Kreislauf-Erkrankung leiden. In extremen Fällen kann es zu einer Niereninsuffizienz kommen (Cheng & Harris 2005). Relative Kontraindikationen bestehen bei Nierenvorgeschädigten. Dosisanpassungen sind bei älteren Menschen abhängig von der Nierenfunktion zu machen. 38 3.3.3 Leber Es kann zu Störungen der Leberfunktion kommen. Leberzellnekrosen oder Hepatitiden treten selten auf, aber sind möglich. In fast allen Fällen mit Leberversagen nach NOA-Gabe wurde entweder über- oder zu lange dosiert oder es handelte sich um Patienten/innen mit bereits vorgeschädigten Lebern. Relativ kontraindiziert ist die Gabe bei chronischem Alkoholabusus oder Mb. Meulengracht, absolut bei einer fulminanten Hepatitis oder bei Leberinsuffizienz. 3.3.4 Thrombozytenaggregationshemmung Nicht nur im Magen-Darm-Trakt, sondern auch in anderen Regionen, wie z.B. Hirn und untere Darmregion (Bjarnason et al. 1993; Thiéfin & Beaugerie 2005) kann es zu Hämorrhagien kommen. Je größer die COX-1-Hemmung ausfällt, desto größer ist das Blutungsrisiko. Dies ist bei chirurgischen Eingriffen (insbesondere bei neurochirurgischen) zu bedenken. Ein präoperatives Absetzen entsprechend der Halbwertszeit ist ratsam (Naidech et al. 2009). 3.3.5 Thrombose Demgegenüber erhöht sich das Thromboserisiko und damit das Risiko einen ischämischen Insult oder einen Myokardinfarkt zu entwickeln bei höherer tatsächlicher COX-2-Hemmung (Olsen et al. 2012). Naproxen scheint der aktuellen Datenlage folgend doch das gleiche kardiovaskuläre Risiko zu besitzen wie andere NSAR (De Vecchis et al. 2014). Obwohl für Metamizol bislang kein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko in Studien nachgewiesen wurde, scheint es die COX-2 in einem gleichen Maße zu inhibieren wie vergleichbare Arzneistoffe, für welche ein Risiko belegt ist (Hinz et al. 2007). 39 3.3.6 ZNS-Veränderungen Schwindel, Müdigkeit und Verwirrtheit sind zwar weniger bekannte, aber dennoch relativ häufige Begleiterscheinungen von NOA. Dazu zählen auch Kopfschmerzen. Man spricht dabei von medikamenteninduzierten Kopfschmerzen. 3.3.7 Allergische Reaktionen Diverse Überempfindlichkeitsreaktionen wie Rhinitis, Photosensibilität, Bronchialasthma, Hypotension bis hin zum Schock können vorkommen. Die Haut kann ebenso betroffen sein (Erytheme, Ekzeme, Urtikaria und seltener StevenJohnson- und Lyell-Syndrom). Pseudoallergische Reaktionen bei Morbus Widal (Polyposis nasi und Asthma bronchiale) basieren auf einer Veränderung im Arachidonsäuremetabolismus. Arachidonsäure kann durch die Lipoxygenase (LOX) zu Cysteinyl-Leukotrienen oder durch die COX zu Prostanoiden umgebaut werden. Die Einnahme von COXHemmern bedingt, dass Arachidonsäure in einem größeren Ausmaß auf dem zweiten Schenkel durch die LOX zu Leukotrienen umgewandelt wird, wodurch mehr Leukotriene letztendlich synthetisiert werden. Diese Mechanismen zeigen sich auch bei Personen, die keine Überempfindlichkeitsreaktionen entwickeln. Es ist davon auszugehen, dass zusätzlich eine abnormale Empfindlichkeit gegen Cysteinyl-Leukotriene besteht. Die Inzidenz einer ASS-Unverträglichkeit liegt in der Gesamtbevölkerung bei 0,6 - 2,5 %. Sie tritt bei Frauen früher und häufiger auf (2,3:1). Bei Patienten/innen mit Asthma bronchiale liegt die Inzidenz bei bis zu 10 % und bei Asthmatikern, die zusätzlich an Rhinosinusitis und Polyposis nasi leiden, liegt die Rate bei 40 - 80 % (Pfaar & Klimek 2006; Szczeklik et al. 2000). Bei einer bestehenden ASS-Unverträglichkeit sind wegen Kreuzreaktionen alle anderen nicht selektiven COX-Hemmer und NSAR zu meiden. Eine Alternative stellt Paracetamol dar. 40 3.3.8 Blutbildungsstörungen Selten, aber doch kann es auch zu Blutbildungsstörungen kommen. Dies betrifft vor allem Metamizol. Deshalb wurde es in einigen Ländern wie Schweden oder in den USA vom Markt genommen. Generell scheint das Risiko einer Agranulozytose oder einer Thromozytopenie äußerst klein zu sein und variiert je nach Literatur zwischen 1 : 1.000 und 1 : 1.000.000. Dies und die Tatsache, dass die Blutbildungsstörungen bei frühem Erkennen (regelmäßige Laborkontrollen) reversibel sind, bescheinigt Metamizol ein günstiges Risiko-Nutzen-Verhältnis. 3.3.9 Vorzeitiger Verschluss des Ductus arteriosus Botalli Der Ductus arteriosus Botalli stellt im fetalen Kreislauf eine wichtige Verbindung zwischen Truncus pulmonalis und Aorta dar. Da zu diesem Zeitpunkt die Lungen nicht belüftet sind, gelangt das Blut aus der Arteria pulmonalis direkt in die Aorta. Der Ductus wird in dieser Phase von Prostaglandinen offen gehalten. Ein Einsatz von COX-Hemmern v.a. in der Spätschwangerschaft sollte vermieden werden. Generell ist der Einsatz von NOA bei Schwangeren streng abzuwägen. 41 3.4 Grundsätze des analgetischen Einsatzes NOA sind ohne Frage wichtige Arzneimittel. Als behandelnder/behandelnde Therapeut/in ist es wesentlich zu wissen, bei welchen Indikationen NOA angezeigt sind und welche grundlegenden Regeln beim Einsatz dieser Therapeutika vorherrschen. Des Weiteren sind die Grenzen dieser Wirkstoffgruppe zu kennen und zu wissen wann welche anderen Medikamente oder Therapien besser geeignet sind. Die Schmerzmitteltherapie ist an die zugrundeliegende Erkrankung bzw. deren pathophysiologischen Mechanismen, sofern bekannt, gekoppelt. So erfordern unterschiedliche Schmerzausprägungen (bezogen auf Dauer und Schmerzart) unterschiedliche Analgetika. Akute Schmerzen können durch Hemmung von Schmerzmediatoren (NSAR), der Schmerzweiterleitung (Lokalanästhetika) oder zentraler Dämpfung (Opioide) behandelt werden. Letztere eignen sich speziell bei äußerst starken akuten wie auch bei chronischen Schmerzen. Trizyklische Antidepressiva und Antikonvulsiva zeigten durch Verstärkung hemmender deszendierender Bahnen bzw. durch Hemmung aktivierender aszendierender Bahnen ihren Nutzen bei neuropathischen Schmerzen. Dagegen ist ihr Einsatz bei akuten Schmerzen wertlos (Baron et al. 2010). Wichtige Grundsätze in der Schmerzbehandlung sind wie folgt: Posttraumatische Schmerzen sind unabhängig von ihrer Genese sofort zu behandeln. Gerade bei Sportverletzungen kann oft - noch bevor ein Medikament in Griffweite ist - durch einfache Maßnahmen unmittelbar der Genesungsverlauf positiv beeinflusst werden (PECH-Regel: Pause, Eis, Compression, Hochlagern). Dabei ist wichtig, dass eine initiale Schmerztherapie natürlich nicht die Diagnostik ersetzt. Diese erfolgt aber danach. Vorhersehbare Schmerzen (z.B. nach Operationen) oder Schmerzen, die in ihrem Verlauf sich zu verstärken scheinen, sind rechtzeitig und suffizient zu behandeln, um der Entwicklung einer komplizierten chronischen Schmerzerkrankung zuvorzukommen. 