Bachelorarbeit „Rettungskinder“ Medizin – Recht - Ethik eingereicht von Nicole Monika Gräßl zur Erlangung des akademischen Grades Bachelor of Science (BSc) Medizinischen Universität Graz Institut für Pflegewissenschaft Unter der Anleitung von Mag.phil. Dr.phil. Susanna Schaffer Billrothgasse 6 8010 Graz Graz, am 04. November 2016 EHRENWÖRTLICHE ERKLÄRUNG Ich erkläre ehrenwörtlich, dass ich die vorliegende Bachelorarbeit selbstständig und ohne fremde Hilfe verfasst habe, andere als die angegebenen Quellen nicht verwendet habe und die den benutzten Quellen wörtlich oder inhaltlich entnommenen Stellen als solche kenntlich gemacht habe. Weiters erkläre ich, dass ich diese Arbeit in gleicher oder ähnlicher Form noch keiner anderen Prüfungsbehörde vorgelegt habe. Graz, am 04. November 2016 Nicole Monika Gräßl, eh 2 Zusammenfassung Die Bachelorarbeit beschäftigt sich mit dem kontrovers diskutierten Thema der Zeugung von sogenannten Rettungskindern. Sie werden außerhalb des Körpers gezeugt, untersucht und schließlich wird der „richtige“ Embryo in die Gebärmutter der Frau eingesetzt. Diese Kinder fungieren gleich nach der Geburt bzw. zu einem späteren Zeitpunkt als Gewebespender für ein bereits lebendes, schwer erkranktes Geschwisterkind. Mithilfe der Präimplantationsdiagnostik wird der HLA Typus des Embryos festgestellt. Wenn Eltern ein Kind mit schwerer therapiebedürftiger Erkrankung haben und kein geeigneter Spender gefunden werden kann, ist es mit dieser Methode möglich ein Geschwisterkind mit ähnlichem HLA Typus zu zeugen. Das Rettungskind spendet dann dem Geschwisterkind geeignete Stammzellen aus der Nabelschnur oder aus dem Knochenmark. Das Anwenden dieser Technik ist häufig der einzige Ausweg für Eltern ihr erkranktes Kind zu retten. Diese Methode ist äußerst umstritten, da viele Embryonen gezeugt werden müssen, um einen passenden Embryo zu finden. Die Arbeit erläutert die medizinischen, rechtlichen und ethischen Rahmenbedingungen. Abstract The Bachelor thesis deals with the controversial issue of procreation of so called “savior siblings”. They beget a child outside the body via in-vitro fertilization. The embryos are under examination and then the “right” embryo is transferred into the woman´s uterus. Those kids have the mission to donate tissue for an already living and seriously ill sibling directly after birth or at a later date. The preimplantation genetic diagnosis is used to determine the HLA type of the embryo. If parents have a seriously ill child and there is no adequate donor available, this method could beget a savior sibling with similar HLA type. The savior sibling donates appropriate stem cells from the umbilical cord or from the bone marrow to the ill sibling. For parents this is often the only way to save their terminally ill child. The procedure is extremely controversial because you have to procreate a lot of embryos to find the “right” one. The Bachelor thesis describes medical, judicial and ethical frame conditions. 3 Inhaltsverzeichnis Zusammenfassung ..................................................................................................... 3 Abstract ...................................................................................................................... 3 Abkürzungsverzeichnis ............................................................................................... 5 1 Einleitung ................................................................................................................. 6 1.1 Zielsetzung und Forschungsfrage ..................................................................... 7 2 Methode................................................................................................................... 7 3 Begriffsbestimmungen ............................................................................................. 7 3.1 Präimplantationsdiagnostik ............................................................................... 8 3.2 Rettungskinder .................................................................................................. 8 4 Präimplantationsdiagnostik ...................................................................................... 9 4.1 Im Dienste der Rettungskinder ........................................................................ 15 4.2 Rechtliche Rahmenbedingungen in Österreich ............................................... 18 4.3 Medizintourismus ............................................................................................ 20 5 Ethische Aspekte ................................................................................................... 21 5.1 Perspektive der Eltern ..................................................................................... 22 5.1.1 Mittel zum Zweck? ............................................................................................................ 23 5.1.2 Moralische Verpflichtung? ............................................................................................... 25 5.2 Perspektive des Rettungskindes ..................................................................... 26 5.2.1 Vorteile für das Rettungskind .......................................................................................... 28 5.2.2 Nachteile für das Rettungskind....................................................................................... 29 6 Schlussbetrachtung ............................................................................................... 32 Literaturverzeichnis .................................................................................................. 33 Anhang ..................................................................................................................... 37 4 Abkürzungsverzeichnis bzw. beziehungsweise CGH Chromosomale Komparative Genomische Hybridisierung DRZE Deutsches Referenzzentrum für Ethik in den Biowissenschaften EGMR Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte EMRK Europäische Menschenrechtskonvention ESHRE European Society of Human Reproduction and Embryology FISH Fluoreszent In Situ Hybridisierung FMedG Fortpflanzungsmedizingesetz G-CSF Granulozyten-Kolonie stimulierende Faktor HLA Humanes Leukozytenantigen ICSI Intrazytoplasmatische Spermieninjektion IVF In-Vitro-Fertilisation PCR Polymerase Chain Reaction PID Präimplantationsdiagnostik PND Pränataldiagnostik 5 1 Einleitung Menschen entscheiden sich aus unterschiedlichsten Gründen Kinder zu bekommen. Die einen wollen Ihre Partnerschaft mit einem Kind krönen, die anderen wollen ihre Beziehung kitten oder sich für das Alter absichern. Es gibt aber noch einen weiteren, sehr ungewöhnlichen Grund ein Kind zu bekommen, nämlich um einem bereits lebenden kranken Kind das Leben zu retten. Ein sogenanntes Rettungskind wird geboren. Mit der Zeugung eines Rettungskindes kommen unzählige Diskussionspunkte zum Vorschein. Einige davon werden in den folgenden Kapiteln behandelt. In den vorderen Abschnitten wird vor allem die Präimplantationsdiagnostik näher betrachtet, um die medizinischen und methodischen Vorgänge besser verstehen zu können. Nach den allgemeinen Informationen über die Methode selbst, wird speziell auf das Thema „Zeugung von Rettungskindern“ eingegangen. Der nächste Teil hat die rechtlichen Rahmenbedingungen in Österreich zum Inhalt. Aufgrund des Fortpflanzungsmedizinrechts-Änderungsgesetzes ist die Zeugung von Rettungskindern in Österreich untersagt, daher wird der aus diesem Verbot resultierende Medizintourismus ins Ausland näher beschrieben. Die umfangsreichste Analyse dieser Arbeit beschäftigt sich mit der durch die Zeugung von Rettungskindern hervorgerufene Ethik Problematik. Hierbei werden die verschiedenen ethischen Blickwinkel betrachtet, einerseits die der Eltern und andererseits die der Rettungskinder. Es wird erläutert, ob die Zeugung eines Rettungskindes ein Mittel zum Zweck ist, ob sich die Eltern moralisch verpflichtet fühlen ein weiteres Kind mithilfe der Reproduktionsmedizin zu zeugen oder ob für das Rettungskind selbst psychische oder physische Nachteile daraus resultieren. 6 1.1 Zielsetzung und Forschungsfrage Ziel der Arbeit ist es, folgende Frage zu beantworten: „Unter welchen rechtlichen und ethischen Rahmenbedingungen ist es möglich ein Rettungskind zu zeugen und wie ist die Situation in Österreich?“ Die Zielgruppe der Arbeit sind Eltern mit einem schwer erkrankten Kind, dem anders als durch die Zeugung eines Rettungskindes nicht geholfen werden kann. Sie würden eventuell die Zeugung eines sogenannten Rettungskindes in Erwägung ziehen. Diese Arbeit soll den Betroffenen einen kleinen Überblick über dieses spezielle Thema geben und vielleicht sogar eine Entscheidungshilfe darstellen. Das Thema wird einerseits medizinisch und andererseits ethisch aufgearbeitet. 2 Methode Es handelt sich bei dieser Abhandlung um eine Literaturarbeit und nicht um eine experimentelle Arbeit. Aus diesem Grund wurde die Methode der Literaturrecherche herangezogen. Es wird sich auf Literatur der Bibliotheken der Medizinischen und der Karl-Franzens Universität Graz beschränkt. Darüber hinaus wurden diverse Publikationen aus Fachzeitschriften und Online Publikationen für die Recherchezwecke herangezogen. 3 Begriffsbestimmungen Zwei Begriffe sind für diese Arbeit besonders wichtig: Präimplantationsdiagnostik und Rettungskinder. Sie werden in der Folge kurz beschrieben. 7 3.1 Präimplantationsdiagnostik Eine Präimplantationsdiagnostik (PID) ist eine genetische Untersuchung, bei der Embryonen außerhalb des Mutterleibs labortechnisch auf bestimmte genetische Eigenschaften untersucht werden. (vgl. Hadolt, 2009, p. 1) Diese Diagnostik setzt also eine künstliche Befruchtung voraus. (vgl. Grießler & Hager, 2012, p. 48) Ziel ist es „Embryonen zu identifizieren und auszuwählen, bei denen bestimmte Chromosomenanomalien oder Genmutationen mit hoher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden können.“ (Hennen & Sauter, 2004, p. 19) Das heißt, es wäre geplant, einen genetisch gesunden Embryo zu transferieren. Bei genetisch vorbelasteten Eltern werden mehrere Embryos und daher auch mehrere weibliche Eizellen zur Auswahl benötigt. Bei 20 bis 50 Prozent aller Embryonen kommt es in der Präimplantationsphase zu einem spontanen Entwicklungsstopp und daraufhin sterben die Embryonen ab. Aus diesem Grund ist es notwendig, mehrere Eizellen zu entnehmen und zu befruchten, um überhaupt eine realistische Chance für die Übertragung eines Embryos zu haben. Es werden mehrere Embryonen gleichzeitig implantiert, da der Entwicklungsstand der Embryonen im Mutterleib ungewiss bleibt. (vgl. von Wietersheim, 2014, p. 60) 3.2 Rettungskinder „Als ‚Retter-Geschwister‘ (engl. „Saviour Sibling“) werden Kinder bezeichnet, die einem kranken älteren Geschwisterkind für die Behandlung notwendiges Blut oder Gewebe liefern sollen (Tissue typing). Da die Eltern selbst aufgrund fehlender HLA (Humanes Leukozytenantigen) -Kompatibilität nicht als Spender geeignet sind, wird eine künstliche Befruchtung durchgeführt und mittels PID der Embryo mit der größten genetischen Übereinstimmung mit dem erkrankten Kind ausgewählt und der Frau eingepflanzt. Nach der Geburt soll dann mit den Stammzellen aus dem Nabelschnurblut oder aus dem Knochenmark des Neugeborenen dem kranken Geschwisterkind geholfen werden.“ (DRZE, 1999) Adam Nash wurde als erster Mensch im Labor gezeugt, getestet und ausgewählt. Er sollte als Zellspender dienen. Er wurde Ende August 2000 in Colorado geboren. (vgl. Höneisen, 2003) Im März 2003 ist das erste Retter-Geschwisterkind in 8 Großbritannien geboren worden. Es sollte seinem zu diesem Zeitpunkt vierjährigen kranken Bruder das Leben retten, der dringend Blutstammzellen benötigte. Die Eltern hatten die PID damals noch in den USA vornehmen lassen, um rechtliche Probleme in ihrem Heimatland zu umgehen. Anlässlich dieses Falles hat Großbritannien die Bestimmungen dahingehend gelockert, dass ab diesem Zeitpunkt auch in Großbritannien Rettungskinder gezeugt werden dürfen. Auch in Schweden ist die Anwendung der PID zur Auswahl von Retter-Geschwistern erlaubt. In Spanien ist im Oktober 2008 das erste Retter-Geschwisterkind zur Welt gekommen. Der Bruder dieses Kindes leidet an einer genetisch bedingten Bluterkrankung. Bereits sieben Wochen nachdem das erkrankte Kind Stammzellen aus dem Nabelschnurblut des Neugeborenen erhielt konnten erste Erfolge der Therapie beobachtet werden. Der siebenjährige Junge habe seine Krankheit so gut wie überwunden, berichten die Ärzte. Die Erzeugung so genannter Retter-Geschwister ist starker Kritik ausgesetzt und wird von vielen Seiten als erster Schritt auf dem Wege zu so genannten „DesignerBabies“ gesehen. (vgl. DRZE, 1999) 4 Präimplantationsdiagnostik Vorwiegend wird die Entwicklung und Einführung von PID mit der Verhinderung der Übertragung schwer vererbbarer Krankheiten begründet. Man wollte Frauen damit eine Alternative zur Pränataldiagnostik bieten. Mit der neuen Technik könnte man Frauen einen eventuell notwendigen Schwangerschaftsabbruch ersparen. (vgl. Grießler & Hager, 2012, p. 48) Exkurs: „Pränatale Diagnostik umfasst Untersuchungen vor der Geburt, mittels derer festgestellt werden soll, ob bestimmte Erkrankungen oder Fehlbildungen beim Kind vorliegen oder nicht. Mit Hilfe dieser neuen Techniken und Untersuchungsmethoden lässt sich jedoch auch eine begrenzte Anzahl von Erkrankungen oder Behinderungen feststellen. In Einzelfällen ist es möglich, während der Schwangerschaft Erkrankungen zu behandeln.