Städtebauliches Entwicklungskonzept für den Stadtteil Gladbeck

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STÄDTEBAULICHES
ENTWICKLUNGSKONZEPT
GLADBECK RENTFORT-NORD
>>
Analyse und Handlungsempfehlungen
Gesamtstädtische Analyse und Entwicklungsstrategie
Städtebauliche Rahmenplanung
Auftraggeber:
Auftragnehmer:
Stadt- und Regionalplanung
Dr. Paul G. Jansen GmbH
Stadt Gladbeck
Geschäftsführung:
Amt für Stadtplanung und Bauaufsicht
Dr. Paul G. Jansen
Willy-Brandt-Platz 2
Dipl.-Geogr. Ursula Mölders
45964 Gladbeck
Dipl.-Ing. Dominik Geyer
HRB Köln 36154
www.stadt-gladbeck.de
[email protected]
Bachemer Str. 115
50931 Köln-Lindenthal
Postfach 41 05 07
50865 Köln
Fon 0221 94072-0
Fax 0221 94072-18
[email protected]
www.stadtplanung-dr-jansen.de
Stadt- und Regionalplanung
Dr. Paul G. Jansen GmbH
Städtebauliches
Entwicklungskonzept für den
Stadtteil Gladbeck Rentfort-Nord
Baustein 1:
Analyse und Handlungsempfehlungen
Bearbeitung
Dipl.-Geogr. Ursula Mölders
Dipl.-Geogr. Bettina Gringel
Mitarbeit
Dorothee Rodermann M. A.
cand. geogr. Andreas Schmitz
In dem nachfolgenden Text verzichten wir zugunsten einer besseren Lesbarkeit auf
die Schreibweise „Innen“ bei Bürger, Nutzer, Anlieger etc. Selbstverständlich sind
immer gleichzeitig und chancengleich Männer und Frauen angesprochen.
Dieses Gutachten unterliegt dem Urheberrecht. Vervielfältigungen, Weitergabe
oder Veröffentlichung des Gutachtens in Teilen oder als Ganzes sind nur nach vorheriger Genehmigung und unter Angabe der Quelle erlaubt, soweit mit dem Auftraggeber nichts anderes vereinbart ist.
Köln, Dezember 2004
Inhalt
1
1.1
1.2
1.3
1.4
2
2.1
2.1.1
2.1.2
2.2
2.3
2.4
2.5
2.6
2.7
2.7.1
2.7.2
2.7.3
2.7.4
2.8
2.9
2.9.1
2.9.2
2.9.3
2.9.4
2.10
3
3.1
3.2
3.3
3.4
4
EINE STABILE STADTENTWICKLUNG FÜR RENTFORTNORD
Situation des Stadtteils
Zielsetzung des ersten Bausteins zum Städtebaulichen
Entwicklungskonzept
Bearbeitungsschritte
Aufbau des Konzeptes
ANALYSE DES UNTERSUCHUNGSRAUMS UND
HANDLUNGSFELDER
Portrait des Stadtteils Rentfort
Geografische Einordnung des Stadtteils und
statistische Grundlagen
Ein Rückblick in die Geschichte des Stadtteils
Portrait des Gebäudekomplexes Schwechater Str. 38
Städtebauliche und funktionale Struktur des Stadtteils
Demografische und ökonomische Entwicklungen
Wohnen, Wohnumfeld und Grün
Soziale, kulturelle und öffentliche Infrastruktur
Einzelhandel, Dienstleistungen und Gewerbe
Definition der wohnungsnahen Grundversorgung
Aktuelle Bestandserhebung der Verkaufsflächen
Aktuelle Bestandserhebung der wohnungsnahen
Dienstleistungen
Zusammenfassende Bewertung des Einzelhandels
Bewertung des Stadtteils und Wünsche aus Sicht der
Bevölkerung
Zusammenfassende Übersicht über die Stärken und
Schwächen des Stadtteils
Wohnen, Wohnumfeld und Grün
Kinder und Jugendliche
Image und Nachbarschaften
Einzelhandel und Versorgung
Fazit
ORGANISATION DES
STADTTEILERNEUERUNGSPROZESSES
Was ist grundsätzlich zu tun?
Basis für die Stadtteilarbeit - Verlagerung des
Stadtteilbüros und Weiterentwicklung des Konzepts
Arbeitsstrukturen
Controlling
1
1
2
3
4
5
5
5
8
9
11
17
19
22
24
24
25
27
28
29
29
29
31
31
32
32
33
33
34
34
35
4.6
4.7
4.8
4.9
HANDLUNGSFELD STÄDTEBAULICHE ENTWICKLUNG
UND ÖFFENTLICHER RAUM
Einführung in die Thematik
Leitbild für den Stadtteil
Städtebaulicher Rahmenplan
Sport- und offene Freizeitangebote
Aufwertung der Park- und Grünanlagen unter
Einbeziehung der Gesamtschule
Eine neue Mitte für Rentfort-Nord
Sauberkeit
Patenschaften für Spielplätze
Der Stadtteilhausmeister
41
43
43
44
45
5
5.1
HANDLUNGSFELD WOHNEN
Einführung in die Thematik
47
47
4.1
4.2
4.3
4.4
4.5
37
37
37
38
39
Inhalt
5.2
5.3
5.4
5.5
5.6
5.7
6
6.1
6.2
6.3
6.4
6.5
6.6
6.7
6.8
6.8.1
6.8.2
6.8.3
6.8.4
6.9
6.10
Untersuchung der Sanierungsfähigkeit
Hof- und Fassadenprogramm für Rentfort-Nord
Gestaltung des Wohnumfelds gemeinsam mit
Bewohnern
„Unser Stadtteil wird bunter!“
Sicherheitskonzept und Nachbarschaftskonzept für
einzelne Häuser
Müllkonzept
HANDLUNGSFELD SCHWECHATER STRAßE 38
Fragestellungen für eine Detailbetrachtung
Technische Mängel, Bauschäden und
Sanierungsbedarfe
Die wirtschaftliche Lage der
Wohnungseigentümergemeinschaft
Exkurs: Ausgewählte Probleme einer WEG in Kürze
Gesprächskreis Schwechater Straße 38
Die ersten Schritte zur Lösung des Problems- Die
Auffanggesellschaft Wohnpark Rentfort-Nord GmbH
Exkurs: Entwicklungen in anderen Städten
Szenarien für die Schwechater Straße 38
Mögliche Handlungsoptionen
Szenario 1: Raumrelevante Auswirkungen auf den
Stadtteil ohne Veränderung am Gebäude – Vor- und
Nachteile
Szenario 2: (Teil-)Rückbau des Hochhauses und Erhalt
des Ladenzentrums - Vor- und Nachteile
Szenario 3: Rückbau des Hochhauses und des
Ladenzentrums - Vor- und Nachteile
Handlungsempfehlungen und Anforderungen an das
Prozessmanagement und die Förderwürdigkeit
Zusammenarbeit mit der städtischen
Wohnungsbaugesellschaft
47
48
49
50
50
51
53
53
53
56
58
61
62
63
65
65
66
69
73
74
77
7
7.1
7.2
7.3
7.4
7.5
7.6
HANDLUNGSFELD VERSORGUNG UND EINZELHANDEL
Einführung in die Thematik
Management für die Ladenpassage
Neue Nutzungen für das Geschäftszentrum
Städtebauliche Maßnahmen
Kurzfristige Maßnahmen zur Attraktivierung
Prüfung des Wochenmarkt-Konzepts
79
79
79
79
80
80
81
8
8.1
8.2
8.3
83
83
83
8.4
8.5
8.6
8.7
HANDLUNGSFELD KINDER UND JUGENDLICHE
Einführung in die Thematik
Verlagerung des Freizeittreffs
Stärkung des Freizeittreffs Fritz-Erler-Straße und
Schaffung neuer Angebote
Gründung einer Schülerfirma
Streetwork
Perspektiven aus der Arbeitslosigkeit
Steinbaustelle
83
84
84
84
85
9
9.1
9.2
9.3
9.4
9.5
9.6
HANDLUNGSFELD IMAGE UND NACHBARSCHAFTEN
Einführung in die Thematik
Image- und Öffentlichkeitsarbeit
Pressearbeit
Bespielung des Stadtteils
Mein Lieblingsplatz hat einen Namen
Bürgertreff Rentfort-Nord
87
87
87
87
88
88
88
Inhalt
10
AUSBLICK
91
11
MAßNAHMENKATALOG - KOSTEN
95
Abbildungen
Abbildung 1
Geografische Einordnung des
Untersuchungsgebiets Rentfort-Nord
5
Abbildung 2
Bestand Nutzungen
7
Abbildung 3
Städtebauliche Struktur
14
Abbildung 4
Aufteilung des Stadtraums in Teilräume
15
Abbildung 5
Eigentümerstruktur im Geschosswohnungsbau
16
Abbildung 6
Entwicklung der sozialversicherungspflichtig
Beschäftigten (am Arbeitsort) in der Stadt
Gladbeck im Kreis Recklinghausen und im Land
Nordrhein-Westfalen von 1987 bis 2003
19
Aufbau und Abbau des Wohnungsdefizits von
1987 bis 2003 in der Stadt Gladbeck
20
Wohnungsbedarf in der Stadt Gladbeck von
2004 bis 2020
21
Abbildung 7
Abbildung 8
Tabellen
Tabelle 1
Daten – Zahlen - Fakten
Tabelle 2
Verkaufsflächen in Gladbeck-Rentfort nach
Branchengruppen 2004
26
Gesamtschau der notwendigen Sanierungs- und
Instandhaltungsmaßnahmen, Stand 2002
55
Tabelle 3
Anhang Bewohnerbefragung
Fotos
Stadt Gladbeck,
Amt für Stadtplanung und Bauaufsicht; Stadtarchiv
Universität Dortmund, Fakultät Raumplanung,
FG Städtebau und Bauleitplanung
Dipl.-Ing. Beatrice Kamper, Bauhaus Universität Weimar
Stadt- und Regionalplanung Dr. Paul G. Jansen GmbH
8
Inhalt
Städtebauliches Entwicklungskonzept Rentfort-Nord
1
Eine stabile Stadtentwicklung für Rentfort-Nord
1.1
Situation des Stadtteils
1
Dem Besucher präsentiert sich Rentfort-Nord auf den ersten Blick
als beschaulicher, im Grünen gelegener Stadtteil mit niedriggeschossiger Bungalowbebauung, individuell gestalteten Einfamilienhäusern und liebevoll bepflanzten Vorgärten. Doch ihm wird auch
die durch Geschosswohnungsbau geprägte „Insel“ im Stadtteil nicht
verborgen bleiben: Eine gemäß dem Leitbild der gegliederten, aufgelockerten und modernen Stadt charakteristische Großwohnsiedlung der 60er Jahre, wie sie zu dieser Zeit in vielen deutschen Städten zur Wohnraumversorgung verwirklicht wurde. Damals galt auch
Rentfort-Nord als zukunftsweisend, um für große Teile der Bevölkerung bessere Wohn- und Lebensbedingungen zu schaffen. Heute
hingegen verlieren diese Wohngebietstypen zunehmend an Attraktivität, auch der Stadtteil Rentfort-Nord hat seine Schwachstellen:
Einige Gebäude präsentieren sich mit einer tristen, monotonen Fassadengestaltung sowie in die Jahre gekommener Bausubstanz.
Funktionsloses Abstandsgrün dominiert das Wohnumfeld, es fehlen
eine Vernetzung und Nutzungsmöglichkeiten der öffentlichen
Grünanlagen, auch eine Infrastruktur für Begegnung und Kommunikation der Bewohner ist nicht vorhanden. Die Fluktuation der Bewohner nimmt ständig zu, der Anteil der Wohnungsleerstände
steigt.
Der erste Blick stimmt zunächst positiv
Das bauliche Kernproblem für Rentfort-Nord bildet die städtebauliche Dominante des Stadtteils - das Gebäude Schwechater Straße 38,
das mit seiner 14-geschossigen Bebauung und der angrenzenden
Ladenpassage die Stadtteilmitte definiert. Hier wird schnell deutlich,
dass der Kern des Stadtteils „fault“. Durch jahrelange fehlende Investitionen zeigen sich bei dieser Wohn- und Gewerbeimmobilie
inzwischen so gravierende bauliche Mängel, dass die Wohnnutzung
dauerhaft in Frage gestellt werden muss. Für die Wohnungen finden
sich immer weniger Mieter - wer die Wahl hat, sucht sich ein ansprechenderes Wohnumfeld und entsprechend konzentrieren sich
hier soziale Probleme. Diese Entwicklung wirkt sich auch zunehmend auf den Einzelhandel aus. Durch die unwirtliche Situation der
Wohnungsleerstände nimmt die Fluktuation der Betriebe im Geschäftszentrums zu. Bereits heute stehen rund 30 % der Ladenlokale
leer. Damit ist auch die Versorgung im Stadtteil gefährdet. Erschwerend kommt hinzu, dass sich das Gebäude im Besitz einer Wohnungseigentümergemeinschaft befindet. Aufgrund ihrer derzeitigen finanziellen Situation sowie der rechtlichen Besonderheiten
einer „WEG“ ist die Hoffnung auf eine Verbesserung aus eigener
Kraft wohl vergebens. Die Gefahr, dass die umliegende Bebauung
durch den zunehmenden städtebaulichen Funktions- und Imageverlust weiterhin negativ beeinflusst wird, ist hingegen groß.
Das bauliche Kernproblem ist die
Schwechater Straße 38
Die Stadtverwaltung der Stadt Gladbeck will nun gemeinsam mit
der Hausverwaltung und der Wohnungseigentümergemeinschaft
einen Lösungsweg für die Probleme finden. Sowohl für die Schwe-
Städtebauliches Entwicklungskonzept Rentfort-Nord
2
chater Straße 38 als auch für den gesamten Stadtteil aus den 60er
Jahren gilt es, eine tragfähige und nachhaltige Entwicklungsstrategie zu erarbeiten. Die Stadt Gladbeck hat hierzu ein mehrstufiges
Verfahren zur Erstellung des Städtebaulichen Entwicklungskonzepts
gewählt. Im ersten Schritt wird das hier vorliegende Konzept mit
einer Analyse der Stärken und Schwächen des Stadtteils, Handlungsempfehlungen und einem Umsetzungskonzept für den Gebäudekomplex Schwechater Straße 38 erarbeitet. In einem zweiten
Baustein erfolgt eine gesamtstädtische Analyse der demografischen
Entwicklung mit Auswirkungen auf die Stadtteilebene und Erarbeitung einer Stadtentwicklungsstrategie. Der dritte Baustein umfasst
schließlich eine städtebauliche Rahmenplanung für den Gesamtstadtteil mit einer Vertiefung für den Bereich Schwechater Straße 38.
1.2
Stadtteil muss insgesamt betrachtet
werden
Zielsetzung des ersten Bausteins zum Städtebaulichen
Entwicklungskonzept
Das Gebäude Schwechater Straße 38 wird zwar derzeit sowohl von
Bewohnern und Eigentümern als auch von Verwaltung und Politik
als Dreh- und Angelpunkt für die Entwicklung des Stadtteils Rentfort-Nord gesehen. Doch der Stadtteil zeigt an anderen Stellen ebenfalls erste „Altersschwächen“. Auch wenn die Situation im Bereich der Stadtteilmitte Auslöser für das Städtebauliche Entwicklungskonzept ist, so gilt es doch für die Stabilisierung des gesamten
Stadtteils Sorge zu tragen und präventive Maßnahmen zu fördern.
Zielsetzung des ersten Bausteins zum Städtebaulichen Entwicklungskonzepts ist es daher, den Stadtteil in seinen Funktionen und
Beziehungen im Kontext zu betrachten. Was muss insgesamt zur
Stabilisierung des Stadtteils getan werden? Wo könnten die Probleme von „Morgen“ liegen? Wie kann eine vorbeugende Strategie
aussehen?
Detaillierte Analyse zur Situation
des Gebäudes Schwechater Str. 38
Für das Gebäude Schwechater Straße 38 sollen die unterschiedlichen Perspektiven herausgearbeitet werden. Aus heutiger Sicht
kann die Hoffnung auf einen Erhalt und eine zeitgemäße Sanierung
des Gebäudes, z. B. durch einen Investor, als eher gering eingestuft
werden. Daher soll geprüft werden, wie sich eine Rücknahme oder
Teilrücknahme von Wohneinheiten auf den Stadtteil auswirkt.
Gleichzeitig soll durch flankierende städtebauliche Maßnahmen
eine neue attraktive Stadtteilmitte geschaffen werden.
Die Fragestellungen im Überblick
Die Analyse zum Städtebaulichen Entwicklungskonzept soll folgende Fragen beantworten:
ƒ
Wie ist der Status quo des Stadtteils mit Blick auf die Funktionen
Wohnen, Arbeiten, Versorgen, Infrastruktur, Bildung, Verkehr,
Soziales und Freizeit für unterschiedliche Zielgruppen wie Kinder, Jugend, Familien und Senioren?
Städtebauliches Entwicklungskonzept Rentfort-Nord
ƒ
Wo liegen die Schwächen, wo die Stärken und Entwicklungspotentiale des Stadtteils, welche Handlungsspielräume bestehen
und welche erforderlichen Maßnahmen ergeben sich daraus?
ƒ
Wie ist die Situation der Wohnungseigentümergemeinschaft
Schwechater Straße 38 aktuell, welche Besonderheiten ergeben
sich aus der rechtlichen Besonderheit einer WEG für die Maßnahmenkonzeption, unter welchen Bedingungen und unter welchen Voraussetzungen kann die Niederlegung ihres Sonder- und
Gemeinschaftseigentums erreicht werden? Wie kann sich die
WEG formal auflösen und in eine neue Rechtsform übergehen?
Welche neuen Eigentumsverhältnisse ergeben sich?
ƒ
Welche Auswirkungen haben die Niederlegung des Objekts und
damit die Reduzierung der Wohneinheiten bzw. eine Teilrücknahme auf die Wohnsituation und Infrastruktur im Stadtteil?
Welche Potentiale ergeben sich daraus?
ƒ
Welche Anforderungen werden an die städtebauliche Neugestaltung eines Stadtteilzentrums gestellt? Soll bzw. kann die bestehende Ladenpassage erhalten bleiben, wo liegen die Vor-, wo
die Nachteile?