42 Fest vorgegebene Zeitpläne der Applikation fördern die Compliance und minimieren die Gefahr einer Überdosierung. Im Akutfall sind parenterale Gaben vorzuziehen. Im Verlauf kann auf die orale Applikation umgestellt werden. Bei leichten Sportverletzungen sind Salben, Sprays oder Cremes aufgrund ihrer niedrigen systemischen Wirkung vorteilhaft. Selbst bei chronischen Schmerzpatienten/innen können Pflaster eine Alternative darstellen. 3.4.1 Der WHO-Stufenplan 1982 wurde in Mailand durch die Idee, Krebspatienten/innen analgetisch optimal zu versorgen, die Grundlage für den WHO-Stufenplan gelegt. Codein, Morphin und ASS wurden damals empfohlen, um die Mehrheit der onkologischen Patienten/innen in die Schmerzfreiheit zu führen. Im Jahr 1986 wurde schließlich der WHO-Stufenplan publiziert. Die Grundidee besteht darin, Schmerzen zu Beginn mit Nicht-Opioiden zu therapieren (Stufe 1). Sollten diese nicht ausreichen, soll auf schwache Opioide (Stufe 2), und falls diese ungenügend sind, schließlich auf starke Opioide (Stufe 3) gewechselt werden. Abbildung 4: WHO-Stufenleiter (aus Diener & Maier 2011, S. 234) 43 Dies bedeutet, dass bei nicht zufriedenstellenden Ergebnissen von Nicht-Opioiden in ihrer empfohlenen Dosis und Einnahmefrequenz auf die nächsthöhere Stufe eskaliert werden soll. Es ist somit nicht empfohlen auf ein anderes Medikament der gleichen Stufe zu wechseln. Es ist nicht zulässig, das ineffektive Medikament mit einem zweiten NOA aus der identen Substanzklasse zu kombinieren. Und es ist untersagt eine weitere Dosiserhöhung durchzuführen. Es ist zu berücksichtigen, dass unterstützend eine Begleitmedikation aus Koanalgetika und Adjuvantien gegeben werden kann. Koanalgetika (u.a. trizyklische Antidepressiva und Antikonvulsiva) sind Arzneimittel, die beim Gesunden nur unwesentliche analgetische Effekte erzielen, bei neuropathischen Schmerzen aber die Schmerzempfindung symptomatisch modulieren. Zur Behandlung von möglichen Nebenwirkungen, die im Verlauf der Schmerztherapie wahrscheinlich entstehen, werden sogenannte Adjuvantien eingesetzt. In der ursprünglichen WHO-Ausgabe gehörten zur Begleitmedikation das Antikonvulsivum Carbamazepin, das Neuroleptikum Haloperidol, das Anxiolytikum Diazepam und die Glukokortikoide Prednisolon oder Dexamethason. Mittlerweile sind zu diesen Substanzen noch viele andere dazu gekommen. Des Weiteren empfiehlt der WHO-Stufenplan fünf Behandlungsgrundsätze (die ursprüngliche Fassung mit drei Einträgen wurde 1996 um zwei weitere ergänzt): by the mouth: Die Schmerztherapie sollte oral erfolgen. Im eigentlichen Sinne ist eine patienten/innenfreundliche, selbstständige Einnahme das ausgeschriebene Ziel. Dieser Punkt ist um Applikationspflaster, analgetische Salben etc. zu erweitern. by the clock: Der/Die Therapeut/in muss den/die Patienten/in vor einer Übermedikation schützen. Durch fix vorgegebene Applikationszeitpunkte wird eine Art Gewohnheit für den/die Patienten/in geschaffen, was sich positiv auf die Compliance auswirkt. Bei Nicht-Opioiden ist aufgrund ihrer Nebenwirkungen die geringstmögliche Dosis zu wählen, worunter Schmerzfreiheit erzielt wird. Bei starken Opioiden wird unter professioneller Anleitung solange die Dosis erhöht bzw. die Einnahmefrequenz verändert, bis Schmerzfreiheit erreicht wird. 44 by the ladder: Bei unzureichendem Therapieerfolg ist auf die nächsthöhere Stufe zu wechseln. for the individual: Die Auswahl des Medikaments (auch des Adjuvans) bzw. die Dosierung bei Opioiden richtet sich ausschließlich daran, wann Schmerzreduktion bzw. Schmerzfreiheit erreicht wird. Auf der anderen Seite gilt es zu beachten, dass jeder/jede Patient/in Nebenwirkungen entwickeln kann und diese individuell abzuwägen sind. attention to detail: Die Bedürfnisse der Patienten/innen, Umwelt- und Sozialfaktoren (psychogene Schmerzen) sind in die Therapieplanung miteinzubeziehen. Dahingehend darf nicht auf Alternativmaßnahmen vergessen werden. Mittlerweile stellt der WHO-Stufenplan die grundlegende Basis für die Behandlung von chronischen Schmerzen dar. 45 3.4.2 Auswahl des richtigen Analgetikums Die Auswahl des richtigen Analgetikums ist, wie oben dargelegt, abhängig von vielen Parametern, richtet sich aber vor allem an die individuellen Bedürfnisse des/der Patienten/in. Hilfreich ist eine korrekte und ausführliche Anamnese, die Rückschlüsse auf die Schmerzart erlaubt. Tabelle 7 zeigt anschaulich die Einsatzmöglichkeiten unterschiedlicher Analgetika (u.a. NOA) und und Koanalgetika abhängig von der Schmerzart und der betroffenen Lokalisation. Tabelle 7: Arzneimittelentscheidungshilfe (aus Beubler 2012, S. 100) 46 3.4.3 Schmerztherapie im ganzheitlichen Verständnis In den letzten Jahren hat man sich verstärkt dem Thema biopsychosoziales Modell zugewandt. Dem biopsychosozialen Modell folgend, ist neben dem organischen Korrelat einer Erkrankung immer die Psyche involviert. Ökosoziale und ethnische Faktoren können (als dritter Punkt) die Erkrankung positiv oder negativ beeinflussen bzw. sich in diesen Extremen auch auf den Heilungsverlauf auswirken. Diese Aspekte sollten alle eigenständig sowie auch in ihrer komplexen Wirkung zueinander wahrgenommen werden. Bei der psychologischen Komponente ist unter anderem an den Charakter des Menschen, an den