Fallrepetitorium an der Universität Tübingen Aktuelle Fälle des Verwaltungsgerichts Sigmaringen im Sommersemester 2005 Lösungsskizze zu Fall 1: Keine wilden Plakate in der Stadt Präsident des VG Dr. Franz-Christian Mattes Maßgebliche Rechtsgrundlagen: §§ 14, 16, 19 StrG BW, §§ 7, 8 FStrG § 6 a StVG, §§ 32, 46 StVO, §§ 1, 9, 12, 13 VwKostG, GebOSt 1. Keine Plakatierung in Tübingen für auswärtige Veranstaltungen Fall: VG Sigmaringen, Urteil vom 18.11.2004 - 8 K 2111/02 - juris und beck-online VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 19.01.2006 - 5 S 846/05 - VENSA Weitere Rechtsgrundlagen: -Satzung der Stadt Tübingen über die Erlaubnisse und Gebühren für Sondernutzungen an öffentlichen Straßen (www.tuebingen.de/formulardownload/satzung_sonder_strassen.pdf) -Richtlinien der Stadt Tübingen über die Erteilung von Sondernutzungserlaubnissen auf öffentlichen Verkehrsflächen (www.tuebingen.de/formulardownload/Satzung_Sonder_Verkehrsflaeche_2005.pdf) Vorüberlegung: Plakatierung an öffentlichen Straßen als Gemeingebrauch oder Sondernutzung? Mögliche Vorgehensweise: Gegenvorstellung, Dienstaufsichtsbeschwerde, Einschalten der Rechtsaufsicht, Rechtsschutz beim Verwaltungsgericht Zulässigkeit einer Klage > Verwaltungsrechtsweg (§ 40 VwGO) > Statthafte Klageart: Verpflichtungsklage bzw. Fortsetzungsfeststellungsklage bei Erledigung vor Klageerhebung (§ 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO analog) - VA = Sondernutzungsgenehmigung, konkreter Antrag? - Ablehnung durch VA? - Erledigung durch Zeitablauf > Klagebefugnis (§ 42 Abs. 2 VwGO analog) -2> Vorverfahren bei Erledigung vor Klageerhebung? > Fortsetzungsfeststellungsinteresse > konkrete Wiederholungsgefahr > Beteiligten- und Prozessfähigkeit > Zuständigkeit des Gerichts: VG Sigmaringen > Sonstige Voraussetzungen: Ordnungsgemäße Klageerhebung, Klagefrist, Rechtsschutzbedürfnis Begründetheit einer Klage Rechtswidrigkeit der Ablehnung bzw. Anspruch auf Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis (vgl. § 113 Abs. 1 und Abs. 4 VwGO) Anspruchsgrundlage für die Erteilung der Sondernutzungserlaubnis (§ 16 Abs. 1 und Abs. 2 StrG) Formelle Voraussetzungen: Antrag an die zuständige Behörde > Straßenbaubehörde > §§ 17, 50 Abs. 2 StrG > Die Gemeinde, d.h. die Stadt Tübingen Materielle Voraussetzungen (§§ 16 Abs. 1 und 2 StrG): Die Plakatierung stellt eine genehmigungspflichtige Sondernutzung dar. Über den Antrag auf Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis zur Plakatierung im Straßenraum ist nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden. Entsprechend dem Zweck der Ermächtigung darf er nur aus Gründen abgelehnt werden, die einen Bezug zur Straße haben; straßenrechtsfremde Überlegungen sind insoweit unzulässig. Die Bindung des Ermessens durch Richtlinien (des Gemeinderates) ist grundsätzlich zulässig, wenn diese alle Gesichtspunkte berücksichtigen oder der Verwaltung genügend Spielraum für die zu treffende Einzelfallentscheidung verbleibt. Bei der Erteilung einer straßenrechtlichen Sondernutzungserlaubnis sind die Belange der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs zu berücksichtigen. Städtebauliche oder gestalterische Gesichtspunkte sind nur dann relevant, wenn sie einen sachlichen Bezug zur Straße haben (z.B. Verschandelung und Verschmutzung des Stadtbildes). Daher ist der generelle Ausschluss von Plakathinweisen auf auswärtige Veranstaltungen unzulässig. 