ƒ
Welches Handlungs- und Maßnahmenkonzept ergibt sich für
den gesamten Stadtteil und für den Standort Schwechater Straße aus den Untersuchungsschritten?
1.3
3
Bearbeitungsschritte
Zu Beginn wurden alle planungsrelevanten Daten erhoben und ausgewertet. Hierzu zählten Gutachten, Beschlussvorlagen, Statistiken,
Kartenmaterialien, städtebauliche Planungen etc. Eine Begehung
des engeren Plangebiets sowie des ganzen Stadtteils Rentfort-Nord
mit Vertretern der Stadtverwaltung und Akteuren aus dem Stadtteil
ergänzten die schriftlichen Unterlagen um das eigene Erleben.
Schließlich wurde ein Expertenworkshop mit 25 „Kennern“ des
Stadtteils durchgeführt. Bei diesem Workshop diskutierten diese die
Ziele für die Stadtteilentwicklung sowie Maßnahmen und erste Umsetzungsschritte. Im Mittelpunkt der Diskussion standen als wesentliche Handlungsbereiche die Themen „Wohnen, Wohnumfeld und
Grün“, „Einzelhandel und Versorgung“, „Kinder und Jugendliche“
sowie „Nachbarschaften und Image“. Die Ergebnisse dieser Expertenrunde wurden in die vorliegende Analyse eingearbeitet.
Datenanalyse, Einzelgespräche und
Workshops
Um die Bewertung des Stadtteils aus Sicht der Bewohner zu erfahren, wurde eine bereits im Jahr 2003 durchgeführte Passantenbefragung der Stadt Gladbeck ergänzt, so dass schließlich 125 Fragebogen für ein „Stimmungsbild“ aus dem Stadtteil ausgewertet werden
konnten. Die Befragungsergebnisse sind im Anhang der Analyse
dokumentiert.
Bewohnerbefragung
Städtebauliches Entwicklungskonzept Rentfort-Nord
4
Zudem sind die Ergebnisse des Charrette-Verfahrens1, das vom 9. bis
12. Juni 2004 mit Studenten aus Weimar, Cottbus und Dortmund
durchgeführt wurde, in die Analyse eingegangen. Mit Hilfe des
Charrette-Verfahrens wurde ein erster positiver Entwicklungsimpuls
gesetzt. Die Teilnehmer diskutierten gemeinsam mit den Bürgern,
der Verwaltung und weiteren Akteuren u. a. verschiedene Optionen
im Umgang mit dem Gebäudekomplex Schwechater Straße 38.
Teilnehmer der Charrette zur
Schwechater Str. 38, Juni 2004
Zur Analyse der Situation Schwechater Straße 38 wurden intensive
Einzelgespräche mit der Hausverwaltung TRV Immobilien und Verwaltungsgesellschaft mbH aus Krefeld sowie der im Frühjahr 2004
gegründeten Auffanggesellschaft Wohnpark Rentfort-Nord GmbH
geführt.
1.4
Aufbau des Konzeptes
Der vorliegende Baustein zum Städtebaulichen Entwicklungskonzept „Analyse und Handlungsempfehlungen“ gliedert sich wie folgt:
ƒ
Im Kapitel 2 wird zunächst das Profil des Stadtteils herausgearbeitet: Welche Faktoren haben die Entwicklung des Stadtteils
beeinflusst? Welche Stärken und welche Schwächen charakterisieren ihn, wo stehen wir heute und mit welchen übergeordneten Zielen soll seine Zukunft gestaltet werden?
ƒ
Kapitel 3 beschreibt die Organisation des Stadtteilerneuerungsprozesses. Welche Kriterien sind an den Prozess zu stellen, wer
organisiert und wer ist beteiligt?
ƒ
Die Kapitel 4 bis 7 veranschaulichen schließlich die Teilziele für
die unterschiedlichen Handlungsfelder. Dabei bildet das Handlungsfeld Schwechater Straße 38 ein eigenständiges Kapitel, um
detailliert auf Problemlage und Lösungsvorschläge einzugehen.
Hier wird auch der Fragestellung nachgegangen „Was wäre
wenn?“ und es werden unterschiedliche Szenarien dargestellt.
ƒ
Kapitel 8 und 9 enthalten Maßnahmen, die flankierend zu den
erforderlichen städtebaulichen Maßnahmen durch die Stadt
Gladbeck verfolgt werden sollten.
ƒ
In Kapitel 10 wird schließlich ein Fazit zur Situation des Stadtteils
insgesamt und seiner Chancen gezogen – der Blick in die Zukunft rundet dieses Kapitel ab.
ƒ
Kapitel 11 enthält einen Überblick über die einzelnen Handlungsfelder, Maßnahmen, Verantwortliche und Kosten.
1
Seit den 1990er Jahren wird dieses Verfahren vor allem in den USA angewendet. In Deutschland ist es noch neu, im Rahmen von Stadtumbau-Ost konnten
jedoch bereits sehr positive Erfahrungen gesammelt werden. Das Verfahren
erfolgt mit direkter Beteiligung der Bürger. Betroffene, Entscheidungsträger,
Projektentwickler und Planer reden und entwerfen miteinander konkrete Lösungen für die Zukunft der Stadt. Dabei werden in räumlicher Nähe zu den zu
gestaltenden Orten in einem zeitlich begrenzten Arbeitsprozess Konzepte
entwickelt, die Visionen und Realisierbarkeit miteinander verknüpfen.
Städtebauliches Entwicklungskonzept Rentfort-Nord
2
Analyse des Untersuchungsraums und Handlungsfelder
2.1
Portrait des Stadtteils Rentfort
2.1.1
Geografische Einordnung des Stadtteils und statistische
Grundlagen
Der Stadtteil Rentfort-Nord liegt nordwestlich des Zentrums von
Gladbeck und hat über die Kirchhellener Straße direkten Anschluss
an die A 31. Nach Norden grenzt er an den Rand des Münsterlandes,
im Süden befindet sich der Stadtbezirk Alt-Rentfort. Der Stadtteil ist
durch die Buslinien 252, 253, 258 und CE 56 gut an den ÖPNV angeschlossen. Der Bahnhof West liegt in ca. drei Kilometer Entfernung.
Für den motorisierten Individualverkehr sind die Schwechater Straße, die Marcq-en-Baroeul Straße, die Enfieldstraße und die Berliner
Straße die Haupterschließungsstraßen. Im Osten und Norden wird
der Stadtteil durch einen Grünzug begrenzt. Quer durch das Gebiet
von Südosten nach Nordwesten verlaufen mehrere Grünbereiche,
die als grüne Trittsteine durch das Quartier fungieren, eingebunden
ist dabei eine nördlich an das Gebäude Schwechater Straße 38 angrenzende Parkanlage.
Abbildung 1
Geografische Einordnung des Untersuchungsgebiets Rentfort-Nord
Anm.:
Die Abbildung zeigt das Gebiet Rentfort-Nord innerhalb des roten durchgezogenen Kreises mit dem Gebäude Schwechater Straße 38 im Zentrum
sowie mit einer durchbrochenen Linie die angrenzenden Bereiche des
Stadtteils Alt-Rentfort und des Neubaugebiets im Norden.
Quelle: Stadtplanungsamt Stadt Gladbeck.
5
Verkehrliche Anbindung
Städtebauliches Entwicklungskonzept Rentfort-Nord
6
Rentfort-Nord 1973
Rentfort-Nord wurde Ende der 60er Jahre des vorigen Jahrhunderts
als Stadtteil für 10.000 Einwohner auf dem Reißbrett geplant, um
der anhaltenden Wohnungsnot in der prosperierenden Bergbaustadt entgegenzuwirken. Die Wohnstrukturen sind durchmischt,
von frei stehenden Einfamilienhäusern über Reihenhäuser bis hin zu
Geschosswohnungen und einzelnen Punkthäusern ist jede Wohnform vorhanden. Rentfort-Nord wird durch die Kirchhellener Straße
vom dörflich strukturierten Stadtteil Alt-Rentfort, der heute 4.766
Einwohner zählt, getrennt.
Im Juni 2004 lebten über 8.063 Einwohner im Stadtteil und damit
rund 10 % der 78.133 Einwohner der Stadt Gladbeck. Rentfort-Nord
hat mit 216 Personen im Jahr 2003 die höchsten Bevölkerungsgewinne verzeichnet. Dies ist vor allem bedingt durch ein Neubaugebiet an der Uechtmannstraße, das den Stadtteil nordwestlich begrenzt. Im ersten Halbjahr 2004 konnte der Stadtteil aufgrund des
Zuzugs von rund 110 polnischen Gastarbeitern weitere Bevölkerungsgewinne verzeichnen.
Anteil Senioren liegt über dem städtischen Durchschnitt
Der Stadtteil weist mit 22,2 % einen hohen Anteil der über 64Jährigen an der Gesamtbevölkerung auf. Im gesamtstädtischen Vergleich leben damit in Rentfort-Nord die meisten älteren Menschen.
Ursächlich hierfür ist u. a. das angesiedelte Seniorenzentrum in diesem Bezirk. Hier lebten Ende September 2004 rund 230 Senioren.
Ohne diese Gruppe würde der Anteil in Rentfort-Nord mit rund
19,7 % aber immer noch über dem städtischen Durchschnitt liegen.
Der Anteil der unter 18-Jährigen liegt mit 18,4 % hingegen unter dem
städtischen Durchschnitt.
Der Ausländeranteil in der Gesamtstadt Gladbeck lag im Juni 2004
bei 11,8 %. Im gesamtstädtischen Vergleich weist Rentfort-Nord gemeinsam mit Alt-Rentfort die niedrigsten Anteile ausländischer Bevölkerung auf. Lagen beide Stadtteile im Jahr 2003 noch mit 5,0 %
gleichauf, so sind es durch den Zuzug der polnischen Gastarbeiter in
Rentfort-Nord inzwischen 6,3 % gegenüber 4,4 % in Alt-Rentfort.
Die Bevölkerungsanteile der ausländischen Bewohner verteilen sich
damit zu mehr als einem Fünftel auf Personen aus Polen und ein
weiteres Fünftel auf Menschen aus der Türkei. Weitere Herkunftsländer der ausländischen Bevölkerung sind mit jeweils rund 40 Personen Marokko, der Libanon, das ehemalige Jugoslawien sowie einzelne Personen aus anderen Staaten.
Abbildung 2
Bestand Nutzungen
Städtebauliches Entwicklungskonzept Rentfort-Nord
7
Städtebauliches Entwicklungskonzept Rentfort-Nord
8
Tabelle 1
Daten – Zahlen - Fakten
Rentfort-Nord
30. Juni 2004
ƒ Anzahl Bewohner
ƒ davon Anteil Ausländer (%)
8.063
Gladbeck
gesamt
30. Juni 2004
78.133
6,3
11,8
ƒ davon Anteil Kinder < 18 J. (%)
18,4
19,1
ƒ davon Anteil Senioren > 64 J. (%)
22,2
19,2
5,8
5,0
ƒ davon Anteil
Sozialhilfeempfänger (%)
ƒ davon arbeitslos
*
_*
15,0
Eine Differenzierung nach Stadtteilen liegt nicht vor.
Quelle: Eigene Berechnung nach Bevölkerungsstatistik der Stadt Gladbeck sowie
Angaben des Sozialamts der Stadt Gladbeck vom 30. Juni 2004.
2.1.2
Ein Rückblick in die Geschichte des Stadtteils
Bis Ende des 19. Jahrhunderts war Gladbeck ein kleines westfälisches
Dorf; umgeben von den Bauernschaften Rentfort, Zweckel, Ellinghorst, Butendorf und Brauck lebten hier insgesamt rund 2.500 Einwohner.
Erst aufgrund von Steinkohlefunden und der daraufhin einsetzenden Industrialisierung entwickelte sich aus dem kleinen Kirchdorf
eine moderne Stadt. Dementsprechend musste alles, was eine Stadt
ausmacht, neu entstehen: Geschäfts- und Verwaltungszentren, Verkehrswege, Infrastruktur- und Versorgungseinrichtungen, wie beispielsweise Schulen und Krankenhäuser. In dieser Phase von 1880
bis 1920 erhielt Gladbeck seine Struktur, wuchs aufgrund der neu
entstandenen Arbeitsplätze und erhielt schließlich am 21. Juli 1919
die Stadtrechte.
Nach Ende des 2. Weltkriegs wurde in Gladbeck verstärkt Kohle gefördert. Dies ließ die Bevölkerungszahlen auf 84.000 ansteigen.
Doch kurz darauf setzten erste Krisen ein, was dazu führte, dass
sämtliche Steinkohlebergwerke auf Gladbecker Stadtgebiet schließen mussten. Es folgte ein Wandel in der Industrie- und Arbeitsstruktur. Um die Vielzahl der wegfallenden Arbeitsplätze zu kompensieren, mussten neue Arbeitsbereiche erschlossen werden.
Durch die Ansiedlung eines Fertigungswerks der Firma Siemens
konnten rund 4.500 neue Arbeitsplätze geschaffen werden.
Rentfort-Nord vor dem Bau des
neuen Stadtteils
Über den Strukturwandel in der Wirtschaft hinaus kam es in den
60er Jahren auch zu städtebaulichen Veränderungen. Neben dem
kompletten Neubau der Innenstadt und einer neuen Verkehrsführung bzw. -planung war vor allem die Entstehung des Stadtteils
Rentfort-Nord von großer Bedeutung. Mit dem Ziel, in die Kategorie
der Großstädte aufzusteigen, sollte Gladbeck Raum für insgesamt
120.000 Einwohner bieten.
Städtebauliches Entwicklungskonzept Rentfort-Nord
9
Im Jahr 1975 kam es fast zur Aufhebung der Eigenständigkeit der
Stadt. Durch die kommunale Neugliederung sollte Gladbeck eingemeindet werden und somit zu Bottrop gehören. Eine Verfassungsklage hatte Erfolg und führte dazu, dass Gladbeck eigenständig
blieb. Seit 1976 gehört Gladbeck dem Kreis Recklinghausen an.
Der Stadtteil Rentfort-Nord entstand auf einem bis dahin rein agrarwirtschaftlich genutzten Gebiet. Zur Realisierung des neuen
Stadtteils mussten fünf von elf Höfen abgerissen werden. Die übrig
gebliebenen sechs Höfe existieren zwar noch, es wird aber keine
Landwirtschaft mehr betrieben. Zu den ersten fertig gestellten Gebäuden des Stadtteils zählten die Hochhäuser an der Berliner Straße
und die Eigenheime an der Marcq-en-Baroeul-Straße. Anfang der
70er Jahre konnten bereits die ersten Bewohner, vor allem junge
Familien, in ihre neuen Wohnungen einziehen. Etwas weiter westlich entstand eine Senioreneinrichtung der Arbeiterwohlfahrt.
Entscheidend für die städtebauliche Entwicklung des Stadtteils war
jedoch der Bau des Hauses Schwechater Straße 38 im Jahr 1973. Mit
seinen 14 Geschossen und der angegliederten Ladenpassage definierte der Gebäudekomplex unübersehbar die Stadtteilmitte, sowohl aus städtebaulicher als auch aus funktionaler Sicht. In seinem
unmittelbaren Umfeld konzentriert sich die gesamte Ortsteilinfrastruktur: Gesamtschule, Nahversorgung und Gastronomie, eine katholische und evangelische Kirche sowie zwei Kindergärten.
In den 70er Jahren war Rentfort-Nord als reiner Wohnstandort mit
einer guten Nahversorgung sehr angesehen. Der Stadtteil wurde
insgesamt als sehr familienfreundlich wahrgenommen. Ein Kenner,
der seit über 30 Jahren im Gebiet wohnt, äußerte, dass das Wohnen
in einem Hochhaus damals als „sehr modern empfunden“ wurde. Zu
jener Zeit war die Mieterstruktur „vom Akademiker bis zum Hilfsarbeiter“ auch noch stärker durchmischt als heute. Die Schwechater
Straße 38 war damals ein Leuchtturm, dessen „Ausstrahlung“ jedoch nur allzu schnell wieder erlöschen sollte.
2.2
Portrait des Gebäudekomplexes Schwechater Str. 38
Die Schwechater Straße beherbergt eine Reihe von Zeitzeugen des
städtebaulichen architektonischen Leitbilds der 70er Jahre. Doch das
markanteste ist das 14-geschossige Hochhaus mit der Hausnummer
38 auf dem Grundstück Flur 37, Flurstück 147, mit vorgelagertem
Atrium. Das gesamte Areal Schwechater Straße 38 umfasst eine
Grundstücksfläche von über 16.600 qm. Im Gebäude liegen 141
Wohneinheiten, 137 im Wohnturm und vier im Atrium, Die Wohnfläche umfasst insgesamt 9.300 qm. Die durchschnittliche Wohnungsgröße liegt damit bei 63 qm. Das Atrium ist an der Westseite des
Gebäudes angeschlossen: ein ein- bzw. zweigeschossiger Geschäftsbereich mit 15 Ladenlokalen. An der Ostseite des Gebäudes
befindet sich ein weiteres Geschäft, ein Extra-Supermarkt. Im südlichen Teil des Areals liegen die Tiefgarage (102 Stellplätze), ein Tief-
Der Stadtteil Rentfort –Nord im Bau
Städtebauliches Entwicklungskonzept Rentfort-Nord
10
garagen-Parkdeck (91 Stellplätze) sowie 23 Pkw-Abstellplätze an der
West-/Nordseite des Atriums. Die Nutzung des Tiefgaragenparkdecks obliegt der Stadt Gladbeck; es wird regelmäßig auch als
Marktplatz genutzt.
Bauherrin in den 70er Jahren war die GWG Gemeinnützige Wohnungsbaugesellschaft mbH Gladbeck, die die Wohnungen auch bis
1984 verwaltete und vermietete. Die ehemaligen Mietwohnungen
wurden dann 1984 in Wohnungsteileigentum umgewandelt. Nach
vollzogener Teilung des Gesamtwohnraums erwarb die Firma Kohlrauch Wohn- und Gewerbebauten, Heiligenhaus, das gesamte Gebäude. In einer ersten Versteigerung ging Teileigentum (Gewerbeeinheiten) an die BAUDIALOG Gesellschaft für Bau- und Beratung
mbh & Co. Beteiligungs-KG in München. 1992 ging das Wohnungseigentum an ACRON – Finanz-Treuhand GmbH, Düsseldorf, die die
Wohnungen 1992 bis 1994 an Einzeleigentümer verkaufte. Nach
Aussagen der heutigen Hausverwaltung wurden die Wohnungen
für einen Preis zwischen 2.000 und 2.500 DM/qm Wohnfläche verkauft. Bei einer 83 qm großen Wohnung lag der Kaufpreis zwischen
166.000 und 207.500 DM (84.875 und 106.100 EUR).
