Römische Republik

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Römische Republik
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EINLEITUNG
Römische Republik, Epoche der römischen Antike, die traditionell auf die Zeit von 510 v. Chr., dem
mutmaßlichen Jahr der Vertreibung des letzten Königs Lucius Tarquinius Superbus, bis 27 v. Chr., der
Errichtung des Prinzipats durch Augustus, eingegrenzt wird und sich durch die kollektive Herrschaft der
Senatsaristokratie auszeichnet.
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INNERE ENTWICKLUNG ROMS IN DER FRÜHEN REPUBLIK (5. UND 4.
JAHRHUNDERT V. CHR.)
Roms expansive Energien, die seit dem späten 5. Jahrhundert v. Chr. erst Italien, dann den gesamten
Mittelmeerraum und angrenzende Gebiete erfassten, gründeten maßgeblich in den Besonderheiten seiner
Gesellschafts- und Staatsordnung. Der Zusammenhalt innerhalb der Aristokratie und über sie hinaus,
entstanden in der Phase existentieller Bedrohung in der Frühzeit der Republik, erlaubte die Mobilisierung
nahezu aller gesellschaftlichen Kräfte für den Krieg und entfachte so die Dynamik des sich formierenden
Weltreiches.
Wohl im ausgehenden 5. Jahrhundert v. Chr. stürzte der letzte König Roms aus der etruskischen Linie der
Tarquinier (siehe Rom, Frühgeschichte). An die Stelle des Königtums trat eine kollektive Herrschaft der
tonangebenden Geschlechter, des Patriziats. Die Patrizier leiteten ihre Macht ursprünglich von der Stellung
eines pater familias ab (von lateinisch pater: Vater; familia: Hausgemeinschaft) und waren durch das Band
gegenseitiger, hochformalisierter, von Rivalität keineswegs freier Freundschaft (lateinisch amicitia)
miteinander verbunden. Die nichtpatrizische freie Bevölkerung (Plebejer) stand zu den Patriziern im
patriarchalischen Verhältnis der Klientel, das die Patrone zur Schutzgewährung, die Klienten zu Dienst und
Treue verpflichtete. Die Klientel wurde zentrales Bindeglied zwischen oben und unten: Bei Wahlen und
Abstimmungen konnten mächtige Aristokraten das Gewicht ihrer Klientenzahl in die Waagschale werfen und
so ihrem politischen Einfluss Geltung verschaffen.
Allmählich schälte sich ein System hierarchisch gestaffelter Magistraturen heraus, dessen leitendes Prinzip
Machtbegrenzung durch Annuität (zeitliche Begrenzung auf ein Jahr) und Kollegialität (mindestens zwei
Amtsträger teilen sich eine Funktion) war. Beide Prinzipien waren nur in Krisensituationen durch das
Instrument der Diktatur außer Kraft gesetzt. Die Wahl der Magistrate, an deren Spitze die Konsuln, zugleich
militärische Befehlshaber im Krieg, standen, oblag der Volksversammlung (siehe Komitien). Gewesene
Amtsträger rückten in den Senat. Ungefähr gleichzeitig mit der Formalisierung politischer Funktionen
erfolgten erste Versuche der Rechtskodifikation: Ein erster Schritt hin zur Brechung des patrizischen
Machtmonopols war das Zwölftafelgesetz (um 450 v. Chr.), das erstmals gewisse Eckpunkte des Zivil- und
Strafrechts sowie der Prozessordnung schriftlich festhielt und einklagbar machte, mithin aristokratischer
Amtswillkür entgegenwirkte.
Der praktisch fortwährende Kriegszustand legte den Plebejern, die das Rückgrat des als Bürgermiliz
organisierten Heeres bildeten, erhebliche Lasten auf, die in deutlichem Missverhältnis zu ihrem sozialen
Status und politischen Einfluss standen und so zum Auslöser der Ständekämpfe zwischen Plebejern und
Patriziern wurden. Die Forderungen der Plebejer konzentrierten sich zunächst auf die rechtliche
Gleichstellung mit den zunehmend sich exklusiv gebärdenden Patriziern und auf das Mitspracherecht bei
existentiellen politischen Entscheidungen (Krieg und Frieden). Als Druckmittel verweigerte sich die Plebs,
bildete eine Schwurgemeinschaft, zog aus der Stadt aus und ging auf den Aventin, einen der sieben Hügel
Roms, der damals noch außerhalb der Stadtbefestigung lag (secessio plebis, erstmals ca. 494 v. Chr.), trat
also de facto in den Streik.
