Kurzberichte zu Studien seien die interethnische Konflikte der 1990er Jahre im russischen Nordkaukasus, im moldauischen Transnistrien, georgischen Abchasien und Ossetien sowie der Krieg zwischen Armenien und Aserbaidschan damals als lokalen Ursprungs angesehen worden. In der Zwischenzeit sei allerdings klar geworden, dass diese Zusammenstöße schon damals durch westliche Informationskriegsführung mit verursacht worden seien. Auch die nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion aufgesetzten westlichen Hilfsprogramme für die Entwicklung von Demokratie und Zivilgesellschaft, so Bastrykin weiter, hätten dazu gedient, an Russlands Grenzen neue Brutstätten von Kriegen zu schaffen. Diesem Narrativ und der damit verbundenen Notwendigkeit von Gegenmaßnahmen entspricht Moskaus Darstellung der Ereignisse in der Ukraine. Die Euromaidan-Proteste, die zum Sturz der Regierung Viktor Janukowitschs führten, seien kein populärer Aufstand gewesen, sondern ein von westlichen Geheimdiensten inszenierter faschistischer Coup, der auf die Krim ausgedehnt werden sollte. Russland hätte keine andere Wahl gehabt, als sich dieser Entwicklung entgegenzustellen. Die Autorin betrachtet die Verbreitung dieser Version der Ereignisse als zumindest in Russland erfolgreich. Umfragen zeigten, dass die überwältigende Mehrheit der Russen der vom Kreml konstruierten „alternativen“ Wirklichkeit Glauben schenke. Die Studie weist zudem auf zahlreiche Gesetze hin, die in den letzten Jahren erlassen worden sind und die darauf abzielen, die staatliche Kontrolle über die Medien und das Internet zu verschärfen und zu verhindern, dass die tatsächlichen Gegebenheiten erkannt werden. Sie geht auch auf die neuesten Ausprägungen der russischen Informationskriegsführung im Internet ein. Dazu gehörten weltweite Computerprogramme mit WebRobotern, auch bekannt als Bots, die automatisch eine Unmenge von Informationseinheiten aussendeten. Als ein Beispiel nennt sie das Internet-Portal der staatlichen Agentur RT (Russia Today), das rund alle zwei Minuten einen Tweet absendet, der dann häufig, oft hunderte Male, geteilt wird. So habe beispielsweise die Analyse von rund 33.000 Tweets auf drei Nachrichtenmärkten ergeben, dass die RT-Retweets von relativ wenigen „Anhängern“ ausgingen, was darauf hindeutete, dass diese von Bots verbreitet worden seien. Die empirische Basis, auf der Yarsike Ball ihre Kernthese entwickelt, ist allerdings relativ dürftig. Wie der Fußnotenapparat deutlich macht, beruht die Arbeit praktisch ausschließlich auf Sekundärquellen. Die KremlKonstruktion einer alternativen Wirklichkeit in Syrien wird nur gestreift. Internet-Eingriffe und Angriffe auf die 205 Baltischen Staaten werden nur kursorisch erwähnt und die Hacker-Angriffe und Einmischung in die Präsidentschaftswahlen 2016 in den Vereinigten Staaten überhaupt nicht. http://www.ndc.nato.int/download/downloads.php? icode=512 Alina Polyakova, Marlene Laruelle, Stefan Meister und Neil Barnett: The Kremlinʼs Trojan Horses. The Atlantic Council, November 2016 Besprochen von Dr. Hannes Adomeit: Non-resident Fellow, Institut für Sicherheitspolitik an der Universität Kiel, E-Mail: [email protected] DOI 10.1515/sirius-2017-0039 Die Autoren dieses Kompendiums sind Alina Polyakova, Leiterin der Forschungsabteilung für Europa und Eurasien am Atlantic Council in Washington, D.C., die die Einleitung und konzeptionelle Grundlagen für die Studie verfasst hat; Marlene Laruelle, Forschungsprofessorin und Co-Direktorin des Instituts für Europäische, Russische und Eurasische Studien an der Elliott School of International Affairs der George Washington Universität; Stefan Meister, Leiter des Robert Bosch-Zentrums für Mittel- und Osteuropa, Russland und Zentralasien an der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP); und Neil Barnett, geschäftsführender Direktor von Istok Associates, einer Forschungs- und Beratungsfirma mit Sitz in London, die sich mit mittel- und osteuropäischen sowie Nahost-Fragen befasst. Radosław Sikorski, ehemaliger polnischer Außenminister, hat zu diesem Kollektivwerk ein Vorwort geschrieben. Polyakova leitet die Studie mit der Darstellung ein, dass der Kreml seit Putins Rückkehr ins Präsidialamt im Frühjahr 2012 in ganz erheblichem Maße Anstrengungen unternommen habe, Politik und Gesellschaft im Ausland zugunsten russischer Interessen zu beeinflussen. Dieses Bemühen sei Teil einer Art Kriegführung, die zu einem Bestandteil der russischen Militärdoktrin geworden sei. Richtungsweisend dafür seien die Ausführungen des Chefs des russischen Generalstabs, General Waleri Gerassimow, im Januar 2013. In einer Rede vor der Jahresversammlung der Russischen Akademie für Militärwissenschaft habe er postuliert, dass politische Ziele nicht mehr allein mit konventioneller Feuerkraft zu erreichen seien, sondern durch den breit gestreuten Einsatz von Desinformationen, von