1 Einleitung 1.1 Definition der Energieeinsparverordnung Der genaue Titel der Energieeinsparverordnung, abgekürzt als EnEV, lautet: „Verordnung über energiesparenden Wärmeschutz undenergiesparende Anlagentechnik bei Gebäuden“ Die EnEV stellt die Bewertung der Nachhaltigkeit von baulichen Maßnahmen dar. Das Bauen und Betreiben eines jeden Bauwerks/Gebäudes belastet die Umwelt. Unter Berücksichtigung der Nachhaltigkeit und der damit verbundenen Lebenszyklusbetrachtung kann eine Erhöhung der Qualität im Bauwesen erreicht werden. Aus der Nachhaltigkeit lassen sich für das Bauwesen folgende Schutzziele nennen: Ökonomische Nachhaltigkeit Erhaltung von Kapital Minderung der Verbrauchskosten Nachhaltigkeit von baulichen Maßnahmen Ökologische Nachhaltigkeit Geringe Betriebskosten Schutz des Ökosystems Schonung der Ressourcen Reduzierung der CO2-Emissionen Abb. 1-1: Schutzziele für die Nachhaltigkeit von baulichen Maßnahmen [1-1] Daraus resultierend ergibt sich die Fragestellung: a.) Wie kann die gewünschte Nachhaltigkeit eines Bauwerks erreicht werden? b.) Wie kann die objektive Beurteilung eines Gebäudes durchgeführt werden? 1.2 Zusammensetzung der Energieeinsparverordnung Die EnEV gilt ab dem 01.02.2002 und ersetzt zwei bis dahin getrennte Verordnungen für die energetische Auslegung zur Erfüllung von Mindeststandards bei Gebäuden: • Wärmeschutzverordnung (WSchV) nach DIN-4108 (Bauphysik) • Heizungsanlagenverordnung (HeizAnlV) nach DIN-4701 (Anlagentechnik) Bauphysik Anlagentechnik Begriffserklärung: DIN-4108: Gebäudehülle DIN-4701: Anlagentechnik DIN-4108 Jährlicher Heizwärmebedarf „Qh“ DIN-4701 AnlagenAufwandszahl „ep“ EnEV: (Bilanzverfahren) Qp = ep x (Qh + Qw) in [kWh/a] qp = ep x (qh + qw) in [kWh/m²a] Abb. 1-2: Qp = Jahresprimärenergiebedarf Qh = Jahresheizwärmebedarf Der jährliche Gesamtenergiebedarf, der sich aus den Transmissions- & Lüftungswärmeverlusten, aus internen und solaren Energiegewinnen ergibt Qw = Zuschlag für die Warmwasserbereitung Der Nutzwärmebedarf für die Warmwasserbereitung nach der EnEV bei Wohngebäuden 12,5 kWh/m²a ep = Anlagenaufwandszahl Die Energieaufwandszahl aus den Wärmeverlusten bei der Verteilung von Heizenergie und Warmwasser Fusion der WSchV und HeizAnlV zur EnEV [1-2] Ziele der daraus resultierenden Energieeinsparverordnung sind: • Senkung des Primärenergiebedarfs auf das Niveau von Niedrigenergiehäusern • Umstellung der Bewertung von jährlichem Heizwärmebedarf auf den jährlichen Primärenergiebedarf • Zusammenfassung zweier Verordnungen zur ganzheitlichen Betrachtung • (Verordnung zum Wärmeschutz / Verordnung zur Anlagentechnik) • Erleichterungen für den Einsatz erneuerbarer Energien bei Warmwasserbereitung, Heizung und Lüftung • Sommerlicher Wärmeschutz auch ohne den Einsatz von Energie und Kühlung • Einführung von aussagekräftigen Energiebedarfsausweisen [1-3] 2 1.2.1 Einführung In Deutschland wird fast ein Drittel der insgesamt eingesetzten Energie für Raumheizung und Warmwasserbereitung aufgewendet. Das Ziel der neuen Verordnung ist es, den Energiebedarf bei Neubauten um durchschnittlich 30% gegenüber dem bisherigen Niveau auf den Standard von Niedrigenergiehäusern abzusenken. Neben der Energieeinsparung soll damit auch ein wirksamer Beitrag zur Klimavorsorge geleistet werden. Die erneuerbaren Energien, sowie die