3 3975/2011 INHALT Herausgegeben vom aid infodienst Ernährung, Landwirtschaft, Verbraucherschutz e. V. Heilsbachstraße 16 53123 Bonn Internet: www.aid.de E-Mail: [email protected] mit Förderung durch das Bundesministerium für ­Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages. Vorwort.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Redaktion: Eva Zovko, Maike Später (Mitarbeit), beide aid Andrea Fenner, Kaiserslautern Ergebnisse der NVS II aus dem Bereich Ernährungskompetenz Thorsten Heuer Max Rubner-Institut, Bundesforschungsinstitut für Ernährung und Lebensmittel Abbildungen, Folien und Tabellen: Die zu den Vorträgen gehörenden Abbildungen, Folien und Tabellen stammen – soweit nicht anders gekennzeichnet – von den jeweiligen ­Re­ferentinnen und Referenten. Gestaltung: grafik.schirmbeck, 53340 Meckenheim Druck: Druckerei Lokay e. K. Königsberger Str. 3 64354 Reinheim 2., unveränderte Neuauflage 2011 Nachdruck und Vervielfältigung – auch auszugsweise – sowie Weitergabe mit Zusätzen, Auf­ drucken oder Aufklebern nur mit Genehmigung des aid gestattet. ISBN 978-3-8308-0838-1 Ernährungskompetenz ist Lebenskompetenz.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Begrüßung und Einführung Dr. Margareta Büning-Fesel Geschäftsführender Vorstand aid infodienst, Bonn Film 1: aid-Umfrage „Mahlzeit!“. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 Ernährungswissen, Lebensmitteleinkauf und Kochfertigkeiten. . . . . . . 15 Film 2: Wir bitten zu Tisch … eine deutsche Familie.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 Adipositas bei Kindern und Jugendlichen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 Soziale Ursachen und Lösungsansätze Dr. Michael M. Zwick Universität Stuttgart Essens-ABC quer durch Bildungsgruppen.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 Erfahrungsbericht im Zuge des EU-Projekts Food Literacy Silvia Danninger, AHAPunkt. Institut für Erlebnistraining und Projektconsulting, Wien/Österreich Gesund sind wir stark!.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 Projekt „Gesund sind wir stark! – Sağlıklı daha güçlüyüz!“, Berlin Stephanie Wetzel Ernährungswissenschaftliche Dienstleistungen, Berlin Film 3: Wir bitten zu Tisch … eine türkische Familie.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 Ernährung und Bewegung aus sozialräumlicher Perspektive. . . . . . . . . . . 52 „mittendrin“ – Das Marburger Gesundheitsnetzwerk für Kinder Monika Kringe Gesundheitsnetzwerk für Kinder „mittendrin“, bsj-Marburg Migrantinnenprojekt zum Thema Ernährung und Bewegung. . . . . . . . . . . 59 Das Schweizer Präventionsprojekt „MigesBalù“ Rosa Plattner Geschäftsführerin Ostschweizerischer Verein für das Kind, St. Gallen/Schweiz Wohin geht der Trend?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 Was und wie essen wir morgen? Hanni Rützler futurefoodstudio, Wien/Österreich aid-Medien.