Schrittweise erreichte die Plebs in der Folgezeit die Anerkennung der Volksversammlung und des
Volkstribunats, die Legalisierung von Eheschließungen zwischen Plebejern und Patriziern (connubium) sowie
die Zulassung zu den Magistraturen. Die Volkstribunen genossen religiös hergeleitete Unverletzlichkeit ihrer
Person (sacrosanctitas) und konnten sich im Konfliktfall schützend vor Plebejer stellen (ius auxilii).
Endgültig legte erst die lex Hortensia, die Volksbeschlüssen Gesetzeskraft verlieh, 287 v. Chr. die
Ständekämpfe bei – nach der letzten (und historisch einzigen verbürgten) secessio plebis. Das Ergebnis der
Ständekämpfe war ein Kompromiss, der die führenden plebejischen Familien ins aristokratische
Herrschaftskartell integrierte und mit der Nobilität („Amtsadel”) einen neuen Typus Aristokratie
hervorbrachte, der, insgesamt durchlässiger, doch die alten Bindungen von amicitia und Klientel
konservierte. Weit mehr als in der griechischen Polis agierte der römische Bürgerverband als geschlossene
Einheit, zusammengeschweißt durch die unbedingte Konsensbereitschaft seiner Mitglieder.
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DIE RÖMISCHE EXPANSION IN ITALIEN (4. UND 3. JAHRHUNDERT V. CHR.)
Die innere Kohärenz der römischen Gesellschaft, ihrerseits Folge äußerer Bedrohung, bildete die Basis der
um 400 v. Chr. einsetzenden Expansion und ließ Rom auch schwerste außenpolitische Krisen (Kelteneinfälle,
Pyrrhos, Hannibal in Italien) durchstehen.
In Auseinandersetzung mit seinen unmittelbaren Nachbarn errang Rom zunächst die Hegemonie in Latium,
dessen Kleinstaaten unter äußerem Druck das Bündnis mit der Tiberstadt suchten (1. Latinischer Bund, um
493 v. Chr.). Gemeinsam wehrten Römer und Latiner im 5. Jahrhundert die Bedrohung durch italische
Bergstämme (Volsker, Äquer, Osker) ab. In Konflikt geriet Rom nach Vertreibung der tarquinischen Könige
auch mit den benachbarten etruskischen Städten: Die Eroberung und Zerstörung von Veji (396 v. Chr.) war
der erste Schritt zur Begründung der römischen Hegemonie in Italien. Seine Vormachtstellung in
Mittelitalien, erschüttert durch die Niederlage gegen die Kelten an der Allia 387 v. Chr., baute Rom in einer
Reihe von Siegen weiter aus: in den Jahren 340 bis 338 v. Chr. gegen die abgefallenen Latiner, 291 v. Chr.
gegen eine Koalition osko-sabellischer Stämme (Sabiner, Samniten, Lukaner, Umbrer) mit Kelten und
Etruskern und schließlich 272 v. Chr. gegen die griechischen Städte Süditaliens.
Das unterworfene Italien überzog Rom mit einem Netz von Kolonialstädten und Straßen, das die Kontrolle
weiter Räume gestattete. Die Römer gestalteten ein Bündnissystem, das die sozialen Nahverhältnisse von
Klientel und amicitia auf die Außenpolitik übertrug und ihnen selbst die militärische Kommandogewalt
sicherte. Die italische Bevölkerung teilte sich rechtlich in Römer, Latiner und Bundesgenossen.