Zwischen 1984 und 1989 hatte die GWG mbH Gladbeck die Hausverwaltung inne; seit 1994 obliegt die Hausverwaltung der TRV Immobilien und Verwaltungsgesellschaft mbH, Krefeld (TRT).
Seit Jahren erlebt das Gebäude mit seinen Wohnungen und Gewerbeeinheiten eine rasante Talfahrt. Ein immenser Investitions- und
Sanierungsstau, zahlungsunfähige Eigentümer, marode Technik etc.
führten zur der heutigen Situation, dass das Gebäude kurz vor dem
Aus steht. Eine genaue Zustandsbeschreibung folgt im weiteren
Text.
Die heutige Belegungs- bzw. Leerstandsquote ist derzeit schwer
einzuschätzen, da es keine zentrale Vermietung gibt. Viele Eigentümer vermieten die Wohnungen selbst, einige Wohnungen stehen
unter Zwangsverwaltung und nur für wenige Wohnungen hat die
TRT die Mieterverwaltung inne. Bis vor kurzem seien jedoch nach
Einschätzung der Hausverwaltung ca. 75 Wohnungen nicht vermietet gewesen sein; von diesen 75 Wohnungen sind zurzeit 26 Wohnungen abzuziehen, da sie bis 31. Dezember 2005 an polnische Leiharbeiter vermietet sind.
Aktuelle Mieterbelegung
Die aktuelle Mieterbelegung stellt sich wie folgt dar:
ƒ
245 derzeit gemeldete Personen, davon 107 deutscher Nationalität, 110 polnischer Nationalität und acht andere Nationalitäten.
Die Personen verteilen sich auf ca. 90 Wohnungen.
ƒ
Von den 245 Personen sind 24 Kinder unter zwölf und zehn Jugendliche unter 18 Jahre alt. 194 Personen sind zwischen 19 und
60 Jahren und 17 sind 61 Jahre oder älter. Damit ist der Anteil der
Kinder und Jugendlichen mit 13,9 % und der Anteil der Senioren
mit 6,9 % sehr niedrig einzustufen.
Städtebauliches Entwicklungskonzept Rentfort-Nord
ƒ
Von den 64 Deutschen im Alter zwischen 19 bis 60 sind 50 %
verheiratet, 36 % ledig und 14 % geschieden, getrennt lebend
oder verwitwet.
ƒ
Von den 110 Polen sind 88 % verheiratet und 12 % ledig oder geschieden.
11
Die Leerstandsquote läge noch niedriger, weil die Servicefirma, die
zurzeit die 26 Wohnungen für polnische Leiharbeiter angemietet
hat, Anfang 2004 insgesamt 60 Wohnungen suchte. Auf Druck der
Stadtteilbewohner, die Alkoholmissbrauch, Lärmbelästigungen und
Prostitution durch die massive Konzentration von Männern auf engen Raum befürchteten, bewilligte die Stadtverwaltung der Stadt
Gladbeck jedoch lediglich 26 Wohnungen. Zudem konnten die Befürchtungen zerstreut werden; bis heute liegen keine konkreten
Klagen gegen die polnischen Arbeiter vor. Dies ist auch auf die intensive Betreuung der Arbeiter durch die Serviceagentur zurückzuführen. Nach Aussagen der Hausverwaltung steht den Arbeitern
immer ein Ansprechpartner zur Verfügung und auch bei Problemen
sind sie stets zur Stelle. Der Mietvertrag mit der Serviceagentur endet am 31. Dezember 2005. Eine früherer Kündigung ist nur aus
wichtigem Grund möglich.
Die Stadtteilmitte präsentiert sich heute mit dem Gebäude Schwechater Straße 38 und dem hohen Versiegelungsgrad des Wohnumfelds als „Betonlandschaft“. Entsprechend fehlt ein attraktives Ambiente, das die Anforderungen an eine repräsentative und einladende Stadtteilmitte erfüllt und den Bewohnern eine Identifikationsmöglichkeit bietet.
2.3
Städtebauliche und funktionale Struktur des Stadtteils
Charakteristisch für den Stadtteil Rentfort-Nord ist seine Durchmischung mit unterschiedlichen Wohnformen, darunter Reihenhäuser,
frei stehende Einfamilienhäuser und Atrium-Bungalows mit sehr
individuell gestalteten Gärten bis hin zu Mehrfamilienhäusern und
Hochhäusern. Insgesamt lässt sich der Stadtteil in fünf Teilbereiche
gliedern:
ƒ
Gesamtschule und Umfeld
ƒ
Elisabeth-Brune Seniorenzentrum
ƒ
Einfamilienhausgebiet südlich Enfieldstraße
ƒ
Geschosswohnungsbau im Zentrum des Stadtteils
ƒ
Einfamilienhausgebiete ab Lohstraße südlich der Schwechater
Straße
Das Atrium des Geschäftszentrums
Städtebauliches Entwicklungskonzept Rentfort-Nord
12
Gesamtschule und Umfeld
Einen städtebaulichen Teilbereich bildet die Gesamtschule mit der
nördlich angrenzenden Sporthalle inklusive Sportgelände. Im Bereich der Gesamtschule zeigen sich heute vor allem aufgrund des
hohen Versiegelungsgrads und durch Vandalismus städtebauliche
Mängel. Im Osten des Gebäudes befinden sich massive Betonübergänge, die vor allem nachts nicht ausreichend einsehbar sind und
dazu beitragen, dass dieser Bereich einen Angstraum darstellt. Verschiedene Cliquen von Jugendlichen im Alter von 15 bis 16 Jahren
nutzen den Schulhof auch in den Abendstunden als Treffpunkt, was
teilweise zu Konflikten mit der Nachbarschaft führt. Anwohner hatten sich bereits in den vergangenen Jahren über Vandalismus und
Müll beklagt.
Für ganz Gladbeck gilt die Philosophie der Öffnung der Schulhöfe
nach Schulschluss, z. B. als Spielplatz für die Nachmittagszeit. Hierfür erscheint es jedoch erforderlich, den Schulhof klarer zu fassen.
Eine Sanierung und farbliche Gestaltung der Fassade ist aus Sicht
des Schulamts erforderlich.
Vom Schulhof aus erreichbar liegt ein Tunnelgang. Dieser ist
schlecht einsehbar und wird von den Anwohnern ebenso gemieden
wie der Fußweg östlich der Schule. Daher gilt es, im Bereich der Gesamtschule die Wegebeziehungen insgesamt neu zu strukturieren.
Die Sanierung der Sporthalle ist dringend erforderlich, es werden
zwar nach und nach Verbesserungsmaßnahmen durchgeführt, dennoch weist vor allem das Dach erhebliche Bauschäden auf.
Elisabeth-Brune Seniorenzentrum
Das „Elisabeth-Brune-Seniorenzentrum“ der Arbeiterwohlfahrt befindet sich westlich der Berliner Straße bzw. Enfieldstraße. Im Grünen gelegen verteilen sich die Wohnungen auf mehrere Wohnblöcke und Gemeinschaftsräumlichkeiten in überwiegend zwei- bis
dreigeschossiger Bauweise. Ein Weg durchquert von Westen nach
Osten das Zentrum, er wird auch von Bewohnern der angrenzenden
Wohnbereiche genutzt. Im Altenheim befinden sich ein Café sowie
ein Friseur. Zusätzlich befindet sich hier ein Kindergarten der Arbeiterwohlfahrt. Zwischen den einzelnen Gebäuden liegen großzügige
Grünflächen. Anschließend an das Altenheim befindet sich eine attraktiv gestaltete Grünfläche mit einem Teich und einem Spielplatz,
die sowohl von den Senioren des Altenheims als auch von den Bewohnern des Quartiers Rentfort-Nord häufig genutzt wird.
Städtebauliches Entwicklungskonzept Rentfort-Nord
Im Osten ist das Gebiet überwiegend durch frei stehende Einfamilien- und Reihenhäuser geprägt. Es ist davon auszugehen, dass sich
die Mehrzahl dieser Häuser im Eigentum der Bewohner befindet.
Die Umgebung ist begrünt, sehr gepflegt und teilweise idyllisch am
Waldrand gelegen. Hier werden derzeit von der Gemeinnützigen
Wohnungsgesellschaft Gladbeck mbH weitere 18 Grundstücke zum
Bau von Einfamilienhäusern angeboten.
Im Zentrum des Stadtteils liegen das Wohngebäude Schwechater
Straße 38 sowie das Geschäftszentrum von Rentfort-Nord, gemeinsam mit dem Umfeld ein unattraktives Ensemble. Sowohl die Bausubstanz als auch das Umfeld bedürfen einer dringenden Aufwertung. Dies wird in Kapitel 6 detailliert beschrieben.
Nach Osten und Westen schließen sich weitere drei- bis zehngeschossige Wohngebäude an das Stadtteilzentrum an. Von verschiedenen Gesprächspartnern wurde angemerkt, dass auch diese Gebäude aufgrund ihrer Bewohnerstruktur oder der Bausubstanz „beobachtet“ werden müssten. Hierzu zählen die Wohnungen im Besitz
der Gemeinnützigen Wohnungsgesellschaft Gladbeck mbH, die sich
über das Gebiet verteilen, z. B. in der Berliner Straße 14 und 16 sowie
in der Fritz-Erler-Straße. An verschiedenen Häusern „bröckelt der
Putz“, an anderen Gebäuden wurden bereits Fassaden und Balkons
saniert, sie befinden sich in einem guten Zustand. Hier sind vor allem die Marcq-en-Baroeul-Straße 6 und 6a zu nennen. Die Gebäude
sind im Besitz von Wohneigentümergemeinschaften, werden überwiegend von den Eigentümern bewohnt und wirken sehr gepflegt.
Einen positiven Eindruck hinterlassen auch die Gebäude Berliner
Straße 3 und Enfieldstraße 241.
Ab der Lohstraße bis zur Kirchhellener Straße schließt sich der fünfte
Teilbereich an. Hier dominieren frei stehende Einfamilienhäuser,
gepflegte Vorgärten und eine offene Bauweise das Erscheinungsbild
– Zäune fehlen weitgehend. Der Bereich zeichnet sich durch eine
stärkere Anbindung an den Stadtteil Alt-Rentfort aus.
13
Einfamilienhäuser und Reihenhäuser
im Norden
Städtebauliches Entwicklungskonzept Rentfort-Nord
14
Abbildung 3
Städtebauliche Struktur
Abbildung 4
Aufteilung des Stadtraums in Teilräume
Städtebauliches Entwicklungskonzept Rentfort-Nord
15
Abbildung 5
Eigentümerstruktur im Geschosswohnungsbau
16
Städtebauliches Entwicklungskonzept Rentfort-Nord
Städtebauliches Entwicklungskonzept Rentfort-Nord
Im Osten befindet sich in der ehemaligen preußischen Berginspektion in einer Parklandschaft gelegen die Musikschule von Gladbeck
umgeben von einem Ring ehemaliger Bergarbeiterhäuser. Von der
Musikschule bis zum Seniorenzentrum verläuft ein Grünbereich mit
einer größeren Grünfläche nördlich des Gebäudes Schwechater
Straße 38, die jedoch teilweise unterbrochen ist, vor allem zwischen
Gesamtschule und Altenzentrum. Gewünscht wird eine Verbindung
dieser grünen „Trittsteine“ zu einem zusammenhängenden „grünen
Band“. Insbesondere die Parkzugänge werden als Angstraum wahrgenommen, sie müssen verändert werden. Die hinter dem Gebäude
Schwechater Straße 38 liegende Grünfläche mit Spielplätzen bietet
kaum Nutzungsmöglichkeiten. Die Wiese wird überwiegend von
Hundebesitzern zum Ausführen ihrer Hunde bzw. als „Hundeklo“
genutzt, entsprechend heißt sie bei den Bewohnern inzwischen
„Hundewiese“.
Auch wenn die Grünanlage, lässt man die Pflege außer Acht, keine
größeren Mängel aufweist, lädt sie die Bewohner nicht zum Verweilen ein. Es fehlen eine abwechslungsreiche Topographie sowie
Sitzmöglichkeiten zum Verweilen. Auch die Spielplätze entwickeln
wenig Anziehungskraft. Hierauf wird in einem späteren Kapitel näher eingegangen.
17
Musikschule am Bernskamp
Einfamilienhäuser im Süden
Der Kontakt zu den Bewohnern aus Alt-Rentfort ist insgesamt sehr
gering. Diese sahen Rentfort-Nord in den 60er Jahren zunächst als
Aufwertung, vor allem durch das Stadtteilzentrum mit seinen attraktiven Einkaufsmöglichkeiten, wollten jedoch mit den Bewohnern
„nichts zu tun“ haben. Bis heute ist hier kein Zusammengehörigkeitsgefühl entstanden. Die Bewohner beider Stadtteile begegnen
sich lediglich beim Einkauf im Stadtteilzentrum.
Die Durchmischung des Quartiers mit seinen unterschiedlichen Bauformen kann als Chance für eine soziale Mischung gesehen werden.
Doch Fakt ist, dass die einzelnen Teilbereiche der Bebauung sich
kaum aufeinander beziehen und ein verbindendes Wege- oder
Grünnetz fehlt. Von Teilnehmern der Expertenrunde wurde sogar
von einer Entwicklung im Bereich der Einfamilienhäuser hin zu einer
so genannten „Gated Community“ gesprochen, die eine bewusste
Abgrenzung zu den Geschosswohnungsbauten verfolgt. Um eine
weitere Ausprägung dieser Zonierung zu verhindern, werden neben
städtebaulichen auch soziale Maßnahmen sowie eine Verbesserung
des Images erforderlich sein.
2.4
Demografische und ökonomische Entwicklungen
Das Pestel Institut für Systemforschung e. V. aus Hannover hat im
Jahr 2003 eine Studie zur Entwicklung der Stadt Gladbeck im Hinblick auf die Entwicklungen der Bevölkerung, der Beschäftigung und
des Wohnungsmarkts bis 2015 erstellt, einzelne Daten wurden im
Jahr 2004 aktualisiert. Nach der Prognose des Instituts zeichnet sich
Fazit
Städtebauliches Entwicklungskonzept Rentfort-Nord
18
für die Stadt Gladbeck bis 2015 ein Bevölkerungsrückgang um 5 %
bzw. 3.705 Personen ab. Vor allem der Anteil der unter 20-Jährigen
sowie der 35- bis 50-Jährigen wird entsprechend dem bundesdeutschen Trend weiter abnehmen. Zunehmen wird hingegen der Anteil
an Senioren.
Im Zeitraum von 1994 bis 2003 ist für die Stadt Gladbeck insgesamt
ein Bevölkerungsrückgang von 3,4 % zu verzeichnen, Rentfort-Nord
liegt dabei mit einem Minus von 2,4 % unter dem städtischen
Durchschnitt.2 Begründet ist dies jedoch vor allem durch den Zuzug
von Familien in die Einfamilienhaus-Neubaugebiete. Bei Betrachtung des Teilraums „Geschosswohnungsbau“ würde die Situation
jedoch ein anderes Bild ergeben. Hier ist die Fluktuation besonders
hoch, zahlreiche Wohnungen stehen leer.
Großräumige Bevölkerungsgewinne für Städte wie Gladbeck sind
ohne attraktive Arbeitsplatzsituation und Bildungseinrichtungen
(Hochschulen) nicht zu erwarten. So liegt das Arbeitsplatzangebot
mit 20,8 Beschäftigten am Arbeitsort je 100 Einwohner deutlich unter dem Landesdurchschnitt von 32,7. Chancen werden nur in der
kleinräumigen Entwicklung gesehen. Hier sind in der Hauptsache
die Verbesserung der Wohnverhältnisse, z. B. das Preis-Leistungsverhältnis, sowie weiche Standortfaktoren maßgebend.3
2
3
Der Bürgermeister der Stadt Gladbeck: Demografische Entwicklung in der
Stadt Gladbeck. Gladbeck 2004.
Pestel Institut für Systemforschung e.V.: Die Entwicklung in der Stadt Gladbeck bis 2020. Beschäftigung, Bevölkerung und Wohnungsmarkt. Hannover.
2003.
Städtebauliches Entwicklungskonzept Rentfort-Nord
19
Abbildung 6
Entwicklung der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten (am Arbeitsort)
in der Stadt Gladbeck im Kreis Recklinghausen und im Land NordrheinWestfalen von 1987 bis 2003
115
Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte
Index 1987 = 100
110
105
100
95
90
85
1987
1989
Stadt Gladbeck
1991
1993
1995
Kreis Recklinghausen
1997
1999
2001
2003
Nordrhein-Westfalen
Quelle: Pestel Institut für Systemforschung e. V.: Die Entwicklung in der Stadt
Gladbeck bis 2020. Beschäftigung, Bevölkerung und Wohnungsmarkt.
Hannover 2004.
Die gesamte Region um die Stadt Gladbeck befindet sich im Hinblick
auf die Beschäftigungssituation in einem Abwärtstrend. Die rückläufige Beschäftigung im Kreis Recklinghausen einschließlich der
Stadt Gelsenkirchen konnte durch positive Entwicklungen in der
Stadt Bottrop nicht kompensiert werden. Auch die Stadt Essen verzeichnet als größte Stadt der Region im Zeitraum von 1987 bis 2003
eine Stagnation der Arbeitsplätze. Nachdem die Beschäftigungsverhältnisse der Region im Jahr 1992 ihren Höchststand erreichten, sind
bis heute rund 60.000 Arbeitsplätze verloren gegangen. Die Stadt
Gladbeck hat in diesem Zeitraum 1.730 Arbeitsplätze eingebüßt (9,7 %) und liegt damit noch unter dem Durchschnitt des Kreises
Recklinghausen (-15,5 %).
Region befindet sich in Hinblick auf
die Beschäftigungssituation im Abwärtstrend
Eine gesamtstädtische Analyse der demografischen Entwicklung mit
Auswirkungen auf die Stadtteilebene und die Entwicklung einer
Stadtentwicklungsstrategie werden zeitnah erfolgen. Dies wird daher an dieser Stelle nicht weiter ausgeführt.