politischen, ökonomischen, humanitären und anderen nichtmilitärischen Maßnahmen, Unauthenticated Download Date | 8/19/17 8:19 AM 206 Kurzberichte zu Studien die in Verbindung mit dem Protestpotential der Bevölkerung zum Einsatz gebracht werden könnten. In Mittel- und Osteuropa sei das Hauptziel Moskaus, die Länder dieser Region von der europäischen Integration abzuhalten. Der Kreml tue dies durch die strategische Ausnutzung von Bruchstellen in den mittel- und osteuropäischen Demokratien wie schwache Regierungsführung, ein unterentwickelter zivilgesellschaftlicher Raum und unterfinanzierte unabhängige Medien, und er kultiviere die Beziehungen zu aufsteigenden autokratischen Führern und nationalistischen populistischen Parteien. Noch aus der Sowjetzeit stammende übergreifende Verbindungen des Kremls mit Politikern und wirtschaftlichen Führungskräften, historische und kulturelle Verbindungen sowie russischsprachige Minderheiten erleichterten die Einflussnahme. Die Strategie der Einflussnahme, so die Autorin, beschränke sich nicht auf den post-sowjetischen Raum und die mittel- und osteuropäischen Länder, sondern werde auch in Westeuropa verfolgt. Darüber gäben die Fallstudien zu den drei politisch und wirtschaftlich wichtigsten Länder des westlichen Europas − Frankreich, Deutschland und Großbritannien − Aufschluss. Die von Moskau im westlichen Europa verfolgten Ziele seien denen der russischen Politik im östlichen und südöstlichen Teil ähnlich. Ein Netzwerk von Personen und Organisationen solle aufgebaut und gepflegt werden, um vom Kreml definierte geopolitische und wirtschaftliche und Interessen Russlands zu unterstützen. Dazu gehörten vor allem Delegitimierung der NATO und der transatlantischen Zusammenarbeit sowie die Schwächung der EU und der europäischen Integration. Die Haltung europäischer Regierungen, Parteien und Bewegungen zur Krim-Annexion, der militärischen Intervention Russlands in der Ostukraine und die gegen Moskau verfügten Sanktionen hätten Symbolcharakter, seien gewissermaßen der Lackmustest, anhand dessen der Erfolg der Anstrengungen des Kremls um Einflussnahme gemessen werden könne. Die Reihenfolge, in der dieses Bemühen behandelt wird, folgt (unausgesprochen) der Bewertung der Autoren seines Erfolgsgrades. In Frankreich spiegele sich dieser im Aufstieg des rechtsnationalen Front National Marine Le Pens wider. Der FN, so Laruelle, sei eine solide auf proPutin Kurs segelnde Partei und die einzige in Europa, die offen finanzielle Unterstützung aus Russland akzeptiere. Im Jahr 2014 habe sie ein Darlehen in Höhe von neun Millionen Euro von einer in Tschechien angesiedelten russischen Bank erhalten, und im Frühjahr 2016 habe Le Pen Russland um weitere siebenundzwanzig Millionen Euro zur Vorbereitung auf die Präsidentschafts- und Parlamentskampagnen 2017 gebeten. In Deutschland seien die Trojanischen Pferde des Kremls sowohl rechts von der Mitte, bei nationalen, antieuropäischen, anti-amerikanischen und anti-islamistischen Parteien und Kräften (AfD, Pegida), als auch links von der Mitte, in der SPD und der Linken, zu finden. Meister zufolge spielten wirtschaftliche Interessen (Ostausschuss der Deutschen Wirtschaft) bei der Putin-Apologie und der Beschwichtigung der von Russland ausgehenden Gefahren eine wichtige Rolle. Dies werde vor allem an der negativen Haltung des Ostausschusses und anderer von der Wirtschaft abhängiger Institutionen, wie beispielsweise dem Deutsch-Russischen Forum, zu den Sanktionen und an der positiven Einstellung zur Nord Stream 2-Pipeline deutlich. In Großbritannien könnte der Brexit als große Erfolgsgeschichte gewertet werden. Auch bei UKIP, urteilt Barnett, handele es sich um eine eng nationale Interessen verstehende, anti-europäische Partei auf pro-russischem Kurs. Allerdings sei der Erfolg der „Leave“-Kampagne kaum auf russische Subversions- und Infiltrationsbemühungen zurückzuführen. Viele andere Faktoren seien dafür maßgeblich gewesen. Zudem sei die Anfälligkeit Großbritanniens für russische Anstrengungen, auf die Innen- und Außenpolitik des Landes Einfluss zu nehmen, vergleichsweise gering. Dies liege daran, dass es eine lange Tradition imperialistischer und post-imperialistischer Konkurrenz mit Russland um Einfluss in Europa und der Welt gegeben und die Krim-Annexion und der Krieg in der Ostukraine sowie der Mord an Alexander Litwinenko einen Vertrauensverlust bewirkt habe. Zudem sei die britische Bevölkerung traditionell an Extremismus von links oder rechts uninteressiert. Der Schlussteil der Studie enthält eine Reihe von Empfehlungen, wie der Einflussnahme Russlands auf Politik, Wirtschaft und Gesellschaft in den drei untersuchten und anderen europäischen Ländern begegnet werden könne. http://www.atlanticcouncil.org/images/publications/ The_Kremlins_Trojan_Horses_web_0228_third_edition. pdf Unauthenticated Download Date | 8/19/17 8:19 AM