Nachverlegen eines separaten schutzleiters

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Praxisprobleme
Nachverlegen eines
separaten Schutzleiters
DIN VDE 0100-510 (VDE 0100-510) und
DIN VDE 0100-540 (VDE 0100-540)
Frage
Ich hätte noch eine weitergehende
Frage zum Praxisproblem »Schutzklasse-I-Leuchten bei klassischer Nullung« in »de« 20 / 2011, S. 15 f. Wäre
es in dem dort beschriebenen Fall
zulässig eine Schutzleiter als Einzel­
ader (H07V-U 1,5 mm2, grün-gelb)
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von der nahe gelegenen Unterverteilung bzw. einem nahen PE (z. B. aus
einer Steckdose) nachzuinstallieren?
Ich dachte dabei an eine geschützte
Verlegung in z. B. Minikabelkanal
10 x 10 oder dergleichen. Sehen Sie
darin normative bzw. sicherheitstechnische Bedenken?
C. S., Bayern
An t w o r t
Schutzleiter nahe an
aktiven Leitern
In dem von Ihnen genannten Beitrag
ging es um eine vorhandene elektrischen Anlage, in der noch die klassische Nullung (Zweidrahtnullung)
de 5 / 2012
zur Anwendung kommt. Dort sollten
neue Leuchten der Schutzklasse I
angebracht werden. Ihnen hingegen
geht es in der Anfrage um das Nachverlegen eines separaten Schutzleiters bei vorhandener klassischer Nullung. Es stellt sich hier die Frage,
warum ein solches Nachverlegen vorgenommen werden soll, d. h. was das
für einen Sinn machen soll. Vielleicht
handelt es sich auch nur um eine
prinzipielle Frage.
Einschränkende Festlegungen hier­zu gibt es jedenfalls z. B. im Abschnitt
543.6 von DIN VDE 0100-540 (VDE
0100-540):2007-06, wo für das TNSystem Folgendes angeführt ist:
»Wenn Überstrom-Schutzeinrichtun­
gen für den Schutz gegen elektrischen Schlag verwendet werden,
muss der Schutzleiter in demselben
Kabel bzw. in derselben Leitung
integriert sein wie die aktiven Leiter
oder in unmittelbarer Nähe zu diesen verlegt sein.«
Diese Forderung beruht auf der
Tatsache, dass sich durch die
getrennte Verlegung des Schutzleiters in diesem Stromkreis die Schleifenimpedanz wesentlich erhöhen
würde, sodass ggf. die Abschaltbedingung insbesondere bei Verwendung von Überstrom-Schutzeinrichtungen nicht erfüllt werden könnte.
Nachverlegung eines
Schutzleiters?
Diese Vorgabe aus Abschnitt 543.6
würde aber nicht grundsätzlich die
Nachverlegung eines Schutzleiters
ausschließen. Würden allerdings in
Ihrem Falle die Überstrom-Schutzeinrichtungen für den Schutz durch
automatische Abschaltung beibehalten, würde sich die Nachverlegung
eines Schutzleiters u. a. auch deswegen ausschließen.
Sollte jedoch der zusätzliche
Schutzleiter die Möglichkeit schaffen, in diesem Stromkreis eine Fehlerstrom-Schutzeinrichtung (RCD) zu
installieren, dann wäre das Problem
der Schleifenimpedanz vernachläs­
sig­
bar. Dies wird jedoch in Ihrem
Falle nicht möglich sein, was Sie
anhand der unten stehenden Hinweise noch erkennen werden.
Ein weiteres – jedoch lösbares –
Problem besteht darin, dass der
getrennt verlegte Schutzleiter nach
Abschnitt 543.1.3 von DIN VDE 0100540 (VDE 0100-540):2007-06 auch bei
de 5 / 2012
geschützter Verlegung (d. h. Schutz
gegen mechanische Beschädigung)
mindestens einen Querschnitt von
2,5 mm2 Cu aufweisen müsste. Der
von Ihnen vorgeschlagene Schutzleiter mit 1,5 mm2 Cu wäre also auch
bei geschützter Verlegung nicht ausreichend.
