Anatomische Grundlagen

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Diplomarbeit
Befall des Unterkieferknochens bei
Mundbodenkarzinom
eingereicht von
Bärbel Grabuschnig
Matr. Nr.: 0111240
zur Erlangung des akademischen Grades
Doktor der Zahnmedizin
(Dr. med. dent.)
an der
Medizinischen Universität Graz
ausgeführt an der
Abteilung für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie
Der Universitätsklinik für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde
unter der Anleitung von
Univ. Prof. Dr. Hans Kärcher
Dr. Dr. Wolfgang Zemann
DI Irene Mischak
Graz, am
Bärbel Grabuschnig
Ehrenwörtliche Erklärung
Ich erkläre ehrenwörtlich, dass ich die vorliegende Arbeit selbstständig und
ohne fremde Hilfe verfasst habe, andere als die angegebenen Quellen nicht
verwendet habe und die den benutzten Quellen wörtlich oder inhaltlich
entnommenen Stellen als solche kenntlich gemacht habe.
Graz, am
Unterschrift
Danksagungen
Herrn Univ.Prof. Dr. Hans Kärcher gebührt großer Dank für die Betreuung meiner
Diplomarbeit, sowie für die Bereitstellung sämtlicher Patientenakten zur Erhebung der
Daten.
Herrn OA Dr.Dr. Wolfgang Zemann danke ich als Zweitbetreuer für die aufgebrachte
Zeit zur Korrektur meiner Diplomarbeit.
DI Irene Mischak danke ich für die Ausarbeitung meiner Daten und die Gestaltung der
Tabellen.
Mein besonderer Dank geht an meine Eltern, Großeltern, meine Tante und meinen
Bruder, die mich alle während des gesamten Studiums unterstützt haben und ohne deren
Ermutigung die Absolvierung nicht möglich gewesen wäre.
Ein weiterer besonderer Dank gilt meinem Freund Dr. Andreas Jeglitsch, der mir mit viel
Geduld bei der Gestaltung und Formatierung meiner Diplomarbeit eine sehr große Hilfe
war.
3
Inhaltsverzeichnis
Eidesstattliche Erklärung ................................................................................................... 2
Danksagungen ...................................................................................................................... 3
Abbildungsverzeichnis ........................................................................................................ 5
1. Zusammenfassung ........................................................................................................... 6
2. Excecutive Summary ....................................................................................................... 7
3. Einleitung ......................................................................................................................... 8
4. Pathologische Grundlagen .............................................................................................. 9
4.1. Das Plattenepithelkarzinom ................................................................................................. 9
5. Anatomische Grundlagen ............................................................................................. 11
5.1. Anatomie und Entwicklung der Mandibula ..................................................................... 11
5.2. Anatomie des Mundbodens- Regio sublingualis .............................................................. 13
5.3. Anatomie des Halses ........................................................................................................... 14
5.3.1. Trigonum caroticum ................................................................................................... 14
6. Das Mundbodenkarzinom ............................................................................................ 16
6.1. Tumor .................................................................................................................................. 16
6.2. Stadien und Prognose der Tumorkrankheit ..................................................................... 19
6.3. Tumorsymptomatik ............................................................................................................ 21
6.4. Basisdiagnostik .................................................................................................................... 23
6.5. Therapie ............................................................................................................................... 29
6.5.1. Operative Behandlung ................................................................................................ 29
6.5.2. Plastische und rekonstruktive Chirurgie .................................................................. 34
6.5.2.1. Grundprinzipien des Gewebeersatzes .............................................................................. 34
6.5.2.2. Knochenersatz .................................................................................................................... 35
7. Material und Methodik ................................................................................................. 38
8. Ergebnisse ...................................................................................................................... 40
9. Diskussion ....................................................................................................................... 47
10. Literaturverzeichnis .................................................................................................... 52
4
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Endophytisches Wachstum .............................................................................. 9
Abbildung 2: Exophytisches Wachstum ............................................................................... 10
Abbildung 3: Ulzeröses Wachstum ....................................................................................... 10
Abbildung 4: Anatomie der Mandibula ............................................................................... 11
Abbildung 5: Regio sublingualis ........................................................................................... 13
Abbildung 6: Trigonum caroticum ....................................................................................... 14
Abbildung 7: TNM- Klassifikation ....................................................................................... 20
Abbildung 8: Radikale Neck- Dessiction ............................................................................. 31
Abbildung 9: Neck - Dissection: Zugang über T-Schnitt, Zugang nach McFee,
Zustand nach konservativer Neck Dissection, Zustand nach radikaler NeckDissection ........................................................................................................................ 33
Abbildung 10: Rekonstruktionsplatte zur Befestigung von Knochentransplantaten ...... 35
5
1. Zusammenfassung
Das Plattenepithelkarzinom des Mundbodens gehört mit seinen drei Hauptrisikofaktoren
Rauchen, Alkohol und schlechter Mundhygiene zu den häufigsten malignen Geschehnissen
in der Mundhöhle. Ein Karzinom zeichnet sich durch sehr rasches infiltratives Wachstum
aus, welches auch Nachbarstrukturen nicht verschont. So bilden sich Ulzerationen im
Bereich der Wangen, des Mundbodens und der Gingiva bis hin zu Infiltrationen in den
Knochen. Ist dieser von Tumorzellen besetzt, so handelt es sich immer um einen Tumor
der Klasse 4 nach der international anerkannten TNM- Klassifikation. Weiters werden
diese Tumoren nach Differenzierungsgrad eingeteilt. Diese Einteilung nennt man
histologisches Grading. Je undifferenzierter ein Tumor ist und je höher seine TNMKlassifikation ausfällt, desto schlechter ist die Prognose für den Patienten.
Um überhaupt feststellen zu können, ob der Knochen von Tumorzellen infiltriert wurde,
bedarf es einiger aufwändiger Techniken. Der Knochen muss vor der Untersuchung durch
den Pathologen entkalkt, eingebettet und schnittfähig gemacht werden. Die Entkalkung
erfolgt mittels Säuren. Vor der Beurteilung müssen die Präparate noch gefärbt werden.
Im Rahmen dieser Studie wurden 86 Patientenakten der Abteilung für Mund-, Kiefer- und
Gesichtschirurgie
der
Grazer
Universitäts-
Zahnklinik
mit
der
Diagnose
Mundbodenkarzinom aufgearbeitet. Der Frauenanteil beträgt 15,1 % und der Männeranteil
84,9 %. 13 Patienten wurden nicht in die Auswertung einbezogen, weil in ihren Fällen kein
Knochen entnommen wurde. Bei den restlichen 73 war in 27,4 % der Fälle der Knochen
infiltriert und in 72,6 % nicht. Die Statistik zeigt einen Zusammenhang von
Tumorinfiltration mit Tumorgröße gemäß der TNM- Klassifikation.
Frühe Erkennung und rasches interdisziplinäres Reagieren können helfen, den Patienten
noch in therapierbaren Stadien zu behandeln. Dabei spielt der Zahnarzt als Erstdiagnostiker
eine wesentliche Rolle.
6
2. Excecutive Summary
With it’s main risk factors of smoking, alcohol and a bad mouth hygiene, the squamous
cell carcinoma of the base of the mouth is one of the most common malignant diseases of
the oral cavity.A carcinoma is characterised through a very rapid infiltrativ growth, not
even sparing the neighbouring structures. Cosequently, ulcerations in the cheek-,
mouthbase-, and gingiva- areas, and even infiltrations into the bone develop.
If this bone is seized with tumor cells, it is, after the internationally acclaimed TNMclassification, most commonly a tumor of the class 4. Furthermore these tumors are
classified through grades of differentiation, also known as „histological grading“.
The more indifferent a tumor, and the higher it’s TNM- classification , the worse the
patient’s prognosis turns out.
In order to detect if the bone has been infiltrated by the tumor, a number of complex
techniques come in use. Prior to screening, the bone has to be decalcified, embedded and
prepared for slicing by the pathologist. The decalcification is carried out using acids.
Before judgement through the pathologist, the specimens have to be coloured.
Within this study at the Department of Maxillofacial Surgery of the Medical Centre Graz,
Austria 86 patients’ files with a diagnosis of squamous cell carcinoma of the base of the
mouth have been analysed. While 84,9 % of the patients were male, only 15,1 % were
female.
In 13 cases no bone was extracted, and the patients were not included in the evaluation.
Of the other 73 patients, 27,4 % already had an infiltrated bone, whereas 72,6 % hadn’t.
In accordance with the TNM- classification, the statistic shows us a correlation of the
tumor infiltration and the size of the tumor.
Early detection, as well as an urgent, interdisciplinary reaction can help curing the patient
while still being in the treatable stage. Hereby the dentist, being the primary diagnostician,
plays a significant role.
7
3. Einleitung
Die
vorgelegte
retrospektive
Studie
beschreibt
die Häufigkeit des
tumorösen
Knochenbefalls der Mandibula nach radikalchirurgischer Operation, durchgeführt an der
Grazer
Abteilung
Pathologieberichte
für
von
Mund86
Kiefer-
und
Patientenakten
Gesichtschirurgie.
mit
der
Es
Diagnose
wurden
die
„isoliertes
Mundbodenkarzinom“ untersucht. Als isolierte Mundbodenkarzinome definiert man
solche, die weder klinisch noch histologisch dem Knochen direkt aufsitzen. Auf Grund der
erheblichen postoperativen Beeinträchtigungen der Patienten sowohl in ästhetischer als
auch in funktioneller Sicht werden radikalchirurgische Operationen viel diskutiert. Dank
mikrochirurgischer Transplantate ist es aber heutzutage machbar ein ästhetisch
zufriedenstellendes Ergebnis zu erzielen.
Da es trotz modernen Techniken nicht hundertprozentig möglich ist, präoperativ eine
Infiltration in den Knochen sicher auszuschließen, ist man in Graz der Meinung, dass in
allen Fällen Knochen im Sinne einer Kontinuitätsresektion zu resezieren ist, in denen der
Tumor nicht weiter als ein Zentimeter vom Knochen entfernt liegt. Dadurch soll dem
Risiko eines Rezidivtumors weitestgehend entgegen gewirkt werden. Die Kastenresektion
wird in Graz nicht gemacht, da ihre Sinnhaftigkeit bezweifelt wird. Für diese Entscheidung
spricht auch die Tatsache, dass sich das Mundbodenkarzinom nicht nur per continuitatem,
sondern auch durch Embolisation der Lymphgefäße des Unterkieferperiostes verbreiten
kann, wie eine Studie von Fischinger et al.1 zeigt. Dies rechtfertigt eine aus
Sicherheitsgründen durchgeführte radikal- chirurgische Therapie.
1
Fischinger, J.; Kambic, V.; Gale, N.; Zargi, M.; Zerdoner, D.: Zur Frage der Erhaltung des Unterkiefers bei
der chirurgischen Behandlung des Mundbodenkarzinoms, Fortschritte der Kiefer- und Gesichtschirurgie,
Ein Jahrbuch, Band XXXVII
8
4. Pathologische Grundlagen
4.1. Das Plattenepithelkarzinom
Das Plattenepithelkarzinom ist ein plattenepithelial differenziertes Karzinom mit oder ohne
Verhornung. Wie der Name sagt entsteht es im Plattenepithel (Haut-, Mund-, Ösophagusschleimhaut).
Maligne epitheliale Tumoren (Karzinome) zeigen abhängig von ihrer Lokalisation
unterschiedliche Wuchsformen. Geht der Tumor vom Oberflächenepithel eines Hohlorgans
oder der Haut aus, unterscheidet man folgende drei Wuchsformen:

Endophytisch: solide oder knotige Tumorformationen infiltrieren die Wand eines
Hohlorgans oder Gewebes.
Abbildung 1: Endophytisches Wachstum2

Exophytisch: Tumoren, ausgehend von Oberflächenepithel, wachsen blumenkohlartig nach außen, das heißt in ein Lumen oder an die Oberfläche. Ihre
Oberfläche ist entweder glatt konturiert oder leicht polypös.
2
H.H.Horch; Praxis der Zahnheilkunde 10, Mund-,Kiefer-und Gesichtschirurgie 2; 3.Auflage
9
Abbildung 2: Exophytisches Wachstum 2

Ulzerös: Tumore mit einer Tumornekrose im Zentrum. Kann bei endophytischem
sowie bei exophytischem Wachstum vorkommen.
Abbildung 3: Ulzeröses Wachstum 2
Um die Morphologie des Plattenepithelkarzinoms zu beschreiben, liegt ein makroskopisch
als endophytisch wachsender, knotiger, oberflächlich ulzerierter Tumor vor. Die Histologie
zeigt große, polygonale bzw. spindelzellige Tumorzellen mit atypischen Kernen und
Mitosen. Mikroskopisch sind sie mäßig bis gut differenziert (histologisches Grading) mit
infiltrativem Wachstum.