2.5
Wohnen, Wohnumfeld und Grün
Zum jetzigen Zeitpunkt ist der Wohnungsmarkt für das gesamte
Stadtgebiet von Gladbeck mit deutlichen Überhängen von fast
1.000 Wohnungen entspannt, mindestens 50 % davon werden in
den nächsten Jahren vom Markt genommen. Das Wohnbauflächenpotential liegt sowohl quantitativ als auch qualitativ auf hohem
Niveau. Den Schwerpunkt bildet der Einfamilienhaus-Sektor (Rei-
Deutliche Überhänge auf dem Gladbecker Wohnungsmarkt
Städtebauliches Entwicklungskonzept Rentfort-Nord
20
hen- und Doppelhäuser), wobei auch in geringem Umfang Eigentumswohnungen gebaut werden. Die Ausweisung weiterer Wohnbauflächen ist vorgesehen.
Abbildung 7
Aufbau und Abbau des Wohnungsdefizits von 1987 bis 2003 in der Stadt
Gladbeck
1000
Wohnungsdefizit/-überhang in WE
800
Überhang
600
400
200
0
-200
-400
-600
Defizit
-800
-1000
1987
1989
1991
1993
Haushaltsrückstau
überhöhte Untermieterzahl
1995
1997
1999
2001
2003
Leerwohnungsdefizit/-überhang
Quelle: Pestel Institut für Systemforschung e. V.: Die Entwicklung in der Stadt
Gladbeck bis 2020. Beschäftigung, Bevölkerung und Wohnungsmarkt.
Hannover 2004.
Wohnungsabgänge werden sich auf
Geschosswohnungsbau konzentrieren
Vor allem der Bestand der Geschosswohnungen entspricht aus heutiger Sicht nicht mehr den qualitativen Anforderungen der Haushalte. Insbesondere Gebäude mit einem Baujahr bis 1968 weisen akute
Vermarktungsprobleme auf, u. a. aufgrund von Mängeln in der Bauqualität. Es ist davon auszugehen, dass sich die Wohnungsabgänge
entweder durch Abriss oder Zusammenlegung von kleinen Wohnungen in den nächsten Jahren vor allem auf diese Wohnungsbestände konzentrieren werden.
Der aus der Bevölkerungs- und Haushaltsentwicklung bis in das Jahr
2020 resultierende Wohnungsbedarf liegt bei über 2.250 Wohnungen und wird durch den Wohnungsabgang dominiert. Die Wohnungsabgangsraten nach Baualtersklassen wurden bis in das Jahr
2015 ermittelt. Hier zeigt sich, dass im Jahr 2015 von den Gebäuden
der Baualtersklasse 1958 bis 1968 33 % sowie 23 % der Baualtersklasse 1969 bis 1978 zu den Abgängen gehören werden. Ob auch Gebäude aus Rentfort-Nord darunter fallen, wird einer eingehenden Prüfung unterzogen.
Städtebauliches Entwicklungskonzept Rentfort-Nord
Abbildung 8
Wohnungsbedarf in der Stadt Gladbeck von 2004 bis 2020
2500
Wohnungsbedarf in WE
2250
2000
1750
1500
1250
1000
750
500
250
0
-250
-500
zusätzliche Haushalte Wohnungsabgänge
sonstiger Bedarf
Wohnungsbedarf insgesamt
Quelle: Pestel Institut für Systemforschung e. V.: Die Entwicklung in der Stadt
Gladbeck bis 2020. Beschäftigung, Bevölkerung und Wohnungsmarkt.
Hannover 2004.
Die Anzahl der Wohneinheiten lag in Rentfort-Nord Ende 2003 bei
3.535.4 Wie die Darstellung der Bevölkerungsentwicklung zeigt, ist
im nordwestlichen Bereich des Stadtteils ein Neubaugebiet mit 54
Wohngebäuden, hauptsächlich Einfamilienhäuser, erbaut worden.
Insgesamt sind hier 66 neue Wohneinheiten geschaffen worden.
Damit weist Rentfort-Nord im gesamtstädtischen Vergleich die
höchste Bautätigkeit für das Jahr 2003 auf, rund die Hälfte der in
diesem Zeitraum in Gladbeck erbauten Wohnungen sind hier entstanden.
Die Wohnungen verteilen sich in Rentfort-Nord auf 1.060 Wohngebäude, davon
ƒ
668 mit einer Wohnung
ƒ
165 mit zwei Wohnungen
ƒ
227 mit drei Wohnungen und mehr
Damit sind mehr als die Hälfte der Wohngebäude im Stadtteil Einfamilienhäuser. Der Anteil an Gebäuden im Geschosswohnungsbau
mit drei und mehr Wohnungen liegt bei rund 21 %.
Insgesamt ist der Gebäudebestand in Rentfort-Nord seit 1994 um
mehr als 12 % gestiegen und liegt weit über dem städtischen Durchschnitt von 6,4 %. Nur Butendorf weist mit 15,8 % einen noch höheren Anstieg auf. Damit wurden 16,5 % aller Neubauten in Rentfort-
4
Der Bürgermeister der Stadt Gladbeck: Demografische Entwicklung in der
Stadt Gladbeck. Gladbeck 2004.
21
Städtebauliches Entwicklungskonzept Rentfort-Nord
22
Nord errichtet. Der Anteil an Einfamilienhäusern ist in diesem Zeitraum um 16,4 % gestiegen.5
Für Rentfort-Nord sind erhebliche
demografische, soziale und gestalterische Ungleichgewichte zu erwarten
Aufgrund des „entspannten“ Wohnungsmarkts in Gladbeck sind die
Vermieter aus finanziellen Gründen oftmals dazu gezwungen, ihre
Wohnungen auch an „schwierigere“ Mieter zu vergeben. Diese Entwicklung ist auch in Rentfort-Nord zu beobachten. In der Folge
kommt es zu einer hohen Fluktuation und zu einer schnelleren Abnutzung der Wohnungen. Es ist davon auszugehen, dass sich infolgedessen der Leerstand im Bereich des Geschosswohnungsbaus
deutlich erhöhen wird. Auf der anderen Seite kann in den Einfamilienhausgebieten nach wie vor eine stabile Struktur vorausgesetzt
werden. Hier werden weiterhin Wanderungsgewinne, auch bei einer
jüngeren Klientel, erzielt. Die Situation von prosperierenden und
schrumpfenden Wohnungsmarktsegmenten in unmittelbarer
Nachbarschaft zueinander bedingt eine mögliche Polarisierung von
Entwicklungen, die in absehbarer Zukunft zu einem massiven demografischen, sozialen und gestalterischen Ungleichgewicht innerhalb des Stadtteils Rentfort-Nord führen könnte. Damit verliert der
Stadtteil seine innere Funktion genauso wie seine Funktion im Verhältnis zur Gesamtstadt Gladbeck.
2.6
Stadtteilbüro seit zwei Jahren vor
Ort in der Schwechater Straße
Soziale, kulturelle und öffentliche Infrastruktur
Die Stadt Gladbeck hat 2002 im Gebäude Schwechater Straße 38 in
einer leer stehenden Wohnung ein Stadtteilbüro als Kontaktstelle
des Sozialamts eingerichtet. Von Montag bis Freitag nehmen hier
zwei Mitarbeiterinnen Anregungen und Beschwerden entgegen,
koordinieren Termine und nehmen Kontakt zu Bewohnern auf. Zusätzlich finden wöchentlich Sprechstunden der Polizei, des Ausländerbeirats, des Jugendamts und des Sozialamts, u. a. für den Bereich
Ausländerintegration, statt. Das Stadtteilbüro unterstützt bzw. initiiert auch Aktivitäten im Stadtteil, wie z. B. ein Sommerfest und vermittelt bei sozialen Konflikten sowie Wohnungsangelegenheiten.
Ziel ist auch die Förderung sozialer Kontakte zwischen ausländischen und deutschen Bürgerinnen und Bürgern sowie die Unterstützung bei der Berufswahlorientierung und Beschäftigungsförderung.
Als nachteilig für die Stadtteilarbeit erweist sich die Lage des Büros
im ersten Geschoss des Gebäudes. Von außen nicht sichtbar werden
nur wenige Stadtteilbewohner auf das Angebot aufmerksam. Die
Hemmschwellen, die erfahrungsgemäß bei einem ersten Besuch
einer solchen Einrichtung bestehen, dürften damit recht hoch sein.
Das bisher durch eine „Komm-Struktur“ geprägte Konzept macht
ein ungezwungenes „Vorbeischauen“ kaum möglich. Neben den
formalen Aufgaben des Sozialamts ist eine Stärkung des Stadteilbü-
5
Der Bürgermeister der Stadt Gladbeck: Demografische Entwicklung in der
Stadt Gladbeck. Gladbeck 2004.
Städtebauliches Entwicklungskonzept Rentfort-Nord
23
ros als Anlaufstelle für alle interessierten und engagierten Bürger
erforderlich. Um die Bewohnerschaft zu mehr Engagement zu motivieren, muss die Arbeit stärker auf eine aktivierende Bewohnerbeteiligung ausgerichtet werden. Bereits heute unterstützt das Stadtteilbüro einen Gesprächskreis aus Bewohnern und Akteuren, der
sich sowohl für eine Verbesserung der Situation im Bereich der
Schwechater Straße 38 als auch für eine Aufwertung des Stadtteils
insgesamt einsetzt. Das Potential an engagierten Bürgern scheint
vorhanden, nun gilt es dieses auch zu nutzen.
Ein Vereinsleben hat sich in Rentfort-Nord bis auf den Fußballverein
nicht entwickelt. Doch auch dieser Fußballverein setzt sich überwiegend aus Bewohnern von Alt-Rentfort zusammen. Die Bewohner
aus Rentfort-Nord orientieren sich hingegen zu anderen Stadtteilen,
wie z. B. zum Fußballverein nach Zweckel. Die einzigen organisierten Freizeitaktivitäten werden durch die evangelische und katholische Kirche angeboten. Zu den Aktivitäten der katholischen Kirche
zählen Veranstaltungen und Freizeitmöglichkeiten für Kinder und
Jugendliche im Rahmen der Kolping-Jugend, ein Kinderchor, Aktivitäten, wie Fahrradtouren und Ausflüge, sowie Angebote für Senioren. Über die Grenzen des Stadtteils hinaus ist die katholische Kirche
für ihren großen Sankt Martins-Umzug bekannt.
Im Stadtteil befinden sich insgesamt drei Kindergärten. Träger sind
die Arbeiterwohlfahrt, deren Einrichtung sich im Seniorenzentrum
befindet, sowie die katholische und evangelische Kirche, deren Kindergärten im Zentrum von Rentfort-Nord liegen. Im Gegensatz zur
Versorgung der Kindergartenkinder ist die der unter 3-Jährigen aus
Sicht des Jugendamts unzureichend.
Zentral im Stadtteil gelegen ist die Ingeborg-Drewitz-Gesamtschule.
Eine Grundschule gibt es in Rentfort-Nord nicht. Die Gesamtschule
umfasst eine gymnasiale Oberstufe und zählt heute rund 1.300
Schüler. Sie ist damit die größte Schule in Gladbeck, und wird von
27 % der Kinder aus dem Stadtgebiet Gladbecks besucht. Rund 30 %
der Kinder kommen aus Migrantenfamilien. Zwei Lehrer mit Migrationshintergrund sowie zwei Schulsozialarbeiter unterstützen inzwischen das Lehrerkollegium.
Die gymnasiale Oberstufe zählt rund 150 Schüler. Zur Erweiterung
der Angebote kooperiert die Gesamtschule mit den drei Gymnasien
in Gladbeck. Der Schulentwicklungsplan der Stadt Gladbeck geht
von einem Anstieg bis 2006 für die Sekundarstufe I von 10 % und in
der Sekundarstufe II von 26 % aus. Die Schule ist eine Ganztagsschule, die sowohl Mittagessen und Arbeitsgemeinschaften als auch in
Kooperation u. a. mit Sportvereinen Angebote am Nachmittag vorhält. Derzeit wird versucht, eine Kooperation mit Gladbecker Unternehmen aufzubauen, um z. B. die EDV-Qualifizierung der Schüler im
Rahmen einer AG zu verbessern. Das Konzept der Schule sieht eine
„verlässliche“ Ganztagsschule vor, die sowohl in den Morgenstunden als auch am Nachmittag eine Betreuungsmöglichkeit außerhalb
der Unterrichtsstunden bietet.
Die katholische Kirche im Stadtteil
Ingeborg-Drewitz-Gesamtschule
Städtebauliches Entwicklungskonzept Rentfort-Nord
24
Beliebt im Stadtteil: Freizeittreff
Rentfort-Nord
Fehlende Spiel- und Freizeitmöglichkeiten im öffentlichen Raum
In einer umgebauten Tiefgarage im Schulgebäude befindet sich seit
20 Jahren der Freizeittreff Rentfort-Nord. Die Räumlichkeiten waren
damals als Provisorium vorgesehen, aus diesem Grund erwog man
bereits häufig eine Umsiedlung, da zum einen der schlauchförmige,
beidseitig betonierte Zugang problematisch erscheint und zum anderen kein Tageslicht in die Kellerräume fällt. Insgesamt stehen drei
hauptamtliche Mitarbeiter zur Verfügung, die sowohl Freizeitangebote am Nachmittag als auch in den Ferien anbieten. Zusätzliche
Treffmöglichkeiten für Kinder- und Jugendliche, insbesondere für
Jugendliche ab 14 Jahren, sind aus Sicht von Bewohnern und Experten jedoch erforderlich.
Die Spielplätze im Park werden kaum genutzt, obwohl der Stadtteil
derzeit mit 10,2 qm an Spielfläche pro Kind und Jugendlicher unterversorgt ist, die Zielgröße liegt bei 12,5 qm. Die Ausstattung der
Spielplätze entspricht nicht mehr den Bedürfnissen der Kinder. Eine
konzeptionelle Überplanung der Spielflächen durch Jugendamt und
Ingenieuramt ist geplant, steht jedoch auch im Zusammenhang mit
der weiteren Entwicklung im Bereich des Gebäudes Schwechater
Straße 38. Die Erreichbarkeit von Spielflächen bei den 6- bis 11Jährigen ist eher schlecht, gilt bei den 12- bis 17-Jährigen hingegen
als gut. Die Versorgung dieser Altersgruppe wird aber überwiegend
durch die Bolzplätze erreicht. Kritisch ist, dass für Mädchen im gesamten Stadtteil keine attraktiven Freiräume zur Verfügung stehen.
Insgesamt kommt dem Pausenhof der Gesamtschule bei der Versorgung mit Spielflächen eine wichtige Rolle zu. Die Qualität des
Pausenbereichs als Spielraum ist allerdings gering und muss verbessert werden.
2.7
Einzelhandel, Dienstleistungen und Gewerbe
2.7.1
Definition der wohnungsnahen Grundversorgung
Eine wichtige städtebauliche Aufgabe ist die Sicherung der Nahversorgung im Stadtteil. Die Diskussion um die Schwierigkeiten der
Kleinfläche im Kampf mit den Handelsketten und die Vorliebe für
die mittlerweile sprichwörtliche „Grüne Wiese“ ist allseits bekannt;
Lösungswege und auch städtebauliche Instrumente greifen leider
nur kurz. Nichtsdestoweniger sind die die Bemühungen um eine
ausgewogene Versorgung der Bevölkerung eine wichtige Zielsetzung der Stadtentwicklung.
In diesem Kapitel soll dargestellt werden, was unter wohnungsnaher Nahversorgung zu verstehen ist und welche Sortimente in einem Stadtteilzentrum angeboten werden sollten. Es wird beschrieben, wie sich die Versorgung in Rentfort-Nord und in Ergänzung
dazu in Alt-Rentfort heute darstellt. Abschließend wird bewertet,
welcher Handlungsbedarf bei Eintreten der unterschiedlichen Entwicklungsperspektiven für das Gebäude Schwechater Straße 38 (Erhalt des Atriums, Neubau des Stadtteilzentrums) besteht.
Städtebauliches Entwicklungskonzept Rentfort-Nord
25
Unter „wohnungsnaher Grundversorgung“ oder „Nahversorgung“
ist die Versorgung der Bevölkerung mit Gütern des täglichen Bedarfs zu verstehen. Hierzu zählen in erster Linie Nahrungs- und Genussmittel einschließlich der Betriebe des Nahrungsmittelhandwerks. Nach dem Einzelhandelserlass ist auch das Angebot an Drogerie- und Kosmetikartikeln nahversorgungsrelevant6, nach der
„Kölner Liste“ sind nahversorgungsrelevante Sortimente vor allem
die Waren des täglichen Bedarfs, insbesondere die Grundversorgung
mit Lebensmitteln. Dies sind: Nahrungsmittel, Getränke, Tabakwaren, Wasch- und Putzmittel, Hygieneartikel, Körperpflegemittel,
Tafel-, Küchen- u. a. Haushaltsgeräte.
Dagegen ist die Definition, was unter wohnungsnah zu verstehen
ist, deutlich schwieriger zu fassen. Sowohl die Planungspraxis als
auch empirische Untersuchungen belegen, dass die wohnungsnahe
Erreichbarkeit im Idealfalle dann gewährleistet ist, wenn maximal
700 m oder 10 Min. Fußweg zwischen Wohnung und Einkaufsgelegenheit zurückzulegen sind. Gerade wegen der hohen Periodizität,
d. h. der Häufigkeit des Einkaufs und der Entfernungsempfindlichkeit, gilt die Forderung, dass Geschäfte, die Nahrungs- und Genussmittel verkaufen, fußläufig erreichbar sein sollten. Die Fußläufigkeit
ist von lokalspezifischen Besonderheiten, Verhaltensmustern der
Kunden und subjektiven Einschätzungen abhängig. Auch der Einzelhandelserlass des Landes Nordrhein-Westfalen geht von der Zielsetzung aus, dass die Nahversorgung für den kurzfristigen Bedarf, insbesondere im Nahrungs- und Genussmittelbereich, in der Regel
noch in einer Gehzeit von 10 Min. möglich sein soll.7 Für die wohnungsnahe Grundversorgung ist festzustellen, dass bei einer Entfernung von mehr als 700 m die Bereitschaft zum fußläufigen Einkaufen erfahrungsgemäß merklich sinkt und Pkw-orientierte Standorte bevorzugt werden, wobei dann oft der Pkw-freundlichere
Standort aufgesucht wird und nicht der am nächsten gelegene.