Lebensstil und an die damit einhergehenden Verhaltensweisen bzw. Bewältigungsstrategien zu denken. Dazu gehört auch, dass die Krankheitstheorien des/der Patienten/in in die Therapie miteinbezogen werden. Ökosoziale Faktoren betreffen das familiäre Umfeld, den sozialen Rückhalt und die beruflichen Bedingungen. Vor allem Patienten/innen, die unter chronischen oder psychogenen Schmerzen leiden, profitieren von einem ganzheitlichen Zugang zur Problematik. Bei längerer Betreuung wird der/die Arzt/Ärztin automatisch zu einem/r Begleiter/in. Ein vertrauensvolles Kommunikationsverhältnis, das vor allem auf Empathie, Zuwendung und auf das Eingehen auf individuelle Bedürfnisse beruht, ist deshalb unabdingbar, um den/die Hilfesuchenden/Hilfesuchende auch durch schwierige Phasen leiten zu können. Der Denkansatz, dass neben der biologischen Komponente auch die Psyche und die ökosozialen Aspekte berücksichtigt werden, eröffnet eine breite Palette an alternativen Behandlungen. So können interdisziplinär Physiotherapie, Psychotherapie etc. ihren Teil zur Verbesserung der Lebensqualität beitragen. 3.4.4 Zukunftsaussicht Baron et al. (2012) haben festgestellt, dass vielversprechende Medikamente zur Behandlung von neuropathischen Schmerzen aus Tierversuchen sich in klinischen Studien am Menschen als wirkungslos erwiesen haben. Dies könnte auch daran 47 liegen, dass in die Studien Patienten/innen mit der gleichen Symptomatik inkludiert wurden, aber völlig unterschiedliche pathophysiologische Mechanismen zugrunde lagen, auf die die zu untersuchenden Arzneistoffe gar nicht ansprechen konnten. Deshalb würden Einschlusskriterien bezogen auf die vorliegenden Schmerzentstehungsprozesse in dieser Hinsicht mehr Sinn machen (Baron et al. 2012). Möglicherweise werden die verschiedenen Pathomechanismen, die zur Schmerzentstehung und -unterhaltung beitragen, zukünftig so gut verstanden, dass basierend auf den pathophysiologischen Zusammenhängen Therapien und Medikamente entwickelt werden, die zielgenauere Behandlungen ermöglichen. Eine Studie zur Behandlung von diabetischer Neuropathie hat z.B. gezeigt, dass Duloxetin (ein SNRI), das indirekt absteigende hemmende Bahnen verstärkt, bei denjenigen Patienten/innen am besten geholfen hat, die über eine eingeschränkte deszendierende Schmerzhemmung verfügten (Yarnitsky et al. 2012). 48 3.5 Topische Anwendung Eine alternative Applikationsform zur oralen Gabe besteht in der topischen Anwendung. Durch die Haut penetriert der Wirkstoff weiter durch die Subkutis in die Faszie und tiefer in die Muskulatur, in Sehnen und Bänder und erreicht durch die Gelenkskapsel schließlich die Synovialflüssigkeit, über die er sich im Gelenk auf die angrenzenden Strukturen verteilen kann. Dabei werden durchaus effektive Wirkspiegel erreicht, die letztendlich aber nur mit sehr kleinen Plasmaspiegeln einhergehen, wodurch systemische unerwünschte Wirkungen fast nicht mehr auftreten (Massey et al. 2010; Derry et al. 2015). Obwohl die Datenlage im Hinblick auf einen Vergleich von topischen Präparaten untereinander bzw. einem Wirkstoff topisch oder oral verabreicht, mangelhaft ist (Derry et al. 2015), stellt die Anwendung bei Zerrungen, Verrenkungen oder Prellungen eine effektive Alternative bei einem niedrigen Risiko systemische unerwünschte Wirkungen zu kreieren, dar. Massey et al. (2010) belegen dies durch eine große Metaanalyse, in der 47 Studien und knapp 3.500 Patienten/innen (Behandlungsdauer zwischen sechs und 14 Tagen) inkludiert wurden, die die topische Anwendung von NSAR (wie Diclofenac, Ibuprofen, Piroxicam und Indometacin) mit einem Placebo verglich. Für Diclofenac, Ibuprofen und Piroxicam konnte eine gute Schmerzreduktion bei topischer Applikation (Gel, Salbe oder Spray) gezeigt werden. Indometacin hat keinen Vorteil gegenüber Placebo (Massey et al. 2010). Eine andere Metaanalyse zur Feststellung der Wirksamkeit von topisch aufgetragenen NSAR bei Langzeitbehandlung (mind. zwei Wochen) scheiterte zum Teil an der Datenlage. Für Diclofenac konnte bei den Indikationen Osteoarthrose der Hand oder des Knies gezeigt werden, dass die topische Applikation in ihrer Wirksamkeit der oralen entspricht (Derry et al. 2015). In der Behandlung von leichten neuropathischen Schmerzen stellen NOA-Salben eine Alternative dar. In einer kleinen Studiengruppe wurde die topische Anwendung einer 1,5 prozentigen Diclofenac-Salbe bei postherpetischer Neuralgie und CRPS mit einer Placebogruppe verglichen und konnte überzeugen (Ahmed et al. 2015). 49 3.6 Nicht saure, antipyretische Analgetika 3.6.1 Paracetamol Anwendung: Leichte bis mittelstarke Schmerzen und Fieber In Kombination mit Opioiden bei starken Schmerzen Postoperative Schmerzen Osteoarthrose Paracetamol gilt als eines der sichersten Nicht-Opiod-Analgetika bei gutem Wirkungsprofil. Die Pharmakodynamik von Paracetamol ist bis heute noch nicht abschließend geklärt. Einige kontrovers diskutierte Mechanismen spielen dabei zusammen. Neben einer zentralen Wirkung verfügt dieser Arzneistoff über die Fähigkeit selektiv die COX-2 zu hemmen. So ließe sich erklären, weshalb Paracetamol einerseits kaum entzündungshemmend wirkt und andererseits bekannte Nebenwirkungen der NSAR (wie Blutungsneigung, Schädigung der Niere oder der Magenschleimhaut) wegfallen. Bei normaler Dosierung kommt es in extrem seltenen Fällen zu lebertoxischen Reaktionen. Schwere Leberinsuffizienz stellt eine Kontraindikation dar. Relativ kontraindiziert ist die Gabe bei chronischem Alkoholabusus, schwerer Niereninsuffizienz sowie bei Morbus Meulengracht mit eingeschränkter Glukuronidierung. Paracetamol wird von mehreren Leitlinien als Mittel der ersten Wahl zur Schmerzbehandlung von Osteoarthrose empfohlen. Einzig die Compliance aufgrund der häufigen täglichen Applikation war bisher verbesserungswürdig. Yaligod et al. (2014) verglichen im Rahmen einer Studie das klinische Outcome (Schmerz, Funktionalität) und die Zufriedenheit der Patienten/innen bei unterschiedlichen Dosisintervallen und Dosierungen. Dabei zeigte sich bei 250 teilnehmenden Personen, dass die klinischen Parameter und die subjektive Bewertung jener Gruppe von Patienten/innen mit einem längeren Einnahmeintervall (zweimal täglich 650 mg) dem der anderen Probanden/innen, die dreimal täglich 500 mg Paracetamol zu sich nahmen, überlegen war (Yaligod et al. 2014). 