Zu
unterscheiden
ist
noch
das
verhornende
vom
nicht
verhornenden
Plattenepithelkarzinom. Ersteres zeigt entweder konzentrische Hornperlen oder eine
Einzelverhornung.
Faktoren wie Rauchen, Alkohol, schlechte Mundhygiene oder Viren (humanes PapillomaVirus) machen das Plattenepithelkarzinom zum häufigsten malignen Tumor der
Mundhöhle. 3
3
Böcker, Denk, Heitz; Pathologie, 2. Auflage 2000
10
5. Anatomische Grundlagen
5.1. Anatomie und Entwicklung der Mandibula
Abbildung 4: Anatomie der Mandibula 4
Der Unterkiefer, Mandibula, besteht aus zwei, beim Neugeborenen noch bindegewebig
verbundenen Hälften, welche sich im ersten Lebensjahr knöchern vereinigen. Seine Teile
sind ein basaler, halbkreisförmiger Körper (Corpus mandibulae) und zwei Kieferäste
(Rami mandibulae), die lateral im Kieferwinkel (Angulus mandibulae) aufsteigen.
Kranial teilt sich der Ramus mandibulae in zwei Fortsätze: den Gelenkfortsatz (Processus
condylaris) und den spitzen Muskelfortsatz (Processus coronoideus). Der Gelenkfortsatz
teilt sich weiter in einen Gelenkkopf (Caput mandibulae) und einen Hals (Collum
mandibulae). Am Collum befindet sich eine Grube (Fovea pterygoidea), an der der M.
pterygoideus lateralis ansetzt.
Der Processus coronoideus dient dem M. temporalis zum Ansatz. Sowohl außen als auch
innen besitzen die Kieferäste raue Flächen, die dem M. masseter und dem M. pterygoideus
medialis als Ansatzflächen dienen.
4
A.Waldeyer, A. Mayet; Anatomie des Menschen 2, 16. Auflage
11
Auf der Innenseite beider Rami befindet sich das Foramen mandibulae, das von einem
Knochenspan (Lingula mandibulae) medial bedeckt wird. Durch das Foramen treten A., N.
und V. alveolaris inferior in den Canalis mandibulae. Vom Foramen auf dem Canalis läuft
der Sulcus mylohyoideus, welcher den gleichnamigen Nerv enthält. Direkt oberhalb des
Sulcus liegt die Linea mylohyoidea, die dem M. mylohyoideus als Ursprung dient.
An der Innenseite des Corpus mandibulae befinden sich noch zwei Gruben (Fovea
sublingualis; Fovea submandibularis), in denen die gleichnamigen Drüsen liegen, sowie
die Fossa digastrica, die dem M. digastricus als Ansatz dient.
Dem massiven Bogen des Unterkieferkörpers liegt der schmälere zahntragende Fortsatz
(Pars alveolaris) auf. Er trägt die Alveoli dentales, in denen sich die Wurzeln der Zähne
befinden. Die Alveoli selbst sind durch die Septa interalveolaria getrennt, die Alveoli
mehrwurzeliger Zähne sind weiter unterteilt durch Septa interradicularia.
Auf der Außenseite des Corpus befindet sich ca. auf Höhe des zweiten Prämolaren das
Foramen mentale. Hier treten A., N. und V. alveolaris inferior zur Haut aus.
12
5.2. Anatomie des Mundbodens- Regio sublingualis
Abbildung 5: Regio sublingualis5
Im Gegensatz zum Dach wird der Boden der Mundhöhle von Weichteilen gebildet.
Die Zunge wird topographisch nicht als Mundboden gesehen, sie ist vielmehr ein auf dem
Boden ruhender Muskelkörper. Die Region rund um sie herum und zwischen ihr und dem
Unterkiefer bezeichnet man als Regio sublingualis.
Diese Region ist bei nach oben geschlagener Zunge ganz zu überblicken. Das Dach bildet
die Mundschleimhaut, lateral bildet der Unterkiefer die Grenze, medial die Mm.
genioglossi und die Mm. geniohyoidei und den Boden bildet der M. mylohyoideus. Nach
hinten und unten verbindet sie sich mit dem Trigonum submandibulare.
An der Unterseite der Zunge befindet sich das Frenulum linguae und zu beiden Seiten
davon die Carunculae sublinguales. Hier münden der Ductus submandibularis und der
Ductus sublingualis major, die Ausführungsgänge der gleichnamigen Drüsen.
Zu beiden Seiten ziehen von den Carunculae Wülste, Plicae sublinguales, nach hinten.
Unter ihnen liegt die Glandula sublingualis, deren hinterer Teil mit zahlreichen Gängen,
Ductus sublingualis minores, neben der Zunge mündet. Vom vorderen Teil zieht der
Ductus sublingualis major, wie schon erwähnt, zur Caruncula.
Der Ductus submandibularis läuft medial der Glandula sublingualis. Mit ihm laufen der N.
lingualis und die A. und V. sublingualis.
5
Anton Hafferl; Lehrbuch der topographischen Anatomie, neu bearbeitet von W.Thiel, 3. Auflage
13
Der eigentliche Mundboden ist ein Muskel, der M. mylohyoideus, der aufgrund seiner
Eigenschaft auch den Namen Diaphragma oris trägt. Es trennt die Gebilde der Mundhöhle
von denen des Halses.
Der M. mylohyoideus ist ein unpaarer Muskel. Seine Fasern verlaufen vom
Zungenbeinkörper zur Linea mylohyoidea der Mandibula.
5.3. Anatomie des Halses
5.3.1. Trigonum caroticum
Abbildung 6: Trigonum caroticum6
Im Trigonum caroticum kann man beim Lebenden den Puls der A. carotis tasten .
Unter der Haut befindet sich das Platysma, unter welchem man wiederum den N.
transversus colli und den R. colli n. facialis findet, die sich verbinden. Weiters sind die
Muskeln sichtbar.
Sie bilden die Begrenzungen des Trigonums, nämlich kranial der Venter posterior des M.
digastricus in Begleitung des M. stylohyoideus, ventral der Venter superior des M.
omohyoideus und dorsal der vordere Rand des M. sternocleidomastoideus.
6
A.Waldeyer, A. Mayet; Anatomie des Menschen 2, 16. Auflage
14
Über den oberen Rand des Dreiecks ragt die Gl. submandibularis und im hinteren oberen
Winkel findet man noch den Ramus colli der Gl. parotis. Die beiden Drüsen werden vom
Tractus angularis getrennt.
Seinen wichtigsten Inhalt stellt der Gefäß- Nervenstrang dar. Vor ihm verlaufen die Vv.
facialis, lingualis und thyroidea superior, die sich in verschiedenster Weise vereinigen und
in die V. jugularis interna münden.
Während ihres Verlaufs durch das Trigonum caroticum liegen die Gefäße des GefäßNervenstranges immer anders zueinander. Er betritt das Dreieck zunächst am Vorderrand
des M. sternocleidomastoideus . Die V. jugularis interna liegt hier lateral und vor der A.
carotis communis und gelangt im weiteren Verlauf an ihre dorsolaterale Seite. Dorsal
grenzen sie an die prävertebralen Muskeln, medial an den Pharynx.
Zusätzlich zu den beiden Gefäßen befinden sich noch medial zwischen ihnen der N. vagus,
medial der Arterie der R. cardiacus n. vagi, lateral auf ihr die Radix superior und hinter der
Vene oder zwischen ihr und der Arterie die Radix inferior. Die beiden Radices verbinden
sich vor den Gefäßen zur Ansa cervicalis. Diese versorgt die Unterzungenbeinmuskulatur
außer den M. thyrohyoideus.
Die A. carotis communis teilt sich im Bereich des oberen Randes der Cartilago thyreoidea
in die A. carotis interna und die A. carotis externa. Der innere Ast liegt zunächst lateral des
äußeren, schiebt sich aber bald dahinter. Direkt auf der Teilungsstelle befindet sich das
Glomus caroticum. Es handelt sich hierbei um ein Paraganglion, welches Chemorezeptoren
besitzt, die im Blut den Sauerstoff- und Kohlendioxid- Partialdruck sowie dessen ph- Wert
registrieren. Innerviert wird es von Fasern des N. glossopharyngeus und des N. vagus
sowie von sympathischen Fasern des Ganglion cervicale superius. Impulse werden von
hier in die Medulla oblongata (Atem- und Kreislaufzentrum) geleitet. Kommt es zu einem
Absinken des Sauerstoffgehaltes im Blut oder zu einem Anstieg des Kohlendioxidgehalts,
so werden reflektorisch Atemfrequenz und –tiefe erhöht. 7
Die A.carotis interna zieht, gemeinsam mit der V.jugularis interna und dem N. vagus,
bedeckt von allen Stylomuskeln zur Schädelbasis in den Canalis caroticus ohne Äste
abzugeben.
7
http://dic.academic.ru/dic.nsf/dewiki/528849
15
Die A. carotis externa gibt mehrere Äste ab. Ihre ventralen Äste sind die A. thyroidea
superior, die zum unteren Pol der Schilddrüse zieht und weitere Äste abgibt, die A.
lingualis, die bald am Hinterrand des M. mylohyoideus verschwindet, und die A. facialis,
die das Dreieck medial vom Venter posterior des M. digastricus verlässt und ins Trigonum
submandibulare zieht.
Ihre dorsalen Äste sind die A. occipitalis, die nach hinten und lateral verläuft, parallel mit
dem Venter posterior des M. digastricus und der Ramus sternocleidomastoideus, der
parallel zum N. accessorius zum Muskel läuft.
Ihr medialer Ast ist die A. pharyngea ascendens, die entlang der Pharynxwand nach oben
läuft.
Medial vom Venter posterior des M. digastricus, zwischen V. jugularis interna und A.
carotis interna, betritt der N. hypoglossus das Dreieck. Hier entlässt er gleich die Radix
superior der Ansa cervicalis, deren Fasern er weiter oben aufgenommen hat.
Ein Teil dieser cervicalen Fasern verlässt ihn weiter ventral als Ramus thyrohyoideus.
Sein weiterer Verlauf ist bogenförmig (Arcus n. hypoglossi) und geht zur
Zungenmuskulatur.
8 9 10
6. Das Mundbodenkarzinom
6.1. Tumor
Das Wort „Tumor“ leitet sich aus dem Lateinischen ab und bedeutet Anschwellung,
Geschwulst. Für Mediziner ist ein Tumor eine Neubildung, die ohne Steuerung durch
übergeordnete Organismen wächst. Es handelt sich um ein autonomes Wachstum. Das
Hauptmerkmal ist die Zellneubildung oder Neoplasie.
Normalerweise halten sich in einem Organismus Zellneubildung, Zelldifferenzierung und
Zelluntergang die Waage. Alles wird von hormonähnlichen Stoffen und Mediatoren
gesteuert um unkontrollierte Wachstums- und Differenzierungsvorgänge zu verhindern.
Versagt dieses System, dann beginnen Zellen autonom zu wachsen.
11 12
8
Anton Hafferl; Lehrbuch der topographischen Anatomie, neu bearbeitet von W.Thiel, 3. Auflage
A.Waldeyer, A. Mayet; Anatomie des Menschen 2, 16. Auflage
10
Rohen; Anatomie für Zahnmediziner, 3. neu bearbeitete Auflage
11
E. Krüger; Lehrbuch der chirurgischen Zahn-,Mund- und Kieferheilkunde, Band 2
12
N. Schwenzer, M. Ehrenfeld; Spezielle Chirurgie, Zahn-,Mund- und Kieferheilkunde 2; 3. Auflage
9
16
Ausgangspunkt für das Wachstum ist entweder eine Zelle oder eine Gruppe von Zellen, die
als Geschwulstanlage bezeichnet werden. Sie entsteht durch langes Einwirken
kanzerogener Faktoren auf gesundes Gewebe und so kann mit der Zeit ein Tumor
entstehen. Er kann ruhen, sich zurückbilden oder sich durch Zellvermehrung innerhalb der
Geschwulstanlage vergrößern.
Auf Grund der Folgen für den Erkrankten, der schweren Behandlung vor allem bei
fortgeschrittenen Tumorstadien und der überwiegend schlechten Prognose für den
Tumorerkrankten ist die Früherkennung von besonderer Bedeutung.
Diese Krankheit führt durch die zunehmende Auszehrung (Tumorkachexie), das
Einwachsen in lebensnotwendige Organe und die Fernmetastasierung unweigerlich zum
Tod des Betroffenen.