Kraft-Wärme-Kopplung werden in der Verordnung besonders berücksichtigt. Erstmalig werden mit der EnEV der Wärmeschutz an der Gebäudehülle und die Anlagentechnik innerhalb des Bauwerks gemeinsam bzw. zusammenfassend betrachtet. Dieser ganzheitliche Ansatz ermöglicht eine Gesamtbilanzierung des Gebäudes unter detaillierter Berücksichtigung des Energieaufwands. Ein geringer Standard im baulichen Wärmeschutz kann zukünftig durch eine effizientere Gebäudetechnik ausgeglichen werden und umgekehrt. Das Anforderungsniveau der EnEV ist nach dem Stand der Technik erreichbar. Es ist auch wirtschaftlich erfüllbar, wenn die in der Verordnung enthaltene Kompensationsmöglichkeiten zwischen den Anforderungen an die Bauteile der Gebäudehülle und an das System der Energieversorgung ausgenutzt und verstärkt neue technische Entwicklungen eingesetzt werden. Die wesentlichen Gebäudezahlen zum Aufwand und Verbrauch werden in einem Energiebedarfsausweis zusammengestellt. Im Unterschied zum „alten“ Energiebedarfsausweis werden nunmehr neben den gebäudespezifischen Daten auch die Energiekennzahlen der Anlagentechnik erfasst. Bei Neubauten, sowie bei der Gebäudesanierung ist die Erstellung eines Energiebedarfsausweises verpflichtend, bei Bestandsbauten erfolgt die Ausstellung auf freiwilliger Basis. Auf Wunsch kann der Käufer oder Mieter eines Gebäudes den Energiebedarfsausweis einsehen [1-4]. 1.2.2 Aufbau Was gilt für den Neubau? Die Wärmeschutzverordnung hat bisher den jährlichen Heizwärmebedarf eines Gebäudes geregelt. Mit der neuen EnEV wird in der zusammenfassenden Betrachtung von Gebäude- und Anlagentechnik nunmehr der jährliche Gesamtprimärenergiebedarf eines Bauwerks ermittelt und begrenzt. Dabei muss ein baulicher Mindestwärmeschutz eingehalten werden, der in seinem Niveau mit den Anforderungen der bisherigen Wärmeschutzverordnung vergleichbar ist. Was gilt für die Gebäudesanierung? Die größten Energieeinsparpotentiale liegen in der Gebäudesanierung. Aus diesem Grund stellt die EnEV, die sich im Kern an Neubauten richtet, wie 3 bereits die Wärmeschutzverordnung und die Heizungsanlagenverordnung, auch Anforderungen an den Gebäudebestand. Zu unterscheiden ist hier zwischen „bedingten“ und „echten“ Anforderungen: • Bedingte Anforderungen Die bedingten Anforderungen werden ausgelöst, wenn bestehende Gebäude erweitert oder wenn Außenbauteile ersetzt, erneuert oder erstmalig eingebaut werden (z.B. die nachträgliche Dämmung der Außenwände, des Daches sowie der Austausch von einfachverglasten Fenstern gegen eine Wärmeschutzverglasung). • Echte Anforderungen Die echten Anforderungen werden im begrenzten Umfang ausgelöst (z.B. die Dämmung bisher ungedämmter zugänglicher Warmwasserleitungen und Heizungsrohre bis Ende 2006). Alte Kesselanlagen für Erdgas oder Heizöl mit Einbaudatum vor Oktober 1978 müssen ebenfalls bis Ende 2006 ausgetauscht werden. Sind allerdings bereits Niedertemperaturkessel oder Brennwertgeräte im Einsatz, ist ein Austausch nach der EnEV nicht erforderlich. 