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 4 DU ISST, WIE DU BIST? ERNÄHRUNGSKOMPETENZ IST LEBENSKOMPETENZ Vorwort Die Kluft zwischen dem gesundheitlichen Allgemeinzustand gut situierter Bürgerinnen und Bürger einerseits und sozial schwächerer Menschen andererseits wird immer größer. Mangelnde Ernährungskompetenz ist ein Grund, weshalb Menschen mit geringer Bildung oder niedrigem Einkommen wesentlich häufiger Übergewicht haben als Personen mit einem höheren Bildungsgrad. Fakt ist: Je geringer die Bildung, die soziale Schicht und das Einkommen, desto größer ist die Anzahl übergewichtiger oder adipöser Männer und Frauen. Armut und mangelnde Bildung erhöhen somit das Risiko zu erkranken und verringern die Lebenserwartung. Dr. Margareta Büning-Fesel, Geschäftsführender Vorstand des aid infodienst, und Moderator Ingo Lamberty eröffnen das 11. aid-Forum. Foto: Peter Meyer, aid Das 11. aid-Forum „Du isst, wie du bist? – Ernährungskompetenz ist Lebenskompetenz“ hat sich daher mit der Frage beschäftigt, wie man Zugang zu den betroffenen Bevölkerungsgruppen finden kann: Wie kann die Ernährungskompetenz von sozial schwachen Familien oder Familien mit Migrationshintergrund gestärkt werden? Wie können sie in die Lage versetzt werden, ihr Essverhalten zu reflektieren und eine Verbesserung der Ernährungssituation selbst in die Hand zu nehmen? ERNÄHRUNGSKOMPETENZ IST LEBENSKOMPETENZ DU ISST, WIE DU BIST? Expertinnen und Experten aus verschiedenen Bereichen beleuchten die Problematik aus unterschiedlichen Blickwinkeln. Die ausführlich dokumentierten Vorträge und Diskussionen geben Antworten darauf, welche Maßnahmen ergriffen werden können, um Menschen auch wirklich zu erreichen und eine Trendwende herbeizuführen. Anhand von Praxisbeispielen zeigen wir, wie Familien durch den Erwerb von Ernährungskompetenz ihre Essgewohnheiten verbessern und ihren Ernährungsalltag selbstbestimmt, verantwortungsbewusst und genussvoll gestalten können. Foto: Peter Meyer, aid Wir wollten auch unsere Zielgruppen zu Wort kommen lassen und haben deshalb in einer Kölner Fußgängerzone Menschen nach ihren Koch-Erfahrungen und -Gewohnheiten gefragt. Außerdem waren wir in zwei Familien zu Gast. Eine deutsche und eine türkische Familie gewährten uns Einblick in Einkaufswagen, Kochtopf und Esszimmer. Die Verbraucher-Umfrage und beide Familienporträts finden Sie auf der beiliegenden DVD. Wir wünschen interessante Einblicke und Anregungen! Einspielfilme gaben Einblicke in den praktischen Ernährungsalltag von Menschen. 5 6 DU ISST, WIE DU BIST? ERNÄHRUNGSKOMPETENZ IST LEBENSKOMPETENZ Ernährungskompetenz ist Lebenskompetenz Ernährungskompetenz als Lebenskompetenz, so lautet das Thema unseres 11. aid-Forums. Doch was heißt eigentlich Ernährungskompetenz? Nach einer Definition des Katalyse-Instituts für angewandte Umweltforschung ist Ernährungskompetenz die Fähigkeit, theoretische Kenntnisse und praktische Fertigkeiten im Ernährungsalltag in ein angemessenes Handeln umzusetzen, zum Beispiel im Sinne einer gesunden und nachhaltigen Ernährung. Eine andere, neue Definition, die wir als aid im Rahmen eines EU-Projekts mitentwickelt haben, geht noch darüber hinaus und wird heute vermehrt als Bezeichnung für eine persönliche Schlüsselkompetenz eingeführt: Food Literacy. Das englische „literacy“ bedeutet eigentlich, lesen und schreiben zu können. Es findet aber auch in anderen Zusammenhängen Anwendung wie in Computer Literacy oder Consumer Literacy. Food Literacy ist die Fähigkeit, den Ernährungsalltag selbstbestimmt, verantwortungsbewusst und genussvoll zu gestalten. „Selbstbestimmt“ meint, dass eine Person ihren Essalltag bewusst gestalten und alleine bestimmen kann. „Verantwortungsbewusst“ bezieht sich einerseits auf den Umgang mit dem eigenen Körper, also darauf, Verantwortung für sich und die eigene