Rom war spätestens mit dem Einbruch in die griechische Staatenwelt Unteritaliens auf der politischen Bühne
des Mittelmeerraums als erstrangiger Machtfaktor präsent. 282 v. Chr. schalteten sich die Römer in die
Rivalität zwischen den Städten der Magna Graecia ein und unterstützten Thurioi, Lokroi und Rhegion gegen
die mächtigste der Griechenstädte, Tarent (siehe Tarentinischer Krieg). Die Tarentiner verbündeten sich
daraufhin mit Pyrrhos von Epirus, der 280 v. Chr. in Tarent landete und sofort zum Führer eines
antirömischen Bündnisses mit Lukanern, Bruttiern und Samniten avancierte. In den wiederholten
Niederlagen gegen Pyrrhos bewährte sich das politische System Roms, das, statt auf Pyrrhos’
Friedensbedingungen einzugehen, den Krieg hartnäckig fortsetzte. Stets hinderten die Römer den Epiroten
daran, seine sprichwörtlichen, teuer erkauften „Pyrrhossiege” zu nutzen. Pyrrhos’ Stellung in Italien wurde
schließlich unhaltbar, und 272 v. Chr. zog er sich nach Griechenland zurück.
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DIE PUNISCHEN KRIEGE UND ROMS AUSEINANDERSETZUNG MIT DEM
HELLENISMUS (264-146 V. CHR.)
Der Konflikt mit dem Epiroten Pyrrhos lieferte nur einen Vorgeschmack auf die kommende Konfrontation mit
den mediterranen Großmächten in Ost (Makedonien, Seleukidenreich) und West (Karthago). Roms Aufstieg
zur italischen Hegemonialmacht und seine wachsende Verstrickung in die große Politik machten den
Zusammenstoß mit Karthago, das gleichfalls weitgespannte politische und merkantile Interessen in Italien
verfolgte, auf Dauer unvermeidlich. Zum primären Konfliktherd wurde Sizilien, wo sich karthagische und
römische Einflüsse und Interessen mehr und mehr überkreuzten. Durch die phönikische Kolonisation (seit
dem 10. Jahrhundert v. Chr.) hatten der Westen und Nordwesten Siziliens eine phönikisch-punische
Prägung erhalten und waren späterhin fester Bestandteil des maritimen karthagischen Imperiums. Im Osten
und Süden hatten sich seit dem 8. Jahrhundert v. Chr. Griechen festgesetzt. Hier entfaltete Syrakus eine
Vormachtstellung, die einen latenten Dauerkonflikt mit der karthagischen Einflusssphäre begründete.
Auseinandersetzungen brachen erneut auf, als sich im Zuge der Pyrrhoskriege kampanische Söldner, die
Mamertiner („Söhne des Mars”), in Messina festsetzten und von hier aus in Raubzügen auf karthagisches
und syrakusanisches Gebiet vorstießen. Vom syrakusanischen Strategen Hieron bedrängt, wandten sich die
Mamertiner teils an Rom, teils an Karthago um Hilfe. Roms Eingreifen zu Gunsten der Mamertiner brachte
die Kräftebalance in Sizilien in eine Schieflage, und der römische Angriff auf den karthagischen Verbündeten
Akragas (Agrigent) provozierte punische Flottenoperationen an der Küste Italiens. Aus dem Kleinkrieg
erwuchs eine erbitterte Auseinandersetzung zwischen den Großmächten, der 1. Punische Krieg (264-241
v. Chr.), in dessen Verlauf Rom zur Seemacht aufstieg und schließlich Karthago in dessem ureigenen
Element, dem Meer, bezwang (Seeschlacht bei den Ägadischen Inseln, 241 v. Chr.).
Im Friedensschluss mit Rom verlor Karthago Sardinien und Sizilien, hinfort die Kornkammer des Römischen
Reiches, und verpflichtete sich zu hohen Reparationen. Die rasche Erholung und den Wiederaufstieg
verdankte Karthago der Politik des Hamilkar Barkas (der „Blitz”) und seiner Nachfolger, der Barkiden, die
zur Kompensation der Verluste ihre Anstrengungen auf das punische Spanien richteten. Hier dehnten die
Karthager ihre Positionen so weit nach Norden aus, dass die Römer um Eindämmung bemüht waren: 226
v. Chr. musste Hasdrubal, Hamilkars Schwiegersohn, den Ebro als Interessengrenze Roms anerkennen.