50 Paracetamol wird des Öfteren mit Doping in Verbindung gebracht. 2010 zeigte eine Arbeit, dass Radrennfahrer/innen in einem ca. halbstündigen Zeitfahren unter der Einnahme von Paracetamol signifikant schneller fuhren als die Placebogruppe. Die Idee, dass körperliche Leistung durch eine erhöhte Schmerztoleranz gesteigert werden kann, wurde bestätigt (Mauger et al. 2010). In einem ähnlichen Studienmodell bei Radkurzsprints wurden gleichwertige Ergebnisse erfasst (Foster et al. 2014). Das Antiemetikum schmerzstillenden Garnisetron Effekt von kann bei Paracetamol gleichzeitiger hemmen. Einnahme Alkohol fördert den die leberschädigende Komponente. Antikoagulantien wie Warfarin fördern die Blutungsgefahr. Dosierung: Max. Tagesdosis: 50 mg/kg Körpergewicht (Erwachsener/Erwachsene mit 80 kg KG: 4000 mg) Einzeldosis: ca. ein Viertel der Tagesdosis Einnahmefrequenz: bis zu 4 mal täglich Die Dosierung orientiert sich ausschließlich am Körpergewicht des/der Patienten/in. Bei eingeschränkter Nierenfunktion sollte die Dosis reduziert bzw. das Einnahmeintervall verlängert werden. Die meisten lebertoxischen Komplikationen entstehen durch Überdosierungen. Pharmakokinetik: Blutspiegelmaximum nach ca. 0,5 - 2 h Eliminationshalbwertszeit: ca. 1,5 - 2 h Die Glukuronidierung und Sulfatierung erfolgt in der Leber. Über Cytochrom P4502E1 (CYP2E1) entstehen lebertoxische Metabolite, die an und für sich durch Glutathion (durch Konjugation) entgiftet werden. Bei Glutathionmangel wirkt Paracetamol rascher hepatotoxisch. 51 3.6.2 Metamizol Anwendung: Starke akute und chronische Schmerzen Tumorschmerzen Postoperative Schmerzen Bei hohem Fieber als Alternative Kolikartige Schmerzen Die Pharmakodynamik von Metamizol ist noch nicht vollständig geklärt. In entzündeten Geweben erfolgt durch die basischen Gegebenheiten keine Anreicherung, weshalb periphere COX nicht gehemmt werden und somit kaum antientzündliche Eigenschaften bestehen. Die beobachteten Wirkungen schreibt man am ehesten einer Hemmung zentraler COX zu. Metamizol ist als sehr potentes Analgetikum bekannt. Zur Behandlung postoperativer Schmerzen nach lumbaler Mikrobandscheibenentfernung konnten Grundmann et al. (2006) in einer Studie zeigen, dass Metamizol in der analgetischen Potenz Parecoxib und Paracetamol überlegen war (Grundmann et al. 2006). Zusätzlich wirkt es fiebersenkend und spasmolytisch, weshalb sein Anwendungsgebiet auf viszerale Schmerzen (v.a. Koliken von Harn- und Gallenwege) erweitert werden kann. Als Nebenwirkungen sind allergische Reaktionen bekannt, weshalb intravenöse Injektionen langsam und unter Beobachtung erfolgen sollten. Die sehr gefährliche Agranulozytose als unerwünschte Wirkung hat dazu geführt, dass Metamizol in einigen Ländern nicht zugelassen ist (darunter: Schweden, Japan, angelsächsische Länder). Vor und regelmäßig während der Therapie sollte ein Blutbild und ein Differenzialblutbild erstellt werden, um eine mögliche Agranulozytose oder eine Thrombozytopenie rechtzeitig erkennen zu können. Aktuell variiert das in der Literatur angegebene Risiko zwischen 1 : 1.000 und 1 : 1.000.000. Laut einem Artikel der Arzneimittelkommission ist im deutschen Spontanmeldesystem bei 1.478 Verdachtsfällen von unerwünschten Wirkungen bei Metamizolgabe der Großteil auf Haut- und Hautanhangsgebilde, Veränderungen des Blutbildes sowie generalisierte Störungen gefallen. Knapp 52 acht Prozent aller gemeldeten Kasus bezogen sich auf zerntralnervöse bzw. psychische Störungen. Darunter fallen Verwirrung, Somnolenz, Angst und seltener Agitiertheit, Delir, Depressionen und Haluzinationen (Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft 2006). Kombinationen mit Opioiden, speziell bei chronischen Schmerzen, sind möglich. In einem Tierversuch im Jahre 2013 wurde bei der Kombination von Metamizol mit Tramadol ein synergistischer analgetischer Effekt beobachtet (Poveda et al. 2003). Metamizol könnte im Vergleich zu anderen NSAR möglicherweise ebenso häufig kardiovaskuläre Probleme hervorrufen. Es konnte gezeigt werden, dass es ebenso einen starken hemmenden Einfluss auf die COX-2 besitzt (Hinz et al. 2007). In Summe ist Metamizol ein sehr potentes Analgetikum mit einem vertretbaren Risiko. Dosierung: Max. Tagesdosen für Erwachsene: 3 - 5 g Einnahmefrequenz abhängig von Applikationsform Die Dosierung richtet sich nach Alter und Gewicht des/der Patienten/in. Injektionslösungen, Tabletten, Tropfen oder Zäpfchen sind häufige Applikationsformen. Pharmakokinetik: Blutspiegelmaximum nach ca. 1,5 - 2 h Eliminationshalbwertszeit von MAA: ca. 3 h Wirkdauer: 4 - 6 h Metamizol wird nach oraler Gabe zu seinem aktiven Metaboliten 4-NMethylaminophenazon (MAA) umgewandelt. Die Elimination erfolgt hepatisch und renal. Deshalb sollten bei eingeschränkter Leber- oder Nierenfunktion hohe Metamizoldosen vermieden werden. 