“ (Diagnostik, 2010) 9 Der Zweck der Pränataldiagnostik (PND) ist, Gefahren für Leben und Gesundheit der Mutter und des ungeborenen Kindes abzuwenden, Gesundheitsstörungen zeitnah zu erkennen und geeignete Behandlungen zu ermöglichen. Dies setzt voraus, dass die Pränataldiagnostik an einer bereits schwangeren Frau durchgeführt wird. Damit sollen Sorgen und Befürchtungen der Schwangeren objektiviert und abgebaut werden. Die PND könnte eine Entscheidungshilfe für die Fortsetzung oder den Abbruch einer Schwangerschaft darstellen. Es werden zwei Arten von diagnostischen Verfahren unterschieden: invasive und nicht invasive Verfahren. Die nicht invasiven Methoden gehören mittlerweile zur Standarduntersuchung einer Schwangeren (z.B. Ultraschall, Nackentransparenztest). Ein invasives Verfahren wird dagegen nur unter bestimmten Umständen angewandt, beispielswiese bei erhöhtem Alter der Mutter, einem auffälligen Befund aufgrund einer nicht invasiven Untersuchung oder bestehenden Risiken molekulargenetischer oder biochemischer Natur (z.B. Fruchtwasseruntersuchung). (vgl. von Wietersheim, 2014, p. 47ff) Mittels PID feststellbar sind monogen vererbte Krankheiten und Chromosomenstörungen. Der weitaus größere Teil schwerer Erkrankungen und Behinderungen kann auch von der PID nicht erfasst werden. Solche Vorstellungen, dass alle möglichen Gendefekte ausgeschlossen werden können, sind unrealistisch. Es gibt auch keine Verfahren, die sogenannte „Designer Babies“ entwickeln können oder solche, die alle denkbaren Krankheiten des Embryos nachweisen bzw. ausschließen könnten. (vgl. Bundeskanzleramt, 2004, p. 3) Es gibt verschiedene Verfahren um Zellen zu entnehmen: Polkörperdiagnostik Blastomerenbiopsie Blastozystenbiopsie Die Untersuchung der Polkörperchen bietet eine frühzeitige Erkenntnis. Man muss an dieser Stelle erwähnen, dass es sich bei der Diagnostik der Keimzellen streng 10 genommen um keine PID, sondern um eine Präkonzeptionsdiagnostik (Untersuchung der Eizelle vor der Befruchtung) handelt. Bei dieser Untersuchung der Eizelle werden die Polkörperchen, die bei der Reifeteilung der Eizelle entstehen, molekulargenetisch untersucht. (vgl. Grießler & Hager, 2012, p. 48) Der Nachteil hierbei ist, dass nur genetische Dispositionen der Mutter festgestellt werden können. Ein weiterer negativer Aspekt ist, dass es an einer gewissen diagnostischen Sicherheit fehlt, weil von vorneherein nur maximal zwei Zellen untersucht werden können. Außerdem sind solche Veränderungen nicht diagnostizierbar, die erst nach der Polkörperbildung auftreten. (vgl. von Wietersheim, 2014, p. 66f) Das häufigste Verfahren ist die sogenannte Blastomerbiopsie: Diese wird am dritten Tag nach der Befruchtung durchgeführt - zu diesem Zeitpunkt bestehen die Embryonen aus sechs bis zehn Zellen. Bei diesem Eingriff werden ein bis zwei Zellen entnommen und zyto- bzw. molekulargenetisch untersucht. (vgl. Grießler & Hager, 2012, p. 48) Diejenigen Embryonen, welche den bestimmten Defekt, nach dem gesucht wurde nicht aufweisen, können transferiert werden; die anderen werden verworfen. Bei dieser Art von Biopsie kann es von Schädigungen bis hin zum Absterben des Embryos kommen. (vgl. Bundeskanzleramt, 2004, p. 3) Vorteil dieser Methode ist jedoch, dass die Zellen sowohl mütterliches als auch väterliches Erbgut tragen und vererbbare Krankheiten beider Elternteile festgestellt werden können. Eine weitere Stärke dieses Verfahrens ist, dass ein früher Transfer in die Gebärmutter möglich ist und dies die Chancen für eine erfolgreiche Implantation erhöht. Am fünften Tag nach der Befruchtung kann auch eine Biopsie der äußeren Zellen der Blastozyste vorgenommen werden. Hierbei können nur wenige Embryonen untersucht werden, weil nur etwa 50 Prozent der Embryonen in vitro das Blastozystenstadium erreichen. Die Sterblichkeitsrate ist hier sehr hoch, weil einerseits nicht entwicklungsfähige Embryonen regelmäßig bis zum fünften Tag absterben und andererseits weil sie vergleichsweise lange im Kulturmedium verbleiben müssen. Erschwerend kommt hinzu, dass das Zeitfenster für eine Kontrolluntersuchung recht knapp bemessen ist, da der Embryo spätestens am sechsten Tag auf die Frau übertragen werden muss. Die Ergebnisse der 11 Blastozystenbiopsie haben die gleiche Aussagekraft wie die der Blastomerenbiopsie. (vgl. von Wietersheim, 2014, p. 66f) Für eine PID gibt es zahlreiche Anwendungsgebiete. Folgend werden einige davon dargestellt: Paare mit einem erheblichen Risiko für die Geburt eines schwer kranken oder schwer behinderten Kindes (Hochrisikopaare) Diese Paare sind uneingeschränkt fruchtbar und somit bedürfen sie eigentlich keiner reproduktionsmedizinischen Intervention, aber es besteht familienanamnestisch ein hohes Risiko, ein Kind mit einer schweren Erkrankung oder erheblich bedingten Behinderung zu empfangen. Altersrisiko Dies sind sowohl fruchtbare, also auch unfruchtbare Paare, deren fortgeschrittenes Alter die Wahrscheinlichkeit erhöht, ein Kind mit einer Chromosomenveränderung zu bekommen. Verbesserung der Erfolgsrate Das sind Paare, die eine in vitro Fertilisation (IVF) in Anspruch nehmen und sich von der PID eine Verbesserung der Erfolgsrate der IVF erhoffen. Sie soll die Implantation eines nicht lebensfähigen Embryos ausschließen. Diagnose von erwünschten genetischen Eigenschaften eines Embryos Diese Variante ist für Paare, die ein Kind mit bestimmten genetischen Eigenschaften zeugen wollen, welches dann z.B. als Blut- und Knochenmarkspender/Blut- und Knochenmarkspenderin für bereits lebende kranke Kinder zur Verfügung stehen kann. Bestimmung des Geschlechts mit Krankheitsbezug Diese Intention soll dazu verwendet werden, genetische Erkrankungen festzustellen, deren Vererbung ausschließlich geschlechtsabhängig ist. (vgl. Bundeskanzleramt, 2004, p. 4) Dies gilt dann als sinnvoll, wenn bei einer bekanntermaßen x-chromosomal-rezessiv vererbten Krankheit in einer Familie 12 die ursächlichen gentischen Veränderungen nicht gefunden werden können. Bei diesem Erbgang erkranken fast ausschließlich männliche Anlageträger. Für die Übertragung werden daher weibliche Embryonen ausgewählt. Die negative Seite an dieser Prozedur ist, dass auch nicht betroffenen männliche Embryonen verworfen werden. (vgl. Steinke, et al., 2009, p. 40) Bestimmung des Geschlechtes ohne Krankheitsbezug Das ist die Bestimmung des Geschlechts ohne Bezugnahme auf eine konkrete Krankheit. (vgl. Bundeskanzleramt, 2004, p. 4f) Dieses sogenannte „family balancing“ kann dann gewünscht werden, wenn ein Paar eine starke Präferenz für das Geschlecht ihres zukünftigen Kindes hat oder aufgrund der gesellschaftlichen Gegebenheiten in manchen Ländern ein bestimmtes Geschlecht bevorzugt wird. (vgl. Steinke, et al., 2009, p. 40) Für die Analyse der gewonnenen Zellen stehen verschiedene Verfahren zur Verfügung. In der PID verwendet man die Methode der Polymerase Chain Reaction (PCR), der Fluoreszent-in-situ Hybridisierung (FISH) oder der Chromosomalen Komparativen Genomischen Hybridisierung (CGH). Mit der Methode der PCR werden einzelne Gene oder Genabschnitte vervielfältigt und so der Analyse zugänglich gemacht. Bei der FISH Methode können bestimmte Gene eines Chromosoms mithilfe eines fluoreszierenden Farbstoffes markiert werden. Hierbei ist es möglich, gleichzeitig mehrere Chromosomen sichtbar zu machen, weil verschiedene Fluoreszenzfarbstoffe verwendet werden. Diese Technik wird vor allem für die Chromosomenanalyse im Rahmen der Abklärung geschlechtsgebundener Erkrankungen eingesetzt. Mithilfe der CGH können Chromosomenmuster einer Zelle mit dem einer anderen Zelle verglichen werden, von der bekannt ist, dass sie einen normalen Chromosomensatz aufweist. Anders als bei der FISH können mit dieser Technik Abweichungen in der Anzahl aller Chromosomen festgestellt werden. (vgl. Ethikrat, 2011, p. 20f) 13 Es existiert im Moment nur wenig Literatur darüber, wie diagnostisch verlässlich die PID ist. Immer wieder wurde aber über Fehldiagnosen durch PID berichtet. Dies liegt vor allem daran, dass sich insgesamt 36 Zentren aus Europa, den Vereinigten Staaten von Amerika und Australien zu der European Society of Human Reproduction and Embryology (ESHRE) zusammengeschlossen haben. Anfangs wurden nur Einzelfälle bekannt, in denen es zu einer Fehlinterpretation der PIDBefunde und zu betroffenen Kindern gekommen ist. Bei aktuelleren Veröffentlichungen, welche eine große Zahl an Fällen vorweisen können, geht man von einem Risiko für Fehldiagnosen von weniger als 1% bei der Geschlechtsbestimmung von Embryonen und von 7% bei einigen monogen erblichen Erkrankungen aus. Für betroffene Paare ist nicht nur das Risiko für Fehldiagnosen durch PID sondern auch das Risiko für angeborene Fehlbildungen bei Feten nach PID von besonderem Interesse. Gemäß den Studien einiger großer PID Zentren in der ganzen Welt handelt es sich bei der PID um ein sicheres Verfahren. (vgl. Steinke, et al., 2009, p. 45f) „Das Risiko für angeborene Fehlbildungen mit Beeinträchtigung der Lebensfähigkeit und/oder Behandlungsbedürftigkeit nach PID liegt bei ungefähr 2%, das Risiko für angeborene Fehlbildungen ohne Beeinträchtigung der Lebensfähigkeit und/oder Behandlungsbedürftigkeit nach PID wird mit ungefähr 4% angegeben. Nach den gegenwärtigen Daten entspricht dies in etwa der Häufigkeit in der Allgemeinbevölkerung.“ (Steinke, et al., 2009, p. 45f) Zu dem Thema der möglichen Entwicklungsstörungen durch PID gibt es derzeit nur wenige Literaturangaben. Es gab Untersuchungen an zweijährigen Kindern aus Einzelschwangerschaften nach PID und vergleichbaren Kindern aus Schwangerschaften nach Intrazytoplasmatischer Spermieninjektion (ICSI) oder spontanen Schwangerschaften. Es existieren weder Unterschiede in der kognitiven, psychomotorischen und sprachlichen Entwicklung noch im Verhalten. (vgl. Steinke, et al., 2009, p. 46) 14 4.1 Im Dienste der Rettungskinder Für die Selektion von Rettungskindern besonders relevant sind zwei Indikationen, nämlich der Verdacht auf eine monogen erbliche Erkrankung und die Identifikation erwünschter genetischer Merkmale mittels HLA Typisierung: Monogen erbliche Erkrankungen Diese sind Erkrankungen, welche auf eine Veränderung von nur einer Erbanlage zurückgeführt werden. Das Ziel einer PID auf monogen erbliche Erkrankungen ist die Vermeidung solcher bei den Nachkommen. Um in einem solchen Fall eine PID durchzuführen, sind bestimmte Voraussetzungen zu erfüllen: Die ursächliche Mutation muss in der Familie bekannt und mit hoher diagnostischer Sicherheit nachweisbar sein. Ein weiteres Erfordernis für eine PID stellt das Bestehen eines erhöhten Wiederholungsrisikos für zukünftige Nachkommen der betroffenen Familie dar. Dies kann angenommen werden, wenn Geschwisterkinder oder Eltern erkrankt sind. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, kann man in den entnommenen embryonalen Zellen die ursächliche genetische Veränderung suchen. Für das Thema „Rettungskinder“ ist vor allem der autosomal-rezessive Erbgang von Bedeutung. Das heißt, wenn ein Paar bereits ein Kind mit einer autosomal-rezessiven Erkrankung bekommen hat, es ist sehr wahrscheinlich, dass beide Elternteile Anlageträger für die Erkrankung sind. Für jedes weitere Kind besteht also ein Wiederholungsrisiko von 25%. Wie schon zuvor erwähnt, muss für die Durchführung einer PID die Diagnose des ersten Kindes gesichert und die genetische Veränderung bekannt sein. Beispiele für eine autosomal-rezessive Erkrankung sind etwa eine Mukoviszidose, eine BetaThalassämie oder eine Spinale Muskelatrophie. (vgl. Steinke, et al., 2009, p. 38f) HLA-Typisierung Eine weitere Einsatzmöglichkeit der PID ist die Bestimmung des Humanes Leukozytenantigen-Typs (HLA-Typ) der Embryonen, um für ein bereits geborenes Kind mit einer therapiebedürftigen Erkrankung einen geeigneten Spender/geeignete 15 Spenderin zu erzeugen. (vgl. Steinke, et al., 2009, p. 40) Nach der Ermittlung immunologischer Gewebeverträglichkeit kann dem Geschwisterkind durch eine Gewebespende effektiv geholfen werden (z.B. Stammzellen aus Nabelschnurblut direkt nach der Geburt oder Zellen aus dem Knochenmark zu einem späteren Zeitpunkt). Dabei wird untersucht, ob die Gene des HLA-Komplexes des Embryos zu denen des Erkrankten/der Erkrankten passen. Durch die kombinatorischen Möglichkeiten bei gleichzeitiger Berücksichtigung mehrerer Genorte muss eine Vielzahl von Embryonen (20-30) erzeugt werden, um mit hinreichender Wahrscheinlichkeit die angestrebte HLA-Kombination bei einem Embryo zu finden. (vgl. Ethikrat, 2011, p. 20) Jeder Mensch hat ein individuelles HLA-Profil, die Ausnahme sind eineiige Zwillinge, diese haben die identische genetische Ausstattung. Bei Geschwistern ist es so, dass sie sehr ähnliche bzw. übereinstimmende HLA-Profile aufweisen können. Umso ähnlicher sich die HLAProfile von Spender/Spenderin und Empfänger/Empfängerin sind, desto weniger häufig kommen immunregulierte Abstoßungsreaktionen, etwa nach einer Knochenmarkstransplantation, vor. Bei dieser Untersuchung wird also nach entsprechenden Embryonen gesucht, deren HLA-Profil so gut zu dem ihres Geschwisterteils passen, welche dann als Spender/Spenderin infrage kommen. Dies ist bei ca. 25% der Embryonen der Fall. (vgl. Buyx, 2010, p. 213) Suchen die Eltern eine Behandlungsmöglichkeit für ihr schwerkrankes Kind, kann die HLA-Typisierung eine mögliche Alternative sein. Bei Krankheiten wie der FanconiAnämie oder bei genetisch bedingten Immundefekten wird zur Heilung der Erkrankung eine Knochenmarkspende benötigt. Der letzte Ausweg kann unter Umständen in der Geburt eines weiteren Kindes bestehen (als Knochenmarkspender/Knochenmarkspenderin). Wesentliche Voraussetzung dafür, dass ein Mensch als Spender/Spenderin (für Organe oder für Knochenmark) infrage kommt, ist eine hohe Ähnlichkeit im sogenannten HLA-Typ, der wesentliche Immunreaktionen im Körper bestimmt. Bei einer Unverträglichkeit zwischen Spender/Spenderin und Empfänger/Empfängerin kann dies z.B. zu Abstoßreaktionen führen. Die Chance für eine ausreichende Übereinstimmung der HLA-Typen ist unter Geschwistern am größten, jedoch kommen nicht alle Geschwister als Spender/Spenderin infrage. Durch PID können die idealen Embryonen ausgesucht werden. Besteht zudem ein Wiederholungsrisiko 16 für die Grunderkrankung des Geschwisterkindes (insbesondere bei Vorliegen einer monogen erblichen Erkrankung), wird zusätzlich eine Untersuchung auf diese Krankheit durchgeführt. (vgl. Steinke, et al., 2009, p. 40f) Im Fall Adam Nash, dem ersten öffentlich diskutierten Fall von Rettungskindern, kam die PID zum Einsatz, um einen Embryo auszuwählen, der nicht die Erbanlage für die unbehandelt tödlich verlaufende Fanconi-Anämie trug. Mittels tissue typing wurde dann zusätzlich untersucht, ob der nicht erkrankte Embryo als Spender/Spenderin für sein erkranktes Geschwisterkind infrage kam. Nach dem doppelten Analyse-Einsatz der PID kam es zu einer Schwangerschaft und schließlich zur Geburt eines gesunden, HLA-kompatiblen Kindes. Es wurde direkt nach der Geburt Nabelschnurblut entnommen und die aus dem Nabelschnurblut gewonnenen Stammzellen wurden letztendlich dem kranken Kind zugeführt. Das Kind gesundete in diesem Fall vollständig und führt inzwischen ein normales Leben ohne Fanconi Anämie. (vgl. Buyx, 2010, p. 215) Bei der Geburt eines Rettungskindes wird diesem Nabelschnurblut entnommen, eingefroren und einige Wochen später dem erkrankten Geschwisterkind transplantiert. Ist dieser Vorgang für die Heilung nicht ausreichend, weil etwa das kranke Kind schon etwas älter ist, so wird eine Knochenmarkstransplantation durchgeführt. In den meisten bekannten Fällen wurden die Kinder durch die Transplantation von Nabelschnurblut-Stammzellen von ihren Erkrankungen geheilt. (vgl. Buyx, 2010, p. 213) Die Kombination von Gentest und tissue typing mittels PID kommt grundsätzlich bei allen Erbkrankheiten infrage, welche durch einen bekannten Gendefekt hervorgerufen und durch Nabelschnurblutzell-/Knochenmarks-Transplantationen heilbar sind. Alle diese Krankheiten sind sehr selten, verlaufen schwer bzw. tödlich und sind anders nicht heilbar. Die einzige Alternative für eine Heilung ist eine Knochenmarkspende von bereits lebenden HLA-kompatiblen Geschwistern. (vgl. Buyx, 2010, p. 215) Diese Diagnosemöglichkeit wird bislang nur in Einzelfällen durchgeführt, da das Verfahren sehr aufwändig ist. 17 4.2 Rechtliche Rahmenbedingungen in Österreich Die PID war in Österreich strikt verboten. „Das bisherige Verbot der Präimplantationsdiagnostik kann als sachlich nicht gerechtfertigter Wertungswiderspruch zur Pränataldiagnostik und damit als verfassungswidrig kritisiert werden (so der EGMR in seiner Entscheidung vom 28.08.2012, Beschwerde Nr. 54270/10, Costa und Pavan/Italien): Der Gerichtshof hat u.a. ausgeführt, dass bei einer Beibehaltung des Verbots der Präimplantationsdiagnostik Embryonen zwar einen besonderen Schutz erfahren würden; während der späteren Schwangerschaft sei aber ein Abbruch möglich, wenn beispielsweise eine Behinderung festgestellt wird. Da die Belastung für die Schwangere wesentlich größer sei als vor der Implantation des Embryos, werde durch das Verbot der Präimplantationsdiagnostik unnötiges Leiden verursacht. Dies stelle einen unverhältnismäßigen Eingriff in das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens (Art. 8 EMRK) dar (Anhang 1). Dieses Ungleichgewicht zwischen dem Schutz des Embryos in vitro/in vivo gilt es auszugleichen. Die Präimplantationsdiagnostik kann weiters Frauen und Paaren die Belastung einer ‚Schwangerschaft auf Probe‘ ersparen. In einer Gesamtbetrachtung überwiegen diese Vorteile einer Zulassung der Präimplantationsdiagnostik gegenüber den mit solchen Untersuchungen zweifellos auch verbundenen Nachteilen und Problemen. Letztlich ist hier zu berücksichtigen, dass die sehr restriktiven österreichischen Regelungen europaweit eine Ausnahme bilden. Präimplantationsdiagnostik soll nur dann zur Anwendung kommen, wenn weniger invasive Untersuchungsmethoden (z.B. Untersuchung allein der Eizelle) nicht ausreichen, um eine Schwangerschaft herbeizuführen oder eine Fehl- oder Totgeburt oder eine Erbkrankheit zu vermeiden.“ (Parlament, 2013, p. 2) Im Vorhinein soll darauf hingewiesen werden, dass der Staat mit einem Verbot der PID einerseits in einen Lebensbereich von Eltern eingreift, der der Privatsphäre zugehört und in dem Eltern grundsätzlich freie Entscheidungen treffen können, die ihre Fortpflanzung betreffen und damit ihrer prokreativen Autonomie darstellt. Ein Eingriff in dieses höchstpersönliche Recht bedarf einer sehr guten Begründung. Andererseits findet diese Situation aber nicht nur im elterlichen Schlafzimmer statt, sondern auch in einem gesellschaftlich-öffentlichen Bereich, denn das Gesundheitswesen, die beteiligten Ärzte/Ärztinnen und die modernen Fortpflanzungstechnologien sind mittlerweile ebenfalls Gegenstand öffentlicher Aufmerksamkeit geworden. Man muss hier die individuellen wie auch die 18 gesellschaftlichen Konsequenzen bedenken. Die Eltern sollten das Recht haben, was in Fällen einer „einfachen“ Schwangerschaft gar nicht besonders betont werden muss, aus verschiedensten Gründen Kinder zu bekommen. Es ist also mit einer liberalen Demokratie nicht vereinbar, den Eltern eine ganz bestimmte Gesinnung bzw. Motivation zum „Kinderkriegen“ staatlich zu verordnen. (vgl. Buyx, 2010, p. 217f) Auf Grund dessen wurde das Fortpflanzungsmedizingesetz geändert. Die Änderungen traten mit 24. Februar 2015 in Kraft. Eine PID ist gemäß § 2a (1) FMedG (siehe Anhang) in Österreich nun unter bestimmten Voraussetzungen möglich und erlaubt, und zwar wenn nach drei oder mehr Übertragungen entwicklungsfähiger Zellen keine Schwangerschaft herbeigeführt werden konnte und Grund zur Annahme besteht, dass dies auf die genetische Disposition der entwicklungsfähigen Zellen und nicht auf andere Ursachen zurückzuführen ist, oder zumindest drei ärztlich nachgewiesenen Fehl- oder Totgeburten spontan eintraten und diese mit hoher Wahrscheinlichkeit ihre Ursache in der genetischen Disposition des Kindes hatten oder auf Grund der genetischen Disposition zumindest eines Elternteils die ernste Gefahr besteht, dass es zu einer Fehl- oder Totgeburt oder zu einer Erbkrankheit des Kindes kommt. Eine Erbkrankheit im Sinne des § 2a (2) FMedG liegt dann vor, wenn das Kind während der Schwangerschaft oder nach der Geburt derart erkrankt, dass es nur durch den ständigen Einsatz moderner Medizintechnik oder den ständigen Einsatz anderer, seiner Lebensführung stark beeinträchtigender medizinischer oder pflegerischer Hilfsmittel am Leben erhalten werden kann oder schwerste Hirnschädigungen aufweist oder auf Dauer an nicht wirksam behandelbaren schwersten Schmerzen leiden wird und darüber hinaus die Ursache dieser Krankheit nicht behandelt werden kann. 19 Die „Schaffung“ eines sogenannten Saviour Siblings zur Rettung eines Geschwisterkindes wird im Fortpflanzungsmedizinrechts-Änderungsgesetz nicht gesondert erwähnt. Durch die gesetzlich verankerten Indikationen wird diese Art der PID aber ausgeschlossen. Das heißt, auch nach der Gesetzesänderung im Jahr 2015 ist die Zeugung eines Rettungskindes in Österreich weiterhin verboten. (vgl. Frey, 2014) 4.3 Medizintourismus Die rechtlichen Bestimmungen in Bezug auf Reproduktionsmedizin sind von Land zu Land unterschiedlich. Es gelten in jedem Land andere Regeln, unter anderem auch für präimplantative Diagnostik. Die vielen verschiedenen rechtlichen Bestimmungen in den EU-Ländern, aber auch international, ermöglichen im Ausland das zu bewirken, was im Heimatland nicht erlaubt ist. Die unterschiedlichen Rechtslagen bezüglich der Reproduktionsmedizin haben einen regelrechten Tourismus zur Folge. (vgl. Vogt, 2010, p. 8f) „Medizintourismus ist aufgrund der hohen Kosten sowie des langzeitlichen Aufwands der Prozeduren nur Besserverdienenden vorbehalten und stellt damit eine Diskriminierung von ökonomisch schlechter gestellten Frauen und Paaren dar. Zudem soll Situationen entgegengewirkt werden, in denen Frauen oder Paare aus Kostengründen billige und teils unseriöse Angebote zur Behandlung im Ausland annehmen, weil ihnen der Zugang zu solchen Behandlungen im Inland nicht möglich ist.“ (Bioethikkommission, 2012, p. 41) Dieser PID-Tourismus führt zu einer inakzeptablen Ungerechtigkeit, weil sich nur wirtschaftlich gut gestellte Paare den Wunsch nach einem gesunden eigenen Kind erfüllen können. Andere Paare, die sich die Kosten der Reise und der Behandlung nicht leisten können, müssen entweder auf eigene Kinder verzichten oder eine Schwangerschaft auf Probe eingehen. (vgl. Wallner, 2009, p. 77) Viele der zuvor erklärten Verfahren der Reproduktionstechnik werden in benachbarten Ländern angeboten. Die betroffenen Paare können sich zum Einen im Internet über die vorhandenen Möglichkeiten informieren und zum Anderen bieten 20 viele Ärzte/Ärztinnen Kooperationen mit Partnern im Ausland oder sogar Tochterinstitute an und informieren interessierte Patienten/Patientinnen über diese Möglichkeiten. Mit Tochterinstituten in Ländern mit liberaleren Gesetzen haben auch österreichische Ärzte/Ärztinnen die Möglichkeit, im Heimatland verbotene, Methoden anzubieten. (vgl. Grießler & Hager, 2012, p. 57f) Die Bioethikkommission ist der Ansicht, dass sich der Medizintourismus nur dann auf ein akzeptables Maß einpendelt, wenn die Reproduktionsmedizin im Inland liberalisiert wird und es europaweit geltende und rechtlich präzise Regelungen gibt. Dazu müsste ein kontrollierter Zugang im eigenen Land geschaffen werden. (vgl. Bioethikkommission, 2012, p. 58f) In Hinblick auf das Thema Rettungskinder ist dieser kontrollierte Zugang in Österreich nicht im FortpflanzungsmedizinrechtsÄnderungsgesetz berücksichtigt worden. Aus dem Grund ein Geschwisterkind zu zeugen wird es auch weiterhin einen Medizintourismus geben. 