Die Nichteinhaltung der Ebro-Linie durch Hasdrubals Sohn Hannibal (seit 221 v. Chr. Oberbefehlshaber der
karthagischen Truppen in Spanien) blieb zunächst folgenlos, da die Römer mit der Bekämpfung illyrischer
Piraten in der Adria beschäftigt waren. Die Überquerung der Alpen durch Hannibal 218 v. Chr. traf Rom
völlig überraschend und löste unverzüglich den Abfall der gerade erst unterworfenen Kelten in der Poebene
aus. Damit war der 2. Punische Krieg (218-201 v. Chr.) eröffnet. Zwei schwere Niederlagen in Folge – am
Trasimenischen See 217 v. Chr. und bei Cannae 216 v. Chr. – brachten Rom an den Rand des Abgrunds.
Abermals bewährte sich die innere Geschlossenheit der römischen Gesellschaft und des Bündnissystems.
Die hinhaltende Taktik des Diktators Quintus Fabius Maximus Cunctator (der „Zauderer”) brachte Hannibal,
der das eroberte Italien Stück für Stück wieder preisgeben musste, um seine Siege. Die römische
Gegenoffensive trug den Krieg nach Sizilien (212 v. Chr.), in das punische Spanien (209 v. Chr.) und
schließlich nach Nordafrika (204 v. Chr.). Isoliert und seiner Nachschubbasen beraubt, kehrte Hannibal nach
Nordafrika zurück und unterlag 202 v. Chr. bei Zama dem römischen Heer unter Scipio Africanus dem
Älteren.
Nach seiner Niederlage musste Karthago sämtliche außerafrikanischen und einen Teil seiner
nordafrikanischen Besitzungen abgeben und verlor seinen außenpolitischen Spielraum, blieb aber weiterhin
eine bedeutende Handelsmacht. Rom war mit dem 2. Punischen Krieg endgültig zur Vormacht im westlichen
Mittelmeerraum aufgestiegen. Nach dem Vorbild der bereits als Provinzen organisierten Inseln Sardinien
und Sizilien wurde Spanien in zwei durch Legionen gesicherte Provinzen geteilt, deren Befriedung indes
geraume Zeit in Anspruch nahm.
Unmittelbar nach dem Sieg über Karthago wandte sich das Augenmerk der römischen Außenpolitik nach
Osten. In einer inneren Krise des Ptolemäerreichs verständigten sich der Seleukide Antiochos III. und
Philipp V. von Makedonien auf die Annexion ptolemäischer Gebiete in Kleinasien und Ägypten ( siehe
Syrische Kriege). Hiervon alarmiert, suchten die regionalen Mittelmächte Pergamon und Rhodos 201 v. Chr.
in Rom um Hilfe nach. Die Römer waren mit dem Makedonen, der sich mit Hannibal verbündet hatte,
bereits am Rand des 2. Punischen Krieges aneinandergeraten (1. Makedonischer Krieg, 215-205 v. Chr.)
und nahmen nun den Krieg wieder auf (2. Makedonischer Krieg, 200-197 v. Chr.). Der Krieg endete mit
dem römischen Sieg bei Kynoskephalai und brachte das Ende der makedonischen Hegemonie über
Griechenland, dessen Freiheit Titus Quinctius Flamininus bei den Isthmischen Spielen in Korinth 196 v. Chr.
feierlich verkündete.
Die Expansion des Seleukidenreiches unter Antiochos III. über Kleinasien nach Griechenland brachte ein
römisch-pergamenischer Sieg 189 v. Chr. bei Magnesia in Kleinasien endgültig zum Stehen. Ohne oder gar
gegen Rom war seitdem auch im hellenistischen Osten kein Staat mehr zu machen: Einen letzten Versuch
zur Wiedererrichtung der makedonischen Hegemonie erstickte 168 v. Chr. ein römischer Sieg über die
Makedonen bei Pydna im 3. Makedonischen Krieg (172-168 v. Chr.) im Keim. Im selben Jahr wies ein
römischer Gesandter den nach Ägypten vorgestoßenen Seleukiden Antiochos IV. in die Schranken.