Farbkennzeichnung beachten
Das Hauptproblem dürfte aber in
der farblichen Kennzeichnung der
vorhandenen Leiter bestehen. Wenn
das zweiadrige Kabel / die zweiadrige Leitung aus einem schwarzen
Außenleiter und einem grün-gelben
Leiter (der bisher die PEN-Funktion
innehat) besteht, dann gäbe es
plötzlich zwei grün-gelbe Leiter.
Diese hätten aber bei der Ausführung »Nachverlegung eines Schutzleiters« unterschiedliche Funktionen.
Der in der vorhandenen Leitung
befindliche grün-gelbe Leiter müsste
ja hierbei als Neutralleiter verwendet werden, was jedoch unzulässig
ist. Neutralleiter müssen nach
Abschnitt 514.3.1.Z1 von DIN VDE
0100-510 (VDE 0100-510):2007-06
durchgehend blau gekennzeichnet
sein. Oder anders herum: Grüngelbe Leiter dürfen nicht als Neutralleiter verwendet werden. Eine Kennzeichnung an den Leiterenden
solcher andersfarbigen Leiter ist
unzulässig – obwohl das leider so
manches Mal von sogenannten Elektrofachkräften so ausgeführt wird.
Sollte es sich um eine ältere
Anlage handeln, bei der als PEN-Leiter ein grauer Leiter (manchmal auch
unzulässigerweise ein roter Leiter)
vorgesehen ist, dann besteht auch
hierbei das Problem, dass für den
Neutralleiter keine blaue Ader vorhanden ist.
Zwar gäbe es noch die Lösung,
anstelle eines separaten Schutzleiters
eine blaue Ader für einen Neutralleiter hinzuzuverlegen. Bei dieser Variante wäre das Farbproblem zwar
gelöst und auch der Querschnitt
bräuchte nicht mindestens 2,5 mm2
aufweisen, aber der Neutralleiter gilt
als aktiver Leiter. Für diesen Neutralleiter müsste also eine einadrige
Mantelleitung oder ein einadriges
Kabel verlegt werden. Ob es aber solche derartige einadrige Kabel / Leitungen im Elektrogroßhandel gibt,
mag ich bezweifeln.
Eine andere Lösung bestünde noch
darin, die blaue Aderleitung in einem
nur mit Werkzeug zu öffnenden Elektroinstallationskanal oder in einem
Elektroinstallationsrohr zu verlegen.
Aber auch hierbei könnte es zu
Abschaltproblemen bei einem Kurzschluss kommen.
Fazit
Selbst unter dem Gesichtspunkt der
heutzutage in den Vordergrund
getretenen elektromagnetischen Ver­träglichkeit (EMV) macht ein solches
Vorgehen – einen separaten Leiter
nachzuverlegen – absolut keinen
Sinn. Wenn schon der Aufwand
betrieben wird, einen Elektroinstallationskanal (von Ihnen als Minikabelkanal bezeichnet) zu errichten,
dann wäre es viel sinnvoller, gleich
eine neue Leitung mit getrenntem
Schutz- und Neutralleiter, z. B. in
einen solchen Minikanal zu verlegen. Auch die Konfiguration, wie sie
in »de« 20 / 2011, S. 15 f., beschrieben
wurde, käme infrage.
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Praxisprobleme
Sollte es sich aber um den Fall
handeln, dass in diesem Raum bisher
noch der Schutz durch nicht leitfähige Räume zur Anwendung kam
und dieser Raum seine »nicht leitfähige Raumart« noch nicht verloren
hat (z. B. durch den Einbau von leitfähigen Heizungs- und Wasserrohren
oder Schutzkontaktsteckdosen), so
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wäre die Errichtung einer Leuchte
(oder ein Betriebsmittel der Schutzklasse I) ohne weitere Maßnahmen
möglich. Auch zum Ertüchtigen eines
Raumes, der seine nicht leitfähige
Umgebung durch Einbringen von
fremden leitfähigen Teilen verloren
hat, wäre die von Ihnen vorgesehene
Nachrüstung nicht geeignet.
Es ist natürlich sinnvoll, Altinstallationen möglichst zügig zu erneuern –
was jedoch in den Normen nicht
gefordert wird, es sei denn, es ist
Gefahr im Verzug. Aber bitte nicht
auf die in der Anfrage vorgeschlagene Art und Weise.
Werner Hörmann
de 5 / 2012
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