Der Prozess der Tumorentstehung wird Kanzerogenese genannt, tumorerzeugende
Substanzen bezeichnet man als Kanzerogene und bei Substanzen, die das Tumorwachstum
begünstigen jedoch nicht hervorrufen, spricht man von Kokanzerogenen.
Das Tumorwachstum kann sehr unterschiedlich sein und anhand dieser Arten kann man
zwischen benignen und malignen Tumoren unterscheiden.
Der benigne Tumor zeichnet sich durch sein expansives (verdrängendes) Wachstum aus.
Eine Bindegewebskapsel trennt ihn von seiner Umgebung. Innerhalb der Tumormassen
kommt es zur Zellvermehrung und so wächst er.
Dabei infiltriert und destruiert er keine Nachbarstrukturen, sondern verdrängt sie lediglich.
Dadurch ergibt sich auch die oft milde Symptomatik, die durch die langsame
Druckentwicklung des wachsenden Gewebes bedingt ist. Außerdem besitzen gutartige
Tumoren immer eine gewisse Ähnlichkeit mit ihrem Ursprungsgewebe und verursachen
keine Tochtergeschwülste, so genannte Metastasen, im übrigen Organismus. Daher ist die
Überlebensprognose bei benignen Tumoren grundsätzlich gut, außer bei ungünstiger
Lokalisation (z.B.: Tumoren der Hirnhaut).
Demgegenüber wächst der maligne Tumor infiltrierend- destruierend und dringt so in das
umliegende Gewebe ein und zerstört es. Er ist von keiner bindegewebigen Kapsel
umgeben, wächst entlang des geringsten Widerstandes und ist durch die unscharfe
Randbeziehung zum gesunden Nachbargewebe auffällig. Mit steigender Malignität
nehmen die Zellteilungsrate und der Entdifferenzierungsgrad zu. Am ungünstigsten ist ein
entdifferenzierter Tumor dessen Ursprungsgewebe kaum noch erkannt werden kann.
17
Auf Grund der lokalen Aggressivität ihrer Tumorzellen bleiben Malignome meist nicht
lange
symptomlos.
Ulzerationen,
Blutungen
durch
zerstörte
Gefäßwände,
Sensibilitätsstörungen, Paresen oder Frakturen sind die Folge.
Ein weiteres Merkmal eines bösartigen Geschwürs ist die Bildung von ebenso bösartigen
Tochtergeschwüren, Metastasen, in anderen Organen, die durch Tumorzellaussaat
entweder über lymphogenen oder hämatogenen Weg erfolgt. Die Rezidivneigung bei
Malignomen ist stärker ausgeprägt als bei gutartigen Geschwüren, was die schlechte
Prognose, vor allem bei Ausbleiben der Behandlung, bedingt.
Die Benennung der Karzinome richtet sich weiter nach der Art des Muttergewebes. So gibt
es von Oberflächenepithel ausgehende Plattenepithelkarzinome und Adenokarzinome, die
von Drüsenepithel ausgehen. Sarkome bezeichnet man einmal nach der gebildeten
paraplastischen Substanz als Fibro-, Osteo-, und Lymphosarkome oder nach der Zellform
als Spindelzell-, Rundzell- und Riesenzellsarkom.
Wie schon erwähnt, ist die Metastasierung eines der Merkmale von bösartigen Tumoren.
Bei Metastasen handelt es sich um Tochtergeschwülste, die gebildet werden, wenn sich
Zellen des Primärtumors absiedeln und an anderer Stelle zu wachsen beginnen. Ihr
Gewebsbild gleicht dem des Primärtumors. Grundsätzlich unterscheidet man zwei
Metastasierungswege, die lymphogene und die hämatogene Metastasierung.
Bei ersterem kommt es zu einem Einbruch des Tumorgewebes in die Lymphgefäße und
dabei werden die Tumorzellkomplexe mit dem Lymphstrom in einen der lokoregionalen
Lymphknoten, die Filterstation des lymphatischen Systems, befördert. Dort können sie
anhaften und Lymphknotenmetastasen hervorrufen oder weiter in die nächste Filterstation
gelangen und dort hängen bleiben. Die Tumorzellkomplexe können aber auch in das
Blutgefäßsystem einbrechen und nach Art einer Thrombembolie eine hämatogene
Metastasierung hervorrufen. Der „Tumorzellthrombus“ löst sich nach vollständigem
Durchwachsen der Gefäßwand von ihr ab und wird als Embolus mit dem Blutstrom
abtransportiert. Auf diesem Weg gelangt er in Organe und wächst in Form von
Organmetastasen weiter. 13 14 15
13
E. Krüger; Lehrbuch der chirurgischen Zahn-,Mund- und Kieferheilkunde, Band 2
N. Schwenzer, M. Ehrenfeld; Spezielle Chirurgie, Zahn-,Mund- und Kieferheilkunde 2; 3. Auflage
15
H.H.Horch; Praxis der Zahnheilkunde 10, Mund-,Kiefer-und Gesichtschirurgie 2; 3.Auflage
14
18
6.2. Stadien und Prognose der Tumorkrankheit
Der Verlauf dieser Krankheit ist gekennzeichnet durch allmähliche und unaufhörliche
Progredienz. Bei Tumoren der Mundhöhle schreitet das Krankheitsbild angefangen mit der
lokalen Präkanzerose im Mund fort zu einem generalisierten und systemischen
Krankheitsbild. Weiters ist sie noch geprägt von lokalen Lymphknotenmetastasen und
Fernmetastasen in anderen Organsystemen.
Insbesondere bei malignen Tumoren müssen Informationen über Art und Ausdehnung des
Primärtumors, sowie über lokale, beziehungsweise Fernmetastasen eingeholt werden. So
wird mit Hilfe dieser Parameter (Größe des Tumors, seine Lage, der Zustand der
regionären Lymphknoten, die Nachweisbarkeit von Fernmetastasen und die Histologie des
Tumors)
die Erkrankung zuverlässig beschrieben. Dieser Prozess wird Tumorstaging genannt.
Karzinome der Mundhöhle z.B. metastasieren bevorzugt in die lokoregionären
Lymphknoten des Halses und weniger primär in Lunge, Leber oder Skelettsystem. Zur
genauen Abklärung können unterschiedliche Methoden angewandt werden:

CT (Knochen und Weichteildarstellung)

MRT (Darstellung von Weichteiltumoren)

Sonographie (Darstellung von zugänglichen Weichteiltumoren)

Skelettszintigraphie (Knocheninvasionsbeurteilung)

Endoskopie

PET (Positronen- Emissions- Tomographie)
Um Aussagen über die Prognose und die Therapie treffen zu können, muss eine
Klassifizierung vorgenommen werden.
Man verwendet die 1973 entwickelte Klassifizierung der Union Internationale Contre le
Cancer (UICC), die als TNM- Schema bekannt ist. Die Abkürzung T steht für
Tumorgröße, N für Nodus (Lymphknoten) und M für Metastase.
19
Die Unterlagen dieser Klassifizierung liefern Inspektion, Palpation und Röntgenbefund vor
der Behandlung. Da dieses Schema tumor- und lokalisationsbezogen ist, ist die
Klassifizierung für z.B. Mundhöhlenkarzinome und Magenkarzinome unterschiedlich.
Die Stadieneinteilung, die für die wichtigsten Tumoren im Mund- Kiefer und
Gesichtsbereich gilt, ist in Abbildung 7 dargestellt.
Abbildung 7: TNM- Klassifikation16
Auf der Basis dieser Tumorstadieneinteilung lässt sich für jeden Patienten mit einem
Tumor im Kopf- Halsbereich eine individuelle Tumorformel erstellen. Beispielsweise
handelt es sich bei einem 2,4 cm großen Primärtumor im größten Durchmesser und einer
Metastase in einem solitären ipsilateralen Lymphknoten von 2 cm im größten Durchmesser
und keinen Fernmetastasen T2 N1 M0.
Ob Tumorzellen in den Lymphknoten vorhanden sind oder diese nur entzündlich- reaktiv
vergrößert sind, spielt beim Lymphknotenbefund keine Rolle. Es ist in jedem Fall ein
positiver Lymphknotenbefund nach der TNM- Klassifikation.
16
N.Schwenzer, M.Ehrenfeld; Spezielle Chirurgie, Zahn-,Mund- und Kieferheilkunde 2; 3. Auflage,
Kapitel 5, Michael Ehrenfeld, Joachim Prein mit einem Beitrag von Gernot Jundt und Ernst Waldhart
20
Die Tumorformel kann durch eine Spezifikation der Untersuchungsart, den sogenannten
Sicherheitsfaktor C (Certainty) ergänzt werden. Er verdeutlicht, auf welcher Basis die
TNM- Formel erstellt wurde.
Diese Klassifikation wird seit Jahrzehnten verwendet und ist auch schon mehrmals
aktualisiert worden. So kam 1978 erst das T4- Stadium dazu, 1987 die drei Kategorien Tx ,
T0 und Tis.
Von größerer Bedeutung ist neben der „klinischen Klassifikation“, die alleine auf Grund
klinischer Befunde vorgenommen wird, die „Pathologische Klassifikation“ pTNM. Sie
bedingt eine erneute Klassifikation des Tumors posttherapeutisch nach histologischer
Untersuchung des resezierten Gewebes durch den Pathologen. Dabei wird eine neue
Tumorformel erstellt, die im Unterschied zur präoperativen Klassifikation mit einem p für
Pathologie versehen wird, z.B. pT2 pN1 pM0. Die beiden Klassifikationen können
durchaus unterschiedlich sein, was eine Rolle für die weitere Therapieplanung spielt.
Um den Malignitätsgrad von Tumoren auch auf histologischer Basis klassifizieren zu
können, wurde das histologische Grading eingeführt.
„Grad_1_(G1): Hoher Differenzierungsgrad mit reichlich Verhornung und
Interzellularbrücken und Riesenzellen.
Grad_2_(G2): Wenig Verhornung und Interzellularbrücken. Vermehrt Mitosen und
Polymorphie.
Grad_3_(G3): Keine Differenzierungsprodukte. Reichlich Mitosen und atypische
Mitosen. Starke Polymorphie.“ 17
6.3. Tumorsymptomatik
Sie entsteht auf Grund von morphologischen und funktionellen Veränderungen, die die
Entwicklung eines Tumors bedingen und gibt Auskunft über Herkunft, Lokalisation,
Dignität und Ausdehnung eines Tumors. In Regionen wie der Mundhöhle, den Lippen oder
der Gesichtshaut, die dem Behandler gut zugänglich und dadurch gut zu untersuchen sind,
fällt die Symptomatik sehr eindeutig aus. Weniger eindeutig zeigt sie sich in Regionen, wo
Tumoren vollständig von gesunden Strukturen umgeben sein können. Sie können klinisch
17
Zitat: Eberhard Krüger; Lehrbuch der chirurgischen Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde, Band 2; S. 392
21
lange Zeit stumm bleiben. Es handelt sich dabei um Tumoren der Nasennebenhöhlen, der
Orbita, der Schädelbasis oder des retromaxillären Raumes.
Zur allgemeine Symptomatik des Tumorwachstums im Kopf- Halsbereich:
In erster Linie kommt es zu einem Tumorwachstum ohne erkennbaren Reiz, das sich
unabhängig von anatomischen Barrieren (Knochenwände, Faszien) und der Körperform
(Form des Gesichtes, Form der Mundhöhlenwände) ausbreitet. Die spontane Heilung bleibt
aus.
Nach kurzer Zeit entsteht eine sichtbare und palpierbare Schwellung, die im Mund mit
folgender
Klinik
einhergeht:
Obstruktion,
Schluckstörung,
kloßige
Sprache,
Atembehinderung, Verlegung von Ausführungsgängen  Sekretrückstau, Gefäß- und
Nervenkompression  Schmerzen. Handelt es sich um einen Knochentumor, so kommt es
meist zu Auftreibungen des Kiefers. Die Folgen davon sind zum einen eine Änderung des
Prothesensitzes, zum anderen Zahnkippungen, Zahnwanderungen und Zahnausstoß, sowie
Weichteilkompression, Anhebung des knöchernen Orbitabodens  Doppelbilder und
Auftreibungen der Stirnhöhlenvorderwand bzw. der Gesichtsschädelknochen.
Zusätzlich sind noch die regionären Lymphknoten geschwollen und palpierbar, aber nicht
druckdolent.