53 3.7 NOA ohne antipyretische und antiphlogistische Wirkung 3.7.1 Flupirtin Anwendung: Schmerzhafte Muskelverspannungen Postoperative Schmerzen Tumorschmerzen Spannungskopfschmerzen Dysmenorrhö Flupirtin ist zurzeit nicht in Österreich, aber z.B. in Deutschland im Handel erhältlich. Es ist bei mittelstarken Schmerzen, besonders in Verbindung mit Muskelverspannungen des Bewegungs- und Halteapparates eine Alternative. Es ist das einzige der aufgezählten Nicht-Opioide, welches nicht über die Hemmung einer Cyclooxygenase ihren Effekt entfaltet. Bisweilen geht man davon aus, dass die Wirkung auf G-Protein-gekoppelten Kaliumkanälen beruht, welche die Aktivierung von NMDA-Rezeptoren hemmen (Raffa & Pergolizzi 2012). So wird angenommen, dass einerseits die Weiterleitung afferenter nozizeptiver Signale abgeschwächt und andererseits über polysynaptische Hemmung von spinalen Reflexen eine muskelrelaxierende Wirkung erzielt wird. Derzeit gilt das NutzenRisiko-Verhältnis von Flupirtin als umstritten. Die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft veröffentlichte 2007 einen Artikel, in dem hervorging, dass Flupirtin mit Leberschäden in Verbindung zu bringen ist (Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft 2007). Uberall et al. (2013) konnten zeigen, dass zur Behandlung von muskulär bedingten akuten Schmerzen des unteren Rückens Flurptin in Wirksamkeit und Verträglichkeit Diclofenac überlegen war (Uberall et al. 2013). Flupirtin kann mit anderen NSAR kombiniert werden. Als Nebenwirkungen sind sehr häufig Müdigkeit, Schwindel, Unruhe, Kopfschmerzen, Nausea und Emesis bekannt. Gelegentlich treten Magen-DarmProbleme oder Lebererkrankungen auf. 54 Kontraindiziert ist die Behandlung von Patienten/innen mit Lebervorerkrankungen oder Myasthenia Gravis. Dosierung: Max. Tagesdosis: 600 mg Einnahmefrequenz: 3 - 4 mal täglich Flupirtin wird beim erwachsenen Menschen mehrmals täglich als Tablette oral verabreicht. Bei Kindern können über den Tag gleichmäßig verteilt Zäpfchen verabreicht werden. Auch Retardtabletten für Einmalgaben sind erhältlich. Pharmakokinetik: Blutspiegelmaximum nach ca. 0,5 - 2 h Eliminationshalbwertszeit: ca. 7 h Der Arzneistoff wird vorwiegend über die Leber metabolisiert. 55 3.8 Saure, antipyretische und antihlogistische Analgetika Die Kombination von Entzündungshemmung und Schmerzstillung hat die Gruppe der klassischen NSAR zu einer der bedeutendsten Arzneimittel der Welt gemacht. Nebenwirkungen treten relativ häufig auf. Die Symptome sind unspezifisch, die Diagnostik ist aus diesem Grund schwierig. Adäquate kausale Notfallmaßnahmen gibt es nicht. Bei einer Überdosierung ist auf den Säure-Basen-Haushalt zu achten. Eine symptomatische Therapie ist angezeigt. Deshalb wird empfohlen, NSAR in der angegebenen Dosis und Frequenz so kurz wie möglich zu applizieren (bzw. bei Schmerzfreiheit in der niedrigstmöglichen Dosis). Klassische NSAR in Kombination mit Antikoagulantien, SSRI oder Glukokortikoiden erhöhen das Blutungsrisiko. Die blutdrucksenkende Wirkung von verschiedensten Diuretika wird unter gleichzeitiger Einnahme von NSAR deutlich herabgesetzt. Zusätzlich kann es zu Elektrolytentgleisungen und Herzrhythmusstörungen kommen. 3.8.1 Acetylsalicylsäure Anwendung: Sekundär- und Tertiärprophylaxe nach Infarkt oder Insult bzw. TIA Bei Vorhofflimmern als Alternativmedikament Polycythemia vera Akute mittelstarke (Zahnschmerzen, Schmerzen Regelschmerzen, mit Entzündungsbeteiligung Schmerzen bei Fieber und Erkältungen) Acetylsalicylsäure wirkt über die Hemmung der COX-1 und der COX-2 in ungefähr gleichem Ausmaß. So kommt die antiphlogistische, analgetische, antipyretische und thrombozytenaggregationshemmende Wirkung zustande. Für eine Hemmung der COX-1 in Thrombozyten (Gerinnungshemmung) reichen 30 - 100 mg täglich 56 aus. Zu beachten ist, dass die COX-1 (zur Produktion von Thromboxan A2) für ihre Lebensdauer von knapp zehn Tagen irreversibel gehemmt wird, da die Thrombozyten keine COX-1 synthetisieren können. Dagegen kann die COX-2 in den Endothelzellen nach kurzzeitiger Inhibition wieder neu synthetisiert werden, mit der Konsequenz, dass die Produktion von Prostacyclin rascher als die von Thromboxan anläuft. Durch diesen Mechanismus wird die thrombozytenaggregationshemmende Wirkung von ASS zusätzlich verstärkt. Die analgetische Wirkung wird erst ab 500 - 1500 mg täglich erreicht, die antiphlogistische in ausgeprägtem Maße erst ab 2.000 mg. Das ausgeprägte Nebenwirkungsprofil bei längerer Einnahme und in höheren Dosen reduziert eine vernünftige Verwendung (neben der sekundärprophylaktischen Gabe nach atherosklerotischen bzw. -thrombotischen Ereignissen) auf die kurzzeitige Behandlung von mittelstarken Schmerzen mit Entzündungsbeteiligung. Von den unerwünschten Wirkungen sind Mikroblutungen und Geschwüre, speziell im Magen und Zwölffingerdarm sowie Sodbrennen, Appetitlosigkeit, Nausea und Emesis bekannt. In hohen Dosen sind ebenfalls Leberpathologien möglich. Kontraindiziert ist die Therapie bei chronischen Leberschäden. Das ReyeSyndrom ist zwar eine äußerst seltene, aber sehr schwere Erkrankung der Pädiatrie mit Hirn- und Leberbeteiligung mit oft letalem Ausgang. Es wird neben Viren durch Salicylate wie ASS ausgelöst. Deshalb sollte ASS bei Kindern unter 12 Jahren überhaupt nicht angewandt werden. Paracetamol stellt für Kinder eine Alternative zu ASS dar. Dosierung: Max. Tagesdosis: 3.000 mg Einzeldosis: 500 - 1.000 mg Einnahmefrequenz: bis zu 3 mal täglich Pharmakokinetik: Blutspiegelmaximum nach ca. 0,5 - 1 h Eliminationshalbwertszeit: ca. 2 - 6 h (bei normalen Dosen) Wirkdauer: 4 - 6 h 57 Ca. ein Drittel der Acetylsalicylsäure wird im Plasma und in der Leber deacetyliert. Daraus entsteht die Salicylsäure, deren Elimination in der Leber wegen der begrenzten Kapazität der dortigen Enzyme dosisabhängig ist. Der pH-Wert des Urins entscheidet maßgeblich darüber wie groß der renal ausgeschiedene Anteil ist (5 - 35 %). Die Eliminationshalbwertszeit ist stark von der zugeführten Menge abhängig. Sie kann bei sehr hohen Dosen bis zu 30 Stunden betragen, bei Normaldosen dauert sie zwei bis sechs Stunden. 