Nachhaltigkeit Der weiße Forschungswürfel Erweiterungsbau der Sonderlabore der Universität Leipzig Autorin: Annika Frey Abb. 1 (Bild oben) Die glatte Betonfassade des Neubaus steht im Gegensatz zur reich profilierten Fassade des Bestandes Abb. 2 (Bild rechts) Der kubische Solitär hält Abstand zum bestehenden Fakultätsgebäude 166 Im Jahr 2004 gewannen die Leipziger Architekten Ansgar und Benedikt Schulz den Wettbewerb für den Neubau eines Sonderlaborgebäudes der Universität Leipzig. Die Aufgabe lautete, eine Erweiterung des bestehenden Institutsgebäudes zu planen. Schulz & Schulz überzeugten die Jury mit einem kubischen Solitär, der über eine Brücke an die Bestandsbauten der Fakultät angebunden ist. Mit dem Neubau werden für die Fakultät Biowissenschaften, Pharmazie und Psychologie zusätzliche Räumlichkeiten bereitgestellt, die die notwendigen Sonderlabore für molekularbiologische und gentechnische Forschungen aufnehmen. Aufgrund der hohen technischen Anforderungen konnten diese Räume nicht in den existierenden Altbau integriert werden. Die Architekten von Schulz & Schulz entwickelten für die Sonderlabore einen funktionalen Kubus, der innen und außen den technischen Anforderungen entspricht und diese konzeptionell herausstellt. Bereits mit dem Beton Bauteile – Edition 2011 Wolkenlabor des Instituts für Troposphärenforschung Leipzig haben sie gezeigt, dass sie maßgeschneiderte Lösungen für den Bau komplexer Sonder- und Institutsbauten entwickeln können. Städtebau und Setzung Standort für den Neubau des Laborgebäudes ist der Campus des Universitätsklinikums im Leipziger Zentrum. Dieser wird vorwiegend durch Gebäude aus der Gründerzeit geprägt. Die städtebauliche Ordnung basiert auf historischen Quartiersstrukturen, die zahlreiche Blickbeziehungen und Durchwegungen erlauben. Der Neubau der Sonderlabore fügt sich in diese Struktur ein und führt die historischen Straßenfluchten fort, er besetzt die Ecke des Blockrandes ohne direkt an die umgebenen Gebäude anzuschließen. Nur so konnten die bestehenden Quartiersbeziehungen erhalten und zugleich gestärkt werden. Der »Forschungswürfel« orientiert sich mit seinen Fluchten und Höhen an den benachbarten Bestandsgebäuden. Die Übernahme der Beton Bauteile – Edition 2011 167 Nachhaltigkeit 1 2 3 4 5 6 7 Molekularbiologisches Labor, S2 Labor Sequenzanalyse, S1 Isotopenlabor, S2 Labor Massenspektroskopie, S1 Schreibarbeitsraum Spülküche Gentechniklabor, S3 8 9 10 11 12 13 14 15 Schalllabor Technik Warteraum Probanden – Schalllabor Dachgraben für Technik im Freien Übergang zum Bestand WC Schleuse Abklingraum Abb. 3 (Bild oben links) 1. Obergeschoss [o. M.] Abb. 4 (Bild oben rechts) Lageplan [o. M.] Abb. 5 (Bild links) Schnitt [o. M.] 168 Beton Bauteile – Edition 2011 Forschen im Würfel Abb. 6 (Bild links) Betonfertigteile mit horizontalen Aussparungen unterstützen die Belüftung des Attikageschosses Geschosshöhen aus dem Altbau ermöglicht im Neubau zudem die Integration der umfangreichen technischen Installationen in den Decken der Laborräume. Raumkonzept Der Neubau nimmt ausschließlich die Speziallabore auf. Damit wurde es möglich, die hohen technischen Anforderungen aus den Laboreinheiten zu konzentrieren und aufwendige Um- und Einbauten in den Bestandsgebäuden zu vermeiden. Exemplarisch seien hierbei die Schalllabore benannt, die vom Rohbau losgelöst als separate akustische Räume im Untergeschoss ausgeführt wurden. In den Obergeschossen wurden u. a. die molekularbiologischen Isotopen- und Gentechniklabore eingerichtet. Das integrierte Attikageschoss fasst die zentralen Technikräume für alle Laboreinheiten. Aufwendige Dachaufbauten konnten somit ver- mieden werden. Der quadratische Grundriss ist als klassischer Dreibund ausgeführt. Entlang der Hauptfassaden sind die Labor- und Forschungsräume aufgereiht. Die innere Kernzone nimmt die Erschließungsflächen, Nebenräume und Sanitärbereiche auf. Die einzelnen Ebenen werden durch einen einzigen vertikalen Erschließungskern miteinander verbunden. Möglich wurde dies durch die intensive, interdisziplinäre Erarbeitung und Abstimmung eines integrierten Brandschutzkonzeptes. Der Laborneubau ist über einen geschlossenen Steg im ersten