Ein unterschiedliches Bild der Symptomatik zeigt sich auch bei infiltrierender
Tumorausdehnung und destruierender Tumorausdehnung. Dabei kommt es einerseits zu
Infiltrationen und narbigen Einziehungen der Haut und Schleimhaut, Infiltrationen von
Nervengewebe und damit verbundenen Schmerzen und Infiltrationen von Weichgewebe
bei Lymphknoten nach rupturierter Kapsel. Andererseits zeigen destruierte Haut und
Schleimhaut das klinische Bild der Ulzeration und Nekrose, damit verbunden sind
Infektionen, Schmerzen und Fieber. Gefäße sind zerstört, es kommt zu Blutungen,
blutigem Speichel und Nasenbluten. Das klinische Bild von Knochendestruktionen zeigt
pathologische Frakturen, Zahnlockerungen und Wurzelresorptionen, sowie eine Auflösung
des Orbitabodens, was das Sehen von Doppelbildern zur Folge hat. Eine Destruktion von
Nervensträngen hat Sensibilitätsausfälle und motorische Funktionsausfälle (Paresen) zur
Folge. Sind Sympatikus und Parasympatikus betroffen, kommt es auch im vegetativen
Nervensystem zu Dysfunktionen. Nicht selten findet man Spuren der Destruktion auch an
der
Hautoberfläche
in
Form
einer
Fistel,
die
aus
dem
Durchbruch
des
Mundhöhlenkarzinoms durch Wange, Gaumendach oder den Mundboden resultiert.
22
Die Tumorzellstreuung oder Metastasierung zeigt eine eigene Symptomatik. Die
betroffenen regionären Lymphknoten sind geschwollen und tastbar. Fernmetastasen haben
je nach Lokalisation andere klinische Folgen.
Im Knochen kann es zu pathologischen Frakturen und Knochenschmerzen kommen,
Metastasen in der Lunge schränken ihre Funktion ein und können einen Pleuraerguss
bedingen, Metastasen in der Leber, die knotig und geschwollen ist, stauen den
Gallenabfluss (Ikterus) und behindern die Proteinbiosynthese, was die Blutgerinnung stört.
Der Allgemeinzustand des Patienten wird durch die Tumorerkrankung ebenfalls stark
beeinträchtigt. Der Körper ist zunehmend ausgezehrt und kachektisch, die Kräfte
schwinden und der Appetit nimmt ab. 18 19
6.4. Basisdiagnostik
Die Entdeckung und Erfassung der Tumorsymptomatik erfordert keine aufwändige
Diagnostik, sondern kann im Rahmen der klinischen Basisuntersuchung vom Zahnarzt
oder behandelnden Arzt erhoben werden.
Sie hält sich im Wesentlichen an vier Punkte: Anamnese, Inspektion, Palpation und
Funktionsprüfung. Die klinische Untersuchung wird unterstützt durch bildgebende
Verfahren.
Anamnese
Wie bei allen Erkrankungen beginnt die Diagnostik mit der Erhebung der Anamnese. Sie
liefert wichtige Hinweise auf das Vorhandensein und die Progression der Krankheit.
Ermittelt im ärztlichen Gespräch kann sie noch durch ein Formblatt unterstützt sein. Im
Wesentlichen sollte auf folgende Punkte eingegangen werden:
 Lebensgewohnheiten
Dazu gehört das Erfragen der Ernährungsgewohnheiten und der tumorspezifischen
Risikofaktoren, wie die Konsumation von Genussmitteln,
18
H.H. Horch; Praxis der Zahnheilkunde 10, Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie 2;3. Auflage; Kapitel 6
von Hans- Robert Metelmann
19
Eberhard Krüger; Lehrbuch der chirurgischen Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde, Band 2
23
Tabak und Alkohol (beide sind Kokanzerogene), Tumorerkrankungen bei Eltern und
Geschwistern, berufliche Exposition und Medikamenteneinnahme.
Zurzeit ist eine genetische Disposition für Malignome in Mund-, Kiefer- und
Gesichtsbereich, insbesondere für das häufige Mundhöhlenkarzinom, nicht nachgewiesen.
 Dynamik des Beschwerdebildes
Dazu gehören die Angaben des Patienten über die Art der Symptome und den Zeitpunkt
ihres Auftretens, sowie deren Verlauf. Aussagen über die Entwicklungsgeschwindigkeit
des Krankheitsbildes sind ebenfalls von Bedeutung und müssen registriert werden.
Schnelles Wachstum mit ulzerierter, blutender oder nässender Tumoroberfläche und das
Vorliegen von Sensibilitätsstörungen und Paresen deuten auf ein malignes Geschehen hin.
Langsames Wachstum mit glatter gut abgrenzbarer Tumoroberfläche spricht für eine
gutartige Neubildung.
 Allgemeinzustand
Dabei richten sich die Fragen des Befunders speziell auf auffällige und verdachterregende
Beschwerden oder Selbstbeobachtungen des Patienten. Schmerzen, Fieber und
Funktionsausfälle, stark reduzierter Allgemeinzustand und Verlust der Leistungsfähigkeit
deuten auf eine Tumorerkrankung hin. Starke Gewichtsabnahmen ohne klare Ursache sind
auffällig, ebenso Veränderungen von Gesichtsform und Aussehen.
 Vorbefunde und Vorbehandlungen
Hilfreich sind sowohl Fragen nach früheren Krankenhausaufenthalten und Arztbesuchen
als auch Fragen nach vorausgegangenen Malignomen oder Benignomen, Operationen,
Bestrahlungen oder Chemotherapien. Aktuelle Befunde von anderen behandelnden Ärzten
sind unbedingt in die Anamnese mit einzubeziehen.
Inspektion
Patienten sind vor Inspektion der Mundhöhle als Ganzes anzusehen, um das gesamte
Erscheinungsbild zu beurteilen. Wie ist der Allgemeinzustand des Patienten, sein
Ernährungszustand, seine Stimmung, zeigt er auffällige Krankheitszeichen? Anschließend
erfolgt die systematische Betrachtung der Kopf- Hals- Region. Die Inspektion dient in
erster Linie dazu, Auskunft über die Oberflächengestaltung eines Tumors zu bekommen.
Ulzerierte Tumoroberflächenbeschaffenheit lässt auf ein malignes Geschehen deuten,
24
glatte Oberfläche auf benignes. Nach genauer Untersuchung des Halses, der Gesichts- und
Kopfhaut, der Ohren und Lippen auf Deformitäten, Läsionen, Pigmentflecken, Ulzera und
Blutspuren erfolgt die Inspektion der Mundhöhle. Besondere Beachtung wird den
Prädilektionsstellen für Tumoren des Mund-, Kiefer- und Gesichtsbereichs geschenkt.
Intraoral sind diese der vordere Mundboden, der Zungenrand, die Wange und der
Alveolarfortsatz, extraoral die Augenlider, Lippen, Nase und Ohren (Basalzellkarzinome).
Knochenauftreibungen mit Verdrängungen der Zähne sprechen für Knochentumoren oder
Zysten, Weichteilschwellung für eine Geschwulst des Weichgewebes oder eine
entzündliche Infiltration. Farbveränderungen, die sich in Form von schwarzen
Pigmentierungen manifestieren, findet man bei malignen Melanomen. Als Maßstab für
Mundhygiene wird der Zahnstatus herangezogen.
Zahnersatz wird zunächst in situ belassen, um zu überprüfen, ob dieser selbst Störquelle
ist, und wird erst danach entfernt. Auf auffälligen Foetor sollte ebenfalls geachtet werden.
Er gibt Hinweis auf Nikotin- und Alkoholabusus sowie auf ein ulzerierendes
Mundhöhlenkarzinom, welches auf Grund der anaeroben Bakterien einen fauligen Geruch
aufweist.
Eine
abschließende
Dokumentation
mit
genauer
Befundbeschreibung,
Vermessung der Läsion zur Verlaufskontrolle und ein Fotostatus sind unerlässlich.
Palpation
Das geeignete Untersuchungsverfahren für Befunde unter der Haut, sprich die tiefen
Weichgewebe und Knochenoberflächen, ist die Palpation. Durch sie verschafft man sich
einen Überblick über Konsistenz, Abgrenzung und Ausdehnung des Tumors, sowie über
seine Beziehung zu den Nachbargeweben. Weiches, scharf abgegrenztes und gut
verschiebliches Tumorgewebe ist meist gutartig. Derbes, unscharf abgegrenztes und mit
der Umgebung verwachsenes Gewebe weist auf bösartiges Geschehen oder entzündliche
Infiltration hin.
Die Palpation erfolgt bimanuell mit leicht aufgelegten Fingern.
Auch hier werden Kopf, Gesicht, Hals und Mundhöhle systematisch untersucht.
Unerlässlich ist die Untersuchung der regionären Lymphknoten am Hals auf Metastasen.
Sie können als erstes auf einen, vielleicht noch winzigen Primärtumor, der weder gesehen
noch getastet werden kann, in der Mund- und Gesichtsregion hinweisen. Beim
Lymphknotenstatus
sollten
Größe,
Verschieblichkeit,
Konsistenz
und
Druckempfindlichkeit untersucht werden. Liegen Lymphknotenmetastasen vor, sind sie als
derbe Vergrößerungen der Knoten tastbar, die anfangs verschieblich sind und später mit
25
der Umgebung verwachsen können. Bei fehlender Inflammation sind sie nicht
druckschmerzhaft.
Funktionsprüfung
Eine klinische Funktionsprüfung ist ebenfalls vonnöten, da viele Tumorsymptome, vor
allem im Anfangsstadium der Krankheit, nicht durch Inspektion und Palpation entdeckt
werden können. Sie sind nur als Störung der Funktion erkennbar.
Sensibilitätsstörungen sensibler Nerven deuten darauf hin, dass der Nerv tumorbedingt
komprimiert, infiltriert oder destruiert wird. Überprüft werden Sensibilitätsstörungen mit
der zahnärztlichen Sonde, wobei der Patient den Unterschied zwischen spitz und stumpf
angeben muss und ob er zwei Punkte als solche unterscheiden kann.
Paresen sind die Folge einer Störung motorischer Nerven. Sie sind zum Teil schon bei der
Inspektion
auffällig
in
Form
von
hochstehenden
Mundwinkeln,
verstrichener
Nasolabialfalte, einseitig fehlenden Stirnfalten und Konjunktivitis.
Wie schon erwähnt, wird die Diagnosefindung durch den Einsatz von bildgebenden
Verfahren erleichtert.
Das Röntgen dient der Darstellung von Hartgewebsstrukturen, vor allem der Diagnostik
von Knochentumoren. Zur schnellen Übersicht des zahntragenden Abschnitts eignet sich
das Orthopantomogramm (OPG), für Detaildarstellungen der Zahnfilm und bei speziellen
Fragestellungen Übersichtsaufnahmen des Schädels (posterior- anteriorer und seitlicher
Strahlengang) oder der Nasennebenhöhlen. Deutliche Röntgenbefunde mit Hinweis auf
Tumoren sind: Osteolysezeichen mit scharfer Begrenzung (benigne Tumoren, Zysten),
„Knochenfraß“
mit
unscharfer
Begrenzung
(maligner
Tumor,
Osteomyelitis),
Zahnwurzelresorptionen und Zahnverdrängungen (benigner oder maligner Tumor),
Verschattungen der Knochenstruktur (knochen- oder zahnhartsubstanzbildender Tumor),
Zahnretentionen,
Verschattungen
der
Nasennebenhöhlen
und
fehlende
seitliche
Knochenwand der Kieferhöhle (Kieferhöhlentumor, Oberkieferzysten).
Nach Eingriffen am Knochen spielt die Röntgenaufnahme auch in der postoperativen
Verlaufskontrolle eine wichtige Rolle. Neben den Röntgenaufnahmen im KopfHalsbereich wird im Rahmen der Tumordiagnostik auch ein Thoraxröntgen angefertigt,
welches dem Ausschluss von Lungenmetastasen dient. Zum Ausschluss eines Tumors der
Glandula parotis kann eine Kontrastmitteldarstellung notwendig sein. Nicht selten werden
26
auffällige Röntgenbefunde als Zufallsbefunde im Rahmen einer zahnärztlichen
Routineuntersuchung erhoben.
Unerlässlich in der Tumordiagnostik ist heute auch die Computertomographie (CT). Sie ist
ein Standardverfahren, das wichtige Informationen über die Ausdehnung eines Tumors
sowohl im Weichgewebe als auch in knöchernen Strukturen gibt. CTs können nativ oder
mit Hilfe von Kontrastmitteln durchgeführt werden. Koronale und axiale Schichtungen
sind ebenso möglich wie Dichtemessungen in den Geweben. In erster Linie wird sie zur
Diagnostik des Primärtumors herangezogen. Eine CT zeigt die genaue Lokalisation eines
Tumors,
seinen
größten
Durchmesser
und
Charakteristika
wie
Invasionen
in
Nachbarstrukturen oder Kapselbildungen. Weiters spielt die CT eine wichtige Rolle in der
Diagnostik von lokoregionalen Metastasen und Fernmetastasen.