5 Ethische Aspekte Die ethischen Bedenken bei der Selektion von Embryonen im Hinblick auf ihre Fähigkeit als Gewebespender für ein bereits lebendes erkranktes Geschwisterkind zu fungieren, werden kontrovers diskutiert. In diesem Fall geht es nicht wie normalerweise üblich um das neu gezeugte Kind und dessen In-die-Welt-Kommen, sondern es steht eine medizinische Indikation im Vordergrund. Wie in jeder Diskussion gibt es auch hier Befürworter/Befürworterinnen und Kritiker/Kritikerinnen. Befürworter/Befürworterinnen meinen, dass einem lebensbedrohlich erkrankten Kind mit der Zeugung eines Rettungskindes geholfen werden kann, wenn kein passender Spender/keine passende Spenderin gefunden werden kann. In der Diskussion gibt es einige Punkte, die eine erhebliche Rolle spielen, beispielsweise: die Möglichkeit einer anderen erfolgversprechenden Behandlungsmethode oder das Behandeln einer tödlichen Krankheit. Man sollte auch bedenken, dass sich das durch PID gezeugte Kind möglicherweise wiederholt schmerzhaften Eingriffen unterziehen müsste. Eine mögliche Grenze der Zumutbarkeit wird von den Befürwortern/Befürworterinnen darin gezogen, ob eine Behandlung einem bereits 21 lebenden, als Spender/Spenderin infrage kommenden Geschwisterkind, zugemutet werden kann. Die Gegner/Gegnerinnen dieser Form der PID wenden ein, dass hier der Embryo nicht primär um seiner selbst willen geschaffen wird, sondern mit dem Ziel einem anderen Menschen zu helfen, so dass damit eine vollständige Instrumentalisierung erfolgen würde, die ethisch nicht zu rechtfertigen ist. Weiterst geht es den Kritikern/Kritikerinnen darum, inwieweit einem aus diesen Gründen in die Welt gebrachtem Kind die Chance bleibt, sich gerade bei weiteren Behandlungen freiwillig für oder gegen die Hilfe für das Geschwisterkind zu entscheiden und gegebenenfalls damit verbundene Schmerzen erleiden zu müssen. Ein weiteres Argument gegen diesen Anwendungsbereich der PID ist der Umstand, dass eine beträchtliche Anzahl von gesunden Embryonen erzeugt und später wieder verworfen wird. Die dritte Meinung zu dieser Thematik ist eine Zwischenposition: Anhänger dieser Auffassung nehmen den Vorwurf der Instrumentalisierung ernst und versuchen jene zu vermeiden. Diese Gruppe plädiert für die Zulassung der PID zur Gewebetypisierung von Embryonen, aber nur dann, wenn an erster Stelle nicht der Wunsch der Eltern nach Hilfe für ein erkranktes Kind durch die Geburt eines Geschwisterkindes als potenziellem Gewebespender/potenzieller Gewebespenderin steht, sondern der Wunsch nach einem weiteren gesunden Kind. (vgl. Steinke, et al., 2009, p. 135f) 5.1 Perspektive der Eltern Bei der Ansicht der Elternteile geht es um die ethische Rechtfertigung der Zeugung eines Rettungskindes. Man muss hier zwischen Eltern differenzieren, die ohnehin ein weiteres Kind gewollt hätten und Eltern, dessen weiteres Kind tatsächlich nur als Mittel gezeugt wird. (vgl. Taylor-Sands, 2013, p. 13) In den meisten der bekannten Fälle, in denen Rettungsgeschwister gezeugt wurden, bezeugten die Eltern, dass sie auf jeden Fall noch ein weiteres Kind gewollt haben. Mit der Zeugung eines Rettungskindes werden gleich zwei Wünsche erfüllt. Erstens wird ein neues 22 Familienmitglied geboren und zweitens wird dem schwerkranken Kind durch eine Zellspende geholfen. (vgl. Buyx, 2010, p. 220) 5.1.1 Mittel zum Zweck? Durch das tissue typing wird die Frage aufgeworfen, ob der Embryo durch die besondere Form der Zeugung und Auswahl zugunsten eines Geschwisterkindes instrumentalisiert wird. Die Sorge besteht darin, dass der Embryo nur deshalb ausgewählt wird, weil er als Spender infrage kommt. Er erfährt eine fundamentale Würdeverletzung, weil er nicht um seiner selbst willen in die Welt gebracht wird, sondern um einen Zweck zu erfüllen, nämlich zur Rettung eines kranken Geschwisterkindes. Oft werden die Bedenken unter der Berufung auf das Instrumentalisierungsverbot der „Zweck-an-sich-Formel“ des kategorischen Imperativs von Kant zum Ausdruck gebracht. (vgl. Buyx, 2010, p. 219) Dazu äußert sich das DRZE: „Einem erstmals durch Kant (1785) formuliertem ethischen Theorem zufolge, ist die vollständige Instrumentalisierung von Menschen als Verletzung ihrer Würde ethisch immer unzulässig. Eine vollständige Instrumentalisierung liegt dann vor, wenn ein Mensch ausschließlich als Mittel zur Realisierung von (ihm fremden) Zwecken benutzt wird und nicht zugleich als Selbstzweck respektiert wird. Dieser Gedanke findet nicht zuletzt seinen Niederschlag im Artikel 1, Absatz 1 des Grundgesetzes. Kritiker machen geltend, dass die Herstellung von Embryonen ausschließlich zum Zweck der Herbeiführung einer Schwangerschaft legitim sei. Alle anderen möglichen Zwecke „beispielsweise Forschung“ seien dem Embryo äußerlich und stellten insofern eine nicht akzeptable Form der Instrumentalisierung dar. Dieses Argument kann auch im Hinblick auf die Selektion eines HLA-kompatiblem Embryos als Spender für ein bereits lebendes Geschwisterkind geltend gemacht werden. Befürworter argumentieren demgegenüber, der ausgewählte Embryo werde auch um seiner selbst willen eingepflanzt. Außerdem sei es so möglich einem schwerkranken Kind zu helfen, was in einer Güterabwägung mit berücksichtigt werden müsse.“ (DRZE, 1999) Dabei ist zu hinterfragen, ob es denn denkbar wäre, dass ein Kind ausschließlich aufgrund seiner Spendereigenschaft in die Welt gebracht und – als Ausdruck mangelnden Respekts seiner selbst – anschließend verstoßen werden würde. Es ist 23 leider bekannt, dass das Verstoßen bzw. bewusste Abgeben von Kindern nach der Geburt vorkommt. In so einem Fall scheint dies aber eher unwahrscheinlich, dass ausgerechnet die Eltern, die sich um ihr krankes Kind so außerordentlich sorgen, ein weiteres Kind – auch wenn es durch eine HLA-Typisierung „ausgewählt“ wurde – nicht um seiner selbst willen schätzen und lieben würden. Um die Frage nach der Instrumentalisierung zu beantworten, müsste untersucht werden, ob es zulässig ist ein Kind nicht nur um seiner selbst willen, sondern auch aus instrumentalisierender Absicht zu bekommen. (vgl. Buyx, 2010, p. 220) Die negativen Aspekte an der Zeugung von Rettungskindern wird durch die Annahme entkräftet, dass Rettungskinder geliebt und umsorgt werden und nicht nur als bloßes Mittel zum Zweck fungieren. Möglicherweise nimmt das Kind als „Retterin“ oder „Retter“ des kranken Geschwisterkindes sogar einen besonderen Status in der Familie ein. Die Befürworter/Befürworterinnen meinen, dass es wichtiger ist wie man im Laufe seines Lebens von anderen behandelt wird, als die Tatsache, unter welchen Umständen und mit welcher Absicht man gezeugt wurde. Ob bzw. wie sehr ein Rettungskind als Mittel instrumentalisiert wird, hängt natürlich stark von der Haltung der Familie ab, in die das Kind hineingeboren wird. (vgl. Then, 2009, p. 41f) Es besteht im Vorfeld die Möglichkeit einer psychologischen Untersuchung der Eltern, welche ein Rettungskind zeugen möchten, um eine reine Instrumentalisierungsabsicht auszuschließen. (vgl. Buyx, 2010, p. 221) Man muss an diesem Punkt erwähnen, dass es nicht leicht vorherzusagen ist, wie sehr die potenziellen Eltern das Rettungskind lieben werden und ob ihm das gleiche Ausmaß an Fürsorglichkeit wie dem kranken Geschwisterteil zukommt. Darüber ist lediglich eine Spekulation möglich. (vgl. Then, 2009, p. 42) Es ist eher die Ausnahme als die Regel, dass Eltern ein Kind ausschließlich um seiner selbst willen zeugen. Es gibt so viele Motivationen ein Kind zu bekommen, dass es unmöglich wäre alle aufzuzählen. Kinder werden zur Welt gebracht um Ehen zu retten, um als „Stammhalter“ zu fungieren, als Manifest elterlicher Liebe, als stellvertretende elterliche Selbstverwirklichung oder als Unterstützung im Alter. Man gesteht den Eltern neben der Liebe zum zukünftigen Kind weitere Motive zu, um Nachkommen zu zeugen. Wird das Kind um seiner selbst willen geachtet und stehen die zusätzlichen Motive dem Kindeswohl nicht signifikant im Weg, gibt es 24 dahingehend keine Rechtfertigung in diesen Kernbereich der Privatsphäre einzugreifen. (vgl. Buyx, 2010, p. 220f) 5.1.2 Moralische Verpflichtung? In der Diskussion um die Zeugung von Rettungskindern wird eine weitere Thematik aufgeworfen. Es muss an dieser Stelle die Frage gestellt werden, ob die Zeugung eines Rettungskindes nicht nur moralisch erlaubt ist, sondern ob für die Eltern eines kranken Kindes nicht sogar eine moralische Verpflichtung besteht, ein Kind mit bestimmtem Gewebematerial zu zeugen, wenn damit das Leben eines anderen Kindes gerettet werden kann. (vgl. Wolbert, 2009, p. 267) Der Druck, der durch die stark wachsenden Möglichkeiten der Reproduktionsmedizin auf den Paaren, besonders auf den Frauen, lastet, könnte ein Gefühl der moralischen Verpflichtung auslösen. (vgl. Kollek, 2000, p. 146) Das Prinzip der Autonomie spielt aufgrund des gesellschaftlichen Druckes eine immer kleinere Rolle im Entscheidungsfindungsprozess. (vgl. Wolbert, 2009, p. 254) Es stellt sich besonders in Ländern in denen eine PID zu diesem Zweck erlaubt ist die Frage, ob die Zeugung von Rettungskindern abgelehnt werden kann. Durch den Druck, das Leben des erkrankten Kindes mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln retten zu wollen bzw. zu müssen, bleibt den Eltern oft keine andere Option. Sie können sich nicht autonom entscheiden. Das fällt in Ländern mit restriktiveren Gesetzen eventuell leichter. (vgl. Wolbert, 2009, p. 267f) Für Familie Nash, deren Tochter Molly an Fanconi Anämie leidet, war die Option ein Rettungskind zu zeugen ein Glücksfall. Der behandelnde Arzt Dr. Wagner teilte der Familie vor der Behandlung mit, dass die PID in diesem Zusammenhang ein Experiment sei. Familie Nash zögerte dennoch keine Minute. Lisa Nash, die Mutter von Molly sagte dazu: „Ich wäre zum Mars geflogen um meiner Tochter zu helfen. Was würde man nicht für seine Kinder tun?“. Nach dem vierten In-vitro-FertilisationsVersuch wurde Lisa Nash schwanger und gebar ihren Sohn Adam. Molly bekam kurz nach der Geburt Adams Nabelschnurblut transferiert und ist seitdem wohlauf. (vgl. Adam - Retortenbaby als Lebensretter?, 2005) 25 Für viele Familien ist es gut zu wissen, dass auch wenn das erkrankte Kind stirbt, alle möglichen Optionen zur Genesung des Kindes ausgeschöpft wurden. (vgl. TaylorSands, 2013, p. 59) Das deutsche Ehepaar Conny Sowa-Dietrich und Ralf Dietrich hat eine andere Meinung zu dieser Form der PID. Die Beiden haben drei Töchter, von denen zwei an Fanconi Anämie leiden. Die älteste Tochter Nini hat den Kampf gegen Leukämie verloren, welche aus der Fanconi Anämie resultierte. Nini starb ungefähr zu dem Zeitpunkt als Adam Nash geboren wurde. Die Eltern beschäftigten sich daraufhin sehr intensiv mit der neuen Methode. Sie wurden vor die Wahl gestellt, ein weiteres Kind mit passendem Genmaterial zu zeugen oder von dieser Methode Abstand zu nehmen. Das Ehepaar entschied sich gegen diese Behandlungsweise. Für Conny Sowa-Dietrich war die Zeugung und der anschließende Verschleiß vieler Embryonen ethisch nicht vertretbar. Sie sagt, dass das Leben nicht erst beginnt, wenn man das Füßchen im Bauch spürt. Ein weiterer Kritikpunkt für das betroffene Paar war die Selektion von menschlichem Leben. Frau Sowa-Dietrich ist der Ansicht, dass das Verwerfen von Embryonen, welche Gene der Fanconi Anämie in sich tragen, unter dieser Erkrankung leidenden Menschen – und somit auch ihren Töchtern – indirekt die Berechtigung zum Leben abgesprochen wird. Sie sind eines der wenigen Paare, die sich bewusst gegen die Zeugung eines Rettungskindes entschieden haben. Es liegt also nicht immer eine moralische Verpflichtung vor. (vgl. Adam - Retortenbaby als Lebensretter?, 2005) 5.2 Perspektive des Rettungskindes Im Gegensatz zu den Diskussionen über den Einsatz von PID zur Auswahl bestimmter phänotypisch relevanter Eigenschaften (z.B.: Taubheit, absolutes Gehör, Intelligenz, usw. ) spielt das Argument, das Kind könne einen Schaden dadurch erleiden, dass es durch die ausgewählten Eigenschaften in entscheidender Weise vorherbestimmt sei und seine offene Zukunft verliere, bei der HLA Typisierung keine Rolle. Durch das bestimmte HLA-Profil wird dem Kind weder eine offene Zukunft, noch irgendwelche Entfaltungsmöglichkeiten genommen. Die Ausstattung mit diesen Oberflächenproteinen spielt im Leben des Rettungskindes keine Rolle, für das kranke 26 Geschwisterkind kann es aber die einzige Hoffnung sein. Wichtiger als die Erwartungen der Eltern, die Zukunft des Rettungskindes mit dieser Spende zu verschließen, sind die angenommenen körperlichen und späteren psychischen Schäden durch die Spende selbst. Die Gewebespende erfolgt im Normalfall sehr bald nach der Geburt. Die in den meisten Fällen vorgenommene Entnahme von Nabelschnurblut ist vollkommen unproblematisch. Das Kind selbst ist hier überhaupt nicht betroffen, die Zellen werden aus dem Nabelschnurgewebe entnommen, das bei jeder Geburt entfernt wird. Braucht hingegen das kranke Geschwisterkind eine Knochenmarkspende, stellt dieser Vorgang eine vorübergehende Belastung für das Rettungskind dar. Das Knochenmark wird entweder im Rahmen einer Operation punktiert oder es wird nach