Obergeschoss an die vorhandenen Fakultätsgebäude angebunden, über die auch der Zugang in die Laboreinheiten erfolgt. Im Bestand sind die öffentlichen Bereiche der Büros, der Lehre und der Verwaltung untergebracht. Der rein technischen Ausrichtung des Gebäudes Beton Bauteile – Edition 2011 169 Nachhaltigkeit 1 weißes Fassadenbetonfertigteil Sichtbeton, SB3, scharfkantig, Fase 2 mm Zuschlagstoff: Weißzement transparente Antigraffitischutzlasur 2 Mineralfaserdämmung, vlieskaschiert, nicht brennbar 3 Luftschicht, Hinterlüftung 4 Ortbeton C25/30 Dünnputz, chemikalien- und desinfektionsmittelbeständiger Anstrich gemäß Anforderung 5 umlaufendes Laibungsblech, Stahlblech, 2 mm, gekantet farbbeschichtet, DB 703 6 Sonnenschutz, Lamellenraffstore, motorisch betrieben seilgeführt 7 Aluminiumpaneel, farbbeschichtet, DB 703 8 Dichtungsfolie umlaufend 9 Beschlag: Edelstahl Frankfurter Modell, verschließbar 10 äußere Scheibe als Monoverglasung ESG, 20 mm Verklebung auf UK gemäß Zulassung im Einzelfall 11 inneres Fenster: Schüco AWS 75.BS.Hi, Dreh- / Kippflügel farbbeschichtet, DB 703, Isolierverglasung, z. T. WK 2 12 Unterkonstruktion Stahl, Profil u. a. U-180 mm Feuerverzinkung, Befestigung an Ortbetonwand 13 Quadratrohr 40 mm Anschlag feuerverzinkt, farbbeschichtet, DB 703 14 Stahlprofil, L-100 mm, feuerverzinkt farbbeschichtet, DB 703 15 Randsiebdruck, schwarz 16 Stahlprofil 4 mm, feuerverzinkt, farbbeschichtet, DB 703 17 PU-Fuge umlaufend, besandet, Farbton analog Betonfertigteile Hinterfüllschnur 18 Silikonfuge innen umlaufend Abb. 7 (Bild Doppelseite) Fassadenschnitt [o. M.] 170 Beton Bauteile – Edition 2011 Der weiße Forschungswürfel Beton Bauteile – Edition 2011 171 Regelwerk ziellen Laborbedingungen angepasst und tragen den hohen Anforderungen Rechnung. Abb. 8 (Bild oben links) Schimmerndes Silber an den Wänden korrespondiert mit dem Gelb des Fußbodens Abb. 9 (Bild gegenüber) Die hellen Farben der Wände und Laboreinrichtung werden von dunklem Boden und Fensterrahmen kontrastiert 172 folgend, wurden die Laborbereiche entsprechend funktional gestaltet. Gestaltungselemente sind Fläche und Farbe, die gegeneinander gestellt und perfektioniert wurden. Farbig gestaltete öffentliche Bereiche der Erschließung stehen konzentrierten, neutralen Laborbereichen gegenüber und sollen Kommunikation und Austausch unter den Wissenschaftlern fördern. Farbkonzept, Fensterflächen und Türoberlichter bringen zudem Helligkeit in die innenliegenden Erschließungsbereiche. Die silberfarbig gestrichenen Wände der Flure schimmern im Sonnenschein und sind konzeptioneller Ausdruck dessen, was im Gebäude stattfindet. Die transluzente Struktur der Streckmetallkassetten an den Unterseiten der abgehängten Flurdecken gibt zudem den Blick auf die technischen Installationen frei. Die homogenen, graphisch gestalteten Laborbereiche sollen konzentriertes Arbeiten fördern. Hier harmonieren helle Wände, Decken und Labormöbel mit anthrazitfarbenem Fußbodenbelag und Fensterprofilen. Die großen Fensterelemente ermöglichen die natürliche Belichtung der unterschiedlichen Forschungseinheiten. Wand-, Boden- und Fugenmaterialien sind auf die spe- Beton Bauteile – Edition 2011 Fassadengestaltung und Material Der Neubau für die Sonderlabore der Universität Leipzig ergänzt die existierenden Fakultätsbauten funktional hervorragend und transformiert die Charakteristik des umliegenden Quartiers in die Gegenwart. Die flächenbündige Gestaltung und die glatten Oberflächen des Kubus heben sich klar von den reich profilierten neoklassizistischen Fassaden der Nebengebäude ab. Entstanden ist ein solitärer Würfel mit einer Kantenlänge von circa 19 m, dessen weiße Betonfertigteilfassade zu den umgebenen Fassaden im Kontrast steht und zugleich mit der Farbigkeit der angrenzenden hellen Putzfassaden der Altbauten harmoniert. Die Fassade des Neubaus spielt mit dem Wechsel aus großformatigen hellen Sichtbetonplatten und dunklen, flächenbündigen Fensterflächen. Die tiefen Laibungen der geteilten Fenster dominieren den Altbau und werden durch die 3 x 3 m großen quadratischen Kastenfenster des Neubaus kontrastiert. Aufbau und Konstruktion der modernen Kastenfenster wurde während der