2.7.2
Aktuelle Bestandserhebung der Verkaufsflächen
Im Sommer 2004 erfolgte im Rahmen der Analyse eine Verkaufsflächenerhebung der Ladenhandelsbetriebe in Rentfort.
Die Versorgungseinrichtungen in Rentfort-Nord liegen fast ausschließlich an der Kirchhellener Straße und im Geschäftszentrum
Schwechater Straße 38. Rund um das Gebäude befinden sich 15 Ladenlokale. Neben den Ladenlokalen werden einige Wohnungen im
Gebäude für Dienstleistungen genutzt, hierzu zählen mehrere Arztpraxen sowie eine Rechtsanwaltskanzlei. Mit dem Extra-Markt als
Magneten stellt das Geschäftszentrum Rentfort-Nord den wichtigsten Nahversorgungsschwerpunkt des Stadtteils dar. Er wird täglich
6
7
Ansiedlung von Einzelhandelsgroßbetrieben; Bauleitplanung und Genehmigung von Vorhaben (Einzelhandelserlass). In: Ministerialblatt für das Land
Nordrhein-Westfalen – Nr. 38 vom 20. Juni 1996. S. 925.
Ansiedlung von Einzelhandelsgroßbetrieben a. a. O. S. 925.
Radius von 700 m gilt als Maßstab
zur Bewertung der wohnungsnahen
Erreichbarkeit
Städtebauliches Entwicklungskonzept Rentfort-Nord
26
von einer großen Kundschaft, sowohl aus Alt-Rentfort als auch aus
Rentfort-Nord, aufgesucht. Zusätzlich zum Angebot der Lebensmittelgeschäfte gibt es wöchentlich einen Markt, der sich jedoch im
Laufe der Jahre verkleinert hat. Auf die bauliche Situation des Geschäftszentrums wird an anderer Stelle ausführlich eingegangen.
Auch Alt-Rentfort wurde in die Betrachtung einbezogen. Der Stadtteil Alt-Rentfort hat seinen dörflichen Charakter bis heute beibehalten können. Im Stadtteil leben heute 4.766 Einwohner. Er besitzt
kein Zentrum, in dem sich der Einzelhandel konzentriert. Ein kleiner
Einzelhandelsschwerpunkt liegt an und um die Hegestraße, jedoch
bilden die Geschäfte keine einheitliche Lauflage. Hier befinden sich
zwei Bäckereien, ein Lebensmittel- und ein Drogeriediscounter sowie ein Bekleidungsgeschäft, ein kleiner Schreibwarenladen, ein
Kiosk und sonstige nahversorgungsrelevante Dienstleistungen, wie
z.B. ein Pflegedienst, ein Sonnenstudio, ein Friseur und Gastronomie.
Auch auf der Kampstraße befinden sich einige nahversorgungsrelevante Dienstleister, wie zwei Versicherungsagenturen, ein Bestattungsunternehmen, eine Reinigung und ein Friseur. Eine Apotheke
liegt in unmittelbar Nähe zur Hegestraße. An der Kirchhellener
Straße und ihrer Verlängerung, der Sandstraße, liegen ebenfalls
großräumig verteilt eine Bäckerei, eine Apotheke, eine VolksbankFiliale, ein Bekleidungsgeschäft, zwei Tankstellen und ein Kiosk sowie zwei Gastronomiebetriebe und ein großflächiger Bürofachmarkt. In der Nähe des Rentforter Friedhofs befinden sich zwei Blumenläden.
In der Haldenstraße liegt ein gewerblicher Schwerpunkt, hier konzentrieren sich z. B. mehrere Autohäuser sowie einige handwerkliche Betriebe.
Bei Ortsbegehungen wurden die Verkaufsflächen nach Standorten
und Branchengruppen/Sortimenten ermittelt, d. h. wenn ein Unternehmen nicht einer Branchengruppe zugeordnet werden konnte,
wurden die Verkaufsflächen entsprechend den geführten Sortimenten aufgeteilt.
Tabelle 2
Verkaufsflächen in Gladbeck-Rentfort nach Branchengruppen 2004
Branchengruppe
1
Nahrungs- und Genussmittel
2
Gesundheit, Körperpflege
3
Papier, Bücher, Schreibwaren
4
Blumen, Samen, Zoo, Gartenbedarf
5
Bekleidung, Textilien, Schuhe
Insgesamt
Rentfort
Nord
AltRentfort
Rentfort
Gesamt
1.640
875
2.515
125
140
265
330
330
230
290
140
140
1.715
3.540
60
1.825
Quelle: Stadt- und Regionalplanung Dr. Paul G. Jansen GmbH, Verkaufsflächenerhebung August/September 2004.
Städtebauliches Entwicklungskonzept Rentfort-Nord
27
Bei der Erhebung wurden gut 3.500 qm Verkaufsfläche erfasst. Auf
jeden Rentforter Bürger (Alt und Nord) entfällt damit eine Einzelhandelsverkaufsfläche von 0,28 qm. Im Bundesdurchschnitt liegt
dieser Wert bei 1,3 qm8 (jeweils ohne Ladenhandwerk). Ausschlaggebend ist jedoch nicht der Gesamtwert für alle Sortimente, sondern für diejenigen, die für ein Stadtteilzentrum erforderlich sind.
Hier liegt jedoch kein bundesdurchschnittlicher Wert vor. Daher
wird als Indikator der Versorgungsgrad mit Lebensmitteln herangezogen.
Im Bundesgebiet liegt die durchschnittliche Verkaufsfläche der Lebensmittelgeschäfte (ohne Getränkemärkte und ohne Bäckereien
und Metzgereien), umgerechnet auf die zu versorgende Bevölkerung, bei 0,32 qm je Einwohner. In Rentfort-Nord liegt dieser Kennwert unter 0,2 qm, so dass man hier von einer durchaus verbesserungswürdigen Situation sprechen kann. Für Alt-Rentfort fällt dieser
Wert noch etwas niedriger aus. Allerdings sind hier immer die Versorgungsangebote im Einzugsbereich sowie die periphere Lage des
Lebensmittelhandels und die Verhaltensmuster der Bewohner zu
berücksichtigen. So wird die Versorgungslage im Stadtteil mit dem
Schwerpunkt Schwechater Straße von den Teilnehmern einer Expertenrunde als durchaus ausreichend bewertet. Auch die Bewohner
bewerten die Versorgungslage als durchweg gut, so dass die unterdurchschnittliche rechnerische Zahl relativiert werden kann.
2.7.3
Aktuelle Bestandserhebung der wohnungsnahen
Dienstleistungen
Neben dem Einzelhandel gewinnen wohnungsnahe Dienstleistungen vor allem in einer älter werdenden Gesellschaft an Bedeutung.
Im Geschäftszentrum Rentfort-Nord wurden ein Friseur, ein Sonnenstudio, mehrere Imbiss-Stuben, ein Quelle-Shop, eine Spielhalle
und eine Post-/Lotto-Toto-Annahmestelle erfasst. In der Summe mit
Extra, der Apotheke und den weiteren Geschäften und Dienstleistungen erscheint das Angebot zunächst nicht schlecht. Relevant ist
jedoch auch das Zusammenspiel des Sortiments mit dem Niveau der
Geschäfte, dem Erscheinungsbild sowie Erreichbarkeit und Kundenfreundlichkeit. So ist das Atrium mit den Geschäften nach innen
orientiert, was die Erreichbarkeit und Präsentation der Geschäfte
deutlich erschwert. Der zunehmende Leerstand vermittelt ein negatives Gesamterscheinungsbild.
Hier wird von verschiedener Seite großer Handlungsbedarf gesehen.
So besteht der Wunsch, das Geschäftszentrum baulich stärker zu
öffnen. Im Innenhof gibt es zwar Verweilmöglichkeiten, dieser Bereich wird jedoch kaum genutzt. Trotz mehrerer Imbisse bzw. Gastronomiebetriebe fehlt es zudem an einer Treffmöglichkeit, wie z. B.
einem Café. Außerdem wird eine stärkere Anbindung des Stadtteil-
8
Handelsmagazin BAG 7 - 8/2001. S. 22.
Zunehmender Leerstand
Städtebauliches Entwicklungskonzept Rentfort-Nord
28
zentrums zum Neubaugebiet Uechtmannstraße im Nordwesten des
Stadtteils gewünscht, um Kaufkraft abzuschöpfen, denn die überwiegende Zahl der Bewohner des Neubaugebiets nutzt zum Einkaufen das Auto und orientiert sich zu anderen Standorten, wie z. B.
nach Kirchhellen.
Zudem ist das Geschäftszentrum durch die Geiselnahme von 1988,
die hier ihren Anfang nahm, in die Schlagzeilen geraten. Um dem
allgemeinen Negativtrend entgegenzuwirken, hat sich vor rund fünf
Jahren die Interessengemeinschaft Rentfort-Nord gegründet, die
durch entsprechende Maßnahmen versucht, die Sicherheit, Sauberkeit und Attraktivität zu verbessern. Durch Kontrollgänge der Polizei
hat sich die Situation in den vergangenen beiden Jahren bereits verbessert. Auch die Präsenz des Stadtteilbüros trägt zur Verbesserung
bei. Zu den Aktivitäten der Interessengemeinschaft zählen auch die
Organisation von Stadtteilfesten, der Anstrich des Innenhofs sowie
die Bepflanzung und Pflege des Umfelds. 2003 wurde von einer Gewerbetreibenden zudem ein so genannter „Dreck-Weg-Tag“ organisiert.
In Alt-Rentfort sind verschiedene wohnungsnahe Dienstleister erfasst worden (drei häusliche Krankenpflegedienste, drei Friseure, ein
Sonnenstudio, ein Bestattungsunternehmen sowie acht Gaststätten
bzw. Imbissstuben). Hinzu kommt eine Reihe von Autohäusern und
Kfz-Werkstätten die sich an der Haldenstraße konzentrieren.
2.7.4
Zusammenfassende Bewertung des Einzelhandels
Auch wenn die flächenmäßige Betrachtung und Anzahl der Betriebe
im ersten Augenblick, bestätigt durch die derzeitige Einschätzung
der Bewohner, als durchaus zufrieden stellend bewertet werden
kann, besteht aus gutachtlicher Sicht Handlungsbedarf. Folgende
Punkte sind zu nennen:
ƒ
Der bauliche Zustand des Geschäftszentrums Rentfort-Nord
erfüllt nicht mehr die Anforderungen an ein modernes Nahversorgungszentrum. Die Verkaufsflächen sind für leistungsstarke
Anbieter zu klein. Die Präsentation der Geschäfte ist als sehr
verbesserungswürdig einzustufen; es entsteht der Eindruck, als
hätten einige Betriebe bereits aufgegeben. Die fußläufige Erreichbarkeit ist nur über den Parkplatz gegeben. Das gesamte
Geschäftszentrum und die Einrichtung vieler Geschäfte bedarf
einer neuen modernen Struktur und Gestaltung.
ƒ
Der Geschäftsbesatz muss sich mit den Anforderungen der Bewohner verändern. Neben dem Extra-Markt und der Apotheke
sowie dem Schlecker ist ein leistungsstärkerer Drogeriemarkt
wünschenswert.
ƒ
Das Umfeld des Stadtteilzentrums, der Parkplatz und die Zuwegung sind ebenfalls erneuerungsbedürftig. Auch hier dominiert
der Charme des „Vergangenen“.
Geschäftszentrum Rentfort-Nord
Städtebauliches Entwicklungskonzept Rentfort-Nord
2.8
29
Bewertung des Stadtteils und Wünsche aus Sicht der
Bevölkerung 9
In den Gesprächen und Haustürbefragungen wurden Stärken und
Schwächen und somit die dringendsten Veränderungsbedarfe deutlich. Zu den negativen Aspekten im Stadtteil zählt das Hochhaus an
der Schwechater Straße 38. Hier wünscht sich eine Vielzahl der Befragten den Abriss des Hochhauses sowie eine Attraktivierung der
Ladenpassage. Ein Wunsch, der dabei häufig geäußert wurde, war
ein Begegnungs- und Kommunikationsort in Form eines Cafés oder
Bistros. Darüber hinaus kritisierten die Befragten die mangelnde
Sauberkeit in den öffentlichen Grünanlagen.
Bei der Befragung wurde jedoch auch deutlich, dass die Parks bzw.
Grünanlagen eine der größten Stärken des Stadtteils sind. Für eine
Verbesserung der Nutzungsmöglichkeiten sind jedoch Gestaltungsmaßnahmen erforderlich. Generell sollte auch das Freizeitangebot für Kinder und Jugendliche erweitert bzw. verbessert werden.
Positiv ist die von den befragten Bewohnern beobachtete Verbesserung im Bereich der Sicherheit seit dem vergangenen Jahr. Die Konflikte scheinen sich reduziert zu haben. Dies lässt sich auf eine verstärkte Polizeipräsenz, vor allem im Bereich des Geschäftszentrums
Schwechater Straße 38, zurückführen.
Positiv anzumerken ist ebenso, dass sich aus Sicht der Experten das
Image des Stadtteils in den vergangenen Jahrzehnten insgesamt
verbessert hat. Nach dem Bau des Quartiers in den 60er Jahren
wurde der Stadtteil als „Retortenstadt“ eher kritisch bewertet. Inzwischen hat sich diese Haltung gegenüber dem Stadtteil verbessert
bzw. normalisiert. Viele meinen aber, dass das Hochhaus Schwechater Straße 38 das Image des Stadtteils derzeit sehr negativ beeinflusst.
Einige vermissen auch ein „Wir-Gefühl“ in Rentfort-Nord, vor allem
verglichen mit dem benachbarten Alt-Rentfort, wo das Miteinander
durch gewachsene, dörfliche Strukturen geprägt ist.
2.9
Zusammenfassende Übersicht über die Stärken und
Schwächen des Stadtteils
2.9.1
Wohnen, Wohnumfeld und Grün
Stärken
ƒ
Gute Verkehrsanbindung sowohl für den Individualverkehr als
auch für den ÖPNV
ƒ
Landschaftlich reizvolle Lage. Die Nähe zum Münsterland bietet
ein großes Potential für Erholung und Freizeitaktivitäten
9
Genaue Auswertung der Bewohnerbefragung und der Haustürgespräche
siehe Anhang.
Nahe gelegene Grünanlage
Städtebauliches Entwicklungskonzept Rentfort-Nord
30
ƒ
Durchmischung des Quartiers mit unterschiedlichen Bauformen
bietet eine Chance für soziale Mischung
ƒ
Starke Durchgrünung des gesamten Quartiers. Hierzu zählen
insbesondere die grünen Trittsteine, die quer durch das Gebiet
von Osten nach Westen verlaufen, Baumalleen entlang der
Straßenzüge und die Parkanlage nördlich des Altenzentrums
Schwächen
ƒ
Das Gebäude Schwechater Straße 38 und die Ladenpassage zeigen gravierende bauliche Mängel. Es besteht zudem die Gefahr,
dass durch das Gebäude nach und nach die umliegende Bebauung in ihrer Attraktivität geschwächt wird, die Investitionsbereitschaft der Eigentümer dieser Gebäude sinkt und somit eine
Abwärtsspirale für den gesamten Stadtteil in Gang gesetzt wird.
Die Problemsituation wird in Kapitel 6 im Detail beschrieben
ƒ
Neben der Schwechater Straße 38 zeigen weitere Gebäude im
Geschosswohnungsbau bauliche Mängel auf
ƒ
Defizite im Bereich der Gesamtschule sind ein hoher Versiegelungsgrad, eine triste graue Fassadengestaltung und Vandalismus. Massive Betonübergänge mit dunklen Winkeln, die insbesondere nachts nur schwer einsehbar sind, stellen einen Angstraum dar
ƒ
Die Sporthalle weist erhebliche bauliche Mängel auf
ƒ
Mangelnde Sauberkeit bzw. mangelnde Pflege sowohl im Bereich öffentlicher als auch privater Flächen
ƒ
Öffentlichen Grünflächen fehlt eine Nutzungsqualität für Spiel,
Sport und Verweilen
ƒ
Fehlende Wegebeziehungen bzw. Vernetzung zwischen den
einzelnen Teilbereichen im Stadtteil sowie den Grünflächen. Die
Anbindung für Fußgänger an das Neubaugebiet ist unzureichend
ƒ
Aufgrund des entspannten Wohnungsmarkts wird im Geschosswohnungsbau auch an „schwierigere“ Mieter vermietet.
Die Mieterstruktur wird dadurch zunehmend instabil
Städtebauliches Entwicklungskonzept Rentfort-Nord
2.9.2
Kinder und Jugendliche
Stärken
ƒ
Angebote des Freizeittreffs Rentfort-Nord sowie von kirchlichen
Einrichtungen
ƒ
Breites Bildungsangebot an der Ingeborg-Drewitz-Gesamtschule
ƒ
Betreuungsmöglichkeiten für Kinder in drei Kindergärten
Schwächen
ƒ
Der Standort des Freizeittreffs weist durch die Lage im Kellergeschoss erhebliche Defizite auf
ƒ
Fehlende Freizeitangebote und Unterversorgung an Spielflächen
für Kinder
ƒ
Fehlende Freizeitmöglichkeiten insbesondere für Jugendliche ab
14 Jahren
ƒ
Fehlende Betreuungsmöglichkeiten für Kinder unter drei Jahren
ƒ
Für Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund bestehen
im Vergleich zu anderen Stadtteilen keine eigenen Anlaufstellen, wie z. B. ein Moscheeverein
2.9.3
Image und Nachbarschaften
Stärken
ƒ
Das Image hat sich in den vergangenen Jahrzehnten verbessert.