mehrtägiger subkutaner Stimulation mit Wachstumshormonen aus der Vene entnommen. Diese Belastungen sind alles in allem mit jenen zu vergleichen, die entstehen, wenn ein Kind sich etwa beim Sport oder auf dem Spielplatz verletzt und sich eine Platzwunde oder einen unkomplizierten Bruch zuzieht. (vgl. Buyx, 2010, p. 222) Es muss sich jedoch damit beschäftigt werden, ob das Kind psychische Schäden durch die Spende erleiden könnte. Es könnte beispielsweise später denken, dass man über seinen Körper verfügt hätte oder ähnliches. Darum bietet es sich an, einen Postnatal-Test zu machen: Das heißt, alles was bei bereits geborenen Kindern als ethisch unproblematisch anzusehen ist, sollte auch bei Rettungskindern als unproblematisch gelten. Es gibt dazu ein Vergleichskollektiv. Bei schon geborenen Spendern werden regelmäßige Knochenmarkspenden als ethisch akzeptabel angesehen, wenn z.B. ein Geschwisterkind an Leukämie erkrankt ist. Die vorübergehenden körperlichen Belastungen des spendenden Kindes werden nicht als Grund angesehen, die Spende nicht durchzuführen. Über eventuelle Spätfolgen wird nicht berichtet, die Kinder fühlen sich eher stolz ihren Geschwistern durch die Spende geholfen zu haben. Man muss an dieser Stelle hinzufügen, dass die Gesamtsituation für das bereits lebende Spenderkind problematischer ist, als dies beim sogenannten tissue typing der Fall wäre: Einerseits erlebt das Spenderkind die Leidensgeschichte des erkrankten Geschwisterkindes in der Familie mit und andererseits sind die Aussichten auf Heilung sehr viel schlechter als beim tissue typing. (vgl. Buyx, 2010, p. 222) 27 Zusammenfassend kann man sagen, dass die körperlichen Belastungen, denen ein saviour sibling ausgesetzt ist, als relativ gering einzustufen sind. Es ist sehr wahrscheinlich, dass beim spendenden Kind das Gefühl des Stolzes und der Freude hervorgerufen wird. Es ist froh in einer Familie mit einem geheilten und gesunden Geschwisterkind aufzuwachsen und darüber hinaus noch zu dessen Heilung beigetragen zu haben. (vgl. Buyx, 2010, p. 222f) 5.2.1 Vorteile für das Rettungskind Wie bereits oben erwähnt, gehen mit der Zeugung von Rettungskinder nicht nur zwingend Belastungen einher, sondern es ist sehr wahrscheinlich, dass das Rettungskind durch die Gewebespende mit Stolz erfüllt wird. Saviour siblings werden vorrangig mit dem Ziel gezeugt, das Leben eines erkrankten Geschwisterkindes zu retten, das heißt jedoch nicht zwingend, dass eine psychische oder physische Belastung die Folge ist. Ebenso können die Rettungskinder einen Vorteil aus den Umständen ziehen, sie erhalten den besonderen Status eines „Lebensretters“ oder einer „Lebensretterin“. Befürworter/Befürworterinnen argumentieren damit, dass sich das Wissen um die Selektion positiv auf das Selbstbewusstsein auswirken kann. Durch das Bewusstsein des Rettungskindes, die einzige Person zu sein, die seinem Geschwisterchen helfen kann, wird das Kind in seiner Rolle mit Stolz erfüllt sein. Es kann aber nicht nur das Selbstwertgefühl durch die Gewebespende gesteigert werden, die Beziehung des Rettungskindes mit dem kranken Kind kann intensiviert werden, denn ohne diese Spende wäre das erkrankte Kind wahrscheinlich gestorben. (vgl. Taylor-Sands, 2013, p. 59f) Es gibt bereits Studien von Kindern, die Knochenmark an ihre erkrankten Geschwister gespendet haben. Diese Erkenntnisse bestätigen einerseits ein erhöhtes Selbstbewusstsein des Rettungskindes und andererseits eine stärkere Bindung zwischen den Geschwistern. Eine weitere empirische Studie sagt aus, dass sich eine Transplantation nicht nur positiv auf den Moment auswirkt, sondern dass sie einen positiven Einfluss auf das gesamte Leben des Spenderkindes hat; dies kann sich vor allem beim Aufrechterhalten von Beziehungen auswirken. (vgl. TaylorSands, 2013, p. 59f) 28 5.2.2 Nachteile für das Rettungskind Kinder, welche durch eine PID gezeugt werden, um schließlich als Rettungskind für ein erkranktes Geschwisterkind zu fungieren, können in der Folge der Behandlung auch psychischen und physischen Belastungen ausgesetzt sein. Die potentiellen Risiken werden im weiteren näher erläutert. Ein Rettungskind kann psychisch belastet werden, wenn es den Eindruck hat, nur als Mittel zum Zweck zu existieren. Diese Belastungen hängen von einigen unterschiedlichen Faktoren ab (wie zum Beispiel der Erfolg bzw. Misserfolg einer Gewebespende) und können sich auf die gesamte Familie ausweiten. (vgl. Then, 2009, p. 42) Im Gegensatz zu den körperlichen Risiken kann man über die psychischen Belastungen nur spekulieren. Es gibt im Moment noch keine Langzeitstudien über die psychischen Auswirkungen, da die Zeugung von Rettungskindern ein noch recht neues Verfahren darstellt. Das Bewusstsein nur geboren worden zu sein, um einen Bruder oder eine Schwester zu retten, kann nicht nur positive Gefühle auslösen. Es kann auch negative Auswirkungen auf das Selbstbewusstsein, die Identität oder die Beziehung zu dem Geschwisterkind haben. Es besteht ebenso das Risiko für das Rettungskind von den Familienmitgliedern diskriminiert zu werden, da es nur aus instrumentellen Gründen gezeugt wurde. Taylor-Sands hält es auch für möglich, dass sich das Kind von den Eltern nicht als bedingungslos geliebt fühlt, da es eben nur für den einen Zweck geboren wurde. (vgl. Taylor-Sands, 2013, p. 57ff) Was passiert aber, wenn das Rettungskind zu einem späteren Zeitpunkt eine Spende verweigert oder eine Transplantation nicht erfolgreich ist? Vor allem eine fehlgeschlagene Transplantation kann unter Umständen psychische Auswirkungen auf das Spenderkind haben, welche nicht zu unterschätzen sind. Kommt es sogar soweit, dass das erkrankte Geschwisterkind stirbt, wird dem Rettungskind dadurch eine schwere Bürde auferlegt. Diese Belastung äußert sich vor allem in Schuldgefühlen, Scham und Wut. Die Auswirkungen sind aber generell nicht für jedes Kind gleich. Es hängt hierbei vieles von den Umständen, der Familie und vor allem vom Kind selbst ab. Möglicherweise wird das Trauma eines Rettungskindes auch durch die Not und Sorgen der Familie um das kranke Geschwisterkind verstärkt. (vgl. Taylor-Sands, 2013, p. 58) 29 In diesem Zusammenhang muss man anmerken, dass einem neugeborenen Rettungskind, dem Nabelschnurblut abgenommen wird, noch kein Bewusstsein für eine medizinische Behandlung besitzt und deshalb nur ein geringes Risiko besteht, dass es psychische Auswirkungen davonträgt. Diese Gefahr besteht eher bei einem etwas älteren Rettungskind, welches seinem Geschwisterkind Knochenmark spendet. Es muss sich gezwungenermaßen mit der Krankheit des Geschwisterchens, aber auch mit dessen möglichen Tod auseinandersetzen. Es lastet ein riesiger Druck auf dem Spenderkind, denn es wird ihm auf diese Weise immer wieder bewusst gemacht, dass es nur aus einem Grund gezeugt und geboren wurde: Den Bruder oder die Schwester zu retten. (vgl. Taylor-Sands, 2013, p. 58) Es gibt auch eine Diskussion darüber, ob Rettungskinder möglichen körperlichen Belastungen ausgesetzt sind. Zwei unterschiedliche Studien behandeln die möglichen Schäden von Kindern, welche durch assistierte Reproduktionsmedizin gezeugt und selektiert wurden. Zudem zeigten die Studien, dass bei den ausgewählten Embryonen ein durchaus erhöhtes Risiko der Beeinträchtigung der Gesundheit besteht. Eine weitere Studie führt an, dass künstlich erzeugte Babys eine höhere Wahrscheinlichkeit haben, tot geboren zu werden oder direkt nach der Geburt zu sterben. Gemäß einer dänischen Studie ist die Wahrscheinlichkeit, nach künstlicher Befruchtung eine Totgeburt zu erleiden, viermal so hoch wie nach einer natürlichen Befruchtung. Es gibt aber bislang keine Langzeitstudie, die die Zellentnahme für die HLA-Typisierung bzw. dem Ausschluss einer Genkrankheit beleuchtet. (vgl. Taylor-Sands, 2013, p. 13ff) Es muss allgemein zwischen einer Entnahme von Nabelschnurblut und einer Knochenmarktransplantation bzw. einer Entnahme von Stammzellen aus dem Blutkreislauf differenziert werden. Die Spende von Nabelschnurblut erfolgt meist vollkommen unproblematisch. Tritt bei der Nabelschnurtransplantation nicht der gewünschte Erfolg ein, muss das Rettungskind zu einem späteren Zeitpunkt erneut Gewebe spenden. Es handelt sich hierbei nicht mehr um Nabelschnurblut, sondern um Stammzellen aus dem Knochenmark, welche entweder aus dem Beckenknochen oder direkt aus dem Blutkreislauf entnommen wird. Dies ist mit vorübergehenden Belastungen für das Rettungskind verbunden. (vgl. Buyx, 2010, p. 222) Vor einer 30 Knochenmarktransplantation muss dem Spender/der Spenderin das Wachstumshormon G-CSF verabreicht werden. Es werden dadurch vermehrt unreife Blutstammzellen im Knochenmark gebildet. Diese Zellen werden dann schließlich dem Empfänger/der Empfängerin verabreicht, wandern in das Knochenmark und verwandeln sich in seinem Körper zu reifen Blutzellen. Durch die Behandlung mit GCSF kann es zu Beschwerden wie Knochen- und Gelenkschmerzen, grippeartigen Beschwerden oder Kopfschmerzen kommen. (vgl. Kraft, 2012) Geht man davon aus, dass eine Nabelschnurblut-Spende nicht geholfen hat, muss sich das Rettungskind immer wieder neuen Untersuchungen unterziehen. Ein kleines Kind kann sich fürchten zum Arzt/zur Ärztin oder ins Krankenhaus zu gehen, weil bei jedem Besuch dorthin diverse Tests und Untersuchungen durchgeführt werden. Es versteht vielleicht nicht, warum das alles geschehen muss, um dem Geschwisterkind zu helfen, denn immerhin muss das Rettungskind in dieser Situation die Schmerzen und das Leid ertragen, zum Beispiel bei einer Blutabnahme. (vgl. Levin, 2011) Das kleine Kind, welches weiß, dass wieder eine unumgängliche Gewebeentnahme erfolgen wird und sich an das letzte Mal erinnern kann, wird große Angst und Unbehagen empfinden und möglicherweise nicht verstehen, warum ihm das Leid widerfährt und niemand etwas dagegen unternimmt. Diese Situation macht ihm Angst und ebnet eventuell den Weg für die Entwicklung eines geringen Selbstwertgefühls, sowie der Entstehung psychischer Leiden. (vgl. MacLeod, et al., 2003) Ein Statement von Jamie Whitaker über seine Gefühle in Bezug auf seine Zeugung als Spender für seinen erkrankten Bruder, gibt Aufschluss über die Sichtweise von Rettungskindern: Er fühlt sich persönlich nicht als Held, aber emotional doch sehr mit seinem Bruder Charlie verbunden. Einerseits ist ihm durchaus bewusst, dass er nur zum Zwecke Charlie zu helfen gezeugt wurde, andererseits weiß er aber auch, dass seine Eltern sich immer eine große Familie gewünscht hatten. Er fühlt sich geliebt, weil er Jamie Whitaker ist und nicht, weil er als lebensrettender Spender für seinen Bruder fungiert hat. (vgl. Levin, 2011) 31 6 Schlussbetrachtung Wie in der Arbeit dargestellt, gibt es verschiedene Meinungen über die Zeugung von Rettungskindern. Die Präimplantationsdiagnostik für die Zeugung von Rettungskindern zu nutzen wird kontrovers diskutiert, obwohl es einen riesigen medizinischen Fortschritt darstellt. Für betroffene Eltern kann dieses Verfahren die einzige Option darstellen, ihr erkranktes Kind zu retten. Sie denken nicht weiter nach, welche Konsequenzen dieser Schritt nach sich ziehen kann. In Österreich, wie auch in einigen anderen europäischen Ländern, ist die Zeugung von Rettungskindern nach wie vor verboten. Meiner Meinung nach sollte mit dem Thema Rettungskinder nicht leichtfertig umgegangen werden. Trotz wichtiger und bedenkenswerter Argumente, ist ein generelles Verbot für das sogenannte tissue typing ethisch nicht zu rechtfertigen. Die Technik solle - in gewissen Grenzen und unter Berücksichtigung bestimmter Vorlagen – zugelassen werden, um schwerkranken Kindern die Chance auf Heilung zu ermöglichen. Letztendendes muss jede Familie für sich selbst eine moralische Entscheidung treffen, ob sie im Bedarfsfall diese Methode anwenden möchte oder nicht. 32 Literaturverzeichnis Bücher Bioethikkommission, 2012. Reform des Fortpflanzungsmedizinrechts Stellungnahme der Bioethikkommission beim Bundeskanzleramt, Wien: s.n. Bundeskanzleramt, B. b., 2004. Präimplantationsdiagnostik (PID), Wien: s.n. Buyx, A. M., 2010. Tissue typing and saviour siblings: Überlegungen zu eines besonderen Anwendung der Präimplantationsdiagnostik. In: F. Carl & S. Huster, Hrsg. 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Tübingen: Francke . 33 Steinke, V., Rahner, N., Middel, A. & Schräer, A., 2009. Präimplantationsdiagnostik. Freiburg/München: Verlag Karl Alber. Taylor-Sands, M., 2013. Saviour Siblings. A relational approach to the walfare of the child in selective reproduction. London/New York: Routledge. Then, S.