Die fast gleichzeitig erfolgten Zerstörungen Karthagos und Korinths 146 v. Chr. zeigten aller Welt, wie
rigoros die Weltmacht Rom gegen jede Form des Widerstands vorzugehen gedachte: Der Konflikt mit dem
numidischen König Massinissa, zu dessen Gunsten Rom offen Partei ergriff, hatte Karthago geradewegs in
den 3. Punischen Krieg (149-146 v. Chr.) getrieben, an dessen Ende, auf maßgebliches Betreiben des
Senators Cato (Ceterum censeo Carthaginem esse delendam: „Im Übrigen meine ich, dass Karthago
zerstört werden muss”), die vollständige Zerstörung der punischen Metropole stand. Der Sieger Scipio
Africanus der Jüngere ließ die Stadt dem Erdboden gleichmachen und in einem symbolischen Akt den Pflug
über das zerstörte Karthago führen. Nicht weniger brachial unterdrückten die Römer einen letzten
Auflehnungsversuch der im Achaiischen Bund zusammengeschlossenen Griechen und Makedonen: Sie
zerstörten Korinth, deportierten Angehörige der Eliten und richteten die Provinzen Makedonien und Achaia
(Peloponnes) ein.
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GESELLSCHAFTLICHER UND KULTURELLER WANDEL (3. UND 2.
JAHRHUNDERT V. CHR.)
Innenpolitisch begleitete die römische Expansion eine fortschreitende Abschließung der Nobilität:
Konsularische Familien, deren Angehörige sich in den Kriegen hervorgetan hatten, monopolisierten faktisch
den Zugang zu den Magistraturen und damit zum Senat, der sich mehr und mehr zum erstrangigen
Einflussfaktor entwickelte. Es geschah immer seltener, dass ein homo novus (neuer Mann), der keiner der
konsularischen Familien angehörte, das höchste Amt errang. Allmählich entstand, als formalisierte
Ämterlaufbahn, der cursus honorum, den der junge nobilis zu durchlaufen hatte und der ihn, im günstigsten
Fall, von einem der niederen Ämter (Volkstribun, Quästor, Ädil) zur Prätur oder zum Konsulat führte.
Gegenüber dem Prestigegewinn des Senats verlor die Volksversammlung an Gewicht; sie konnte zwar
Gesetze beschließen, hatte aber kein Initiativrecht.
Der Aufstieg der Republik zu imperialer Größe hatte aber noch weiter reichende Folgen: Die Eroberung des
hellenistischen Ostens öffnete Italien allmählich für orientalische Einflüsse in Kultur, Philosophie und
Religion. So bereitete sich das Eindringen orientalischer Kulte (Isis-, Mithras-, Kybele-Kult, auch des
Christentums) besonders in das kaiserzeitliche Rom vor. Hellenistische Prachtentfaltung und charismatischer
Führungsstil hielten Einzug in die römische Politik und gefährdeten zunehmend den Konsens der Eliten. Dem
griechisch-orientalischen Einfluss trat unter Berufung auf den mos maiorum (Sitte der Vorfahren) die
altrömische Reaktion unter Cato entgegen, freilich ohne die Hellenisierung auf Dauer verhindern zu können.
Ökonomisch machte sich die Expansion durch den Zufluss großer Geldmengen und die Aneignung des
eroberten Landes durch den senatorischen Großgrundbesitz bemerkbar. Die Konzentration des
Grundbesitzes und der Übergang zur Güterwirtschaft mit Sklaveneinsatz in großem Stil setzte die durch
langen Kriegsdienst ohnehin schon bedrängten Kleinbauern, die tragende Säule des Bürgerheeres,
zusätzlich unter Druck. Entwurzelte Bauern drängten in die Stadt, wo sie sich als Gelegenheitsarbeiter
verdingten und das Heer der Besitzlosen (proletarii) anschwellen ließen.
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DAS JAHRHUNDERT DER BÜRGERKRIEGE (133-30 V. CHR.)
Die aufgestauten sozialen Spannungen entluden sich, als ein Angehöriger der plebejischen Nobilität, der
Volkstribun Tiberius Sempronius Gracchus, den Versuch unternahm, mit einem Ackergesetz den
Großgrundbesitz zu beschränken und Land an Bedürftige zu verteilen (133 v. Chr.). Hintergrund der
Reformanstrengung war die dramatische Rekrutierungskrise der Armee durch das Absinken der Kleinbauern
zu proletarii. Den erbitterten Widerstand der Senatsmehrheit, die einen Kollegen des Gracchus sein Veto
einlegen ließ, versuchte Gracchus auszuschalten, indem er den Kollegen für abgesetzt erklärte und, zwecks
Wahrung seiner Immunität, die eigene Wiederwahl für das kommende Jahr betrieb. Den Regelverstoß
ahndete die Nobilität, indem Senatoren Tiberius Gracchus in aller Öffentlichkeit lynchten.