In den 60er Jahren wurde der Stadtteil noch als „Retortenstadt“
bezeichnet. Inzwischen hat sich die Einstellung der übrigen Bevölkerung Gladbecks gegenüber dem Stadtteil normalisiert
ƒ
Bereits heute ist ein Stadtteilbüro vor Ort
Schwächen
ƒ
Lage und „Komm-Struktur“ des Stadtteilbüros
ƒ
Der Gebäudekomplex Schwechater Straße 38 beeinflusst die
Wohn- und Lebenssituation im Stadtteil zunehmend negativ
ƒ
Es fehlt an Treffmöglichkeiten für Bewohner außerhalb der
kirchlichen Einrichtungen
ƒ
Mieterstruktur im Geschosswohnungsbau wird zunehmend
instabil (s. auch Schwächen „Wohnen“)
ƒ
Ein „Wir-Gefühl“ fehlt
ƒ
Auch wenn nur 6,5 % der gemeldeten kriminellen Aktivitäten in
Rentfort-Nord begangen werden, fühlen sich viele Bewohner vor
allem im Bereich der Gesamtschule und dem Geschäftszentrum
nicht ausreichend sicher
ƒ
Abschottung der Bewohner der Einfamilienhausgebiete gegenüber denen aus den Geschosswohnungsbauten. Es besteht die
Gefahr der Entwicklung von „Gated Communities“
31
Städtebauliches Entwicklungskonzept Rentfort-Nord
32
2.9.4
Einzelhandel und Versorgung
Stärken
ƒ
Fußläufige Erreichbarkeit
ƒ
Ausreichende Anzahl Parkplätze
ƒ
Breite Angebotsstruktur mit einem hohen Potential für ergänzende Angebote
ƒ
Das Geschäftszentrum bietet derzeit rund 114 Arbeitsplätze
ƒ
Kaufkraftpotential der älteren Rentforter (Rentfort-Nord und
Rentfort-Alt)
ƒ
Grünes Umfeld
Schwächen
ƒ
Unattraktive Gestaltung des Geschäftszentrums Rentfort-Nord,
vor allem im Bereich des Innenhofs fehlt es an Aufenthaltsqualität
ƒ
Funktionsverlust des Geschäftszentrums durch eine steigende
Anzahl an Leerständen. Die Vermietung wird aufgrund der „ungewissen Zukunft“ des Gebäudekomplexes zunehmend schwieriger
ƒ
Aggressives Verhalten von einzelnen Jugendcliquen vertreibt
Kunden
ƒ
Wochenmarkt verliert zunehmend an Bedeutung
2.10
Fazit
Die Darstellung des Stadtteils zeigt, dass die Problemstruktur denen
vieler Großwohnsiedlungen der 60er Jahre gleicht. Die Analyse hat
zahlreiche Handlungsfelder und Problembereiche, aber auch Entwicklungspotentiale in Rentfort-Nord aufgezeigt. Deutlich ist, dass
die Probleme vielseitig sind und Maßnahmenansätze ineinander
greifen müssen, so dass ein integratives Arbeiten Hand in Hand erforderlich sein wird, um den Stadtteil wieder aufzuwerten.
Im Folgenden werden grundlegende Kriterien für die Stadtteilarbeit
zusammengestellt, die auch aus Sicht der Landesregierung wichtige
Handlungsrichtlinien darstellen. Danach werden in den anschließenden Kapiteln die einzelnen Arbeitsfelder mit Projektideen aufgefüllt, die im Rahmen der Stadtteilarbeit in Rentfort-Nord zu leisten
sind. Es soll an dieser Stelle darauf hingewiesen werden, dass erfahrungsgemäß nicht alle Probleme gleichzeitig zu bewältigen sind
und dass erfolgreiche Stadtteilarbeit nicht von heute auf morgen
erreicht werden kann.
Städtebauliches Entwicklungskonzept Rentfort-Nord
3
Organisation des Stadtteilerneuerungsprozesses
3.1
Was ist grundsätzlich zu tun?
33
Um den Stadtteil mit seinen beschriebenen Problem- und Benachteiligungsstrukturen nachhaltig aufzuwerten und das Leben in
Rentfort-Nord für alle Menschen wieder attraktiv zu machen, sind
sowohl kurzfristige als auch langfristige Maßnahmen erforderlich.
Dazu werden im Folgenden verschiedene Handlungsfelder beschrieben. Innerhalb der Handlungsfelder werden die erforderlichen
Maßnahmen und Einzelprojekte benannt. Grundsätzlich liegt zwar
der Fokus auf der Verbesserung der baulichen Strukturen. Dennoch
wird der Stadt Gladbeck empfohlen, auch flankierende soziale und
imagefördernde Maßnahmen durchzuführen.
Vorab sollen Zielvereinbarungen formuliert werden; sie besitzen im
Prozess der Stadtteilerneuerung wichtige steuernde Funktionen.
Dabei sollte die Zielformulierung immer auch als offener Prozess
verstanden werden, denn Vieles wird sich erfahrungsgemäß erst im
Laufe der Bearbeitungszeit konkretisieren. Die Einigung auf bestimmte Kriterien, die die Stadteilentwicklung erfüllen muss, hilft
aber im weiteren Prozess, die Diskussion und Projektarbeit zielorientiert zu gestalten. Wichtige Ziele sind:
ƒ
Das Wohnen und Leben im Stadtteil muss durch nachhaltige
städtebauliche und bauliche Strukturen gestärkt werden. Der
Stadtteil soll durch bauliche Veränderungen Impulse für eine
zeitgemäße Stadtteilerneuerung bekommen
ƒ
Die Infrastruktur ist den Anforderungen an den demografischen
Wandel anzupassen. Sie ist multifunktional auszurichten
ƒ
Ein Stadtteilmanagement soll vor allem stadtstrukturelle Projekte zur Verbesserung der vorhandenen baulichen, sozialen und
räumlichen Struktur durchführen
ƒ
Eigentümer und Wohnungsbaugesellschaften sind maßgeblich
zur Eigeninitiative zu veranlassen. Die Stadtteilarbeit soll um
privatwirtschaftliche Unterstützung werben
ƒ
Alle Verbesserungen im Stadtteil werden durch entsprechende
Öffentlichkeitsarbeit begleitet, um dem Negativimage des
Stadtteils entgegenzuwirken. Die Bewohner sollen maßgeblich
an den Projekten beteiligt werden
ƒ
Ressortübergreifendes Arbeiten auf Seiten der Verwaltung ist
notwendig
Erforderlich ist es, einen Konsens zwischen Politik, Bewohnerschaft
und Verwaltung herbeizuführen. Der Erfolg der Stadtteilerneuerung
bzw. die Effektivität der Arbeit wird von diesem gemeinschaftlichen
Verständnis abhängen.
Ziele vereinbaren
Konsens zwischen Politik, Bewohnerschaft und Verwaltung erforderlich
Städtebauliches Entwicklungskonzept Rentfort-Nord
34
3.2
Basis für die Stadtteilarbeit - Verlagerung des
Stadtteilbüros und Weiterentwicklung des Konzepts
Bei allen folgenden Maßnahmen wird sich zeigen, dass eine verantwortliche Koordinierungsstelle erforderlich ist, von der aus die Projekte angestoßen, koordiniert und umgesetzt werden. Es ist davon
auszugehen, dass das erforderliche Zeitbudget weit über die Möglichkeiten der Stadtverwaltung hinausgeht. Daher wird von gutachtlicher Seite die Einrichtung eines Stadtteilmanagements mit stadtplanerischer Qualifikation in Ergänzung zum bestehenden Stadtteilbüro des Sozialdezernats empfohlen. Das Stadtteilmanagement
bzw. Quartiersmanagement stellt den zentralen Dreh- und Angelpunkt innerhalb der integrierten Stadtteilerneuerung dar.
Umzug in ein leeres Ladenlokal
Wichtigste Aufgabe: Initiierung von
Sanierungsmaßnahmen in den
Geschosswohnungsbauten
Das heutige Stadtteilbüro in Rentfort-Nord bildet bereits heute eine
wichtige Anlaufstelle im Stadtteil. Als schwierig erweist sich bisher
jedoch seine Lage im ersten Geschoss des Gebäudes Schwechater
Straße 38. Hierdurch bleibt es für viele Stadtteilbewohner „unentdeckt“. Der Umzug, z. B. in ein leer stehendes Ladenlokal, wird dringend empfohlen; dadurch könnte mehr Aufmerksamkeit erzielt
werden und das Angebot würde mehr Bewohner erreichen. Zusätzlich ist das derzeitige Konzept mit seiner bisherigen „KommStruktur“ weiterzuentwickeln. Das Stadtteilbüro sollte mehr in Richtung Initiierung, Begleitung, Beratung und Vernetzung von Prozessen arbeiten. Wichtigste Aufgabe wird das Initiieren von baulichen
Sanierungsmaßnahmen in den Geschosswohnungsbauten sein.
Vom Stadtteilmanagement ist eine intensive Zusammenarbeit mit
den Eigentümern und Wohnungsbaugesellschaften anzustoßen. Als
weitere Aufgabenbereiche sind Öffentlichkeitsarbeit und Identität
stiftende Maßnahmen, wie z. B. ein Ideenwettbewerb für einen griffigen Slogan für den Stadtteil, zu nennen. Entscheidend für die weitere Arbeit ist, dass neben den beiden Mitarbeiterinnen ein „Kümmerer“ bzw. ein Stadtteilmanager die Stadtteilarbeit unterstützt,
der sowohl ein „offenes Ohr“ für die Bewohner hat, als auch als
Schnittstelle zur Verwaltung dient.
Ein weiterer Aufgabenbereich des Stadtteilmanagers ist die Akquise
von Sponsoren außerhalb des Geschäftszentrums. Gerade in Zeiten
finanzieller Engpässe ist es erforderlich, die Privaten vor Ort einzubeziehen. So sind z. B. Gestaltungsmaßnahmen auf Spielplätzen
gemeinsam mit Steinmetzen und Tischlern möglich, Garten- und
Baumärkte könnten Pflanzen für Pflanzaktionen „spendieren“ oder
ein Ingenieurbüro für Tiefbau das Wasserspiel im Brunnen für einen
bestimmten Zeitraum finanzieren.
3.3
Federführung liegt beim Amt für
Stadtplanung
Arbeitsstrukturen
Die Federführung und Projektleitung aller Maßnahmen für den
Stadtteil liegt beim Amt für Stadtplanung und Bauaufsicht in Kooperation mit dem Sozialamt. In einer regelmäßig stattfindenden
dezernatsübergreifenden Lenkungsgruppe erfolgt die Information
Städtebauliches Entwicklungskonzept Rentfort-Nord
35
und Abstimmung von Projekten und Arbeitsschritten. Die Initiierung, Koordinierung und Umsetzung liegt beim Stadtteilmanager.
Im Stadtteilbüro werden alle Maßnahmen aufeinander abgestimmt,
Zielsetzungen für Teilschritte formuliert sowie deren Einhaltung
kontrolliert und Beteiligungsprozesse gestartet. Unterstützt wird
das Büro durch Externe, die planerisches Know-how liefern, planerische und moderative Aufgaben übernehmen sowie Sanierungsmaßnahmen vor Ort begleiten.
Neben den Verantwortlichen in der Verwaltung bzw. im Stadtteilbüro werden zahlreiche Kooperationspartner an den gemeinsamen
Zielen arbeiten. Hier sind der Gesprächskreis Schwechater Straße 38,
die Interessengemeinschaft Rentfort-Nord, Hausverwaltungen und
Kirchen zu nennen. Darüber hinaus werden u. a. Polizei, Arbeiterwohlfahrt und Beschäftigungsträger in die Arbeit bzw. Beteiligungsprozesse integriert. Eine besondere Bedeutung kommt der
Gesamtschule zu. Hier werden durch vielfältige Kooperationen und
Maßnahmen Kinder und Jugendliche gefördert. Weiteres Ziel ist die
Verbesserung der Beschäftigungssituation von Jugendlichen. Im
Bereich Soziales sollen neben der Schaffung von Betreuungs- und
Freizeitangeboten vor allem die Ursachen der Benachteiligung bekämpft werden.
Zahlreiche Kooperationspartner
Die bürgernahe Diskussion der Stadtteilerneuerung bzw. die Beteiligung der Bürger erfolgt in Arbeitskreisen, projektspezifisch und in
Stadtteilkonferenzen.
Bürgerbeteiligung
3.4
Controlling
Zur Steuerung des Stadtteilerneuerungsprozesses ist ein Controlling
erforderlich, um die Zielerreichung zu prüfen, eventuelle Stolpersteine aus dem Weg zu räumen und die Weiterführung bzw. Weiterentwicklung von Projekten nachhaltig zu gestalten. Eine „Messung“ des Erfolgs ist grundsätzlich schwierig und lässt sich nur auf
der Ebene der Einzelmaßnahmen erreichen. Entscheidend für die
Erfolgskontrolle ist die Festlegung von Indikatoren, aus denen sich
die „Wirksamkeit“ der Maßnahme ableiten lässt. Grundsätzlich
müssen die Ergebnisse im Team reflektiert werden. Für die Akzeptanz ist entscheidend, dass allen beteiligten Akteuren der Nutzen
für die eigene Arbeit vermittelt und deutlich gemacht wird, dass sie
nicht persönlich in den Mittelpunkt der Betrachtung gestellt werden.
Ein Baustein ist zunächst eine kleinräumige Sozialberichterstattung
für den Stadtteil Rentfort-Nord, möglicherweise auch für das gesamte Stadtgebiet von Gladbeck. Die erforderlichen Daten liegen
zum größten Teil bereits vor, sie müssten jedoch zusammengeführt
und entsprechend der gesamtstädtischen Entwicklung analysiert
werden. Hierzu zählen Bevölkerungsdaten, Zuwanderung/Fortzüge,
Sozialhilfeempfänger, unterschieden nach Nationalität, Alter und
Sozialberichterstattung
Städtebauliches Entwicklungskonzept Rentfort-Nord
36
Geschlecht,
Jugendhilfe.
Arbeitslosigkeit,
Kinderbetreuungsangebote
und
Bewohner- und Expertenbefragung
Es empfiehlt sich, im Abstand von etwa zwei Jahren eine Bewohnerbefragung durchzuführen. Mit Hilfe eines Gesprächsleitfadens können persönliche Gespräche geführt werden, um auch diejenigen zu
erreichen, die erfahrungsgemäß weniger bereit sind, sich an schriftlichen Befragungen zu beteiligen. Mit Hilfe der Befragung lassen
sich sowohl die Entwicklungen zum Image, der Sicherheit und de,
Zusammenleben ermitteln als auch projektbezogene Fragen thematisieren – Welche Projekte sind bekannt, welches Projekt wird als
besonders positiv bewertet? Eine weitere qualitative Bewertung
wird aufgrund der schriftlichen Befragung von Akteuren aus Politik,
Schule und Gemeinwesen möglich sein. Die Auswertung wird eine
Einschätzung darüber ermöglichen, welchen Einfluss die Projektarbeit auf die Arbeit der Akteure im Stadtteil hat und wie die Projekte
bewertet werden.
Bewertung der Qualität aus Sicht
der Projektbeteiligten
Anhand eines Projektberichts wird es schließlich möglich sein, eine
Einschätzung der Qualität der einzelnen Maßnahmen aus Sicht derjenigen zu erhalten, die sie durchführen. Anhand eines Bewertungsbogens erfolgt ein Kurzbericht der Projektleiter. Wichtig ist dabei
ebenfalls, dass im Vorfeld Vertrauen geschaffen wird, bedeuten die
Angaben doch auch eine Überprüfung der Leistungen des Befragten.
Die unterschiedlichen Daten und Befragungsergebnisse werden
vom Stadtteilbüro mit Unterstützung verschiedener Ressorts zusammengestellt und durch ein externes Büro ausgewertet. Die Reflexion erfolgt in einem Workshop mit der Lenkungsgruppe. Durch
die externe Unterstützung und Moderation wird es möglich sein, die
Ergebnisse auf einer möglichst neutralen Ebene zu reflektieren und
gemeinsam Verbesserungsvorschläge zu erarbeiten. Die Ergebnisse
werden an die politischen Gremien weitergeleitet.
Städtebauliches Entwicklungskonzept Rentfort-Nord
4
Handlungsfeld städtebauliche Entwicklung und
öffentlicher Raum
4.1
Einführung in die Thematik
37
Die städtebauliche Struktur des Stadtteils muss weiterentwickelt
und der bauliche Zustand einzelner Gebäude verbessert werden. Zu
diesem Gesamtpaket zählen sowohl die Geschosswohnungsbauten
und Wegebeziehungen als auch die Parkraum- und Freiraumgestaltung. Eine große Stärke des Stadtteils ist die Lage im Grünen. Um
das Wohnen im Geschosswohnungsbau insbesondere für junge
Familien und finanzkräftigere Bewohner interessant zu machen,
muss dieses Potential genutzt werden. Ziel sollte sein, nutzerfreundlich gestaltete Frei- und Erholungsflächen für Erwachsene sowie
zeitgemäße Spiel- und Bewegungsräume für Kinder und Jugendliche zu schaffen. Bei der Planung sind alle interessierten Bewohner,
insbesondere Kinder und Jugendliche, zu beteiligen.
Im Geschosswohnungsbau gilt es zu differenzieren, welche Bereiche
als instabil gelten und aufgrund der Entwicklungen auf dem Wohnungsmarkt mittel- bis langfristig nicht mehr nachgefragt werden.
Insbesondere muss detailliert geprüft werden, wie im Bereich der
Schwechater Straße die Funktion des Stadtteilzentrums gestärkt
und eine attraktive Stadtteilmitte geschaffen werden kann. Dazu
wird der städtebauliche Rahmenplan die grundlegenden Entwicklungspotentiale und Rahmenbedingungen sowie Alternativvorschläge herausarbeiten.
4.2
Leitbild für den Stadtteil
Die Stadt Gladbeck hat als Ziel des Masterplans zur Gestaltung der
Freiräume Gladbecks das Leitbild „Familienfreundliche Stadt“ entwickelt. Dabei ist die „Versorgung und nachhaltige Sicherung von
Freiräumen für alle Altersgruppen“ ein Teilziel. Dieses Leitbild lässt
sich auch sinnvoll auf die erforderlichen städtebaulichen Maßnahmen in Rentfort-Nord übertragen. Um mit dem Leitbild konkrete
Zielvereinbarungen und Gestaltungskriterien verknüpfen zu können, bedarf es jedoch noch einer weiteren Konkretisierung. Was
bedeutet Familienfreundlichkeit? Dazu zählen erschwingliche Mieten und flexible Wohnungsgrundrisse. Weitere Teilziele einer familienfreundlichen Stadt sind zudem Betreuungsmöglichkeiten und
Möglichkeiten der Kommunikation im Freiraum, umfassende Förderung von Kindern und Jugendlichen sowie barrierefreie Räume. Ziel
sollte es sein, aus diesem Leitbild gestalterische Elemente abzuleiten, die eine gemeinsame Identität der Bewohner und die Identifikation mit dem Stadtteil fördern. Hierzu werden im Städtebaulichen
Rahmenplan konkrete Ansätze zu erarbeiten sein.