Da bekannt ist, dass Lymphknotenmetastasen im Falle von Kopf- Hals- Karzinomen
vorwiegend im Halsbereich auftreten, wird eine so genannte Kopf- Hals- CT in einem
Untersuchungsgang angefertigt. Dadurch werden Primärtumor und lokoregionale
Metastasen kombiniert erfasst. Zur Diagnostik von Fernmetastasen erfolgt die CT aber
nicht als routinemäßige Screeninguntersuchung, sondern nur bei begründetem Verdacht,
wie einer auffälligen Thoraxröntgenaufnahme oder verdächtiger Abdomensonographie. In
der Tumornachsorge ist die CT ebenfalls von Bedeutung. Auf Grund der hohen
Strahlenbelastung ist aber eventuell an ein anderes bildgebendes Verfahren, wie die
Kernspin- oder Magnetresonanztomographie (MRT),zu denken. Sie kann ebenso zur
Diagnostik von Primärtumoren, lokoregionalen Metastasen, Fernmetastasen und zur
Tumornachsorge herangezogen werden.
Prinzipiell kann auch die Sonographie zur Tumordiagnostik und Metastasensuche
herangezogen werden. Dennoch hat diese Methode große Einschränkungen durch die
Tatsache, dass Binnenstrukturen (von Knochen oder Weichgewebe), die im Schallschatten
des Knochens liegen, nicht abgebildet werden können.
Eine weitere Möglichkeit bieten nuklearmedizinische Untersuchungen, wie die
Skelettszintigraphie und die Positronen- Emissions- Tomographie (PET). Dabei werden
radioaktive Substanzen entweder peroral oder intravenös appliziert. Diese Substanzen
reichern sich in den Organen an und senden Gammastrahlen aus, welche dann von
speziellen Szintillationskameras registriert und graphisch dargestellt (Szintigramm)
werden. Bei der Skelettszintigraphie wird hauptsächlich Technetium- 99m- Phosphat
verwendet.
27
Sie dient der Suche nach Fernmetastasen, Knocheninvasionen (können auf diese Art
bereits im Frühstadium, noch bevor sie röntgenologisch sichtbar sind, dargestellt werden)
oder Knochentumoren, wobei heute eher die CT bzw. die MRT zu bevorzugen sind, da sie
durch die Möglichkeit der Weichgewebsdarstellung wichtige Zusatzinformationen für den
Operateur liefern. Das Prinzip der PET, durchgeführt an der Abteilung für Radiologie des
LKH - Graz, besteht darin, dem Patienten intravenös radioaktiv markierten Zucker (Tracer)
zu verabreichen. Es handelt sich hierbei um 18 Fluor-Desoxyglucose (18 FDG ), welche
im menschlichen Körper wie Traubenzucker verstoffwechselt wird und somit keinerlei
Schäden nach sich zieht. In maligne entarteten Zellen, die einen erhöhten Energieumsatz
und somit auch Traubenzucker- Verbrauch im Vergleich zu benignen Zellen aufweisen,
reichert es sich vermehrt an. Dazu gehören Tumore, Metastasen und Entzündungen.
Sichtbar wird der radioaktive Zucker auf einem Bild der PET - Kamera, das sowohl
Primärtumor, als auch kleinste Metastasen deutlich erkennen lässt. Der Tracer wird nach
einer Halbwertszeit von 110 Minuten über den Harn ausgeschieden. 20
Zu erwähnen ist, dass durch das Knochenszintigramm alleine keine Differenzierung
zwischen Knochenentzündung oder tumorösen Veränderungen möglich ist. Die
Unterscheidung muss über die Begleitsymptomatik eruiert werden.
Die PET ist heute enorm wichtig zur Diagnostik von Metastasen und Rezidiven. Gewebe
mit hohem Glukosestoffwechsel sind durch sie nachweisbar. Diese Untersuchung besitzt
eine hohe Sensitivität und bietet die Möglichkeit, sehr schnell Auskunft über das
Vorhandensein von lokalen und Fernmetastasen zu bekommen.
Um bei Verdacht auf das Vorliegen einer Tumorkrankheit eine sichere Diagnose stellen zu
können, ist es notwendig, Gewebe zu entnehmen und histologisch zu untersuchen. Das
kann anhand einer Gewebeprobe (Biopsie) erfolgen oder durch Untersuchung des
gesamten, bei einer Operation entnommenen, Gewebestückes. Durchgeführt wird eine
solche Untersuchung mittels Feinnadelpunktion. So werden Tumorzellverbände gewonnen,
ausgestrichen
und
zytologisch
untersucht.
Kernatypien,
Polymorphien
oder
Mitosestörungen deuten mit großer Wahrscheinlichkeit auf ein malignes Geschehen hin.
Es handelt sich dabei aber um kein ungefährliches Unterfangen, da man durch das
„Herausschneiden“ von Teilen der Tumormasse eine Zellabsiedelung befürchtet.
20
www.nuklearmedizin.de/pat_info/petbrosch_04/pet_bro_04.pdf
28
Dennoch ist es auch aus forensischen Gründen notwendig, eine sichere Diagnose vor
einschneidenden Therapiemaßnahmen zu stellen, um so die möglichen Konsequenzen der
Krankheit mit dem Patienten besprechen zu können.
Intraoperativ besteht noch die Möglichkeit einer sogenannten Schnellschnittuntersuchung
zur Beurteilung der Resektionsränder bei Weichgewebstumoren. Dabei wird das
entnommene Gewebsstück tiefgefroren, mittels Kryotom geschnitten und dann gefärbt.
Bereits nach 10 bis 15 Minuten kann es der Pathologe beurteilen und eine Schnelldiagnose
stellen. Im Vergleich zur Biopsie hat die Schnellschnittuntersuchung weniger
diagnostische Aussagekraft und mit ihr sind auch keine exakten differenzialdiagnostischen
Einschätzungen möglich, Rückschlüsse auf die Dignität aber durchaus. 21 22 23 24
6.5. Therapie
Die Tumortherapie kann einerseits auf die vollständige Heilung der Erkrankung
ausgerichtet und somit kurativ sein oder es wird versucht, die Symptomatik zu lindern,
dann spricht man von einer palliativen Therapie. Die Ziele der kurativen Tumortherapie
werden einerseits durch die vollständige Entfernung und Zerstörung der Zellen erreicht
(radikale Tumorentfernung), andererseits auch durch die vollständige Genesung des
Patienten und die Bewahrung seiner Lebensqualität. Dazu gehören Wiederherstellung von
Form und Funktion und der Erhalt von vitalen Strukturen.
Grundsätzlich ist die Therapie von Tumoren im Kopf- Halsbereich heutzutage auf die
Beseitigung des Primärtumors ausgerichtet. Deshalb ist die Operation die erste Wahl und
somit Standardtherapie. Weitere, ebenfalls als Standard geltende Verfahren, sind die
Strahlentherapie (Radiatio) und die medikamentöse Krebsbehandlung (zytostatische
Chemotherapie).
6.5.1. Operative Behandlung
Die chirurgische Tumorentfernung ist bei allen gutartigen Tumoren und einer Mehrzahl
von bösartigen Tumoren das Vorgehen der Wahl.
21
H.H. Horch; Praxis der Zahnheilkunde 10, Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie 2;3. Auflage; Kapitel 6
von Hans- Robert Metelmann; S.273- 277
22
Eberhard Krüger; Lehrbuch der chirurgischen Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde, Band 2; S.286- 289
23
N.Schwenzer, M.Ehrenfeld; Spezielle Chirurgie, Zahn-,Mund- und Kieferheilkunde 2; 3. Auflage,
Kapitel 5, Michael Ehrenfeld, Joachim Prein mit einem Beitrag von Gernot Jundt und Ernst Waldhart;
S.104- 108
24
K.Schroll, G.Watzek; Zahnärztliche Chirurgie 3, Kapitel 4, M.Rasse; S.123- 126
29
Nicht nur bei kurativer Intention, auch unter palliativer (Tumorverkleinerung, lokale
Entfernung von Metastasen) ist die Operation die am häufigsten angewandte
Therapieform. Ihre Art und ihr Umfang hängen von Histologie, Lokalisation, Dignität,
Größe und Stadium des Tumors ab.
Die Eingriffe sind zeitlich aufwändig und teilen sich in mehrere Einzelschritte, wie die
Anlage eines Tracheostomas, die Zugangsoperation zur Darstellung des Primärtumors, die
Tumorausräumung und die Entfernung von Lymphknotenmetastasen en bloc und zum
Schluss die Rekonstruktion von Form und Funktion.
Die benigne Geschwulst wird mitsamt ihrer meist vorhandenen Kapsel ohne
beziehungsweise sehr geringem Sicherheitsabstand entfernt. Die schonende Entfernung
gewährleistet den Erhalt von Nachbarstrukturen. Allerdings ist das Risiko der
unvollständigen Entfernung erhöht. Zusätzliche Strahlen- und Chemotherapie sind nicht
indiziert.
Voraussetzung um eine gute Heilungschance zu garantieren ist die vollständige
Tumorentfernung „in sano“. Das bedeutet, dass alle Schnitt- und Abtragungsflächen
(Wundränder und –flächen) in gesundem Gewebe liegen müssen. Verbleibt ein Rest des
tumorösen Gewebes mit teilungsaktiven Zellen, lassen diese den Tumor an der gleichen
Stelle neu entstehen (lokoregionäres Rezidiv) oder weiterwachsen (Residualtumor).
Unter Radikaloperation versteht man das operative Vorgehen bei malignen Tumoren unter
bewusster
Mitnahme
von
reichlich
gesundem
Gewebe
der
Umgebung.
Bei
Mundhöhlenkarzinomen werden beispielsweise Sicherheitsabstände von 1- 2 cm
gefordert.
Da derartige Operationspräparate ausnahmslos einer pathohistologischen Untersuchung
unterzogen werden, lässt sich leicht feststellen, ob dieser Tumor mit genügend
Sicherheitsabstand entfernt wurde und wie breit er an seiner schwächsten Stelle ist.
Trotzdem ist es möglich, dass einzelne Tumorausläufer gelegentlich der Befundung
entgehen und der Pathologe nicht mit Sicherheit sagen kann, ob der Abstand ausreichend
ist.
In solchen Fällen empfiehlt sich eine Nachresektion. Der Operateur hat weiters auch die
Möglichkeit, zwischenzeitlich Randproben an die Pathologie zu schicken, die als
Schnellschnitte
befundet
werden
und
ihm
so
die
Möglichkeit
bieten,
den
Sicherheitsabstand noch während des Eingriffes weiter auszudehnen.
30
Leider ist das bei knöchernen Präparaten nicht möglich, weil die Entkalkung, die vor der
Befundung zu erfolgen hat, zu lange dauert. Der pathohistologische Befund ist auch eine
wichtige Entscheidungshilfe für die Indikation von zusätzlichen Behandlungsmaßnahmen,
wie Chemo- oder Strahlentherapie. Diese werden, beim Nachweis von Metastasen, der
Operation angeschlossen.
Bei nachgewiesener Metastasierung in die Lymphknoten beziehungsweise bei Verdacht
auf Mikrometastasen, die sich der Darstellung entzogen haben, müssen die regionären
Lymphknoten
mit
dem
Primärtumor
gemeinsam
entfernt
werden,
sprich,
bei
nachgewiesenem Karzinom sind vergrößerte regionäre Lymphknoten tastbar. Primärtumor
und Lymphknotennetz sollten immer im Block entfernt werden, da das einzelne
Herauslösen von Knoten immer unvollständig ist und so auch eine Tumorzellstreuung
vermieden werden kann. Man nennt eine solche Lymphknotenausräumung am Hals auch
Neck- Dissection. Weiters unterscheidet man zwischen einer konservativen / funktionellen
und einer radikalen Neck- Dissection.
Der Unterschied besteht darin, dass bei der funktionellen Neck- Dissection ein- oder
beidseitig das gesamte Lymphknotennetz des Halses mitsamt seinem einbettenden
Weichgewebe entfernt wird und umgebendes Gewebe wie Muskeln, Nerven und Gefäße
geschont werden, während bei der radikalen Neck- Dissection zusätzlich zum
Lymphknotennetz auch alle resizierbaren Nachbargewebe mit entfernt werden. Dazu
gehören unter anderem die Vena jugularis interna, der Nervus accessorius, die Ansa
cervicalis, die Musculi sternocleidomastoideus, omohyoideus und eventuell das Platysma,
sowie das gesamte Binde- und Fettgewebe der Halsgefäßscheide.