1.2.3 Primärenergiebedarf Der Energieverbrauch neuer Gebäude hat sich in den letzten 25 Jahren drastisch reduziert. Dies ist auf eine rasante Entwicklung in der Bautechnik mit der Verbesserung von Baustoffen zur Dämmung und Isolierung zurückzuführen. Heute können Häuser mit nur einem Viertel des Energieverbrauchs (ca. 75 kWh/m²a) von durchschnittlichen Häusern vor 30 Jahren (ca. 275 bis 350 kWh/ m²a) ohne Mehrkosten gebaut werden. Mit einem Mehraufwand an Investitionskosten für eine wärmetechnische Verbesserung der Gebäudehülle kann der Energieverbrauch noch weiter gesenkt werden. Ein Gebäude in Niedrigenergiebauweise stellt allerdings andere Anforderungen an die Energieversorgung als herkömmliche Bauwerke im Bestand. Die beiden folgenden Rechenverfahren dienen als Grundlage zur Planung und Auslegung der Energieversorgung in Abhängigkeit zur Gebäudehülle. Die EnEV sieht zwei Berechnungsmethoden vor: • Das detaillierte Berechnungsverfahren (Monatsbilanzverfahren) Es berücksichtigt alle gebäude- und anlagenspezifischen Faktoren, wie solare oder interne Energiegewinne, Lüftungswärmeverluste, Wärmebrücken (z.B. Balkone - fließt als Wärmewiderstand, mit in den U-Wert ein), Aufstellort der Energieversorgung, Leitungsverlegung, etc. • Das vereinfachte Berechnungsverfahren (Jahresbilanzverfahren) Als Alternative zur ausführlichen Berechnung gibt es für Wohngebäude ein vereinfachtes Nachweisverfahren. Das vereinfachte Verfahren kann zwar zusätzliche Energiegewinne z.B. durch Glasvorbauten und transparente 4 Wärmedämmung nicht berücksichtigen, es ist jedoch flexibel handhabbar und kann „von Hand“ berechnet werden [1-5]. Die folgenden Abschnitte beschreiben, welche Energieversorgungssysteme in Niedrigenergiehäusern eingesetzt werden können und welche Entscheidungskriterien für deren Auswahl sinnvoll sind. 1.2.4 Energiebedarfsausweis Für Neubauten sind die wesentlichen Eckdaten zum Bauwerk sowie die Berechnungen zur Auslegung der Gebäudehülle und der Anlagentechnik in einem Energiebedarfsausweis zusammenzustellen. Die Einzelheiten (Form & Inhalt) regelt eine allgemeine Verwaltungsvorschrift der Bundesregierung. Dies entspricht dem Wärmebedarfsausweis, wie er seit 1995 bereits mit der Planung zu erstellen war. Die Ausweisung der Daten ist vergleichbar mit einem Fahrzeugschein, darin werden die wichtigsten technischen Daten zur energetischen Qualität dokumentiert. Bestehende Gebäude benötigen nur dann einen Energiebedarfsausweis, wenn entweder das beheizte Volumen um mehr als die Hälfte erweitert wird oder innerhalb eines Jahres mindestens drei Außenbauteile (z.B. Dach, Wand und Fenster) energietechnisch modernisiert werden, einschließlich einer neuen Anlagentechnik. Energienachweis bei Neubauten und Gebäudesanierung Normal beheizte Gebäude (mehr als 19°C) Wohngebäude Andere Bauwerke von 12°C bis 19°C Ausnahmen erfordl. Nachweisgröße: erfordl. Nachweisgröße: Jahresprimärenergiebedarf Jahresprimärenergiebedarf qp je m²-Nutzfläche qp je m²-Nutzfläche Fensteranteil Fensterflächenanteil der Fassade größer als 30% < 30% Beheizung Einzelfeuermin. 70% stätten Kraft-Wärme und Kopplung sonstige oder EnergieFensteranteil Erneuerbare erzeuger < 30% Energien vereinfachtes Nachweis für sommerlichen Hitzeschutz erfordl. Rechenverfahren: Jahresbilanz Monatsbilanzverfahren / Langverfahren EnEV nach DIN-EN-832 / DIN-4108 Anh.:1-Nr.:9 Mittlerer U-Wert der Gebäudehülle HT (EnEV Anh.: 1-Tab.:1) Abb. 1-3: 0,76 x HT (verschärft) Mittlerer U-Wert HT (Anh.:2) Ablaufplan zur Erstellung eines Energiebedarfsausweises [1-6] Energieverbrauchskennwerte ermöglichen den Kauf- oder Mietinteressenten einen Überblick über die bauphysikalische und energietechnische Werterhal5 tung einer Immobilie. Sie ermöglichen Rückschlüsse auf die Wohnqualität und die laufenden Betriebskosten. Daraus werden sich künftig zunehmend Vorteile für diejenigen Eigentümer ergeben, die vorausschauend modernisiert und instand gesetzt haben. 