Planung abgestimmt und simuliert, um eine Überhitzung im Fensterzwischenraum zu verhindern. Die Fenster dienen allein der Belichtung, da die natürliche Belüftung aus Sicherheitsgründen in den Laborräumen unzulässig ist. Der konstruktive Wandaufbau der Sonderlabore besteht aus einer 20 cm starken Stahlbetonkonstruktion (Ortbeton), mit einer Wärmedämmung aus 10 cm Mineralwolle und vorgehängten, hinterlüfteten, 10 cm starken weißen, scharfkantigen Betonfertigteilen. Die Verankerung für die Fertigteilfassade wurde schon während des Rohbaus in die Ortbetonkonstruktion integriert. Um auch im Bereich der Fassade das Gestaltungselement der Bündigkeit konsequent weiterzuführen, erhielten die obersten Betonfertigteile an der Dachkante eine Nut. Über diese konnten die Attikableche im weiteren Bauverlauf bündig angeschlossen werden. Die Farbe des Betons Die Farbigkeit der Betonfertigteile wurde durch den Zusatz von Weißzement und gelbem Sand erreicht. Vor der Ausführung wurden zahlreiche Muster zur Abstimmung von Bearbeitung, Farbe und Oberfläche angefertigt. Die endgültige Farbgebung der Fassade wurde durch einen weiteren Veredelungsschritt der Hydrophobierung erzielt, der die Fassade zudem vor Verunreinigungen (Graffitis etc.) schützt, der Oberfläche einen seidenmatten Glanz verleiht und in der Farbigkeit dem umgebenen Bestand weiter annähert. Mit der Veredelung der Fassade nach der Montage der Fertigteile wurde eine homogene Schutzhülle erreicht, mit der zudem Beschädigungen aus dem Bauablauf kaschiert werden konnten. Der weiße Forschungswürfel Ansgar Schulz (1966) studierte von 1985 bis 1992 Architektur an der RWTH Aachen und der ETSA de Madrid. 1992 gründete er mit seinem Bruder Benedikt das Büro schulz & schulz mit Sitz in Leipzig. Von 2002 bis 2004 lehrte Ansgar Schulz an der TU Karlsruhe. Seit 2010 leitet er als Vertretungsprofessor gemeinsam mit seinem Bruder den Lehrstuhl Baukonstruktion an der Fakultät Architektur und Bauingenieurwesen der TU Dortmund. Nachhaltigkeit Bei der Konzeption des Gebäudes hatte das Thema Nachhaltigkeit im Hinblick auf die Verwendung von beständigen Baustoffen und Bauteilen große Bedeutung, um einen geringen Wartungs- und Unterhaltungsaufwand über die gesamte Nutzungsdauer des Gebäudes anzustreben. Dies spiegelt sich besonders bei der Ausführung der Fassade in den Betonfertigteilen wieder, die gegenüber anderen häufig verwendeten Fassadenmaterialien wie z. B. Putz oder einem Wärmedämmverbundsystem eine dauerhaft perfekte Oberfläche bieten, ohne in regelmäßigen Abständen gewartet oder behandelt zu werden. Die aufgebrachte Hydrophobierung macht diese Bauteile zudem langfristig widerstandsfähig gegen Einwirkungen von Feuchte und lässt gleichzeitig eine nachträgliche Beseitigung von Verschmutzungen und Graffiti zu. Bei den Kastenfensterelementen wurde der üblicherweise der Witterung ausgesetzte und dadurch wartungsanfällige Sonnenschutzraffstore hinter einer äußeren Festverglasung angeordnet. Dadurch konnte die Haltbarkeit deutlich erhöht und die für die Forschungsarbeit notwendigen stabilen raumklimatischen Verhältnisse geschaffen werden. Die Vorfertigung von Bauelementen verkürzte zudem die Bauzeit und die damit verbundenen Belastungen für den Stadtraum. Benedikt Schulz (1968) studierte von 1988 bis 1994 Architektur an der RWTH Aachen und der UC de Asunción/Paraguay. 1992 gründete er mit seinem Bruder Ansgar das Büro schulz & schulz mit Sitz in Leipzig. 1995 bis 1996 war Benedikt Schulz als Wissenschaftlicher Assistent an der RWTH Aachen tätig. Von 2002 bis 2004 lehrte er an der TU Karlsruhe. Seit 2010 leitet er als Vertretungsprofessor gemeinsam mit seinem Bruder den Lehrstuhl Baukonstruktion an der Fakultät Architektur und Bauingenieurwesen der TU Dortmund. Bautafel Objekt: Sonderlabore der Universität Leipzig Fakultät für Biowissenschaften, Pharmazie und Psychologie Bauherr: Freistaat Sachsen Architekten: Schulz & Schulz Architekten GmbH, Leipzig Tragwerksplanung & Bauphysik: Staupendahl & Partner GmbH, Leipzig Betonfertigteile: BFE Beton Fertigteilbau Erfurt GmbH Verankerungen-Betonfertigteile: Halfen Deha, Langenfeld Beton Bauteile – Edition 2011 Fotos: Werner Huthmacher, Berlin 173