Abbildung 8: Radikale Neck- Dessiction 25
25
N.Schwenzer, M.Ehrenfeld; Spezielle Chirurgie, Zahn-,Mund- und Kieferheilkunde 2; 3. Auflage,
Kapitel 5, Michael Ehrenfeld, Joachim Prein mit einem Beitrag von Gernot Jundt und Ernst Waldhart
31
Es wird versucht, die radikale Operation nur in den seltensten Fällen auf beiden Seiten
durchzuführen, da der venöse Blutabfluss und der Lymphabfluss des Gehirns durch
beidseitiges Fehlen der Vena jugularis interna gefährdet wären. Dies hätte Schwellungen
und Ödeme im Gesicht zur Folge, welche sich jedoch mit der Zeit zurückbilden. Falls es
auf Grund der Metastasierung notwendig ist, beidseits radikal zu operieren, wird trotzdem
versucht eine Vena jugularis zu erhalten.
Bei der Behandlung eines nachgewiesenen N0- Halses können die radikale und die
funktionelle Neck- Dissection als gleichwertige Behandlungsmethoden betrachtet werden.
Kann jedoch ein positiver Lymphknoten am Hals nachgewiesen werden, so steigt die
Wahrscheinlichkeit, dass noch weitere Lymphknoten betroffen sind, signifikant an. Somit
zeigt sich, dass die funktionelle Neck- Dissection nur bei Patienten ohne pathologisch
auffällige Lymphknoten gemacht werden soll. 26
An der Grazer Kieferchirurgie wird in allen Fällen eine radikale Neck- Dissection
durchgeführt, in denen präoperativ kein N0- Hals diagnostiziert wird.
Überraschende
Ergebnisse
bei
Patienten
mit
intraoralen
oder
oropharyngealen
Plattenepithelkarzinomen die klinisch als N0 diagnostiziert wurden zeigt eine Studie von
Ross et al.27 Hierbei wurden 61 Patienten zwischen Juni 1998 und März 2002 untersucht.
Alle zeigten klinisch negative Halslymphknoten. Bei allen wurde intraoperativ eine
Biopsie des Sentinel- Lymphknotens mit oder ohne Neck- Dissection durchgeführt. In
44 % der Fälle wurden dabei positive Halslymphknoten gefunden.
26
W.J Campbell, J.I. De La Torre; Head and Neck Cancer- Squamous Cell Carcinoma; eMedicine Plastic
Surgery (http://emedicine.medscape.com/article/1289986-overview)
27
G.L.Ross, D.S. Soutar, D.G. McDonald, T. Shoaib, I.G. Camilleri, A.G. Robertson; Improved staging of
cervical metastases in clinically node- negative patients with head and neck squamous cell carcinoma.
Annals of Surgical Oncology, 11 (2). 213-218
32
Das
zeigt,
dass
durch
klinisches
Staging
Mikrometastasen
im
Bereich
der
Halslymphknoten nicht ausgeschlossen werden können.
Die Halslymphknoten werden durch Hautinzisionen dargestellt. Häufig verwendet werden
die Y- förmige Schnittführung nach CRILE 28 und die Doppelinzision nach McFEE 28.
Abbildung 9: Neck- Dissection: Zugang über T-Schnitt,
Zugang nach McFee, Zustand nach konservativer NeckDissection, Zustand nach radikaler Neck- Dissection 29
28
H.H. Horch; Praxis der Zahnheilkunde 10, Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie 2;3. Auflage; Kapitel 6
von Hans- Robert Metelmann, S.303
29
N.Schwenzer, M.Ehrenfeld; Spezielle Chirurgie, Zahn-,Mund- und Kieferheilkunde 2; 3. Auflage,
Kapitel 5, Michael Ehrenfeld, Joachim Prein mit einem Beitrag von Gernot Jundt und Ernst Waldhart
33
6.5.2. Plastische und rekonstruktive Chirurgie
Die primäre Defektdeckung stellt nach der Tumorentfernung einen weiteren sehr
zeitaufwändigen Schritt dar.
Als Ersatz von Haut, Schleimhaut, Muskel, Knochen, Knorpel, Nerven und Fettgewebe
eignen sich gestielte Lappen und mikrovaskulär reanastomosierte Transplantate. Vereinzelt
ist es im Gesicht von Vorteil verlorengegangenes Gewebe durch Epithesen zu ersetzen um
so bessere ästhetische Ergebnisse zu erzielen. Weiters spielt in der plastischrekonstruktiven Chirurgie eine unauffällige Schnittführung eine große Rolle. Neben vielen
anderen Faktoren beeinflussen Schnittrichtung und Wundrichtung das Bild einer Narbe
ganz maßgeblich.
6.5.2.1. Grundprinzipien des Gewebeersatzes

Freie Transplantate
Ein Gewebsstück wird völlig aus seinem Verbund gelöst und in ein Empfängerbett
neu eingebettet.

Gestielte Transplantation
Das entnommene Gewebsstück bleibt über einen Stiel (Gewebebrücke, Blutgefäß)
mit der Entnahmestelle
in Verbindung. Gestielte Transplantate können in
Nahlappen (das Transplantat stammt aus der Nähe der Empfängerregion) und
Fernlappen (das Transplantat stammt aus einer weiter entfernten Körperregion)
unterteilt werden.

Mikrochirurgische Transplantation
Das Gewebsstück wird mitsamt seinen ernährenden Blutgefäßen (Arterie und
Vene), welche abgetrennt werden, aus der Spenderregion entnommen und mit Hilfe
von Operationsmikroskopen und mikrochirurgischen Instrumenten an ortständige
Gefäße im Empfängerbett geschlossen. Das Transplantat wird sofort durchblutet.
Die autogene Transplantation spielt bei Rekonstruktionen in Mund-, Kiefer- und
Gesichtsbereich die wichtigste Rolle. Die häufigste Indikation stellt der Hautersatz dar. In
weiterer Folge werden auch Fett, Muskel, Nerven, Knorpel und Knochen ersetzt.
34
6.5.2.2. Knochenersatz
Der Knochenersatz zur Wiederherstellung der Kontinuität des Unterkiefers ist nicht nur
aus ästhetischen Gründen sehr wichtig. Die Funktion der Mandibula ist sowohl bei der
Mundöffnung, beim Sprechen bzw. Schlucken und Atmen vonnöten. Daher können
größere Knochendefekte hier zu erheblichen Störungen führen. Sie werden mit
mikrochirurgischen Knochentransplantaten gedeckt. Solche Transplantate bestehen aus
einem Knochensegment und Muskulatur. Während die Osteozyten des transplantierten
Knochens zugrunde gehen, überleben periostnahe Zellen und Zellen des Markraums, wenn
das Transplantat direkten Anschluss an das Transplantatbett hat. Weiters enthält der
Knochen noch Proteine, (bone morphogenetic proteins) die eine Knochenneubildung
bedingen.
Abbildung 10: Rekonstruktionsplatte zur Befestigung von Knochentransplantaten30
Auch beim Knochenersatz wird zwischen freien und gestielten Transplantaten
unterschieden. Mikrochirurgische haben gegenüber freien den Vorteil, dass sie keine
Knochenresorption erfahren und auf Grund ihres eigenen Gefäßstiels nahezu unabhängig
vom Transplantatlager sind.
Die prä- und postoperative Strahlentherapie bei Malignomen im Kopf- Halsbereich
verschlechtern die Vaskularisation in diesem Gebiet erheblich. Erst seit der Entwicklung
der Mikrogefäßchirurgie konnten die Einheilungsergebnisse und Rekonstruktionserfolge
deutlich verbessert werden.
30
H.H. Horch; Praxis der Zahnheilkunde 10, Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie 2;3. Auflage; Kapitel 6
von Hans- Robert Metelmann
35
Spenderregion für freie Knochentransplantate ist zum Beispiel der Beckenkamm. Er wurde
1915 erstmals als Beckenkammspan aus Kompakta und Spongiosa von Lindemann
31
vorgestellt und ist heute noch durchaus in dieser Form in Verwendung. Andere Regionen
spielen für die Rekonstruktion des Unterkiefers eine geringere Rolle. Rippen oder Teile der
Schädelkalotte werden nur zu konturverbessernden Operationen verwendet.
Östrup
32
und Fredrickson
32
waren die ersten, die 1974 ein mikrochirurgisch
revaskularisiertes Knochentransplantat (Rippe) experimentell als Unterkieferersatz
transplantierten. 1973 wurde von Taylor 33, Miller 33 und Ham 33 für den gleichen Zustand
ein Fibulatransplantat gewählt. Später beschrieben Taylor 34 et al. die Transplantation von
Beckenkammspänen einmal mit A. und V. circumflexa ilium superficialis sowie mit A.
und V. circumflexa profunda als ernährende Gefäße. 1985 beschrieben Swartz 35 und seine
Mitarbeiter die Transplantation eines Osteomyokutanlappens von der Scapula zum Ersatz
der Mandibula.
Ein heute beliebtes Transplantat ist das mikrochirurgische Beckenkammtransplantat. Zur
Augmentation eines extrem atrophierten Unterkiefers wurde von Kärcher et al.
36
erstmals
ein gefäßgestieltes Beckenkammtransplantat verwendet. Versorgt wird es von der A.
circumflexa ilium profunda. Seiner Größe wegen ist es besonders gut zur Rekonstruktion
des Unterkiefers geeignet. Nicht selten wird der Beckenkamm mit zusätzlichen Haut- und
Muskelanteilen entnommen und als osteomuskulokutanes Transplantat verwendet.
Es ist möglich, mit diesem Transplantat bis zu zwei Drittel der Mandibula zu ersetzen. Für
später anfallende prothetische Versorgungen bietet es genug Höhe und Breite um
Implantate zu inserieren. Eine Alternative wäre ein mikrochirurgisches Scapulatransplantat
zu verwenden.
31
Lindemann, A.: Über die Beseitigung der traumatischen Defekte der Gesichtsknochen. In: Bruhn, Chr.
(Hrsg.): Die gegenwärtigen Behandlungswege der Kieferschußverletzungen. IV- VI, S.243. Bergmann,
Wiesbaden 1915
32
Oestrup, L.T., Fredrickson, J.M.: Distant transfer of a free living bone graft by microvascular anastomoses
Plast Reconstr Surg 54,274 (1974)
33
Taylor, G.J., Miller, G.D.H., Ham, F.J.: The free vascularized bone graft clinical extension of
microvascular techniques. Plast Reconstr Surg 55,55 (1975)
34
Taylor, G.J., Watson, N.: One stage repair of compound leg defects with free, revascularized flaps of groin
skin ans iliac bone. Plast Reconstr Surg 61, 494 (1978)
35
Swartz, W.M., Banis, J.C., Newton, E.J., Ramasastry, S.S., Jones, N.F., Acland, R.: The osteocutaneous
scapula flap for mandibular and maxillary reconstruction. Plast Reconstr Surg 77, 530 (1986)
36
Kärcher,H., Köle.H., Borbely.L.; Knochenaufbau eines atrophischen Unterkiefers mit einem
gefäßgestielten Beckenkamm. (1986) Dtsch Z Mund Kiefer Gesichtschir 10:464-468
36
Kärcher et al.
37
benutzten ein osteokutanes Scapulatransplantat beispielsweise 1988 zur
Rekonstruktion des Oberkiefers nach einer Schussverletzung. Seine Gefäßversorgung ist
die A. subscapularis. Es ist weit kleiner als das Beckenkammtransplantat und von seiner
Länge stark limitiert. Zusätzlich kann ein fasciokutaner Scapulalappen, Parascapulalappen
oder ein muskulokutaner Latissimus- dorsi Lappen entnommen werden. Ein weiteres
Beispiel wäre noch der Fibulalappen, der von der A. peronea versorgt wird. Hier können
weitaus längere Transplantate als am Beckenkamm entnommen werden. Es ist möglich,
den gesamten Unterkiefer zu rekonstruieren. Dennoch ist das Knochenangebot eines
Beckenkammtransplantats
deutlich
größer.
Eine
mit
einem
Fibulatransplantat
rekonstruierte Mandibula ähnelt einem atrophischen Unterkiefer. Langgestreckte Defekte
des Unterkiefers sind seine Hauptindikation.
Letztendlich werden Kieferdefekte durch Prothesen mit oder ohne Obturatoren versorgt.
Sind die Defekte für einen Obturator zu groß, muss er geteilt werden und durch Riegel
oder Magnete zusammengehalten werden. 38 39 40
37
Kärcher,H., Eskici A., Zwitting P.; Oberkieferrekonstruktion mit dem osteokutanen Scapulalappen (1988).