Gesundheit zu übernehmen. Es bezieht sich aber auch auf die Verantwortung für andere – wenn eine Person für ihre Familie, ihre Freunde oder ihre Kinder kocht. Auch Genuss und Wohlbefinden spielen beim Essen eine wichtige Rolle. Das weit verbreitete Vorurteil „gesun- de Ernährung schmeckt nicht“, darf auf keinen Fall Bestätigung finden. Das haben wir auch auf vergangenen aid-Foren bereits mehrfach festgestellt. Silvia Danninger wird das Thema Food Literacy mit einem eigenen Vortrag vertiefen. Was bedeutet es, selber kochen und sich etwas zubereiten zu können? Die Kommunikationswissenschaftlerin Sonja Schnögl, die ebenfalls im Food-Literacy-Projekt engagiert war, hat dazu einige Aussagen gesammelt: p Kochen ist Kultur, denn es gilt als die älteste Kulturtechnik der Welt. p Kochen ist Autonomie, denn der eigene Herd macht unabhän- gig von anderen. p Kochen ist Kreativität, denn es eröffnet die Möglichkeit, selbst etwas zu gestalten. p Kochen ist Handwerk, denn ich „baue“ mit meinen Händen eine Speise. p Kochen ist Freundschaft, denn wir tun uns selbst und anderen etwas Gutes. p Kochen ist lernen, denn wir müssen planen, einteilen, ent- scheiden, agieren, reagieren und bewerten. Und schließlich: p Kochen macht Spaß und führt zu einer richtigen Ernährung. Dr. Margareta Büning-Fesel KONTAKT Geschäftsführender Vorstand aid infodienst, Bonn Dr. Margareta Büning Fesel aid infodienst Ernährung, Landwirtschaft, Verbraucherschutz e. V. Heilsbachstraße 16 53123 Bonn E-Mail: [email protected] Internet:www.aid.de ZUR PERSON _____ p 1985 bis 1990 Studium der Oecotrophologie an der Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn p Ärzte- und Apotheker-Wirtschaftsinstitut in Bonn p 1991 bis 2001 Leiterin des Dezernats „Grundlagen der Ernährung“ im aid; Arbeitsschwerpunkte: Ernährung von Schwangeren, Säuglingen, Kindern und Jugendlichen sowie diverse diätetische Themenbereiche p freie Referentin im Rahmen von Vorträgen und Seminaren p 1996 Promotion am Forschungsinstitut für Kinderernährung in Dortmund p ab August 2000 Koordinatorin des deutschen Beitrags „Talking Food“ zur europäischen Food-SafetyKampagne p seit Dezember 2001 Geschäftsführender Vorstand des aid p seit Sommersemester 2003 Lehrauftrag an der Hochschule Niederrhein zum Thema „Kampagnen zur Ernährungsaufklärung“ p Mitglied im Vorstand des Vereins „5 am Tag“ und Mitglied im Vorstand der Arbeitsgemeinschaft Ernährungverhalten e. V. (AGEV) ERNÄHRUNGSKOMPETENZ IST LEBENSKOMPETENZ DU ISST, WIE DU BIST? 7 Foto: fotolia/BlueOrange Studio Warum ist gemeinsames Kochen und Essen in manchen Familien nicht ebenso selbstverständlich wie gemeinsam zu lachen? Spaß macht schließlich beides! Ernährungsbildung – (k)eine Familiensache Wie sieht es aber mit unseren Kochkompetenzen und mit denen von Familien aus? Die Überschrift der Familiensoziologin Prof. Uta Meier-Gräwe über einem Zeitungsartikel lässt Schlechtes ahnen. Bewusst sehr provokant gemeint schrieb sie: „Das Essen verlernen wir zu Hause …“, obwohl Kinder doch eigentlich in den Familien lernen sollten, wie man kocht und sowohl Tischsitten als auch Ernährungskompetenzen kennen lernen müssten. Warum also sagt Meier-Gräwe, wir würden das Essen zu Hause verlernen? Foto: fotolia/Monkey Business Richtig und gut zu essen ist von Anfang an wichtig. Die Oecotrophologin Prof. Ute Leonhäuser von der Universität