Tiberius’ Bruder Gaius Sempronius Gracchus machte sich das Reformprojekt zu eigen, zielte zudem auf eine
Aufwertung des nach den Senatoren reichsten Standes der Equites (Ritter) und versprach den
Bundesgenossen das römische Bürgerrecht. Nach zweijähriger Amtszeit (123/122 v. Chr.) als Volkstribun
nicht wiedergewählt, fand auch er in einer Straßenschlacht in Rom den Tod.
Der Sieg der Senatsmehrheit (Optimaten) über die „Volkspartei” (Popularen) brachte die Republik
keineswegs zur Ruhe. Äußere und innere Symptome legten vielmehr das ganze Ausmaß der Krise offen:
Sklavenaufstände (darunter der des Spartakus, 73-71 v. Chr.), Barbareneinfälle im Norden (Kimbern und
Teutonen, 113-105 v. Chr.) und Konflikte an der Peripherie (Jugurthinischer Krieg gegen Numidien, 111105 v. Chr.) erschütterten Rom.
Der Krise verdankte Gaius Marius, ein homo novus, seinen steilen Aufstieg: Nacheinander bezwang er
Jugurtha (105 v. Chr.), die Teutonen (102 v. Chr.) und die Kimbern (101 v. Chr.). Anders als die Gracchen
setzte Marius mit seinen Reformen beim Heer an, in dem nun auch Proletarier dienten, die späterhin als
Veteranen mit Land abgefunden wurden. So bildete sich, wiederum als Klientelverhältnis, eine enge Bindung
zwischen Feldherr und Soldaten heraus, mit wechselseitiger Verpflichtung und Verantwortung. Die
Veteranenversorgung provozierte Widerstand gleich von zwei Seiten: der grundbesitzenden
Senatsaristokratie und den Bundesgenossen, zu deren Lasten die Soldaten abgefunden werden sollten. So
löste die Politik des Marius indirekt den Bundesgenossenkrieg (91-89 v. Chr.) aus, in dem sich die meisten
italischen Bundesgenossen gegen Rom erhoben und, nach römischem Vorbild, einen eigenen Senat und eine
Bundeshauptstadt (Italica) ins Leben riefen. Erst die Verleihung eines – allerdings zunächst faktisch
eingeschränkten – Bürgerrechts an alle Bundesgenossen entzog der Sezession den Boden und beendete den
Krieg.
Kaum war der italische Bürgerkrieg beigelegt, drohte Rom von Osten her neue Gefahr: Mithridates VI. von
Pontos brachte nach und nach ganz Kleinasien in seine Gewalt und gewann Athen und Böotien als
Bündnispartner. Die römischen Popularen unter Cinna und Rufus wollten Marius mit dem Oberbefehl gegen
Mithridates betrauen, was Lucius Cornelius Sulla, der sich im Bundesgenossenkrieg hervorgetan hatte, 88
v. Chr. zu seinem ersten „Marsch auf Rom” veranlasste. Die Rivalität zwischen den aristokratischen Führern
mit ihrer jeweiligen Heeresklientel hatte eine gewichtige militärische Komponente erhalten. Der Bürgerkrieg
war endgültig in seine heiße Phase getreten.
Der Aufbruch Sullas, der nun den Oberbefehl gegen Mithridates erhielt, nach Osten überließ Rom erneut den
Popularen, die blutige Rache an den Optimaten nahmen und 87 v. Chr. Sulla zum Staatsfeind erklärten.