3.8.2 Diclofenac Anwendung: Schmerzhafte Entzündungen oder Schwellungen postoperativ oder posttraumatisch Akute und chronische Arthritiden (Gichtanfall, chronische Polyarthritis) Rheumatisch-entzündliche Wirbelsäulenerkrankungen (Morbus Bechterew) Spondylarthrosen Muskuloskelettale Beschwerden Diclofenac gehört zu den Arylessigsäurederivaten. Seine Anwendung ist vor allem als Antirheumatikum geschätzt. Die COX-inhibitorische Potenz ist hoch, wobei die Affinität zu COX-2 um das ca. Dreifache höher ist als zu COX-1. In einer Metaanalyse (2015) wurden Daten von 176 Studien (knapp 150.000 Patienten/innen) in der Behandlung von Osteoarthrose und rheumatoider Arthritis mit klassischen NSAR verglichen. Dabei wurden die Medikamente Diclofenac, Ibuprofen, Naproxen, Celecoxib und Etoricoxib im Hinblick auf ihre Wirksamkeit und die Verträglichkeit untersucht. Nutzen und Risiko von Diclofenac waren hierunter vergleichbar mit jenem der anderen Medikamente, weshalb die Wahl des Arzneimittels individuell entschieden werden sollte (van Walsem et al. 2015). Gastrointestinale Ulzerationen treten relativ häufig auf, weshalb bei längerer Anwendung die zusätzliche Gabe von Protonenpumpenhemmern erfolgen soll. Leber- oder Nierenschädigungen kommen sehr selten vor. Nichtsdestotrotz gilt es, bei langzeitiger Applikation regelmäßige Laborkontrollen durchzuführen. Des Weiteren kann es zu Kopfschmerzen, Übelkeit und Erbrechen kommen. Das 58 kardiovaskuläre Risiko ist bei der Gabe von Diclofenac im Vergleich zu anderen NSAR möglicherweise in der Langzeitbehandlung (größer als 30 Tage) erhöht. Die Datenlage hierzu ist jedoch unzureichend (Salvo et al. 2014). Als topisches Präparat (Gel oder Pflaster) kann es bei muskuloskelettalen Schmerzen und akuten Schmerzen bei kleineren Sportverletzungen angewandt werden (Derry et al. 2015; Predel et al. 2015). Dosierung: Max. Tagesdosis: 150 mg Einzeldosis: 50 - 100 mg Einnahmefrequenz: 2 bis 3 mal täglich Pharmakokinetik: Blutspiegelmaximum nach ca. 2 h Halbwertszeit im Plasma: ca. 1 - 2 h Die maximale Plasmakonzentration im Blut wird nach ca. zwei Stunden erreicht, in der Synovialflüssigkeit nach zwei bis vier Stunden. Die Ausscheidung erfolgt über die Niere und die Leber. 3.8.3 Indometacin Anwendung: Rheumatische Erkrankungen (Morbus Bechterew, rheumatoide Arthritis) Akuter Gichtanfall Hemicrania continua und paroxysmale Hemikranie Verschluss eines persistierenden Ductus arteriousus bei Frühgeborenen Indometacin ist ebenso den Arylessigsäurederivaten zuzuordnen und hat aufgrund seiner hohen Nebenwirkungsrate ein beschränktes Einsatzgebiet. Diverse MagenDarm-Probleme wie Übelkeit, Erbrechen, Druckgefühl, Bauchschmerzen und Ulzera sowie Kopfschmerzen, Schwindel und psychische Veränderungen treten bei bis zu 30 % der Patienten/innen auf. Allergische Hautreaktionen, Leukopenie 59 und Thrombopenie sind weniger häufig anzutreffen. Kontraindiziert ist die Anwendung bei einer Organinsuffizienz von Herz, Niere oder Leber, bei Blutbildungsstörungen, Ulcus ventriculi sowie bei einer bekannten Allergie gegen NSAR. Dosierung: Einzeldosis: 25 - 50 mg Einnahmefrequenz: 2 bis 3 mal täglich Tagesdosis: 100 - 200 mg Pharmakokinetik: Blutspiegelmaximum nach ca. 1 - 2 h Eliminationshalbwertszeit: ca. 3 - 11 h 3.8.4 Ibuprofen Anwendung: Als Antirheumatikum Akute Migräneattacken mit oder ohne Aura Leichte bis mäßig starke Schmerzen mit Fieber Ibuprofen ist chemisch gesehen eine Arylpropionsäure und in seiner COXhemmenden Potenz geringer als Diclofenac. Dafür sind die Nebenwirkungen im Vergleich zu anderen NSAR relativ gering. Es kann bei akuten und chronischen Schmerzbildern bei Verletzungen des muskuloskelettalen Apparates eingesetzt werden sowie bei rheumatoider Arthritis und Arthrose. Kontraindiziert ist es bei Nieren-, Herz- oder Leberinsuffizienz, bei gastrointestinalen Geschwüren und bei Blutbildungsstörungen. Wegen Wechselwirkungen mit Acetylsalicylsäure sollte Ibuprofen bei KHK-Patienten/innen nur kurzfristig eingenommen werden. Es kann während der Stillzeit verabreicht werden. Dosierung: Einzeldosis: 100 - 400 mg (Analgetikum); 400 - 800 mg (Antirheumatikum) 60 Einnahmefrequenz: 2 bis 3 mal täglich Pharmakokinetik: Blutspiegelmaximum nach ca. 1 - 2 h Eliminationshalbwertszeit: ca. 2 h 3.8.5 Dexibuprofen Anwendung: Als Antirheumatikum (speziell bei Arthrosen, auch bei anderen Arthritiden und Weichteilrheumatismus) Stauchungen und Zerrungen Leichte bis mittelstarke Schmerzen mit Fieber Zahnschmerzen Dysmenorrhö Dexibuprofen ist die rechts drehende Variante des Razemats Ibuprofen. Das S(+)Enantiomer Dexibuprofen löst sich im Vergleich zu Ibuprofen gastral schneller auf, weshalb in kürzerer Zeit effektive Wirkspiegel in den Zielorganen erreicht werden. Zur Behandlung von Gelenksschmerzen bei Osteoarthrose von Hüfte oder Knie ist Dexibuprofen bei gleicher Effektivität seinem Razemat Ibuprofen hinsichtlich seiner Verträglichkeit überlegen (Zamani et al. 2014). In seiner Wirkstärke findet sich der Arzneistoff zwischen ASS, welches schwächer ist und Diclofenac, welches als stärker analgetisch angesehen wird, wieder. Zur Behandlung schmerzender Gonarthrose besitzt Dexibuprofen das gleiche klinische Outcome wie Diclofenac, wobei es sich als besser verträglich darstellt (Hawel et al. 1997). Bei gleicher Wirkung im Vergleich zu Ibuprofen (Dosisratio 0,5 : 1), Diclofenac, Naproxen und Celecoxib ist Dexibuprofen im Allgemeinen besser verträglich. Eine Metaanalyse mit knapp 5.000 Patienten/innen kam zum Ergebnis, dass lediglich 3,7 % der behandelten Personen über Nebenwirkungen berichteten und nur drei Personen schwere Reaktionen zeigten (Kaehler et al. 2003). Die Nebenwirkungen sind mit denen von 61 Ibuprofen zu vergleichen und betreffen vor allem den Magen-Darm-Trakt bzw. die Nieren, die Leber, das Herz und das Blutbild. Dosierung: Einzeldosis: 200 - 400 mg Einnahmefrequenz: 2 bis 3 mal täglich Max. Tagesdosis: 1200 mg (Antirheumatikum) Pharmakokinetik: Blutspiegelmaximum nach ca. 1 - 2 h Eliminationshalbwertszeit im Plasma: ca. 2 h Die Plasmaspiegel von Dexibuprofen täuschen über seine tatsächliche Wirkungsdauer hinweg. In den Organen sind die wirklichen Konzentrationsspiegel länger und höher vorhanden als im Plasma. 