-N., 2009. The Legality of Tissue Transplants for the Benefit of Family Members in the UK and Australia: Implications für Saviour Siblings. Medical Law International, 10(1), pp. 23-64. Vogt, C., 2010. Das Geschäft mit dem Wunschkind. Wissenswert, 13 Juli, pp. 8-9. von Wietersheim, E. M., 2014. Strafbarkeit der Präimplantationsdiagnostik - PID de lege lata und de lege ferenda. München: Nomos Verlagsgesellschaft. Wallner, S., 2009. Moralischer Dissens bei Präimplantationsdiagnostik und Stammzellenforschung - Eine ethische Lösungsmöglichkeit. München: LIT Verlag. Wolbert, W., 2009. Gibt es eine Pflicht zur Zeugung von "Saviour Siblings"?. In: P. Weingartner, Hrsg. 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III Nr. 30/1998 §/Artikel/Anlage Art. 8 Inkrafttretensdatum 01.11.1998 Beachte Verfassungsbestimmung: Die Europäische Menschenrechtskonvention ist gemäß BVG BGBl. Nr. 59/1964 mit Verfassungsrang ausgestattet. Text Artikel 8 - Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens (1) Jedermann hat Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. (2) Der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts ist nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist. 37 Gesamte Rechtsvorschrift für Fortpflanzungsmedizingesetz, Fassung vom 14.09.2016 Langtitel Bundesgesetz, mit dem Regelungen über die medizinisch unterstützte Fortpflanzung getroffen (Fortpflanzungsmedizingesetz - FMedG) StF: BGBl. Nr. 275/1992 (NR: GP XVIII RV 216 AB 490 S. 69. BR: AB 4255 S. 553.) Änderung BGBl. I Nr. 98/2001 (NR: GP XXI RV 621 AB 704 S. 75. BR: 6398 AB 6424 S. 679.) BGBl. I Nr. 163/2004 (NR: GP XXII RV 678 AB 741 S. 90. BR: AB 7167 S. 717.) BGBl. I Nr. 49/2008 (NR: GP XXIII RV 261 AB 343 S. 40. BR: AB 7823 S. 751.) [CELEX-Nr: 32004L0023, 32006L0017, 32006L0086] BGBl. I Nr. 135/2009 (NR: GP XXIV RV 485 AB 558 S. 49. BR: 8217 AB 8228 S. 780.) BGBl. I Nr. 111/2010 (NR: GP XXIV RV 981 AB 1026 S. 90. BR: 8437 AB 8439 S. 792.) [CELEX-Nr.: 32010L0012] BGBl. I Nr. 4/2014 (VfGH) BGBl. I Nr. 35/2015 (NR: GP XXV RV 445 AB 450 S. 59. BR: 9316 AB 9318 S. 838.) Präambel/Promulgationsklausel Inhaltsverzeichnis Fortpflanzungsmedizingesetz (FMedG) 1. Abschnitt Allgemeines § 1. Begriffsbestimmungen 2. Abschnitt Zulässigkeitsvoraussetzungen bei medizinisch unterstützter Fortpflanzung, Präimplantationsdiagnostik und Zellentnahme § 2. Medizinisch unterstützte Fortpflanzung § 2a. Präimplantationsdiagnostik § 2b. Zellentnahme und -aufbewahrung § 3. Verwendung der entnommenen Zellen 3. Abschnitt Verfahrensvorschriften §§ 4. und 5. Befugnis § 6. § 7. § 8. Freiwilligkeit der Mitwirkung Benachteiligungsverbot Beratung Zustimmung §§ 9. und 10. §§ 11. bis 15. § 16. § 17. 4. Abschnitt Verwendung, Untersuchung und Behandlung von Zellen Allgemeine Bestimmungen Besondere Bestimmungen bei der Verwendung von Samen und Eizellen dritter Personen Kommerzialisierungs- und Vermittlungsverbot Aufbewahrung §§ 18. und 19. § 20. § 21. 5. Abschnitt Dokumentations- und Auskunftspflichten Aufzeichnungen Auskunft Statistik 38 6. Abschnitt Strafbestimmungen §§ 22. bis 25. § 26. § 27. § 28. 7. Abschnitt Schluss- und Übergangsbestimmungen In- und Außerkrafttreten Verweise Vollziehung Text Begriffsbestimmungen § 1. (1) Medizinisch unterstützte Fortpflanzung im Sinn dieses Bundesgesetzes ist die Anwendung medizinischer Methoden zur Herbeiführung einer Schwangerschaft auf andere Weise als durch Geschlechtsverkehr. (2) Methoden der medizinisch unterstützten Fortpflanzung im Sinn des Abs. 1 sind insbesondere 1. das Einbringen von Samen in die Geschlechtsorgane einer Frau, 2. die Vereinigung von Eizellen mit Samenzellen außerhalb des Körpers einer Frau, 3. das Einbringen von entwicklungsfähigen Zellen in die Gebärmutter oder den Eileiter einer Frau und 4. das Einbringen von Eizellen oder von Eizellen mit Samen in die Gebärmutter oder den Eileiter einer Frau. (3) Als entwicklungsfähige Zellen sind befruchtete Eizellen und daraus entwickelte Zellen anzusehen. (4) Präimplantationsdiagnostik im Sinn dieses Bundesgesetzes ist jede Methode zur genetischen Untersuchung entwicklungsfähiger Zellen vor deren Einbringen in den Körper einer Frau sowie zur genetischen Untersuchung anderer nach Abschluss der Befruchtung der Eizelle entstehender Zellen. 2. Abschnitt Zulässigkeitsvoraussetzungen bei medizinisch unterstützter Fortpflanzung, Präimplantationsdiagnostik und Zellentnahme Medizinisch unterstützte Fortpflanzung § 2. (1) Eine medizinisch unterstützte Fortpflanzung ist nur in einer Ehe, in einer eingetragenen Partnerschaft oder in einer Lebensgemeinschaft zulässig. (2) Eine medizinisch unterstützte Fortpflanzung ist ferner nur zulässig, wenn 1. nach dem Stand der Wissenschaft und Erfahrung alle anderen möglichen und den Ehegatten oder Lebensgefährten zumutbaren Behandlungen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft durch Geschlechtsverkehr erfolglos gewesen oder aussichtslos sind oder 2. ein Geschlechtsverkehr zur Herbeiführung einer Schwangerschaft den Ehegatten oder Lebensgefährten wegen der ernsten Gefahr der Übertragung einer schweren Infektionskrankheit auf Dauer nicht zumutbar ist oder 3. eine Schwangerschaft bei einer von zwei miteinander in eingetragener Partnerschaft oder Lebensgemeinschaft lebenden Frauen herbeigeführt werden soll oder 4. sie zum Zweck einer nach § 2a zulässigen Präimplantationsdiagnostik vorgenommen werden muss. (3) Wenn nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft und Erfahrung mehrere aussichtsreiche und zumutbare Methoden zur Auswahl stehen, darf zunächst nur diejenige angewendet werden, die mit geringeren gesundheitlichen Beeinträchtigungen und Gefahren für die beteiligten Personen verbunden ist und bei der weniger entwicklungsfähige Zellen entstehen. Das Kindeswohl ist dabei zu berücksichtigen. Präimplantationsdiagnostik § 2a. (1) Eine Präimplantationsdiagnostik ist nur zulässig, wenn 1. nach drei oder mehr Übertragungen entwicklungsfähiger Zellen keine Schwangerschaft herbeigeführt werden konnte und Grund zur Annahme besteht, dass dies auf die genetische 39 Disposition der entwicklungsfähigen Zellen und nicht auf andere Ursachen zurückzuführen ist, oder 2. zumindest drei ärztlich nachgewiesene Fehl- oder Totgeburten spontan eintraten und diese mit hoher Wahrscheinlichkeit ihre Ursache in der genetischen Disposition des Kindes hatten oder 3. auf Grund der genetischen Disposition zumindest eines Elternteils die ernste Gefahr besteht, dass es zu einer Fehl- oder Totgeburt oder zu einer Erbkrankheit des Kindes kommt. (2) Eine Erbkrankheit im Sinn des Abs. 1 Z 3 liegt vor, wenn das Kind während der Schwangerschaft oder nach der Geburt derart erkrankt, dass es 1. nur durch den ständigen Einsatz moderner Medizintechnik oder den ständigen Einsatz anderer, seine Lebensführung stark beeinträchtigender medizinischer oder pflegerischer Hilfsmittel am Leben erhalten werden kann oder 2. schwerste Hirnschädigungen aufweist oder 3. auf Dauer an nicht wirksam behandelbaren schwersten Schmerzen leiden wird und darüber hinaus die Ursache dieser Krankheit nicht behandelt werden kann. (3) Wenn nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft und Erfahrung mehrere Untersuchungsmethoden zur Auswahl stehen, um eine Schwangerschaft herbeizuführen oder um auszuschließen, dass die ernste Gefahr einer Fehl- oder Totgeburt oder einer Erbkrankheit besteht, darf zunächst nur diejenige Untersuchung vorgenommen werden, die in einem früheren Stadium ansetzt oder die weniger invasiv ist. (4) Im Rahmen der Präimplantationsdiagnostik dürfen nur die nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft und Erfahrung im Sinn des Abs. 1 Z 1 zur Herbeiführung einer Schwangerschaft, im Sinn des Abs. 1 Z 2 zur Vermeidung einer Fehl- oder Totgeburt oder im Sinn des Abs. 1 Z 3 zur Vermeidung einer Fehl- oder Totgeburt oder einer Erbkrankheit unabdingbar erforderlichen Untersuchungen durchgeführt werden. Die Bestimmung des Geschlechts durch Präimplantationsdiagnostik ist nur zulässig, wenn die Erbkrankheit geschlechtsabhängig ist. (5) Einrichtungen, in denen im Rahmen der Präimplantationsdiagnostik gemäß Abs. 1 genetische Analysen durchgeführt werden, bedürfen insbesondere für die von ihnen in Aussicht genommenen Untersuchungsmethoden, den Untersuchungsinhalt und den Untersuchungsumfang einer Zulassung gemäß § 68 Abs. 3 GTG unter Einbindung des wissenschaftlichen Ausschusses für Genanalyse und Gentherapie gemäß § 88 Abs. 2 Z 2a GTG Zellentnahme und -aufbewahrung § 2b. (1) Samen, Eizellen sowie Hoden- und Eierstockgewebe dürfen auch für eine künftige medizinisch unterstützte Fortpflanzung entnommen und aufbewahrt werden, wenn ein körperliches Leiden oder dessen dem Stand der medizinischen Wissenschaft und Erfahrung entsprechende Behandlung eine ernste Gefahr bewirkt, dass eine Schwangerschaft nicht mehr durch Geschlechtsverkehr herbeigeführt werden kann. (2) Eizellen, die für eine dritte Person verwendet werden sollen, dürfen nur vom vollendeten 18. bis zum vollendeten 30. Lebensjahr entnommen werden. Verwendung der entnommenen Zellen § 3. (1) Für eine medizinisch unterstützte Fortpflanzung dürfen außer in den in Abs. 2 und 3 geregelten Fällen nur die Eizellen und der Samen der Ehegatten, eingetragenen Partner oder Lebensgefährten verwendet werden. (2) Der Samen einer dritten Person darf ausnahmsweise dann verwendet werden, wenn der des Ehegatten oder Lebensgefährten nicht fortpflanzungsfähig ist oder eine medizinisch unterstützte Fortpflanzung in einer eingetragenen Partnerschaft oder Lebensgemeinschaft von zwei Frauen vorgenommen werden soll. (3) Die Eizellen einer dritten Person dürfen ausnahmsweise dann verwendet werden, wenn die der Frau, bei der die Schwangerschaft herbeigeführt werden soll, nicht fortpflanzungsfähig sind und diese Frau zum Zeitpunkt des Behandlungsbeginns das 45. Lebensjahr noch nicht vollendet hat. 3. Abschnitt Verfahrensvorschriften Befugnis § 4. (1) Eine medizinisch unterstützte Fortpflanzung darf nur von einem zur selbständigen Berufsausübung berechtigten Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe durchgeführt werden. (2) Eine medizinisch unterstützte Fortpflanzung darf nur in einer hiefür zugelassenen Krankenanstalt durchgeführt werden; die Methode nach § 1 Abs. 2 Z 1 darf jedoch auch in einer 40 Ordinationsstätte eines Facharztes für Frauenheilkunde und Geburtshilfe angewendet werden, sofern dabei der Samen des Ehegatten oder Lebensgefährten verwendet wird. (3) Eine Präimplantationsdiagnostik darf nur in einer nach § 68 Abs. 3 GTG zugelassenen Einrichtung durchgeführt werden, die von der Einrichtung, in der die medizinisch unterstützte Fortpflanzung vorgenommen wird, organisatorisch, personell und finanziell unabhängig ist. § 5. (1) Der ärztliche Leiter einer Krankenanstalt und der Facharzt haben die Absicht, in der Krankenanstalt bzw. Ordinationsstätte Methoden nach § 1 Abs. 2 Z 1 mit dem Samen des Ehegatten oder Lebensgefährten anzuwenden, dem Landeshauptmann zu melden. Über die Meldung ist auf Antrag eine Bestätigung zu erteilen. (2) Der ärztliche Leiter einer Krankenanstalt, in der die Durchführung anderer medizinisch unterstützter Fortpflanzungen beabsichtigt ist, hat beim Landeshauptmann die Zulassung hiefür zu beantragen. Die Zulassung ist zu erteilen, wenn auf Grund der personellen und sachlichen Ausstattung und des Vorliegens der rechtlichen Befugnisse eine dem Stand der medizinischen Wissenschaft und Erfahrung entsprechende Durchführung der medizinisch unterstützten Fortpflanzungen gewährleistet ist. Weiters muß die Möglichkeit zu einer ausreichenden psychologischen Beratung und einer psychotherapeutischen Betreuung gegeben sein. (3) Der Landeshauptmann hat die Zulassung zu widerrufen, wenn deren Voraussetzungen nicht mehr gegeben sind. Er hat ferner die Zulassung zu widerrufen bzw. die Anwendung der Methode nach § 1 Abs. 2 Z 1 mit dem Samen des Ehegatten oder Lebensgefährten zu untersagen, wenn die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes schwerwiegend oder trotz Ermahnung wiederholt verletzt worden sind. Freiwilligkeit der Mitwirkung Benachteiligungsverbot § 6. (1) Kein Arzt ist verpflichtet, eine medizinisch unterstützte Fortpflanzung oder eine Präimplantationsdiagnostik durchzuführen oder daran mitzuwirken. Dies gilt auch für Angehörige der weiteren gesetzlich geregelten Gesundheitsberufe. (2) Niemand darf wegen der Durchführung einer den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes entsprechenden medizinisch unterstützten Fortpflanzung oder Präimplantationsdiagnostik, der Mitwirkung daran oder wegen der Weigerung, eine solche medizinisch unterstützte Fortpflanzung oder Präimplantationsdiagnostik durchzuführen oder daran mitzuwirken, in