Familienfreundliche Stadt
Städtebauliches Entwicklungskonzept Rentfort-Nord
38
4.3
Städtebaulicher Rahmenplan
Ziel des Rahmenplans ist die Darstellung der Analyse bzw. der hier
im Konzept erarbeiteten Maßnahmen. Dabei sind die konkreten
Zielvereinbarungen und Gestaltungskriterien, u. a. in Bezug auf die
„Familienfreundlichkeit“, miteinander zu verknüpfen. Durch den
Rahmenplan soll ein schlüssiges Gesamtkonzept mit Leitlinien entwickelt werden, nach denen künftige Projekte und Maßnahmen
bewertet, eingeordnet und ausgeführt werden können. Letztlich
sollten alle künftigen Planungsschritte und Maßnahmen zum Ziel
haben, das Image nachhaltig aufzuwerten und die Identifikation der
Bewohner mit ihrem Stadtteil zu stärken.
Die planerisch durchzuführenden Maßnahmen werden konkretisiert, bisherige Maßnahmenansätze vervollständigt und skizzenhaft
dargestellt. Der Rahmenplan wird nach folgenden Themen gegliedert:
ƒ
Infrastruktur (soziale sowie technische)
ƒ
Gebäudebestand/-zustand
ƒ
Privater Freiraum
ƒ
Öffentlicher Raum
ƒ
Spiel- und Freiflächen
ƒ
Grünraum und Anbindung
ƒ
Verkehr und Erreichbarkeit
Der städtebauliche Rahmenplan untersucht aufbauend auf diesem
Konzept, wie stadträumliche Zusammenhänge verbessert und städtebauliche Defizite ausgeglichen werden können.
Das Thema Licht wird sowohl unter dem Aspekt Sicherheit als auch
im Rahmen gestalterischer Maßnahmen, z. B. zur Inszenierung von
Plätzen, der Wegeführung oder im Rahmen der Umgestaltung von
Außenanlagen und Eingangbereichen der Häuser, in die Planung
integriert.
Es empfiehlt sich, das Freiraumkonzept an die Vorgaben des Leitbilds zum Masterplan „Versorgung und nachhaltige Sicherung von
Freiräumen für alle Altersgruppen“ anzulehnen. Berücksichtigt werden dabei im Einzelnen:
ƒ
Spiel- und Aufenthaltsbereiche für Kleinkinder, Kinder sowie
Jugendliche
ƒ
Freizeit- und Aufenthaltsbereiche für Mädchen
ƒ
Treffmöglichkeiten und Aufenthaltsbereiche für Senioren und
Familien
Es wird geprüft, welche Handlungs- und damit Mitgestaltungsmöglichkeiten seitens der Bewohner bei den einzelnen Maßnahmen
bestehen. Dies ist wichtig, weil die Bewohner nur an den Planungen
Städtebauliches Entwicklungskonzept Rentfort-Nord
39
beteiligt werden sollten, bei denen Planungsalternativen vorhanden
sind, die dann auch umgesetzt werden können. Wenn nur eine Lösung technisch möglich und realisierbar ist, ist die Diskussion für die
Bewohner und Beteiligten wenig ergiebig. Teil des Rahmenplans
wird eine Prioritätenliste sein, in der eine (vorläufige) Reihenfolge
der einzelnen Schritte beschrieben ist.
Der Rahmenplan schließt mit einer Prioritätenliste und einem vorläufigen Zeitplan für die Umsetzung der Maßnahmen.
4.4
Sport- und offene Freizeitangebote
In der quantitativen Versorgung mit Freiräumen für Kinder und
Mädchen bestehen Defizite. Bei Gesprächen mit Experten wurden
Möglichkeiten zum Inline- und Skateboardfahren gewünscht. Durch
das Aufstellen einer Halfpipe im Bereich der Turnhalle oder Gesamtschule könnte dies umgesetzt werden. Eingeweiht werden könnte
die Halfpipe mit einer kleinen Meisterschaft, die durch den Freizeittreff organisiert wird. Hierdurch wird das „Ansehen“ des Stadtteils
unter den Jugendlichen verbessert.
Um späteren Konflikten und Verdrängungseffekten unter den Jugendlichen vorzubeugen, sind Angebote für unterschiedliche „Cliquen“ zu schaffen. Für die einen könnte dies ein Pavillon sein, für
andere der Skateboardplatz. Durch die Beteiligung der Jugendlichen
an Planung und Umsetzung wird es möglich sein, eine höhere Verantwortung und Akzeptanz zu erreichen.
Die in Mädchenprojekten gesammelten Erfahrungen belegen die
Tatsache, dass Mädchen andere Bewegungsbedürfnisse haben als
Jungen, dass sie andere Sportarten bevorzugen und den öffentlichen Raum anders nutzen: Mädchen bevorzugen Räume, die ein
Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit vermitteln und die Möglichkeit zum Rückzug bieten, während die Jungen am liebsten über
weitläufige Fußballplätze toben. Geeignete Standorte für geschützte Orte bilden die Grünanlagen und der Schulhof. Schülerinnen und
junge Bewohnerinnen des Stadtteils sollen hierzu im Rahmen eines
„Expertengesprächs“ von Mitarbeiterinnen des Freizeittreffs gezielt
befragt werden. Ziel ist es, zu erfahren, wo sie sich am liebsten aufhalten, welche potentiellen Konflikte aufgrund der durch die Jungen
besetzten Räume bestehen und welchen Aktivitäten sie am liebsten
nachgehen würden. Als beliebte Angebote gelten z. B. halbkreisförmig gestaltete Sitzreihen, die zum Verweilen einladen und durch
ihre runde Form ein Gefühl von Geborgenheit vermitteln. Ein Beachvolleyballfeld sowie Basketballkörbe und Flächen für Hockeyspiel
sind ebenfalls sehr gefragt.
Angebote für Mädchen
Wichtig ist darüber hinaus die Aufwertung der Spielflächen. Durch
den Ausbau des Spielplatzes Kurt-Schumacher-Straße zu einem
Ortsteilspielplatz würden rund 170 Kinder in der Altersgruppe bis 12
Jahre eine attraktivere Spielmöglichkeit im Einzugsbereich erhalten.
Kinderspielplätze
Städtebauliches Entwicklungskonzept Rentfort-Nord
40
Der Versorgungsgrad der Kinder insgesamt im Stadtteil würde damit auf 83 % steigen und wäre zukünftig durchaus als gut zu bewerten. Die vorhandenen Spielplätze, wie der Holzspielplatz im Park,
sollen besser in die Umgebung eingebunden und mit neuen Spielgeräten attraktiviert werden.
Die Planung der Spiel- und Freiflächen sollte sich dabei an folgenden
Kriterien orientieren:
ƒ
Es ist darauf zu achten, dass nicht nur die Bedürfnisse der im
Stadtteil wohnenden Kinder berücksichtigt werden, sondern
auch die der Schüler der Gesamtschule, die in ihrer Freizeit ebenfalls die Spielmöglichkeiten nutzen
ƒ
Wichtig ist, dass nicht für, sondern mit den späteren Nutzern
geplant wird
ƒ
Ziel ist die Gestaltung einer thematischen Spiellandschaft. Kinder und Jugendlichen sollten sich mit dem Leitthema identifizieren können. Gleichzeitig sollte es genügend Spielraum für „kreative“ Interpretationen lassen. Damit werden die einzelnen Flächen sowohl miteinander in Verbindung gesetzt, als auch eine
eigene Ausprägung und Individualität der Teilräume heraus gearbeitet
ƒ
Kinder und Jugendliche sind bei der Planung und Realisierung
der Spielflächen und Freizeitangebote zu beteiligen
Zur Entwicklung des Leitthemas wird ein Workshop gemeinsam mit
Schülern der Gesamtschule und Kindern und Jugendlichen unterschiedlichen Alters und Nationalität aus dem Stadtteil durchgeführt.
Ziel ist es, zunächst ein „Oberthema“ zu entwickeln, aus dem sich
für jeden Teilraum unterschiedliche Themen ableiten lassen. Aus
heutiger Sicht bietet sich z. B. das Thema Stadt – Land – Fluss an. Der
nördlich des Seniorenzentrums liegende Spielplatz symbolisiert mit
seinem Schiff und dem Teich bereits eine Flusslandschaft. Ergänzend hierzu könnten der Schulhof der Gesamtschule unter dem
Motto Land und der Spielplatz an der Kurt-Schumacher-Straße als
Stadt zu einem Ortsteilspielplatz entwickelt werden. In den „Zwischenräumen“ bzw. den Grünflächen und Aktionsräumen könnte
das Thema durch gestalterische Elemente weitertransportiert werden. Der Workshop sollte in Kooperation der Gesamtschule, dem
Freizeittreff und dem Ingenieuramt organisiert und durchgeführt
werden.
Zur weiteren Konkretisierung der Spielflächen wird schließlich ein
Planungsteam aus Kindern gebildet. Sie treffen sich über mehrere
Wochen und entwerfen gemeinsam mit einem Planer ihren Traumspielplatz zum zuvor entwickelten Leitthema. Während der Entwurfsphase können sich die Kinder z. B. bei einer Exkursion zu anderen Spielplätzen im Stadtgebiet gute und schlechte Beispiele anschauen und dadurch ihre eigene Meinung bilden. Darüber hinaus
befragen sie Gleichaltrige, bauen ein Modell und recherchieren Prei-
Städtebauliches Entwicklungskonzept Rentfort-Nord
se und unterschiedliche Ausführungen der Spielgeräte. Die Kinder
erfahren hier, welche finanziellen und organisatorischen Rahmenbedingungen bei der Planung zu beachten sind und setzen sich mit
den Möglichkeiten der Spielgeräte auseinander – können die Spielgeräte für viele Kinder oder nur für ein paar wenige genutzt werden? Diese Erfahrungen werden wesentlich zur Akzeptanz der Spielplätze und einer verantwortungsvolleren Nutzung beitragen.
Es erscheint sinnvoll, die Freizeitmöglichkeiten für Jugendliche als
erstes zu realisieren, um diesen angemessene Angebote zu machen.
Danach können die Spielflächen für Klein- und Schulkinder neu gestaltet werden.
4.5
Aufwertung der Park- und Grünanlagen unter
Einbeziehung der Gesamtschule
Ziel ist es, die Trittsteine im Stadtteil zu einem zusammenhängenden Grünen Band zu verbinden. Um allen Altersgruppen eine hohe
Raumqualität zu bieten, sollen die Flächen durch entsprechende
Aktionsräume strukturiert werden, die sowohl für Spiel und Sport
als auch zum Verweilen einladen. Hierzu zählen z. B. eine Boulebahn, ein Schachfeld, ein Basketballfeld oder eine Sitzgruppe mit
Tisch, die für ein Picknick genutzt werden kann.
Zur Verbesserung der Vernetzung der einzelnen Grünbereiche sollte
die Grünverbindung von Bernskamp über die Kurt-SchumacherStraße und Gesamtschule bis hin zum Quälingsteich und zum Grünen Ring Gladbeck durchlässiger gestaltet werden. Die Gesamtschule hat heute eine große Barrierewirkung, die aufgelöst werden
muss. Generell ist eine Sanierung der Fassade der Gesamtschule
erforderlich. Durch eine Fassadenbegrünung an den Stirnseiten des
Gebäudes kann die Einbindung bzw. der Übergang in die angrenzenden Grünanlagen verbessert werden.
Zur Vernetzung des Schulhofs mit den angrenzenden Freiräumen ist
eine neue Gestaltung erforderlich. Zunächst gilt es, den Schulhof zu
entsiegeln und die Beton-Brücken zurückzubauen. Die Gestaltung
sollte sich an dem für das gesamte Quartier entwickelten Leitthema
für die Spiele-Landschaft orientieren. Grundsätzlich ist dabei zu berücksichtigen, dass Nischen für die unterschiedlichen Jahrgangsstufen während der Pausen geschaffen werden und gleichzeitig der
Pausenhof auch für Aktivitäten am Nachmittag geöffnet wird, z. B.
für eine private Kindergeburtstagsfeier oder Angebote des Freizeittreffs.
Um einen fließenden Übergang des Leitthemas „Stadt“, „Land“ bis
hin zum „Fluss“ zu erreichen, könnten die vom Schulhof in die Freiräume führenden Wege mit blauen Steinen aufgepflastert oder mit
blauen Randsteinen versehen werden. Zusätzlich könnte durch
künstlerische Elemente (Kunst am Bau, Kunst im Straßenraum) das
Leitthema verarbeitet und in die angrenzenden Freiräume überge-
41
42
Städtebauliches Entwicklungskonzept Rentfort-Nord
leitet werden. Im nördlichen Teil des Schulhofs ist bereits im Rahmen des Kunstunterrichts eine Skulptur geschaffen worden. Sie ist
jedoch inzwischen schon etwas „in die Jahre“ gekommen. Vorgeschlagen wird, im Kunstunterricht neue Skulpturen zu entwickeln,
die sich ebenfalls am thematischen Konzept orientieren.
Zur Vernetzung der Grünflächen können unterschiedliche gestalterische Elemente dienen, wie z. B. Wegweiser, Bepflanzungen und
Möblierung. Vergleichbar mit der thematischen Spiellandschaft ist
jedoch entscheidend, dass sich die Gestaltung an einem Leitthema
orientiert. Während die Kinder beispielsweise im „Zauberwald“ zwischen Stadt und Land spielen, sitzen die Senioren im „Garten der
Sinne“, der mit Lavendelduft Urlaubsgefühle weckt. Denkbar ist
auch, dass ein Bezug zur Bergbaugeschichte der Stadt aufgebaut
wird, vor allem für Senioren verbindet sich damit ein Stück Erinnerung und Heimatgefühl.
Bereits heute gibt es im Straßenraum eine gute Beschilderung der
Fahrrad- und Fußwegeverbindungen. Diese sollte sich im Wegenetz
der Parkanlagen fortsetzen. Dabei sollten jedoch nicht „Blechschilder“, sondern Holzschilder oder in den Boden eingelassene Mosaikbilder verwandt werden. Damit würde der qualitativ hochwertige
Charakter eines Parks stärker zum Ausdruck kommen. Die Eingangsbereiche zu den Grünanlagen sollten durch „Tore“ besonders
inszeniert werden, beispielsweise durch Drahtgeflechte, die begrünt
werden können, aber auch Holz- oder Steintore. Im Bereich der
Schule ist auch ein Stein- bzw. Beton-Tor denkbar, das im Rahmen
des Kunstunterrichts je nach Bedarf farblich neu gestaltet werden
kann.
Gerade von älteren Menschen werden die vorhandenen Grünstrukturen zum Teil als Angstraum wahrgenommen. Die Erreichbarkeit
des wohnungsnahen Grüns wird durch Straßen stark behindert.
Maßnahmen zur Verringerung der Fahrgeschwindigkeit sind daher
notwendig. Zur Verbesserung der Sicherheit in den Grünanlagen ist
unter gestalterischen Gesichtspunkten zudem eine ausreichende
Beleuchtung, teilweise aber auch der Rückschnitt von Büschen und
Sträuchern, die die Einsehbarkeit behindern, erforderlich. Weiterhin
gilt es zu prüfen, inwiefern Maßnahmen der Polizei, z. B. eine Fahrradstreife, dazu beitragen können, dass sich die Sicherheit erhöht.
Zur Verbesserung des „Sicherheitsgefühls“ können spezielle Kurse
für Senioren im Sinne einer „Selbstverteidigung“ angeboten werden. Ziel dieser Kurse ist jedoch nicht das Erlernen von Kampfsporttechniken, sondern die Stärkung des Selbstbewusstseins – wie kann
ich brenzlige Situationen vermeiden? Wie kann ich mich in solchen
Situationen schützen? Die Kurse könnten im Stadtteilbüro oder im
Seniorenzentrum angeboten werden.
Um Konflikte durch „Tretminen“ zu vermeiden, sollten bei der Strukturierung der Grünanlagen auch Bereiche vorgesehen werden, in
denen Hundehalter ihre Hunde frei laufen und ihr Geschäft verrichten lassen können.
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4.6
Eine neue Mitte für Rentfort-Nord
Die heutige Ortsteilmitte ist ein Parkplatz, der für unterschiedliche
Nutzungen offen ist. Es fehlt jedoch ein attraktiver Rahmen für den
Wochenmarkt, das jährliche Sommerfest oder auch Trödelmärkte,
die am Wochenende das Zentrum beleben könnten. Wichtig wäre
ein „einladender Charakter“, der Bewohner zu einem Plausch nach
dem Einkauf verweilen lässt, so dass der Platz als Anziehungspunkt
für die Naherholung der Bewohner der Altenheime dient. Mit einer
attraktiveren Gestaltung könnten auch Gastronomen motiviert
werden, den Bereich mit Außengastronomie zu beleben. Damit wird
die Stadtteilmitte auch in den Abendstunden zu einem sicheren Ort
der Begegnung.
Die Gestaltung wird von der Entwicklung der Schwechater Straße 38
abhängen – entsprechend dem in Kapitel 6.8.4 dargestellten Szenario würden bei einem kompletten Rückbau des Gebäudes und des
Ladenzentrums die Gestaltungsmöglichkeiten für die Stadtteilmitte
am größten sein. Gleich welche Lösung für die Schwechater Straße
38 gefunden wird, es gilt hier ein attraktives Geschäftszentrum mit
multifunktionalem Parkplatz und einer öffentlichen Platzfläche mit
Bepflanzung und gestalterischen Elementen zu schaffen. Gedacht
ist u. a. an unterschiedliche Aufpflasterungen, um z. B. Bereiche der
Außengastronomie zu kennzeichnen, Parkplätze ökologisch umzugestalten und Bereiche, in denen Feste oder auch eine Filmvorführung oder Theater möglich sind, abzugrenzen. Als Sitzmöglichkeiten
können im Übergang zum Park multifunktionale Holzbalken dienen,
auf denen Ältere sitzen und Jüngere balancieren können.