3.8.6 Naproxen Anwendung: Als Antirheumatikum (chronische entzündliche Gelenkserkrankungen und andere entzündliche rheumatische Erkrankungen) Postoperativ oder posttraumatisch entstandene schmerzhafte Entzündungen oder Schwellungen (auch bei Zahnextraktionen) Muskel- und Gelenksschmerzen Naproxen gehört wie Ibuprofen und Dexibuprofen zu den Arylpropionsäuren. Die Einsatzgebiete entsprechen dem von Diclofenac. Dosierung: Einzeldosis: 250 - 500 mg Einnahmefrequenz: 2 bis max. 3 mal täglich Max. Tagesdosis: 1.000 mg 62 Pharmakokinetik: Blutspiegelmaximum nach ca. 2 - 4 h Wirkdauer: 8 - 12 h Eliminationshalbwertszeit im Plasma: ca. 10 - 18 h Im Vergleich zu anderen NSAR hat Naproxen eine relativ lange Halbwertszeit sowie eine lange Wirkdauer und sollte deshalb ein günstiges kardiovaskuläres Nebenwirkungsprofil aufweisen. Es zeigte in größeren Metaanalysen, u.a. Trelle et al. (2011), hinsichtlich kardiovaskulärer Sicherheit wegen der einhundertprozentigen COX-1 Hemmung leichte Vorteile gegenüber anderen NSAR und selektiven COX-2-Hemmern (Trelle et al. 2011). Der aktuellen Datenlage folgend ist das kardiovaskuläre Nebenwirkungsprofil von Naproxen aber mit dem anderer NSAR zu vergleichen (De Vecchis et al. 2014). 3.8.7 Meloxicam Anwendung: Chronische Gelenkserkrankungen (Arthritiden, aktivierte Arthrosen) Andere rheumatische Erkrankungen (v.a. Morbus Bechterew) Gicht Ischiassyndrom Schmerztherapie prä- und postoperativ Meloxicam gehört zu den heterozyklischen Ketoenolsäuren. Klinisch wird es gemeinsam mit seinen Namensvettern den Oxicamen zugeordnet. Dosierung: Einzeldosis: 7,5 - 15 mg Einnahmefrequenz: 1 mal täglich Max. Tagesdosis: 15 mg 63 Es besitzt eine lange Halbwertszeit, weshalb eine anwenderfreundliche, einmal tägliche Gabe während einer Mahlzeit favorisiert wird. Bei Schmerzzuständen oder aktivierten Arthrosen sind 7,5 mg zu geben bzw. kann die Dosis bei unzureichendem Therapieerfolg auf 15 mg erhöht werden. Eine südkoreanische Arbeit kam zu dem Schluss, dass die Kombination von Meloxicam mit Pregabalin in der Behandlung von schmerzhafter Gonarthrose Meloxicam alleine überlegen war. Dies lässt die Folgerung zu, dass bei osteoarthrotischen Beschwerden ein neuropathischer Anteil für die Schmerzen mitverantwortlich ist (Ohtori et al. 2013). Zur antirheumatischen Behandlung von rheumatoider Arthritis bzw. Morbus Bechterew wird eine tägliche Gabe von 15 mg empfohlen. Wie bei allen anderen Nicht-Opioid-Analgetika ist die niedrigstmögliche Dosis bei gleichzeitig zufriedenstellendem Therapieoutcome zu wählen. Pharmakokinetik: Blutspiegelmaximum nach ca. 2 h bei Suspension bzw. nach ca. 5 - 6 h bei Kapseln oder Tabletten Wirkdauer: ca. 24 h Eliminationshalbwertszeit im Plasma: ca. 20 h Meloxicam reichert sich in der Synovialflüssigkeit mit Konzentrationen in Höhe der ca. halben Plasmakonzentration an. Es wird hauptsächlich über CYP2C9 metabolisiert. Eliminiert wird es zu ca. gleichen Teilen über den Urin bzw. den Fäzes. 3.8.8 Piroxicam Anwendung: Als Antirheumatikum (chronische entzündliche Gelenkserkrankungen und andere entzündliche rheumatische Erkrankungen, im Besonderen: Mb. Bechterew, aktivierte Arthrosen, rheumatoide Arthritis) Piroxicam ist ein Oxicam und gehört zur Gruppe der heterozyklischen Ketoenolsäuren. Es besitzt ein gute Wirksamkeit, dies geht aber auf Kosten des 64 Nebenwirkungsprofils. Deshalb wird es bei den angegeben Indikationen als Mittel der zweiten Wahl verwende. Die Nebenwirkungen entsprechen im Allgemeinen denen der anderen NSAR. Bei längerer Einnahme wird in regelmäßigen Abständen eine Überwachung der Blut-, und besonders der Nieren- und Leberwerte, empfohlen. Dosierung: Einzeldosis: 20 mg Einnahmefrequenz: 1 mal täglich Empfohlene Tagesdosis: 20 mg Es wird einmal täglich während oder nach einer Mahlzeit gegeben. Piroxicam ist in Tabletten- oder Kapselform, als Injektionslösung oder als Gel erhältlich. Pharmakokinetik: Blutspiegelmaximum nach ca. 2 - 3 h bzw. erneuter Peak nach ca. 6 - 10 h Eliminationshalbwertszeit im Plasma: ca. 50 h Piroxicam besitzt eine sehr lange Halbwertszeit von 30 bis 60 Stunden, im Mittel 50 Stunden. Bei täglicher Einnahme wird nach ca. fünf bis zehn Tagen ein SteadyState mit konstanten Plasmaspiegeln erreicht. 3.8.9 Lornoxicam Anwendung: Chronische Polyarthritis Osteoarthrosen Lornoxicam ist ein weiterer Vertreter der Oxicame. Es wird zur symptomatischen Behandlung von Zusammenhang Schmerzen und mit entzündlichen Entzündungen und verabreicht, degenerativen die Erkrankungen im des rheumatischen Formenkreises stehen. 65 Dosierung: Einzeldosis: 4 - 8 mg Einnahmefrequenz: 2 bis 3 mal täglich Empfohlene Tagesdosis: 8 - 16 mg Im Vergleich zu den anderen Oxicamen ist die Halbwertszeit und damit die Wirkungsdauer relativ gering. Pharmakokinetik: Blutspiegelmaximum nach ca. 2 h Eliminationshalbwertszeit im Plasma: ca. 4 h In der Synovialflüssigkeit liegen Konzentrationsspiegel in der Höhe von ca. einem Drittel der Plasmakonzentration vor. Lornoxicam wird in der Leber hydroxyliert und konjugiert. Etwa ein Drittel der zugeführten Dosis wird renal und etwa zwei Drittel werden biliär eliminiert. 3.8.10 Nimesulid Anwendung: Akute Schmerzen Primäre Dysmenorrhö Nimesulid inhibiert die COX-2 etwa zehnfach stärker als die COX-1 und liegt damit zwischen Diclofenac und Celecoxib. Es war früher als Therapie der zweiten Wahl zur Behandlung von akuten Schmerzen und primärer Dysmenorrhö zugelassen. Vor ein paar Jahren wurde es aufgrund der vermeintlich erhöhten Lebertoxizität in der Behandlung gegen Arthrose gestrichen, mittlerweile ist es nicht mehr im Handel erhältlich. 66 Dosierung: Einzeldosis: 100 mg Einnahmefrequenz: 2 mal täglich Max. Tagesdosis: 200 mg Pharmakokinetik: Blutspiegelmaximum nach ca. 2 - 3 h Eliminationshalbwertszeit im Plasma: ca. 3 - 6 h Nimesulid wird in der Leber über CYP2C9 metabolisiert. Die Elimination erfolgt hauptsächlich über den Urin. Obwohl die Eliminationshalbwertszeit relativ kurz ist, reicht grundsätzlich eine zweimal tägliche Gabe von 100 mg, um die Wirkspiegel aufrechtzuerhalten. 