Nach seiner Rückkehr aus dem Orient errang Sulla einige Siege über die Popularen und zog 82 v. Chr.
erneut in Rom ein. Zum Diktator für die „Gesetzgebung und die Wiederherstellung des Staates” ernannt,
ließ Sulla nun die Anhänger des Marius durch Proskriptionen ausschalten und restaurierte die Führungsrolle
des Senats, den er durch Aufnahme ihm gewogener Ritter von 300 auf 600 Mitglieder vergrößerte. Um eine
Perspektive für die Rückkehr zur Normalität zu eröffnen, legte Sulla 79 v. Chr. die Diktatur nieder, bahnte
damit aber nur zwei weiteren Männern mit hohen Ambitionen, Licinius Crassus und Gnaeus Pompeius, den
Weg. 70 v. Chr. zu Konsuln avanciert, beseitigten die beiden die Sullanische Ordnung. Pompeius, der mit
seinen Feldzügen im Osten Alexander dem Großen nacheiferte, bildete nach der Niederschlagung der
Catilinarischen Verschwörung (siehe Catilina) durch Cicero (63/62 v. Chr.) zusammen mit Crassus und
Gaius Julius Caesar ein Interessen- und Machtkartell mit erdrückendem politischem Gewicht, das so
genannte 1. Triumvirat (60-53 v. Chr.).
Das Triumvirat war ein Zweckbündnis auf Zeit, die Konfrontation zwischen Caesar und Pompeius
vorprogrammiert. Caesar, Konsul im Jahr 59 v. Chr., sicherte sich ein prestigeträchtiges Kommando in
Gallien, das er, virtuos innergallische Rivalitäten ausnutzend, in den folgenden Jahren eroberte. Als Crassus
53 v. Chr. während seines Partherfeldzuges den Tod fand, brach die Rivalität zwischen Caesar und
Pompeius, der nun auf die Linie der Optimaten einschwenkte, offen aus: Caesar, der für den Fall seiner
Rückkehr nach Italien politische Prozesse fürchten musste, überschritt 49 v. Chr. den Grenzfluss Rubikon
und führte seine Truppen nach Rom – Auftakt zu einer neuen, blutigen Phase der Bürgerkriege. 48 v. Chr.
errang er bei Pharsalos einen entscheidenden Sieg über Pompeius, der wenig später auf der Flucht ermordet
wurde, und bis 45 v. Chr. hatte er endgültig im gesamten Reich die Oberhand über die Pompeianer
gewonnen. Bei dem Versuch, seine faktische Alleinherrschaft institutionell zu verankern, scheiterte er
jedoch: Kurz nach seiner Ernennung zum Diktator auf Lebenszeit, die seinen unbegrenzten
Herrschaftsanspruch aller Welt manifestierte, fiel er an den Iden des März, dem 15. März 44 v. Chr., in der
Kurie, dem Tagungsgebäude des Senats, einer republikanischen Verschwörung unter der Führung von
Brutus und Cassius zum Opfer.
Sofort entflammte der Bürgerkrieg von neuem, dessen Exponenten nun Marcus Antonius und Gaius
Octavius (Octavian), der Großneffe und designierte Erbe Caesars, wurden. Zunächst aber verbanden sie
sich 43 v. Chr. mit Aemilius Lepidus im 2. Triumvirat gegen die republikanische Opposition, gingen
gemeinsam gegen die Caesarmörder vor und teilten nach ihrem Sieg bei Philippi 42 v. Chr. das Reich unter
sich auf. Antonius, seit 41 v. Chr. mit der Ptolemäerin Kleopatra liiert, erhielt den Osten, Octavian, der
spätere Kaiser Augustus, den Westen. Namentlich Octavian schürte – die Alleinherrschaft im Blick – den
Konflikt mit Antonius und stellte propagandistisch geschickt traditionelle römische Werte gegen den
orientalisch-hellenistischen Herrschaftsstil des Antonius. Mit Octavians Seesieg über Antonius bei Aktium am
2. September 31 v. Chr. endete, ein gutes Jahrhundert nach dem Ackergesetz des Tiberius Gracchus, die
Periode der Bürgerkriege. Und es endete die Republik. Denn Octavian gab zwar 27 v. Chr. alle
außerordentlichen Befungisse an Senat und Volk zurück und verkündete die Wiederherstellung der
republikanischen Verfassung; faktisch übernahm er aber, vom Senat mit dem Ehrennamen Augustus
ausgezeichnet, als princeps (der Erste) in quasimonarchischer Stellung die Alleinherrschaft im Staat.
Zur weiteren Geschichte des Römischen Reiches siehe Römisches Kaiserreich.
Verfasst von:
Michael Sommer
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