Gießen hat dazu 2005 zahlreiche Studien ausgewertet. Ein auch an anderen Stellen gut belegtes Fazit ihrer Untersuchung lautet: Das Wissen über eine gesunde Ernährung ist in den Familien offensichtlich angekommen. Es fehlt aber an entsprechenden Fähigkeiten zur Speisenzubereitung, um Ernährungsempfehlungen praktisch umzusetzen. Die Empfehlung, fünf Mal am Tag frisches Obst und Gemüse zu essen, verdeutlicht die Problematik. Wer nicht weiß, wie man frisches Gemüse zubereitet, greift verständlicherweise eher zu Fertiggerichten. Dabei haben der Familienstand, die Erwerbstätigkeit und das Haushaltseinkommen einen Einfluss darauf, wie viel Zeit und Mühe Menschen auf die Zubereitung von Speisen verwenden. Leonhäuser weist auch darauf hin, dass Lebensmittel in vielen Familien für die Kinder keinen höheren oder anderen Stellenwert haben als x-beliebige Nonfood-Produkte. Wir müssen daher die Kompetenzen der Familien in Hinsicht auf gesundes Essverhalten stärken. Empowerment bei der familiären Ernährung beginnt schon beim Kochen, das als Kulturtechnik im Alltag an Bedeutung verloren hat. Leider gibt es noch wenige Programme und Ansätze, die Familien dazu motivieren, die eigene Ernährung wieder selbst in die Hand zu nehmen. Einige Praxisbeispiele stellen wir im weiteren Verlauf der Tagung vor. Die zentrale Herausforderung liegt in einem möglichst frühen Zugang zu Familien mit kleinen Kindern, im günstigsten Falle bereits während der Schwangerschaft. DU ISST, WIE DU BIST? ERNÄHRUNGSKOMPETENZ IST LEBENSKOMPETENZ Dr. Ulrike Ravens-Sieberer hat mit ihrer Arbeitsgruppe an der Universität Bielefeld, Fakultät für Gesundheitswissenschaften, im Jahr 2007 die AOK-Stern-Studie veröffentlicht. Diese Studie sollte beantworten, welche Faktoren das gesunde Aufwachsen von Kindern in Familien fördern. Die Gesundheitspsychologin hat dazu 30 Familien untersucht und dabei Risiko- und Schutzfaktoren in Bezug auf das Ernährungsverhalten definiert. Als Familienmerkmale eines eher ungünstigen Ernährungsverhaltens nennt sie, dass es in diesen Familien keine regelmäßigen Mahlzeiten gibt, dass Regeln für die Lebensmittelauswahl fehlen, dass die Kinder sich frei am Kühlschrank bedienen können und dass sie einen nicht reglementierten Zugang zu Süßigkeiten und Snacks haben. Weiterhin werden die Mahlzeiten nicht am Esstisch eingenommen, sondern vor dem Fernseher. Auch weil es keine festen Regeln gibt, ist das Thema Essen sehr konfliktträchtig zwischen Eltern und Kindern. Auf der anderen Seite hat die Wissenschaftlerin Familien identifiziert, in denen bestimmte Maßnahmen oder Regeln zu einem positiveren Essverhalten führen. In diesen Familien gilt das gemeinsame Frühstück als wichtiger Start in den Tag, und es gibt täglich mindestens eine Familienmahlzeit ohne Fernseher. Die Mahlzeiten finden in einer angenehmen Atmosphäre statt. Man muss von jedem Essen etwas probieren, und die Eltern bemühen sich Dinge zuzubereiten, die die Kinder auch gerne mögen. Des Weiteren sind Tischsitten sehr wichtig und unterstreichen die Bedeutung der gemeinsamen Mahlzeit. Süßigkeiten sind zwar nicht tabu, werden aber kontrolliert an die Kinder gegeben. Ingesamt werden die Regeln für die Mahlzeiten mit den Kindern verhandelt. Die Untersuchung zeigt, dass es keine Zusammenhänge zwischen der Art oder der Qualität der verwendeten Lebensmittel und dem Ernährungszustand