2. Verbotene Werbetafel für eine Pizzeria in Freiburg Fall: VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 26.01.2006 - 5 S 2599/05 - VENSA 2.1 Zulässigkeit einer Klage > Verwaltungsrechtsweg (§ 40 VwGO) -3- > Statthafte Klageart: Anfechtungsklage > VA = Untersagungsverfügung > Klagebefugnis (§ 42 Abs. 2 VwGO analog) > Vorverfahren > Beteiligten- und Prozessfähigkeit, Klagegegner > Zuständigkeit des Gerichts > Sonstige Voraussetzungen: Ordnungsgemäße Klageerhebung, Klagefrist, Rechtsschutzbedürfnis Begründetheit einer Klage Rechtswidrigkeit der Untersagungsverfügung (§ 113 Abs. 1 Satz1 VwGO) Ermächtigungsgrundlage > § 16 Abs. 8 StrG Formelle Rechtsmäßigkeit (Zuständigkeit, Verfahren, Form, Begründung) Materielle Rechtmäßigkeit (§ 16 Abs. 8 StrG) Sondernutzung ohne Erlaubnis, auch wenn diese bereits stattgefunden hat und eine Wiederholung zu besorgen ist > formelle Rechtswidrigkeit genügt, allerdings nicht, wenn ein Anspruch auf Erteilung der Sondernutzungserlaubnis besteht. Ermessen: sachlicher Bezug zur Straße, Änderung der bisherigen Verwaltungspraxis zur Einschränkung von Sondernutzung zulässig, faktische Duldung nicht schützenswert Keine Verstoß gegen den Gleichheitssatz 2.2 Zulässigkeit eines Antrages auf einstweiligen Rechtsschutz Statthafte Antragsart: Kein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung (§ 123 Abs. 5 VwGO) > Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 80 Abs. 5 VwGO Voraussetzungen analog der Anfechtungsklage, sofern anwendbar: Rechtsbehelf in der Hauptsache ist zulässig und hat keine aufschiebende Wirkung (§ 80 Abs. 2 VwGO). Grundsätzlich keine Antragsfrist, kein Vorverfahren. Begründetheit eines Antrages auf einstweiligen Rechtsschutz Formell ordnungsgemäße Anordnung der sofortigen Vollziehung (§ 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO) -4Zuständigkeit der Behörde, Verfahren, schriftliche Anordnung, besondere Begründung Interessenabwägung: Aussetzungsinteresse und Vollzugsinteresse Erfolgsaussichten in der Hauptsache: ernstliche Zweifel oder offensichtlich rechtmäßig Bei offenen Erfolgsaussichten Interessenabwägung 3. Gebühren für Werbestand einer politischen Partei in Stuttgart Fall: VG Karlsruhe, Urteil vom 23.01.2004 - 9 K 1354/02 - juris und beck-online VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 11.03.2005 - 5 S 2421/03 - juris und beck-online Zulässigkeit einer Klage > Verwaltungsrechtsweg (§ 40 VwGO) > Statthafte Klageart: Anfechtungsklage > VA = Genehmigung ? und/oder Gebührenbescheid > Klagebefugnis (§ 42 Abs. 2 VwGO analog) > Vorverfahren > Beteiligten- und Prozessfähigkeit, Klagegegner > Zuständigkeit des Gerichts > Sonstige Voraussetzungen: Ordnungsgemäße Klageerhebung, Klagefrist, Rechtsschutzbedürfnis Begründetheit einer Klage Rechtswidrigkeit der Genehmigung bzw. des Gebührenbescheids (§ 113 Abs. 1 Satz1 VwGO) Ermächtigungsgrundlage: - § 19 StrG für eine Sondernutzungsgebühr oder - § 6 a StVG i.V.m. VwKostG und Gebührenordnung für Maßnahmen im Straßenverkehr – GebOSt – (Gebührenrahmen: 10,20 bis 767,00 €) für eine verkehrsrechtliche Ausnahmegenehmigung Vorfrage: Liegt eine Sondernutzungserlaubnis nach § 16 Abs. 6 StrG, für die Sondernutzungsgebühren nach § 19 StrG erhoben werden oder eine Ausnahmegeneh- -5migung nach §§ 46 Abs. 1 Nr. 8, 32 StVO vor, für die Gebühren nach dem VwKostG i.V.m. Gebührenordnung für Maßnahmen im Straßenverkehr – GebOSt – erhoben werden?. Zur Abgrenzung vgl. § 16 Abs. 6 StrG > Vorrang des Straßenverkehrsrechts. Privilegierung für politische Parteien (Art. 3, 5, 8, 21 GG)? Formelle Rechtsmäßigkeit (Zuständigkeit, Verfahren, Form, Begründung) Stadt Stuttgart als Straßenbaubehörde oder als untere Straßenverkehrsbehörde Materielle Rechtmäßigkeit Sondernutzungsgebühr nach § 19 StrG oder Gebührenerhebung für eine Amtshandlung nach dem Straßenverkehrsrecht Ermessen - Rahmengebühr Privilegierung für politische Parteien (Art. 3, 5, 8, 21 GG)?