1.3 Anwendung der Energieeinsparverordnung Ein Gebäude verliert Energie an seine Umgebung. Diese Verluste müssen durch die Energieversorgung ausgeglichen werden. Die Abbildung 1-4 zeigt schematisch alle Energieströme, die bei der Berechnung des Heizwärmebedarfs zu berücksichtigen sind. Der Energiebedarf von Gebäuden: ca. 10% Wärmeverluste Abgas Energiegewinn ca. 4% Externe Gewinne (u.a. Sonneneinstrahlung, etc.) ca. 9% ca. 12% Wärmeverluste Dach Energieverlust Wärmeverluste Fenster Interne Gewinne (Herd, PC, etc.) Wärmeverluste Fensterlüftung Wärmeverluste Fußboden/Keller Speichermasse (schwere Bauart) ca. 29% ca. 22% Wärmeverluste Wände Wärmeverluste Undichtigkeiten Speichermasse (schwere Bauart) ca. 21% ca. 6% Energieverlust (100%) - Energiegewinn (13%) = Heizenergie (87%) Abb. 1-4: Energieströme im Gebäude Die Energieverluste lassen sich in drei Kategorien einteilen: • Transmissionsverluste (durch die Gebäudehülle: Wände, Dach, Keller & Fenster) • Infiltrationsverluste (Luftaustausch durch Undichtigkeiten, Öffnen von Türen) • Lüftungsverluste (eine Temperaturdifferenz zwischen Innen- und Außenluft) Die Energiegewinne lassen sich in zwei Kategorien einteilen: • Solarer Wärmegewinn (primär Sonneneinstrahlung/-einfall durch Glasflächen) • Interner Wärmegewinn (von Personen, Beleuchtung, elektrischen Geräten, wie z.B. PC, etc.) 6 Der Heizwärmebedarf „Qh“ eines Gebäudes setzt sich also aus den Transmissions-, den Infiltrations- und den Lüftungsverlusten abzüglich der solaren und internen Gewinne zusammen [1-7]. 1.4 Ziel des Handbuchs Vor dem Hintergrund des immer wichtiger werdenden Aspekts der Schonung nicht regenerativer Energieressourcen und des Klimaschutzes (Reduzierung der CO2-Emissionen auf etwa 968 Millionen Tonnen bis 2005) hat die Bundesregierung am 21.11.2001 eine Verordnung über energiesparenden Wärmeschutz und energiesparender Anlagentechnik bei Gebäuden im Bundesgesetzblatt verkündet. Die daraus resultierende EnEV ist seit dem 01.02.2002 in Kraft und soll als weiterer Ansatz zur Optimierung von Energieströmen dienen. Die EnEV fordert, dass in Zukunft bei der Planung von Gebäuden ein strengerer Maßstab bei der Umsetzung eines ganzheitlichen Energiekonzeptes anzulegen ist. Dieser neue integrierte Ansatz der Verordnung erlaubt Bauherrn und Planern, die verschärften energetischen Zielvorgaben individuell auszulegen. Der Anfang der Optimierung von Energieströmen war u.a. die Einführung des „Recycling“ im Bauwesen (Abb.1-5). bisher künftig Aufbereitung Materialkreislauf Demontage Sortierung Deponierung o Abbruch Bauwerk Produktkreislauf Aufarbeitung Remontage Deponierung Abb. 1-5: Energieströme, wie z.B. Material- und Produktkreislauf im Bauwesen [1-8] Das Produktrecycling unter ökonomischen und ökologischen Aspekten führt zu einer deutlich positiveren Bilanz als das „Downcycling“, (z.B. das Brechen von Stahlbetonfertigteilen zu Schotter), wie z.B. der Rückbau und die Wiederverwendung von Elementen des Plattenbaus zeigen. 7