gibt. Allein die Ernährungsgewohnheiten waren ausschlaggebend. Bei Familien mit normalgewichtigen Kindern zeigte sich außerdem eine deutlich andere Einstellung zu Essgewohnheiten als bei Familien mit übergewichtigen Kindern. Männer an den Herd Wer kümmert sich eigentlich ums Essen und wie sieht es mit den Essgewohnheiten aus? Der Wiener Wirtschaftssoziologe Dr. KarlMichael Brunner hat zu dieser Frage Tiefeninterviews im Rahmen einer Sinus-Milieu-Studie geführt, das heißt, er hat Menschen aus unterschiedlichen Lebenswelten interviewt. Dabei stellte er unter anderem fest, dass berufstätige Menschen häufig auf das Mittagessen verzichten und nur nebenher, vielleicht sogar am Schreibtisch essen; dass Singles ihre Ernährungsverantwortung häufig an Dienstleister und damit an außerhäusliche Instanzen abgeben; und dass Frauen, die kochen können, eher bereit sind, auch tatsächlich etwas für sich zuzubereiten als Männer mit den gleichen Koch-Fähigkeiten. Letztere scheinen das Kochen oft nicht als regelmäßige Daseinsvorsorge anzusehen sondern als kreatives Hobby. Bei Jugendlichen besitzt bewusstes Ernährungshandeln noch keinen zentralen Stellenwert im Alltag. Foto: fotolia/moodboard 8 Männer in die Küche – wer an der Essenszubereitung beteiligt ist, setzt auch häufiger Ernährungsempfehlungen um. Untersuchungen über die häusliche Arbeitsteilung zwischen Mann und Frau zeigen, dass Frauen wesentlich mehr Zeit für Hausarbeit aufwenden als Männer. Bei der Essenszubereitung wird der zeitliche Anteil, den Männer übernehmen, noch einmal geringer. Sie verbringen im Vergleich zu Frauen nur etwa ein Fünftel bis ein Viertel der Zeit mit Hausarbeit. Nach wie vor sind also Frauen für die Ernährungsversorgung der Familien zuständig. Problematisch ist, dass diese Tätigkeit immer weniger anerkannt wird und dass die Kompetenz schwindet. Im Ernährungsbericht 2004 gibt es dazu Zeitstudien-Untersuchungen von Prof. MeierGräwe. Sie erfasst darin, wie viel Zeit Frauen für die Essenszubereitung aufwenden. Sie unterscheidet dabei, ob Frauen in Vollzeit, in Teilzeit oder nicht erwerbstätig arbeiten, und wie viel Prozent ihrer Männer zumindest eine Beköstigungstätigkeit pro Tag übernehmen. Bei den vollbeschäftigten Frauen sind nur 60 Prozent der jeweiligen Männer oder Väter überhaupt bereit sich einzubringen. Sobald die Frau gar nicht oder nur in Teilzeit beschäftigt ist, sinkt der Anteil auf etwas mehr als die Hälfte. Eine bessere Etablierung praktischer Ernährungskompetenz bei allen Familienmitgliedern trägt auch zu einem besseren Ernährungsverhalten bei. In einer amerikanischen Untersuchung von der Universität Minnesota fragten Wissenschaftler/-innen um Nicole Larson rund 750 junge Männer und 950 junge Frauen im Alter zwischen 18 und 23 Jahren, ob sie zu Hause an der Essenzubereitung beteiligt sind. Ein Ergebnis der Studie lautete: Wer zu Hause an der Essenszubereitung beteiligt ist, setzt sehr viel häufiger die empfohlenen Ernährungsregeln um als andere, die nur selten etwas zubereiten. Letztere nannten als Hinderungsgründe, dass sie nicht kochen könnten, keine finanziellen Spielräume zum LebensmittelEinkauf hätten und ihnen Zeit fehle. Junge Erwachsene, so ein Fazit der Studie, profitieren also von Kursen, die Kompetenzen zur Zubereitung von Mahlzeiten vermitteln, insbesondere wenn sie schnell zuzubereiten und preiswert sind.