Z Stomatol 85: 371-377
38
N.Schwenzer, M.Ehrenfeld; Spezielle Chirurgie, Zahn-,Mund- und Kieferheilkunde 2; 3. Auflage,
Kapitel 11, Norbert Schwenzer, Michael Ehrenfeld; S.379- 416
39
H.H. Horch; Praxis der Zahnheilkunde 10, Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie 2;3. Auflage; Kapitel 7
von Jürgen Reuther und Josip S. Bill; S.331- 365
40
K.Schroll, G.Watzek; Zahnärztliche Chirurgie 3, Kapitel 4, M. Rasse; S.128- 130
37
7. Material und Methodik
Es wurden 86 Krankenakten von Patienten mit Mundbodenkarzinom aufgearbeitet, die im
Zeitraum von 1988 bis 2008 in der Abteilung für Mund- Kiefer und Gesichtschirurgie des
LKH Universitätsklinikums Graz operiert wurden. Es handelt sich um 13 weibliche und 73
männliche Patienten. Die Tumorstadien- Einteilung erfolgte in allen Fällen gemäß der
TNM- Klassifikation der UICC von 1978. Einschlusskriterien waren die OP- Tauglichkeit
der Patienten sowie die Möglichkeit, den Tumor zu resezieren als auch ein ausführlicher
Pathologiebericht einschließlich der entkalkten Knochenpräparate.
Dem gegenüber stehen Ausschlusskriterien, wie klinisch eindeutig dem Alveolarkamm
aufsitzende Tumoren, Knochentumoren und nicht resektable Karzinome.
Operationsverlauf:
Tumorresektion
In allen Fällen erfolgte die Resektion des Tumors, sowie die Resektion des benachbarten
Knochensegments.
Nach einem Hautschnitt nach McFee wurde das Malignom freipräpariert und unter
Einhaltung eines ausreichenden Sicherheitsabstandes von mindestens 1 bis 1,5 cm en bloc
entfernt. Grenzschnitte wurden entnommen und ad Pathologie zur histologischen
Schnellschnittdiagnostik geschickt.
War sichergestellt, dass alle Grenzen tumorfrei sind, konnte mit der Rekonstruktion
begonnen werden. Zuvor musste der Patient umgelagert werden um zu den jeweiligen
Entnahmestellen zu gelangen. Zur Wiederherstellung des Unterkieferknochens wurde ein
Knochen aus dem Beckenkamm entnommen. Um Muskeln, Haut und Schleimhaut im
Gesicht zu rekonstruieren, wurde ein mikrovaskulär gestieltes Transplantat, vorzugsweise
ein Latissimus- dorsi Transplatat, welches im Operationsgebiet an die vorbereiteten
Anschlussgefäße
angeschlossen
wird,
entnommen.
Abschließend
erfolgte
ein
spannungsfreier Wundverschluss.
Bei 73 Patienten wurde eine Unterkieferteilresektion durchgeführt, bei 13 Patienten wurde
kein Knochen entnommen. Der größte Unterkieferanteil hatte eine Länge von 10 cm, der
kleinste eine Länge von 3,5 cm. Die Tumorausdehnung lag zwischen 0,6 und 7,5 cm.
38
Befundet wurden die Präparate von der Abteilung für Pathologie des LKH
Universitätsklinikums Graz. Knochen wurden mittels EDTA- Entkalkung schnittfähig
gemacht und dann der Untersuchung unterzogen.
Sekundäre Defektdeckung wurde nicht in die Untersuchung miteinbezogen.
Bei allen Patienten wurde im Falle eines regionären Lymphknotenbefalls eine
Nachbestrahlung durchgeführt.
39
8. Ergebnisse
Untersucht wurde das gesamte ambulante Patientengut in einem Zeitraum von 20 Jahren.
Dabei wurde bei 86 Patienten ein isoliertes Mundbodenkarzinom diagnostiziert, klinisch
und radiologisch nicht auf der Mandibula aufsitzend. Unter diesen Tumorpatienten
befanden sich 13 Frauen (15,1 %) und 73 Männer (84,9 %). Bei 13 (15,1 %) dieser 86
Patienten wurde kein Knochen entfernt, bei 73 wurde eine Unterkieferteilresektion
durchgeführt und der Knochen untersucht. Die histopathologische Aufbereitung der
entkalkten Knochenpräparate ergab, dass bei 20 (27,4 %) der 73 Patienten der Knochen
infiltriert war und bei 53 (72,6 %) keine Knocheninfiltration nachgewiesen werden konnte.
Bei 5 (38,5 %) der 13 Frauen sowie bei 15 (25 %) der 73 Männer war der Knochen vom
malignen
Gewebe
infiltriert,
woraus
zu
schließen
ist,
dass
im untersuchten
Patientenkollektiv durchschnittlich mehr Frauen von einer Infiltration des Knochens
betroffen wären.
Das Durchschnittsalter des Patientenguts betrug 56,1 Jahre wobei der älteste Patient 81 und
der Jüngste 35Jahre alt war. Bei 20 Patienten war chronischer Alkoholabusus, bei 21
Patienten ein chronischer Nikotinabusus als Risikofaktor bekannt.
Die Ergebnisse der Histopathologie zeigten bei den 73 Patienten denen Knochen
entnommen wurde, in 20 Fällen (27,4 %) ein T1- Stadium, in 20 Fällen (27,4 %) ein T2Stadium, in 9 Fällen (12,3 %) ein T3- Stadium, in 20 Fällen (27,4 %) ein T4- Stadium, in 3
Fällen (4,1 %) ein Tx- Stadium und in einem Fall (1,4 %) das Tis- Stadium. Das
histologische Grading ergab in 10 Fällen
(13,7 %) Grad 1, in 34 Fällen (46,6 %) Grad 2 und in 29 Fällen (39,7 %) Grad 3.
Größe des Primärtumors bei allen Patienten mit Knochenentnahme
Stadium
In %
Anzahl
T1
T2
T3
T4
Tx
Tis
27,4
27,4
12,3
27,4
4,1
1,4
20
20
9
20
3
1
40
Größe des Primärtumors bei allen Patienten mit
Knochenentnahme
30
25
%
20
15
10
5
0
T1
T2
T3
T4
Tx
Tis
Stadium
Histologisches Grading bei allen Patienten mit Knochenentnahme
Differenzierungsgrad
G1
G2
G3
In %
13,7
46,6
39,7
10
34
29
Anzahl
Histologisches Grading bei allen Patienten
mit Knochenentnahme
50
40
%
30
20
10
0
G1
G2
G3
Differenzierungsgrad
Bei Patienten ohne Knocheninfiltration (53) ergab sich in 19 Fällen (35,8 %) das T1Stadium, in 16 Fällen (30,2 %) das T2- Stadium, in 8 Fällen (15,1 %) das T3- Stadium, in
8 Fällen (15,1 %) das T4- Stadium, in einem Fall (1,9 %) das Tx- Stadium und in einem
Fall (1,9 %) das Tis- Stadium. Im histologische Grading zeigte sich in 8 Fällen (15,1 %)
Grad 1, in 30 Fällen (56,6 %) Grad 2 und in 15 Fällen (28,3 %) Grad 3.
41
Größe des Primärtumors ohne Knocheninfiltration
T1
T2
T3
T4
Tx
Tis
35,8
30,2
15,1
15,1
1,9
1,9
19
16
8
8
1
1
Stadium
In %
Anzahl
Größe des Primärtumors ohne Knocheninfiltration
40
35
30
%
25
20
15
10
5
0
T1
T2
T3
T4
Tx
Tis
Stadium
Histologisches Grading bei Tumoren ohne Knocheninfiltration
Differenzierungsgrad
G1
G2
G3
In %
15,1
56,6
28,3
8
30
15
Anzahl
Histologisches Grading bei Tumoren ohne
Knocheninfiltration
60
50
%
40
30
20
10
0
G1
G2
G3
Differenzierungsgrad
42
Bei Patienten mit Knocheninfiltration (20) wurden in einem Fall (5 %) ein T1- Stadium, in
4 Fällen (20 %) ein T2- Stadium, in einem Fall (5 %) ein T3- Stadium, in 12 Fällen (60 %)
ein T4- Stadium und in 2 Fällen (10 %) ein Tx- Stadium klassifiziert. 2 Fälle (10 %) waren
histologischer Grad 1, 4 Fälle (20 %) Grad 2 und 14 Fälle (70 %) Grad 3.
Größe des Primärtumors mit Knocheninfiltration
T1
T2
T3
T4
Tx
Tis
In %
5
20
5
60
10
0
Anzahl
1
4
1
12
2
0
Stadium
Größe des Primärtumors mit Knocheninfiltration
70
60
50
%
40
30
20
10
0
T1
T2
T3
T4
Tx
Tis
Stadium
Histologisches Grading bei Tumoren mit Knocheninfiltration
Differenzierungsgrad
G1
G2
G3
In %
10
20
70
Anzahl
2
4
14
43
Histologisches Grading bei Tumoren mit
Knocheninfiltration
80
70
60
%
50
40
30
20
10
0
G1
G2
G3
Differenzierungsgrad
Bei der Betrachtung der Tumorgröße als isolierten Parameter fällt auf, dass die Stadien T1,
T2 und T4 in gleicher Häufigkeit vorkommen.
Bei Tumoren ohne Knocheninfiltration überwiegt das T1- Stadium deutlich, hingegen bei
Tumoren mit Infiltration ins benachbarte Knochengewebe das T4- Stadium. Auch im
histologischen Grading wird deutlich, dass hauptsächlich undifferenzierte Tumoren (G 3)
den Knochen infiltrieren (70 %).
In der Beurteilung der Tumorklassifikation aller Frauen (13) fanden sich in 3 Fällen (23,1
%) Tumoren der Kategorie T1, in 4 Fällen (30,8 %) Tumoren der Kategorie T2, in 2 Fällen
(15,4 %) Tumoren der Kategorie T3, in 3 Fällen (23,1 %) Tumoren der Kategorie T4 und
einer (7,7 %) der Kategorie Tx. Im histologische Grading zeigte sich in 3 Fällen (23,1 %)
Grad 1, in 7 Fällen (53,8 %) Grad 2 und in 3 Fällen (23,1 %) Grad 3.
Größe des Primärtumors bei allen Frauen
Stadium
In %
Anzahl
T1
T2
T3
T4
Tx
Tis
23,1
30,8
15,4
23,1
7,7
0
3
4
3
3
1
0
44
Größe des Primärtumors bei allen Frauen
35
30
25
%
20
15
10
5
0
T1
T2
T3
T4
Tx
Tis
Stadium
Histologisches Grading bei allen Frauen
Differenzierungsgrad
G1
G2
G3
In %
23,1
53,8
23,1
3
7
3
Anzahl
Histologisches Grading bei allen Frauen
60
50
%
40
30
20
10
0
G1
G2
G3
Differenzierungsgrad
Bei den Männern (73) wurde in 23 Fällen (31,5 %) das T1- Stadium, in 21 Fällen (28,8 %)
das T2- Stadium, in 7 Fällen (9,6 %) das T3- Stadium, in 18 Fällen (24,7 %) das T4Stadium, in 3 Fällen (4,1 %) das Tx- Stadium und in einem Fall (1,4 %) das Tis- Stadium
diagnostiziert. In 9 Fällen (12,3 %) handelte es sich um den histologischen Grad 1, in 35
Fällen (47,9 %) um Grad 2 und in 29 Fällen (39,7 %) um Grad 3.
45
Größe des Primärtumors bei allen Männern
Stadium
In %
Anzahl
T1
T2
T3
T4
Tx
Tis
31,5
28,8
9,6
24,7
4,1
1,4
23
21
7
18
3
1
Größe des Primärtumors bei allen Männern
35
30
25
%
20
15
10
5
0
T1
T2
T3
T4
Tx
Tis
Stadium
Histologisches Grading bei allen Männern
Differenzierungsgrad
G1
G2
G3
In %
12,3
47,9
39,7
9
35
29
Anzahl
Histologisches Grading bei allen Männern
60
50
%
40
30
20
10
0
G1
G2
G3
Differenzierungsgrad
46
9. Diskussion
Die Therapie von Mundbodenkazinomen wird nach wie vor kontraversiell diskutiert,
zumal sowohl funktionelle, physiologische als auch psychosoziale Auswirkungen für die
Betroffenen eine Rolle spielen.
Das Ausmaß der Knocheninfiltration durch den Tumor entscheidet über die weiteren
Therapiemöglichkeiten, die von palliativ bis radikalchirurgisch sein können.
Die vorliegende Studie beschreibt die Häufigkeit des tumorösen Knochenbefalls nach
radikalchirurgischer Resektion des Unterkiefers bei isolierten Mundbodenkarzinomen.
Isolierte Mundbodenkarzinome wurden als klinisch und radiologisch nicht dem Knochen
direkt aufsitzend definiert.
Auf Grund der erheblichen ästhetischen und funktionellen Beeinträchtigung die eine
Kontinuitätsresektion der Mandibula für den Patienten mit sich bringt, wird diese häufig in
Frage gestellt.