67 3.9 Selektive COX-2-Hemmer Die selektiven COX-2-Hemmer (Coxibe) werden im erweiterten Sinne auch den NSAR zugeordnet. Der Ausdruck Coxibe beruht dabei nicht auf gemeinsame chemische Strukturen, sondern betont die Funktion dieser Wirkstoffklasse selektiv die COX-2 inhibieren zu können. Sie haben gegenüber den klassischen NSAR den Vorteil, dass sie wesentlich weniger gastrointestinale Beschwerden verursachen. Auf der anderen Seite ist das kardiovaskuläre Risiko durch die COX-2-Hemmung erhöht. Koronare oder zerebrovaskuläre Erkrankungen (KHK, Myokardinfarkt, Insult) im Vorfeld bzw. Prädispositionsfaktoren, die zu solchen Krankheiten führen, wie Hypertonie, Hyperlipidämie oder Diabetes, müssen berücksichtigt werden. Antikoagulantien kombiniert mit Coxiben erhöhen die Blutungsgefahr. Antihypertensiva können bei gleichzeitiger Einnahme von COX-2-Hemmern in ihrer Wirksamkeit deutlich abgeschwächt werden. Bei ACE-Hemmern, Ciclosporin und Tacrolimus sind die Nierenfunktionswerte zu überwachen. Ein Coxib kann die Plasmaspiegel von Methotrexat toxisch erhöhen. 3.9.1 Celecoxib Anwendung: Osteoarthrosen Rheumatoider Arthritis Zahnextraktionen Bei aktivierten Arthrosen und rheumatoider Arthritis ist die Verwendung von Celecoxib geeignet. Das Risiko für gastrointestinale Geschwüre ist durch ihre COX-2-Selektivität verringert. Jedoch ist die Anwendung bei gastrointestinalen Erkrankungen und vorbestehenden Ulzerationen kontrainidiziert. Bei gastrointestinalen Risikopatienten/innen stellt Celecoxib in Verbindung mit Protonenpumpenhemmern eine Alternative zu klassischen NSAR dar. Als 68 besondere Nebenwirkung ist bei Celecoxib das Auftreten von Infektionen der oberen Atemwege bekannt. Dosierung: Dosis: 200 - 400 mg pro Tag Einnahmefrequenz: 1 - 2 mal täglich Die tägliche Maximaldosis ist 400 mg. Studien mit Tagesdosen von 800 mg wurden ebenso durchgeführt und wiesen Celecoxib eine hohe Wirksamkeit bei gleichzeitig guter Verträglichkeit zur Behandlung von akuter Gichtarthritis nach (Schumacher et al. 2012). Pharmakokinetik: Blutspiegelmaximum nach ca. 2 h Eliminationshalbwertszeit: 6 - 12 h Die Biotransformation erfolgt langsam über das CYP2C9. Bei bekannten CYP2C9Poor-Metabolisierer ist die Hälfte der niedrigsten empfohlenen Dosis zu wählen. 3.9.2 Parecoxib Anwendung: Postoperative Schmerzen Parecoxib kann intravenös verabreicht werden. Postoperative Schmerzen können damit gut behandelt werden, da die Funktionalität der Thrombozytenaggregation unverändert bleibt. Eine multizentrische Studie, die den postoperativen analgetischen Einsatz von Parecoxib bei offener Prostatektomie untersuchte, konnte Parecoxib eine gute analgetische Wirksamkeit bescheinigen, die Blutungsereignisse waren jedoch in der Parecoxib-Gruppe erhöht (Dirkmann et al. 2015). Die wirksame Substanz Valdecoxib (aus der Vorstufe Parecoxib) bedingt kutane Nebenwirkungen, weshalb sich sein Einsatz auf kurzfristige Applikationen bei postoperativen Schmerzen beschränkt. 69 Dosierung: Initial 40 mg, Nachdosierungen bis 80 mg täglich Einnahmefrequenz: 1 mal täglich Pharmakokinetik: Blutspiegelmaximum nach ca. 0,5 h Eliminationshalbwertszeit: ca. 8 h Parecoxib wird im Körper zügig in seine Wirkform Valdecoxib umgewandelt. Valdecoxib wird über CYP2C9 und CYP3A4 abgebaut. 3.9.3 Etoricoxib Anwendung: Arthrosen Rheumatoider Arthritis, Gichtarthritis Tendinopathien Etoricoxib ist Diclofenac in analgetischer und entzündungshemmender Wirkung identisch, wobei die gastrointestinale Verträglichkeit bei Etoricoxib besser ausgeprägt ist. Bei Osteoarthrosen in Knie oder Hüfte konnte man zeigen, dass eine tägliche Dosis von 60 mg Etoricoxib gegenüber einer dreimal täglichen Einnahme von jeweils 50 mg Diclofenac im Hinblick auf physische Größen und Schmerzparameter idente Erfolge erzielen konnte. Etoricoxib zeigte am ersten Tag eine bessere klinische Wirksamkeit. Beide Medikamente wurden gut vertragen (Zacher et al. 2003). Bei Achillestendinopathien stehen in der therapeutischen Herangehensweise eine Schmerzreduktion und eine schnelle Wiederherstellung der Funktionalität im Vordergrund. Hierbei wurden Diclofenac und Etoricoxib in einer georgischen Arbeit untersucht. Beide Medikamente waren im Stande Schmerzen und die vorhandene Fußsteifigkeit zu reduzieren, wobei Etoricoxib signifikant weniger Nebenwirkungen aufwies (Maquirriain & Kokalj 70 2013). Bei schweren Leberinsuffizienzen, einer stark herabgesetzten KreatininClearance sowie bei Jugendlichen unter 16 Jahren ist Etoricoxib kontraindiziert. Etoricoxib wird ein im Vergleich zu anderen NSAR erhöhtes kardiovaskuläres Risiko nachgesagt (McGettigan & Henry 2013). Dosierung: 30 - 120 mg pro Tag Einnahmefrequenz: 1 mal täglich Obwohl das Nebenwirkungsprofil sehr günstig erscheint, gilt wie bei allen selektiven COX-2-Hemmern, dass die niedrigst mögliche Dosierung so kurz wie möglich gegeben wird, um kardiovaskulären Nebenwirkungen entgegenzuwirken. Pharmakokinetik: Blutspiegelmaximum nach ca. 1 h Eliminationshalbwertszeit: 22 h Die Elimination erfolgt über CYP3A4 mit einer langen Halbwertszeit. Die inaktiven Metaboliten werden überwiegend renal ausgeschieden. 71 4 Literaturverzeichnis Ahmed, S.U. et al., 2015. Effect of 1.5% Topical Diclofenac on Clinical Neuropathic Pain. Anesthesiology. Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft, 2006. Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft – „UAW-News – International“: Psychiatrische Störungen unter Metamizol. Deutsches Ärzteblatt, 103(8), p.65. Available at: http://www.aerzteblatt.de/archiv/50384. Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft, 2007. Leberschäden unter Flurpitin. Deutsches Ärzteblatt, 104(46). Auvray, M., Myin, E. & Spence, C., 2010. The sensory-discriminative and affective-motivational aspects of pain. Neuroscience and Biobehavioral Reviews, 34(2), pp.214–223. Bangaru, M.L.Y. et al., 2015. Differential expression of CaMKII isoforms and overall kinase activity in rat dorsal root ganglia after injury. Neuroscience. Available at: http://linkinghub.elsevier.com/retrieve/pii/S030645221500439X. 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