welcher Art immer benachteiligt werden. Beratung § 7. (1) Der Arzt hat spätestens 14 Tage vor einer medizinisch unterstützten Fortpflanzung die Ehegatten, eingetragenen Partner oder Lebensgefährten oder eine dritte Person, der Eizellen entnommen werden, in einer für medizinische Laien verständlichen Sprache insbesondere über folgende Umstände aufzuklären und zu beraten: 1. die verschiedenen Ursachen der Unfruchtbarkeit, 2. die Methode, deren Erfolgsaussichten und Unsicherheiten sowie die Tragweite des Eingriffs, 3. die möglichen Folgen und Gefahren der Behandlung für die Frau und das gewünschte Kind, 4. die im Rahmen des Eingriffs angewendeten Medizinprodukte und Arzneimittel sowie deren Nebenwirkungen, 5. die mit dem Eingriff verbundenen Unannehmlichkeiten und Komplikationen, 6. die allenfalls erforderlichen Nachbehandlungen und möglichen Spätfolgen, insbesondere die Auswirkungen auf die Fertilität der Frau, und 7. die mit dem Eingriff zusammenhängenden Kosten einschließlich zu erwartender Folgekosten. Ein allfälliger Verzicht auf diese ärztliche Aufklärung ist rechtsunwirksam. (2) Der Arzt hat den Ehegatten, eingetragenen Partnern oder Lebensgefährten oder dritten Personen, deren Samen oder Eizellen verwendet werden, eine psychologische Beratung oder eine psychotherapeutische Betreuung vorzuschlagen und sie auf die Möglichkeit hinzuweisen, andere unabhängige Beratungseinrichtungen zu konsultieren. (3) Die Beratung oder Betreuung der Ehegatten, eingetragenen Partner oder Lebensgefährten soll sich insbesondere auf die für die Eltern und das Kind mit der Verwendung von Samen oder Eizellen dritter Personen verbundenen Herausforderungen beziehen. (4) Einer medizinisch unterstützten Fortpflanzung hat eine eingehende Beratung der eingetragenen Partner oder Lebensgefährten durch einen Notar über die rechtlichen Folgen der Zustimmung (§ 8) voranzugehen; bei Ehegatten gilt das nur dann, wenn der Samen oder die Eizellen einer dritten Person verwendet werden sollen. 41 Zustimmung § 8. (1) Eine medizinisch unterstützte Fortpflanzung darf nur mit Zustimmung der Ehegatten, eingetragenen Partner oder Lebensgefährten durchgeführt werden. Die Zustimmung bedarf bei Lebensgefährten oder bei Verwendung des Samens oder der Eizellen einer dritten Person der Form eines Notariatsakts. (2) Die Ehegatten, eingetragenen Partner oder Lebensgefährten können die Zustimmung nur höchstpersönlich erteilen. Sie müssen hierfür einsichts- und urteilsfähig sein. (3) Die Erklärung hat zu enthalten: 1. die ausdrückliche Zustimmung zur medizinisch unterstützten Fortpflanzung; 2. erforderlichenfalls die Zustimmung zur Verwendung des Samens oder der Eizellen einer dritten Person; 3. Namen, Geburtstag und -ort, Staatsangehörigkeit und Wohnort der Ehegatten, eingetragenen Partner oder Lebensgefährten sowie 4. den Zeitraum, in dem die medizinisch unterstützte Fortpflanzung vorgenommen werden darf. (4) Die Zustimmung zur medizinisch unterstützten Fortpflanzung kann dem Arzt gegenüber von jedem Ehegatten, eingetragenen Partner oder Lebensgefährten bis zum Einbringen des Samens, der Eizellen oder der entwicklungsfähigen Zellen in den Körper der Frau widerrufen werden. Der Widerruf bedarf keiner bestimmten Form und ist ungeachtet des Verlusts der Einsichts- und Urteilsfähigkeit wirksam; der Arzt hat den Widerruf schriftlich festzuhalten und hierüber auf Verlangen eine Bestätigung auszustellen. (5) Die Zustimmung beider Ehegatten, eingetragenen Partner oder Lebensgefährten darf zum Zeitpunkt des Einbringens von Samen, Eizellen oder entwicklungsfähigen Zellen in den Körper der Frau nicht älter als zwei Jahre sein. Beachte für folgende Bestimmung zum Bezugszeitraum vgl. § 26 Abs. 4 4. Abschnitt Verwendung, Untersuchung und Behandlung von Zellen Allgemeine Bestimmungen § 9. (1) Entwicklungsfähige Zellen dürfen – soweit in § 2a nichts anderes geregelt ist – nicht für andere Zwecke als für medizinisch unterstützte Fortpflanzungen verwendet werden. (2) Entwicklungsfähige Zellen dürfen nur insoweit untersucht und behandelt werden, als dies nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft und Erfahrung zur Herbeiführung einer Schwangerschaft oder zur Durchführung einer Präimplantationsdiagnostik nach § 2a erforderlich ist. Das Gleiche gilt für Samen und Eizellen, die für medizinisch unterstützte Fortpflanzungen verwendet werden sollen. (3) Eingriffe in die Keimzellbahn sind unzulässig. Dies gilt, außer in den in § 2a geregelten Fällen, auch für genetische Untersuchungen der entwicklungsfähigen Zellen vor deren Einbringen in den Körper einer Frau. § 10. Bei der Vereinigung von Eizellen mit Samenzellen außerhalb des Körpers einer Frau dürfen nur so viele Eizellen befruchtet und in der Folge eingebracht werden, wie nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft und Erfahrung innerhalb eines Zyklus der behandelten Frau für eine aussichtsreiche und zumutbare medizinisch unterstützte Fortpflanzung notwendig sind. Besondere Bestimmungen bei der Verwendung von Samen und Eizellen dritter Personen § 11. Eine medizinisch unterstützte Fortpflanzung mit dem Samen oder den Eizellen dritter Personen darf nur in einer zugelassenen Krankenanstalt (§ 5 Abs. 2) vorgenommen werden. Samen oder Eizellen dürfen für eine medizinisch unterstützte Fortpflanzung nur einer solchen Krankenanstalt zur Verfügung gestellt werden. Die Krankenanstalt hat sowohl die Personen, deren Samen oder Eizellen verwendet werden sollen, als auch deren Samen oder Eizellen vor deren Verwendung zu untersuchen. § 12. Die Untersuchung der dritten Personen und ihres Samens oder ihrer Eizellen hat sicherzustellen, dass der Samen oder die Eizellen nach dem jeweiligen Stand der medizinischen Wissenschaft und Erfahrung fortpflanzungsfähig sind und durch deren Verwendung keine gesundheitlichen Gefahren für die Frau oder das gewünschte Kind entstehen können. § 13. (1) Samen und Eizellen dritter Personen dürfen für eine medizinisch unterstützte Fortpflanzung nur verwendet werden, wenn diese Personen das 18. Lebensjahr vollendet haben und 42 einer solchen Verwendung und der Erteilung von Auskünften nach § 20 der Krankenanstalt gegenüber schriftlich zugestimmt haben. (2) Die Personen, deren Samen oder Eizellen verwendet werden sollen, können die Zustimmung nur höchstpersönlich erteilen und müssen hierfür einsichts- und urteilsfähig sein. Die Zustimmung kann jederzeit der Krankenanstalt gegenüber mit der Wirkung widerrufen werden, dass jede weitere Verwendung unzulässig ist. Der Widerruf bedarf keiner bestimmten Form und ist ungeachtet des Verlusts der Einsichts- und Urteilsfähigkeit wirksam; die Krankenanstalt hat ihn schriftlich festzuhalten und auf Verlangen darüber eine Bestätigung auszustellen. § 14. (1) Für Zwecke der medizinisch unterstützten Fortpflanzung dürfen dritte Personen ihren Samen oder ihre Eizellen stets nur derselben Krankenanstalt zur Verfügung stellen. Darauf hat sie die Krankenanstalt besonders hinzuweisen. (2) Samen oder Eizellen dritter Personen dürfen für medizinisch unterstützte Fortpflanzungen in höchstens drei Ehen, eingetragenen Partnerschaften oder Lebensgemeinschaften verwendet werden. (3) Samen verschiedener Männer und Eizellen verschiedener Frauen dürfen für eine medizinisch unterstützte Fortpflanzung nicht verwendet werden. § 15. (1) Die Krankenanstalt hat über dritte Personen, die Samen oder Eizellen zur Verfügung stellen, folgende Aufzeichnungen zu führen: 1. Namen, Geburtstag und -ort, Staatsangehörigkeit und Wohnort; 2. Namen ihrer Eltern; 3. Zeitpunkt der Überlassung des Samens oder der Eizellen und 4. die Ergebnisse der nach § 12 durchgeführten Untersuchungen. (2) Die Krankenanstalt hat ferner darüber Aufzeichnungen zu führen, für welche Ehen, eingetragene Partnerschaften oder Lebensgemeinschaften der Samen oder die Eizellen verwendet worden sind. Kommerzialisierungs- und Vermittlungsverbot § 16. (1) Die Überlassung von Samen oder Eizellen für eine medizinisch unterstützte Fortpflanzung darf nicht Gegenstand eines entgeltlichen Rechtsgeschäfts sein. Die Vereinbarung oder die Annahme einer Aufwandsentschädigung gilt als entgeltliches Rechtsgeschäft, wenn und soweit die Aufwandsentschädigung über die nachgewiesenen Barauslagen, die im Zusammenhang mit der medizinischen Behandlung bei der Überlassung von Samen oder Eizellen getätigt wurden, hinausgeht. (2) Die Vermittlung 1. von entwicklungsfähigen Zellen, 2. von Samen und Eizellen für eine medizinisch unterstützte Fortpflanzung und 3. von Personen, die bereit sind, Samen, Eizellen oder entwicklungsfähige Zellen für eine medizinisch unterstützte Fortpflanzung zu überlassen oder in sich einbringen zu lassen, ist unzulässig. Ebenso ist jede Werbung für die Überlassung oder Vermittlung von Samen, Eizellen oder entwicklungsfähigen Zellen unzulässig. Aufbewahrung § 17. (1) Samen, Eizellen, entwicklungsfähige Zellen sowie Hoden- und Eierstockgewebe, die für eine medizinisch unterstützte Fortpflanzung verwendet werden sollen, dürfen nur in einer nach § 5 Abs. 2 zugelassenen Krankenanstalt, Samen auch durch einen Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, der eine Meldung gemäß § 5 Abs. 1 erstattet hat, entnommen und bis auf Widerruf oder bis zum Tod der Person, von der sie stammen, aufbewahrt werden. Entwicklungsfähige Zellen dürfen jedoch höchstens zehn Jahre in einer nach § 5 Abs. 2 zugelassenen Krankenanstalt aufbewahrt werden. Die Aufbewahrung hat dem jeweiligen Stand der Wissenschaft und Technik zu entsprechen. (2) Die Überlassung von Samen, Eizellen sowie Hoden- und Eierstockgewebe gemäß Abs. 1 ist nur mit schriftlicher Zustimmung der Person, von der sie stammen, und die Überlassung entwicklungsfähiger Zellen nur mit schriftlicher Zustimmung beider Ehegatten, eingetragenen Partner oder Lebensgefährten zulässig. Die Zustimmung kann nur höchstpersönlich und im Zustand der Einsichts- und Urteilsfähigkeit erteilt werden. § 3 bleibt unberührt. Beachte für folgende Bestimmung zum Bezugszeitraum vgl. § 26 Abs. 4 43 5. Abschnitt Dokumentations- und Auskunftspflichten Aufzeichnungen § 18. (1) Der Arzt, der eine medizinisch unterstützte Fortpflanzung durchführt, hat 1. Namen, 2. Geburtstag und -ort, 3. Staatsangehörigkeit und 4. Wohnort der Ehegatten, eingetragenen Partner oder Lebensgefährten sowie hiervon getrennt der dritten Person, deren Samen oder Eizellen verwendet werden, schriftlich aufzuzeichnen. Zugleich sind die Gründe für die Behandlung, die eingesetzte Methode (§ 1 Abs. 2) und deren Ergebnisse aufzuzeichnen. (2) Weiters hat der Arzt schriftliche Aufzeichnungen über das Vorliegen der Voraussetzungen für die medizinisch unterstützte Fortpflanzung, über die Ursache, das medizinische Verfahren und die Methode der Behandlung, deren Verlauf und Dauer sowie die nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft und Erfahrung für die Schwangerschaft, die Geburt und die gesundheitliche Entwicklung des gewünschten Kindes wesentlichen Umstände zu führen. (3) Diese Aufzeichnungen und die Zustimmungen nach § 8 Abs. 1 sowie § 13 Abs. 1 sind von der Krankenanstalt, der Einrichtung oder vom Facharzt in der Ordinationsstätte 30 Jahre lang aufzubewahren. Nach Ablauf dieser Frist oder bei früherer Auflösung der Krankenanstalt oder Ordinationsstätte sind diese Unterlagen dem Landeshauptmann zu übermitteln; dieser hat sie auf Dauer aufzubewahren. Auskunft § 20. (1) Die Aufzeichnungen über dritte Personen, die Samen oder Eizellen zur Verfügung gestellt haben, sowie deren genetische Daten sind vertraulich zu behandeln. (2) Dem mit dem Samen oder den Eizellen einer dritten Person gezeugten Kind ist auf dessen Verlangen nach Vollendung des 14. Lebensjahres Einsicht in die Aufzeichnungen nach § 15 Abs. 1 zu gewähren und daraus Auskunft zu erteilen. Zum Wohl des Kindes ist in medizinisch begründeten Ausnahmefällen der Person, die mit der gesetzlichen Vertretung für die Pflege und Erziehung betraut ist, Einsicht und Auskunft zu erteilen. (3) Den Gerichten und Verwaltungsbehörden steht das Einsichts- und Auskunftsrecht zu, soweit dies zur Erfüllung ihrer Aufgaben in Vollziehung dieses Bundesgesetzes unentbehrlich ist. Statistik § 21. (1) Die ärztlichen Leiter der Krankenanstalten, in denen medizinisch unterstützte Fortpflanzungen durchgeführt werden, haben jährlich spätestens zum 31. März des jeweils folgenden Kalenderjahres der Gesundheit Österreich GmbH auf elektronischem Weg die in Abs. 2 genannten, nicht personenbezogenen Daten zu melden. Die Gesundheit Österreich GmbH hat jeweils bis 30. September eine Auswertung dieser Daten vorzunehmen. (2) Für die Auswertung gemäß Abs. 1 sind folgende Daten nicht personenbezogen zu erheben: 1. Anzahl der Paare, die eine medizinisch unterstützte Fortpflanzung in Anspruch genommen haben sowie Anzahl der Anwendungen, gegliedert nach den in § 1 Abs. 2 angeführten Methoden (einschließlich Überlassung von Samen und Eizellen) und nach Alter, Anzahl der aufbewahrten Samenspenden, Eizellen und entwicklungsfähigen Zellen, 2. Anzahl der durch medizinisch unterstützte Fortpflanzung herbeigeführten Schwangerschaften sowie Anzahl und Art der Geburten, 3. Anzahl der Paare, die eine medizinisch unterstützte Fortpflanzung zum Zweck der Präimplantationsdiagnostik in Anspruch genommen haben, aufgegliedert nach den Zulassungsvoraussetzungen des § 2a Abs. 1 Z 1, 2 und 3 und 4. Erbkrankheiten, die im Rahmen der Präimplantationsdiagnostik festgestellt wurden. (3) Die Gesundheit Österreich GmbH hat die Auswertung gemäß Abs. 1 und die im Genanalyseregister gemäß § 79 Abs. 1 Z 1 GTG verzeichneten Einrichtungen, welche PID durchführen samt den in § 79 Abs. 2 GTG genannten Angaben und Untersuchungen sowie alle im Gentechnikbuch enthaltenen spezifische Informationen zur PID im Rahmen eines Berichts dem Bundesministerium für Gesundheit und dem Bundesministerium für Justiz zur Verfügung zu stellen und auf der Homepage der Gesundheit Österreich GmbH zu veröffentlichen. 