Durch
verbesserte
mikrochirurgische
Operationstechniken
wie
zum
Beispiel
mikrovaskulär- gestielte Knochen- und Hauttransplantate können vor allem ästhetisch
zufriedenstellende Ergebnisse erzielt werden. Gerade die Ästhetik ist für das
psychologische und gesellschaftliche Wohlbefinden des Patienten von enormer
Wichtigkeit.
Im Bereich der Funktion wie zum Beispiel der Schluck-, Sprech- und Kaufähigkeit ist der
Betroffene meist stark beeinträchtigt. Darum ist der Behandler gerade in diesem Bereich
gefordert, Verbesserungsmöglichkeiten zu finden.
Ein solches Beispiel sind Jejunumtransplantate zur Rekonstruktion der Zunge bei
Hemiglossektomie, die aus heutiger Sicht besser geeignet sind als Hauttransplantate, weil
sie der Mundschleimhaut viel ähnlicher sind und deshalb mehr Akzeptanz beim Patienten
finden. Großer Nachteil dabei ist, dass es sich um einen Mehrhöhleneingriff handelt, bei
welchem mit erheblich mehr Komplikationen zu rechnen ist und aus diesem Grund nur
mehr sehr selten zur Anwendung kommt.
Durch anschließende Logopädie mit Sprech- und Schlucktraining wird dem Patienten
ermöglicht, sich leichter an die neuen Gegebenheiten zu gewöhnen und damit umzugehen.
Vorteilhaft für den Chirurgen wäre, sich schon präoperativ ein Bild über den Zustand des
Knochens beziehungsweise des Periostes zu machen, um beurteilen zu können ob eine
Unterkieferkontinuitätsresektion zu erfolgen hat oder ob eine Kastenresektion ausreichend
ist.
47
Da dies nicht immer möglich ist, versucht man dieses Problem durch exaktere präoperative
Diagnostik bzw. präoperative Vorbehandlungen zu lösen. Die Methode Biers 1982
41
, ein
Plattenepithelkarzinom immer nur radikal zu resezieren, ist hinsichtlich heutiger
modernster Techniken nur mehr eingeschränkt anwendbar. So werden präoperative
Maßnahmen diskutiert welche es ermöglichen sich schon vor dem operativen Eingriff ein
Bild über die Situation zu machen.
42
Eine Studie von Klug C. et al
zeigt die Möglichkeit einer präoperativen
Radiochemotherapie vor allem bei Patienten mit Tumorstadium III und IV, eingeteilt nach
der Klassifikation der UICC. Die Patienten dieser Studie wurden alle einer präoperativen
Radiochemotherapie unterzogen und anschließend nach einem Zeitraum von vier bis sechs
Wochen radikal operiert.
Uneinigkeit besteht lediglich darin, ob prä- oder postoperativ eine Radiochemotherapie zu
erfolgen
hat.
Von
Vorteil
ist
die
niedrigere
Strahlendosis
bei
präoperativer
Strahlentherapie, sowie dass das freie Transplantat, welches zur Rekonstruktion verwendet
wird nicht durch Strahlen gefährdet wird und es somit nicht zu Wundheilungsstörungen
kommen kann. Andererseits sind durch radiogene Vorschädigungen die Anschlussgefäße
im Halsbereich in einem schlechteren Zustand, was die Anastomosierung mit Gefäßen des
Transplantates bei der Rekonstruktion erschwert. Alle diese Therapieansätze leisten einen
erheblichen Beitrag zur Verbesserung der Lebensqualität der Patienten.
Für die präoperative Beurteilung von Tumorgröße und Ausdehnung steht die sogenannte
PET bzw. die PET in Kombination mit einer CT (Positronen- Emissions- Tomographie
plus Computertomographie) zur Verfügung, die in vielen Fällen an der Grazer Klinik zum
Einsatz kommt. CT und MRT zeigen zwar ganz exzellent anatomische Details, leider aber
keine leicht vergrößerten Lymphknoten mit Metastasen. Daher eignet sich vor allem die
Kombination aus PET mit CT besonders in der frühzeitigen Tumordiagnostik aber auch
zum Nachweis von Rezidiven.
Erfassung von Größe, sowie die Tumorlokalisation und die Bestimmung des
Tumorstadiums sind ebenfalls möglich.
Eine Kombination aus PET und CT ermöglicht die gleichzeitige Darstellung eines
pathologischen Stoffwechsels und umliegender anatomischer Strukturen mit einer hohen
räumlichen Auflösung.
41
Bier,J.: Definition zum radikalchirurgischen Vorgehen bei Plattenepithelkarzinomen der Mundhöhle
Dtsch. Z. Mund-Kiefer-GesichtsChir. 6 (1982) 369-372
42
Klug,C.; Berzaczy,D.; Voracek,M.; Nell,C.; Ploder,O.; Millesi,W.; Ewers,R.: Preoperative
radiochemotherapy in the treatment of advanced oral cancer: Outcome of 276 patients
48
Mit dieser Methode ist es somit einfacher für den Chirurgen die effektivste
Therapiemöglichkeit zu finden und unnötige, den Patienten belastende Maßnahmen, zu
vermeiden. 43
An der Abteilung für Mund- Kiefer- und Gesichtschirurgie des LKH Graz wurde unter
Feichtinger et al.
44
die Möglichkeit der Kombination von PET und CT vorgestellt. Es
spielt in der präoperativen Tumordiagnostik eine wesentliche Rolle.
Mit einer Punktionsnadel, die durch ein Navigationssystem gesteuert wird, kann
punktgenau eine Biopsie entnommen werden. Auf diese Art ist das iatrogene
Verletzungsrisiko reduziert. Ferner ermöglicht dieses System eine genaue präoperative
Behandlungsplanung. Es können sowohl ausgedehnte Tumore, als auch Lokalrezidive
genau diagnostiziert werden, die eventuell keine eindeutige anatomische Abgrenzung
während der Operation aufweisen. So kann man sich schon vorab ein Bild über Größe und
Lokalisation des Malignoms machen. All diese Punkte machen das PET/CT zu einem
wichtigen Instrument in der Tumordiagnostik. Es ist in der Kopf- Hals- Chirurgie
hilfreicher als die konventionelle CT und Ultraschall geführte Biopsietechniken.
Zeigen sich bei der Durchführung von bildgebenden Verfahren sichtbare Zeichen einer
knöchernen Beteiligung des Tumors, entscheidet man sich in der Regel zur
Kontinuitätsresektion des Unterkiefers. Eine weitere Hilfe, sich präoperativ ein Bild über
den Knochenzustand zu machen, nämlich die Durchführung einer intraoperativen
Schnellschnittdiagnostik des Periostes, wird von der Bochumer Klinik empfohlen.
Marchetta et al. 45 46 beschrieben dieses 1961 und 1974 als natürliche Barriere, wodurch es
bei
intaktem
Zustand
eindeutig
als
Indikator
für
die
kontinuitätserhaltende
Unterkieferresektion gesehen werden kann. Marchetta konnte bei der Untersuchung seiner
Resektionspräparate, bei denen zwischen Karzinom und Knochen ein Abstand von
mindestens einem Millimeter festzustellen war, keine Tumorzellen in den Lymphgefäßen
des
Unterkieferperiostes
darstellen,
und
fordert
daher
die
Unterlassung
der
Knochenresektion bei der Operation von Tumoren in unmittelbarer Knochennähe.
43
www.nuklearmedizin.de/pat_info/petbrosch_04/pet_bro_04.pdf
Feichtinger,M,;Aigner,R.M.;Santler,G.;Kärcher,H.: Case Report: Fusion of positron emission tomography
(PET) and computed tomography (CT) images for image-guided endoscopic navigation in maxillofacial
surgery: Clinical application of a new technique
45
Marchetta,F.C.; Sako,K.; Badillo,J.: Periosteal lymphatics of the mandible and intra- oral carcinoma. Am
J Surg 108 (1964) 505-507
46
Marchetta,F.C.; Sako,K.; Murphy,J.B.: Periosteum of the mandible and intra- oral carcinoma
Am J Surg 122 (1971) 711- 713
44
49
Im Gegensatz dazu fordern andere Autoren (Sloughter 1949,
Heidsieck 1968,
49
Jahnke 1975
50
47
Ward u. Robben 1951,
48
) eine Unterkieferteilresektion bei nahe gelegenem
Mundbodenkarzinom. Auch in einer Studie von Fischinger J. et al.
51
wurde festgestellt,
dass sich das Mundbodenkarzinom nicht nur per continuitatem, sondern auch durch
Embolisation der Lymphgefäße des Unterkieferperiostes verbreiten kann. Daher wird aus
Sicherheitsgründen immer eine radikal chirurgische Therapie angeraten.
Die Ergebnisse der vorgelegten Studie, bei der ein Patientengut von 86 Patienten mit der
Diagnose Mundbodenkarzinom untersucht wurde, ergab eine Knocheninfiltration in
27,4 % der Fälle. In 72, 4 % der Fälle konnte nach pathohistologischer Untersuchung keine
Tumorinfiltration in den Knochen nachgewiesen werden. Dieses Ergebnis entspricht dem
Ergebnis einer ähnlichen Untersuchung von Swearingen et al. 1986,
Pesch 1982,
53
Carter et al. 1983,
54
O’Brien et al. 1986,
55
52
Weidenbecher u.
Barttelbort et al. 1987
56
, bei
welcher die Invasion des Unterkiefers 20- 25 % betrug.
Eine andere Studie, die sich mit der Indikation zur Unterkieferteilresektion bei Tumoren
der unteren Mundhöhlenetage (Bremerich A.,
Bochum
57
57
Akuamoa- Boateng E.,
57
Machtens E.,
) beschäftigt, konnte in 78 % der Fälle ein nicht tumorinfiltrierter Knochen
festgestellt werden.
47
Sloughter, D.P.: Excision of the mandible for neoplastic disease. Surgery 26 (1949) 507- 511
Ward, G.E.; Robben, J.O.: A composite operation for radical neck dissection and removal of cancer of the
mouth. Cancer 4 (1951) 98- 109
49
Heidsieck, C.: Zur Technik der Radikaloperation des Mundbodencarcinoms. Der Chirurg 39 (1968) 137141
50
Jahnke, V.: Die Chirurgie der Zungen- und Mundbodentumoren. Arch. Oto- Rhino- Laryng. 210 (1975)
275- 288
51
Fischinger, J.; Kambic, V.; Gale, N.; Zargi, M.; Zerdoner, D.: Zur Frage der Erhaltung des Unterkiefers bei
der chirurgischen Behandlung des Mundbodenkarzinoms, Fortschritte der Kiefer- und Gesichtschirurgie,
Ein Jahrbuch, Band XXXVII
52
Swearingen, A.G.; Mc Graw, J.P.; Palumbo, V.D.: Roentgenographic pathologic correlation of carcinoma
of the gingiva involving the mandible. Am J Roentgenol 96 (1966) 15
53
Weidenbecher, M.; Pesch, H.-J.: Zur Frage der generellen Unterkieferteilresektion bei knochennah
gelegenen Karzinomen der Mundhöhle und des Oropharynx. HNO 30 (1982) 453
54
Carter, R.L.; Tsao, S.W.; Burmann, F.F.; Pittham, M.R.; Clifford, P.; Shaw, H.J.: Patterns and mechnisms
of bone invasion by squamous cell carcinoma of the head and neck. Am J Surg 146 (1983) 146
55
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Einerseits sprechen diese Zahlen für eine weniger radikale operative Vorgangsweise vor
allem bei Tumorstadium I und II, andererseits ist zu erwähnen, dass heute trotz radikalchirurgischer Techniken, die bei einem T4- Stadium unersetzlich sind, ein ästhetisch sehr
zufriedenstellendes Ergebnis erreicht werden kann, auf Grund der hervorragenden
Methoden der rekonstruktiven Chirurgie.
Weiters zeigt sich in der vorgelegten Studie ein signifikanter Zusammenhang zwischen
Tumorgröße (eingeteilt gemäß der TNM- Klassifikation der UICC von 1979) und
Knocheninfiltration. So sind in Fällen, bei denen der Knochen nicht infiltriert ist, die
Tumorstadien 1 (35,8 %) und 2 (30,2 %) deutlich höher, während in Fällen mit
Knocheninfiltration zu 60 % eindeutig das T4- Stadium dominiert.
Zusammenfassend ist zu sagen, dass bei einem Abstand des Tumors von über einem
Zentimeter zum Knochen dieser erhalten werden kann. Ist der Abstand geringer, oder sitzt
der Tumor dem Periost auf, muss eine Kontinuitätsresektion durchgeführt werden. Die
Kastenresektion hat einen zweifelhaften Sinn, weswegen sie in Graz nicht gemacht wird.
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