44 6. Abschnitt Strafbestimmungen § 22. (1) Wer 1. ohne Arzt zu sein, eine medizinisch unterstützte Fortpflanzung durchführt, 2. seinen Samen oder seine Eizellen entgegen § 11 zweiter Satz oder § 14 Abs. 1 zur Verfügung stellt, 3. Samen, Eizellen oder entwicklungsfähige Zellen entgegen den §§ 9, 10 oder § 14 Abs. 3 verwendet, untersucht oder behandelt oder anderen Personen für eine solche Verwendung, Untersuchung oder Behandlung überlässt, 4. Samen oder Eizellen entgegen § 16 Abs. 1 entgeltlich überlässt bzw. entgegen nimmt oder Samen, Eizellen, entwicklungsfähige Zellen oder Personen entgegen § 16 Abs. 2 vermittelt, begeht eine Verwaltungsübertretung. (2) Eine Verwaltungsübertretung nach Abs. 1 ist zu ahnden 1. in den Fällen der Z 1, 3 und 4 mit Geldstrafe bis zu 50 000 Euro, bei Uneinbringlichkeit mit Ersatzfreiheitsstrafe bis zu 14 Tagen; 2. im Fall der Z 2 mit Geldstrafe bis zu 10 000 Euro, bei Uneinbringlichkeit mit Ersatzfreiheitsstrafe bis zu einer Woche. § 23. (1) Wer als Arzt 1. eine medizinisch unterstützte Fortpflanzung oder Präimplantationsdiagnostik durchführt a) die nach den §§ 2 bis 3 unzulässig ist, b) ohne Vorliegen der in § 4 festgelegten Voraussetzungen und Erfordernisse, c) unter Verletzung der Meldepflicht des § 5 Abs. 1, d) ohne Aufklärung und Beratung der Ehegatten, eingetragenen Partner oder Lebensgefährten gemäß § 7 oder e) ohne Vorliegen der nach § 8 Abs. 1 oder § 13 Abs. 1 erforderlichen Zustimmungen, 2. eine medizinisch unterstützte Fortpflanzung mit dem Samen oder den Eizellen dritter Personen entgegen § 11 erster und dritter Satz durchführt, 3. die nach § 12 erforderlichen Untersuchungen unterläßt, 4. Samen oder Eizellen entgegen § 14 Abs. 2 verwendet oder 5. seiner Aufzeichnungs- oder Aufbewahrungspflicht nach § 18 nicht nachkommt, begeht eine Verwaltungsübertretung. (2) Eine Verwaltungsübertretung nach Abs. 1 ist zu ahnden 1. in den Fällen der Z 1 bis 4 mit Geldstrafe bis zu 50 000 Euro, bei Uneinbringlichkeit mit Ersatzfreiheitsstrafe bis zu 14 Tagen; 2. im Fall der Z 5 mit Geldstrafe bis zu 10 000 Euro, bei Uneinbringlichkeit mit Ersatzfreiheitsstrafe bis zu einer Woche. § 24. Wer im Rahmen seiner Tätigkeit für eine Krankenanstalt 1. es verabsäumt, die nach § 12 erforderlichen Untersuchungen durchzuführen oder die in § 14 Abs. 1 vorgesehene Belehrung zu erteilen, 2. Samen oder Eizellen einer dritten Person entgegen nimmt, obwohl er weiß, dass diese ihre Samen oder ihre Eizellen schon einer anderen Krankenanstalt zur Verfügung gestellt hat, 3. entgegen § 15 Aufzeichnungen nicht oder nur unzureichend führt, 4. die Vorgaben für die Aufbewahrung gemäß § 17 Abs. 1 oder die Zustimmungserfordernisse des § 17 Abs. 2 missachtet, 5. die Aufbewahrungspflicht gemäß § 18 Abs. 3 oder die Berichtspflicht gemäß § 21 Abs. 1 verletzt oder 6. entgegen § 20 Abs. 2 Einsicht in die Aufzeichnungen nach § 15 Abs. 1 gewährt oder daraus Auskunft erteilt, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis zu 5 000 Euro, bei Uneinbringlichkeit mit Ersatzfreiheitsstrafe bis zu drei Tagen zu bestrafen. § 25. (1) Eine Verwaltungsübertretung nach den vorstehenden Bestimmungen liegt nur vor, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet. (2) Der Versuch ist strafbar. (3) Ein für die Straftat erhaltenes Entgelt ist für verfallen zu erklären. Ist ein Verfall des Entgelts nicht möglich, so ist über den Täter eine Verfallsersatzstrafe in der Höhe des erhaltenen Entgelts zu 45 verhängen. Stünde die Verfallsersatzstrafe zur Bedeutung der Tat oder zu dem den Täter treffenden Vorwurf außer Verhältnis, so ist von ihrer Verhängung ganz oder teilweise abzusehen. (4) Für die Untersuchung und Bestrafung von Verwaltungsübertretungen nach den vorstehenden Bestimmungen ist der Landeshauptmann zuständig. 7. Abschnitt Schluss- und Übergangsbestimmungen In- und Außerkrafttreten § 26. (1) Dieses Bundesgesetz tritt mit 1. Juli 1992 in Kraft. (2) § 1 Abs. 4, §§ 2, 2a, 2b, 3, § 4 Abs. 3, §§ 6 bis 18, § 20 Abs. 1 und 2, § 21, § 22 Abs. 1 Z 2, 3 und 4 und Abs. 2, § 23 Abs. 1 Z 1, 2 und 4 und Abs. 2, § 24, § 25 Abs. 4, § 26, § 27 und § 28 samt Überschriften sowie das Inhaltsverzeichnis und die Abschnittsüberschriften in der Fassung des Fortpflanzungsmedizinrechts-Änderungsgesetzes 2015, BGBl. I Nr. 35/2015, treten mit dem auf die Kundmachung folgenden Tag in Kraft. (3) §§ 1 Abs. 4, 2, 2a, 2b, 3, § 4 Abs. 3, §§ 6 bis 8, § 20 Abs. 1 und 2 sowie § 21 in der Fassung des Fortpflanzungsmedizinrechts-Änderungsgesetzes 2015, BGBl. I Nr. 35/2015, sind auf medizinisch unterstützte Fortpflanzungen, die Präimplantationsdiagnostik und die Entnahme von Samen und Eizellen anzuwenden, die ab dem Inkrafttreten durchgeführt werden. (4) §§ 9 bis 18 in der Fassung des Fortpflanzungsmedizinrechts-Änderungsgesetzes 2015, BGBl. I Nr. 35/2015, sind auch auf vor dem Inkrafttreten begonnene Aufbewahrungen, Verwendungen, Untersuchungen und Behandlungen von Samen, Eizellen und entwicklungsfähigen Zellen anzuwenden. (5) Die §§ 22, 23, 24 und 25 in der Fassung des FortpflanzungsmedizinrechtsÄnderungsgesetzes 2015, BGBl. I Nr. 35/2015, sind auf strafbare Handlungen anzuwenden, die nach dem Inkrafttreten begangen werden. (6) § 19 tritt mit 30. Juni 2016 außer Kraft. Die Meldungen nach § 21 Abs. 1 sind erstmals für das Jahr 2016 zu erstatten. Verweisungen § 27. (1) Soweit in diesem Bundesgesetz auf Bestimmungen anderer Bundesgesetze verwiesen wird, sind diese in der jeweils geltenden Fassung anzuwenden. (2) Durch dieses Bundesgesetz werden das 1. Gentechnikgesetz – GTG, BGBl. Nr. 510/1994 und das 2. Gewebesicherheitsgesetz – GSG, BGBl. I Nr. 49/2008, nicht berührt. Vollziehung § 28. Mit der Vollziehung dieses Bundesgesetzes sind der Bundesminister für Justiz und die Bundesministerin für Gesundheit betraut. Artikel V Schluß- und Übergangsbestimmungen (1) Dieses Bundesgesetz tritt mit 1. Juli 1992 in Kraft. (2) Verordnungen auf Grund dieses Bundesgesetzes können bereits mit dem auf seine Kundmachung folgenden Tag erlassen werden; sie dürfen frühestens zugleich mit dem Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes in Kraft gesetzt werden. (3) Sofern in Krankenanstalten oder Ordinationsstätten bereits im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes Methoden nach § 1 Abs. 2 Z 1 Fortpflanzungsmedizingesetz mit dem Samen des Ehegatten oder Lebensgefährten angewendet werden, haben dies der ärztliche Leiter der Krankenanstalt oder der Facharzt der Ordinationsstätte dem Landeshauptmann innerhalb von drei Monaten ab dem Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes zu melden. (4) Der ärztliche Leiter einer Krankenanstalt, in der im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits andere Methoden der medizinisch unterstützten Fortpflanzung durchgeführt werden, hat beim Landeshauptmann innerhalb von drei Monaten ab dem Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes die Zulassung nach § 5 Abs. 2 Fortpflanzungsmedizingesetz zu beantragen; solche medizinisch unterstützte Fortpflanzungen dürfen ohne Zulassung nur bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Antrag durchgeführt werden. 46 (5) § 137b und § 155 ABGB, soweit dieser die Zeugung durch den Ehemann oder die Durchführung einer medizinisch unterstützten Fortpflanzung mit dem Samen des Ehemanns betrifft, sowie § 163 Abs. 1 zweiter Satz und Abs. 4 ABGB jeweils in der Fassung dieses Bundesgesetzes gelten auch für Kinder, die im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits geboren sind. (6) Hat der Ehemann der Mutter vor dem Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes einer medizinisch unterstützten Fortpflanzung mit dem Samen eines Dritten zugestimmt, so kann die Ehelichkeit des mit dem Samen des Dritten gezeugten Kindes nicht bestritten werden. (7) In vor dem Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes anhängig gemachten Verfahren sind die bisher geltenden Vorschriften weiter anzuwenden. (8) Mit der Vollziehung dieses Bundesgesetzes sind die Bundesministerin für Justiz und die Bundesministerin für Gesundheit und Frauen betraut. Artikel 39 Inkrafttreten, Schluss- und Übergangsbestimmungen (Anm.: aus BGBl. I Nr. 111/2010, zu den §§ 7 und 8, BGBl. Nr. 275/1992) (1) Art. 16, 20, 26, 27, 37 und 38 (Baurechtsgesetz, FMedG, JN, NO, WEG 2002, ZPO) treten, soweit im Folgenden nichts anderes angeordnet ist, mit 1. Mai 2011 in Kraft. (2) bis (5) (Anm.: betreffen andere Rechtsvorschriften) (6) Art. 20 (FMedG) in der Fassung dieses Bundesgesetzes ist anzuwenden, wenn die Beratung oder die Zustimmung nach dem 30. April 2011 erteilt wird. (7) bis (10) (Anm.: betreffen andere Rechtsvorschriften) 7. Hauptstück Schluss- und Übergangsbestimmungen Artikel 79 Inkrafttreten und Übergangsbestimmungen (Anm.: aus BGBl. I Nr. 135/2009, zu § 2, BGBl. Nr. 275/1992) (1) Art. 2 (Änderung des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetz.B.uchs), Art. 3 (Änderung des Ehegesetzes), Art. 4 (Änderung des Fortpflanzungsmedizingesetzes), Art. 6 (Änderung der Jurisdiktionsnorm), Art. 7 (Änderung des Strafgesetz.B.uches), Art. 27 (Änderung des Einkommensteuergesetzes 1988), Art. 28 (Änderung des Körperschaftsteuergesetzes 1988), Art. 29 (Änderung des Umsatzsteuergesetzes 1994), Art. 30 (Änderung des Bewertungsgesetzes 1955), Art. 31 (Änderung des Gebührengesetzes 1957), Art. 33 (Änderung der Bundesabgabenordnung), Art. 34 (Änderung des Alkoholsteuergesetzes), Art. 61 (Änderung des Ärztegesetzes 1998), Art. 62 (Änderung des Gehaltskassengesetzes 2002), Art. 63 (Änderung des Apothekengesetzes), Art. 72 (Änderung des Studienförderungsgesetzes), Art. 76 (Änderung des Entwicklungshelfergesetzes), Art. 77 (Änderung des Bundesgesetzes über Aufgaben und Organisation des auswärtigen Dienstes – Statut) und Art. 78 (Bundesgesetz über die Einräumung von Privilegien und Immunitäten an internationale Organisationen) treten mit 1. Jänner 2010 in Kraft. (2) Die durch dieses Bundesgesetz geänderten Strafbestimmungen sind in Strafsachen nicht anzuwenden, in denen vor ihrem Inkrafttreten das Urteil in erster Instanz gefällt worden ist. Nach Aufhebung eines Urteils infolge Nichtigkeitsbeschwerde, Berufung, Wiederaufnahme oder Erneuerung des Strafverfahrens oder infolge eines Einspruches ist jedoch im Sinne der §§ 1 und 61 StGB vorzugehen. Artikel 96 In-Kraft-Treten, Übergangsbestimmungen (Anm.: aus BGBl. I Nr. 98/2001, zu den §§ 22, 23 und 24, BGBl. Nr. 275/1992) 1. Die Bestimmungen dieses Abschnitts treten - soweit im Folgenden nichts anderes bestimmt ist - mit 1. Jänner 2002 in Kraft. 2. und 3. (Anm.: betrifft andere Rechtsvorschriften) 4. Die Art. 36 Z2 (§ 258 Abs. 1 AktG), 39 (Ausbeutungsverordnung), 47 (Eisenbahnbuchanlegungsgesetz), 50 (Firmenbuchgesetz), 51 (Fortpflanzungsmedizingesetz), 55 (GmbH-Gesetz), 58 (HGB), 61 Z 4 und 5 (§§ 137 Abs. 1, 142 Kartellgesetz), 69 Z 7 (§ 186 47 Notariatsordnung), 74 Z 3 und 4 (§§ 20, 21 Produktsicherheitsgesetz 1994), 75 Z 9 (§ 57 Rechtsanwaltsordnung), 80 Z 2 (§ 41 Rohrleitungsgesetz), 81 (Scheckgesetz), 83 Z 2 (§ 11 Abs. 2 Tiroler Grundbuchsanlegungsreichsgesetz), 83 Z 2 (§ 11 Abs. 2 Vorarlberger Grundbuchsanlegungsreichsgesetz) sowie 94 Z 4 bis 6 und 10 (§§ 199 Abs. 1, 200 Abs. 1, 220 Abs. 1, 448a Abs. 1 ZPO) sind auf Handlungen anzuwenden, die nach dem 31. Dezember 2001 gesetzt worden sind. 5. - 30. (Anm.: betrifft andere Rechtsvorschriften) 48