4.7
Sauberkeit
Die Gewerbetreibenden des Geschäftszentrums hatten bereits einen Dreck-Weg-Tag organisiert. Zudem werden das Geschäftszentrum und der Eingangsbereich mehrmals in der Woche von den Geschäftsleuten gereinigt. Im Bereich der Ladenlokale wird es durch
das Engagement der Gewerbetreibenden weiterhin möglich sein,
für Sauberkeit zu sorgen. Zur Verbesserung der Pflege in den Grünanlagen wird jedoch das Engagement aller Bewohner erforderlich
sein – Groß und Klein. Dies kann sowohl in der Schule als auch bei
Freizeitaktionen passieren. Wichtig ist es, Kinder und Jugendliche
dafür zu sensibilisieren, dass es nicht „cool“ ist, den Müll auf die
Straße zu werfen. Sie sollten bei der Planung für eine bessere Sauberkeit im Stadtteil einbezogen werden, z. B. bei der Gestaltung und
Aufstellung von Mülleimern oder Flyern, um die Bewohner im Stadtteil aufmerksam zu machen. Wenn die Kinder und Jugendlichen den
Wunsch nach mehr Sauberkeit formulieren, ist hierfür bei Gleichaltrigen und Erwachsenen auch mehr Akzeptanz zu erwarten.
Auch das Thema Mülltrennung ist in Großwohnsiedlungen ein
wichtiges Thema. Daher könnten kleine Workshops oder Aktionen
durch das Umweltamt, gemeinsam mit Entsorgungsbetrieben und
43
Städtebauliches Entwicklungskonzept Rentfort-Nord
44
Freizeittreff oder Schule, organisiert werden, bei denen das Thema
„Müll“ im Mittelpunkt steht. Fragen, die hier geklärt werden: Wo
kommt die Verpackung der Cola-Dose her? Was passiert mit der
Verpackung, wenn ich sie in den Müll werfe? Warum ist es so wichtig, Müll zu trennen? Möglich ist auch eine Exkursion zu einem Entsorgungsbetrieb. Zum Abschluss der Aktion könnte gemeinsam mit
einem Künstler eine „Skulptur aus Müll“ gestaltet werden, die im
Stadtteil für alle sichtbar aufgestellt wird.
4.8
Patenschaften für Spielplätze
Zur Pflege der neuen Spielplätze sollten Verantwortliche im Stadtteil für Patenschaften gewonnen werden. Die Erfahrungen zeigen,
dass es häufig schwierig ist, verlässliche Personen zu finden, die von
Kindern und Jugendlichen sowie Anwohnern akzeptiert werden,
damit sie sich „auch mal etwas sagen lassen“. Trotz des erforderlichen zeitlichen Aufwands sollte jedoch die Chance genutzt werden,
ein Netz aus ehrenamtlich Tätigen aufzubauen. Die Stadt Pulheim
hat mit Unterstützung des Jugendamts mit einer Honorarkraft bereits ein Netzwerk aus 42 Paten aufbauen können. Diese betreuen
derzeit 66 der insgesamt 85 öffentlichen Spielplätze im Stadtgebiet.
Als entscheidend erweist sich dabei, dass ein konstanter Ansprechpartner zur Verfügung steht. Daher gilt es zu prüfen, welche Möglichkeiten für einen verlässlichen Ansprechpartner oder Koordinator
im Stadtteil bestehen. Ein verlässlicher Partner, bei dem alle Fäden
im Stadtteil zusammenlaufen, könnte die Gesamtschule in Kooperation mit dem Freizeittreff und dem Jugendamt sein. Möglich ist
auch, dass Schulklassen der Gesamtschule Patenschaften übernehmen. Es ist davon auszugehen, dass diejenigen Kinder, die beim
Saubermachen beteiligt sind, verantwortungsvoller mit ihrem
Spielplatz umgehen und auch ihre Freunde zu mehr Rücksicht auffordern werden. Die Gesamtschule hat bereits Bereitschaft signalisiert, als Ansprechpartner für Patenschaften zu dienen. Mit ihr und
dem Jugendamt sollte zur Erarbeitung eines detaillierten Konzepts
gesprochen werden.
Sobald eine Verbesserung der Spielsituation in Rentfort-Nord
„sichtbar“ wird, ist der richtige Zeitpunkt, um Patenschaften zu suchen. Bei einem Fest zur Einweihung der Spielplätze sollten Schüler
und Eltern oder auch bekannte Rentner im Stadtteil angesprochen
werden.
Aufgabe der Paten ist das Melden von Schäden an den Geräten an
das Jugendamt bzw. Ordnungsamt sowie die Müllbeseitigung. In
Kooperation mit der Gesamtschule und dem Freizeittreff können die
Paten auch qualifiziert werden, Ansprechpartner für die Kinder zu
sein, ihnen Anregungen zum Spielen zu geben und beispielsweise
durch Spielplatzfeste den Kontakt untereinander zu fördern. Außerdem sollten sie Hundebesitzer freundlich, aber bestimmt darauf
hinweisen, dass ein Spielplatz keine Hundetoilette ist.
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4.9
Der Stadtteilhausmeister
Ein weitere Idee ist es, einen Stadtteilhausmeister bzw. ein Netz aus
Stadtteilhausmeistern als „Helfende Hände“ zu installieren; sie halten die Sauberkeit des Stadtteils im Blick und übernehmen kleinere
Reparaturen im Kindergarten oder in der Schule, die aus dem Haushalts-Budget der Einrichtungen nicht mehr bestritten werden können. Mit Unterstützung des Stadtteilbüros oder der Gesamtschule
könnte der Stadtteilhausmeister auch den Kontakt zu jungen Menschen suchen und Projekte, wie z. B. eine Reparaturwerkstatt im
Rahmen einer Qualifizierungsmaßnahme oder im Werkunterricht,
begleiten. Das Projekt richtet sich an ältere Menschen, die über
handwerkliches Geschick, kommunikative Fähigkeiten und interkulturelles Einfühlungsvermögen verfügen. Sie sind erfahrungsgemäß
„länger“ bei der Stange zu halten und identifizieren sich mehr mit
ihrer Aufgabe, als dies z. B. bei einer Maßnahme im Rahmen der
Arbeitsmarkt-Reformen – Stichwort 1 EUR Job – der Fall wäre.
Die Erfahrungen zeigen, dass zur Motivation der Rentner oder Engagierten eine kleine finanzielle Aufwandsentschädigung erforderlich
ist, die bei rund 1.500 EUR pro Jahr liegen sollte und damit selbstverständlich nicht als Bezahlung zu verstehen ist.
Als Projektpartner werden die Wohnungsbaugesellschaften, Eigentümer, Entsorgungsbetriebe, Gesamtschule, Kindergarten und Bewohner gewonnen. Die Regie der Stadtteilhausmeister kann vom
Stadtteilbüro übernommen werden; hier finden regelmäßig Treffen
statt, um den Wochenplan zu besprechen und neue Ideen zu entwickeln. Neben Sauberkeit können auch „Wohnqualität und soziale
Sicherheit“ durch ein Hausmeisterprojekt erreicht werden. Erwerbslose Mieter und Rentner erhalten eine wichtige Aufgabe im Stadtteil. Sie werden sozusagen als handwerklich geschickter Kümmerer
des Stadtteils positioniert. Klar abzugrenzen ist das Projekt dort, wo
der Stadtteilhausmeister in den Aufgabenbereich der lokalen Betriebe eingreift; auch darf keine stadtteileigene „Sheriff-Truppe“
entstehen.
Einzelne Projektideen:
ƒ
Zu Beginn der Spielsaison im Frühjahr und während der Sommermonate unterstützen Eltern und Spielplatzpaten zusammen
mit den Kindern die Arbeit des Ingenieuramts. Die Stadtteilhausmeister laden gezielt zu diesen Terminen ein
ƒ
In Kooperation mit dem Ingenieuramt und dem Stadtmarketing
initiieren die Stadtteilhausmeister einen Balkonwettbewerb.
Über das Stadtteilbüro und die Presse wird für diese Aktion geworben. Ein Team beurteilt schließlich die Begrünung und auf
einem kleinen Fest werden die Sieger prämiert
ƒ
Die Stadtteilhausmeister laden zu regelmäßigen Begehungen
ein, bei denen Schandflecken, aber auch schöne Ecken dokumen-
45
Städtebauliches Entwicklungskonzept Rentfort-Nord
46
tiert werden. In der Auswertung werden Vorgehensweisen für
die Beseitigung der Schandflecke erarbeitet
ƒ
In regelmäßigen Abständen besuchen die Stadtteilhausmeister
und engagierten Jugendlichen die Institutionen, um kleinere
Probleme, wie z. B. eine quietschende Schaukel, kurzfristig zu
beheben
Städtebauliches Entwicklungskonzept Rentfort-Nord
5
Handlungsfeld Wohnen
5.1
Einführung in die Thematik
Neben der Schwechater Straße 38 existieren im Stadtteil weitere
Wohngebäude, die aufgrund ihrer Bewohnerstruktur oder ihrer
Bausubstanz als problematisch einzustufen sind. Hierzu zählen vor
allem die Wohnungen im Besitz der Gemeinnützigen Wohnungsgesellschaft Gladbeck mbH, die sich über das gesamte Gebiet verteilen, aber auch Gebäude von Einzeleigentümern und Wohnungseigentümergemeinschaften. Es gilt zunächst die Sanierungsfähigkeit
von Gebäuden und die Möglichkeiten der Aufwertung des Wohnumfelds zu untersuchen. Grundsätzlich ist für „gefährdete Häuser“
jeweils ein Gesamtkonzept zu erarbeiten. Nur so lässt sich die Entwicklung hin zu einer zweiten, dritten oder vierten „Schwechater
Straße 38“ verhindern. Die Wohnsituation muss u. a. durch die bauliche und energetische Aufwertung der Gebäude verbessert werden.
Insgesamt sind bei einem Gesamtkonzept folgende Themen zu berücksichtigen:
ƒ
Gebäudetechnik
ƒ
Außengestaltung
ƒ
Wohnumfeld
ƒ
Nachbarschaft
ƒ
Sicherheit
ƒ
Reduzierung der Nebenkosten, z. B. durch ein Müllkonzept
Die einzelnen Themenfelder werden im Folgenden bausteinartig
beschrieben, sie können entsprechend der Situation in den Gebäuden zu einem Gesamtkonzept zusammengeführt werden. Die Erarbeitung der Gesamtkonzepte ist von den Wohnungseigentümergemeinschaften bzw. den Wohnungsbaugesellschaften zu erbringen. Dazu sind architektonische und technische Mängelanalysen
und Machbarkeitsstudien erforderlich. Damit die Umsetzung im
Sinne der angestrebten nachhaltigen Stadtteilerneuerung erfolgt,
wird der Stadt Gladbeck empfohlen, die Moderation in diesen Prozessen entweder dem Stadtteilmanagement zu übertragen oder
extern zu vergeben.
5.2
Untersuchung der Sanierungsfähigkeit
Um die Sanierungserfordernisse bewerten zu können, muss für jedes „verdächtige Haus“ eine detaillierte technische Analyse erfolgen. Bei einer ersten „Außensichtung“ haben sich bereits Mängel
gezeigt. Zu den kritischen Bereichen zählen:
ƒ
Berliner Straße 14 und 16 (GWG)
ƒ
Fritz-Erler-Straße 13 - 19, 21 - 27 (GWG)
ƒ
Enfieldstraße 233 - 239 (GWG)
47
Städtebauliches Entwicklungskonzept Rentfort-Nord
48
Weitere Geschosswohnungsbauten im Bereich der Karl-ArnoldStraße und Schwechater Straße sind ebenfalls im Detail zu prüfen.
Bei der Eigentümerstruktur handelt es sich sowohl um Einzeleigentümer als auch Wohnungseigentümergemeinschaften
Ermittlung der Gebäudeausstattung
Zunächst sollten alle Eigentümer bzw. Hausverwaltungen der Geschosswohnungsbauten von der Stadt Gladbeck bzw. dem Stadtteilmanager angeschrieben werden. Mit Hilfe eines Fragebogens
werden die aktuellen Daten zur technischen Ausstattung, Gebäudetypologie, Leerstand, Wohnungstypen und die letzten durchgeführten Sanierungsmaßnahmen erfragt. Anhand dieser Angaben wird es
möglich sein, eine Prioritätenliste zu erstellen und Gespräche mit
den Eigentümern bzw. Hausverwaltungen zu führen. Ziel ist es, ihre
Sanierungsabsichten zu ermitteln und Unterstützungsmöglichkeiten zu klären, z. B. Vermittlung von Ansprechpartnern zur Aufstellung von Finanzierungsplänen, öffentliche Fördermöglichkeiten etc.
Für eine energetische Sanierung bietet die Energieagentur NRW z. B.
generell an, Erstinformationen für die Einsparmöglichkeiten durch
erneuerbare Energien und zukunftsweisende Energiesysteme vor
Ort kostenfrei zu geben.
Überzeugungsarbeit erforderlich
Es ist davon auszugehen, dass die Wohnungsbaugesellschaften und
WEG nicht sofort „begeistert“ sind, wenn hochwertige Sanierungen
erwartet werden. Daher muss nach einer ersten Prioritätensetzung
zunächst ein Überzeugungsprozess gestartet werden. Es gilt in den
Häusern zu beginnen, wo die technische Notwendigkeit für eine
Sanierung gegeben ist. Dann ist in Arbeitskreisen mit dem beauftragten Architekt, Stadtteilmanager und/oder externer Moderation,
der Hausverwaltung und den Eigentümern ein Sanierungskonzept
zu entwickeln.
Die Sanierung muss dem Leitbild der familienfreundlichen Stadt
entsprechen. Dazu sind helle, freundliche Farben, warme und angenehme Materialien, gut einsehbare Eingänge und Außenbereiche,
übersichtliche und helle Flure und Keller sowie wohnungsnahe
Spielmöglichkeiten für Kleinkinder notwendig. Der heutige Eindruck
eines friedlichen und beschaulichen Stadtteils soll aufgegriffen und
verstärkt werden. Dabei lockern architektonische „Hingucker“ den
ruhigen Eindruck auf.
5.3
Hof- und Fassadenprogramm für Rentfort-Nord
Zur Aufwertung der Wohnhäuser wird das Auflegen eines Hof- und
Fassadenprogramms durch die Stadt Gladbeck empfohlen, um die
Hauseigentümer finanziell zu unterstützen. Mit diesem Programm
sind u. a. folgende Maßnahmen zu unterstützen:
ƒ
Maßnahmen zur Verbesserung der energetischen Situation
ƒ
Aufwertung der Wohnhäuser durch Anstrich und Gestaltung,
z. B. Fassadenbegrünung
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ƒ
Maßnahmen gegen das triste und graue Erscheinungsbild im
Stadtteil durch farbliche Akzentuierung
ƒ
Auch künstlerische Beiträge können Maßnahmen sein
Zur Koordination, Steuerung und Vorbereitung der Maßnahmen soll
eine ressortübergreifende Arbeitsgruppe eingerichtet werden, in der
das Stadtteilmanagement, die Stadtplanung, das Ingenieuramt und
externe Planer zusammen arbeiten. Folgende Arbeiten sollen übernommen werden:
ƒ
Entwicklung einer Prioritätenliste und eines Zeitplans
ƒ
Entwicklung eines Farb- und Gestaltungskonzept
ƒ
Entwicklung einer Broschüre als Überzeugungsinstrument
ƒ
Aktivierung von Haus- und Grundstückseigentümern
ƒ
Konkretisierung von Einzelmaßnahmen gemeinsam mit Beschäftigungsträgern und Bewohnern des Stadtteils, die entweder beschäftigungs- und qualifizierungsbedürftig sind oder Interesse an gemeinsamen Verschönerungsmaßnahmen haben
ƒ
Vorstellen der bereits vorliegenden Farbkonzepte und der Arbeitskonzepte bei den Hauseigentümern, Werben um Mitwirkung, gesonderte Veranstaltungen für Eigentümer oder Einzeltermine
ƒ
Umsetzungsplanung
5.4
Gestaltung des Wohnumfelds gemeinsam mit Bewohnern
Die Qualität des Wohnumfelds bestimmt in erheblichem Maße die
Lebens- und Wohnqualität im Stadtteil mit. Bei einigen Wohnkomplexen zeigt sich das Wohnumfeld heute mehr in der Funktion eines
„Abstandsgrüns“ und ist wenig attraktiv für die Nutzung durch die
Bewohner. Die Nutzung der Freiräume kann jedoch die Kontaktaufnahme und -pflege der Bewohner fördern und auch die Identifikation der Bewohner mit ihrem Wohnquartier erhöhen. Die Gestaltung
sollte sich aus dem Thema der Spiellandschaft ableiten. Wichtig ist
auch hier, einerseits dem Wohnumfeld eine individuelle Note zu
verleihen und damit die Monotonie aufzubrechen, andererseits jedoch ein gestalterisches Potpourri zu verhindern. Die Bewohner sollten bei den Planungen und Umsetzungen von Gestaltungsmaßnahmen einbezogen werden. Ältere und jüngere Bewohner können
zudem gemeinsam ein Gestaltungskonzept für die Außenanlagen
erarbeiten, Pflanzbeete anlegen und die spätere Pflege übernehmen. Durch die Aneignung des Raums kann die Gefahr von Vandalismusschäden generell verringert und die Pflege erhöht werden.
49
Städtebauliches Entwicklungskonzept Rentfort-Nord
50
5.5
Gestaltung von Garagenhöfen
„Unser Stadtteil wird bunter!“
Im Umfeld der Geschosswohnungsbauten befinden sich zahlreiche
Garagenhöfe, die grau in grau heute einen recht trostlosen Eindruck
vermitteln. Im Rahmen einer Beteiligungsaktion mit Bewohnern
oder von Projekttagen mit Schülern der Gesamtschule kann hier mit
etwas Farbe wieder frischer Wind hineingebracht werden. Damit
nicht ein buntes Durcheinander entsteht, sollten Künstler oder
Kunstlehrer gemeinsam mit den Bewohnern bzw. Schülern ein geeignetes Motiv entwerfen. Dieses Motiv kann sich z. B. aus dem Leitthema für die Spiellandschaft ableiten. Möglich ist auch, dass sich
im Rahmen eines Gesamtkonzepts für das dazugehörige Wohngebäude ein Motiv entwickelt. Unter fachlicher Anleitung werden
schließlich die Bildmotive gestaltet.
5.6
Sicherheitskonzept und Nachbarschaftskonzept für
einzelne Häuser
Das „Wohl-“ und „Sicher fühlen“ im eigenen Haus und Wohnumfeld
ist ein wichtiges Kriterium für die Wohnqualität. Bei diesem Thema
ergeben sich zwar teilweise Überschneidungen mit dem Handlungsfeld Image und Nachbarschaften. Um jedoch das Thema im „Paket“
bearbeiten zu können, wird es insgesamt im Handlungsfeld Wohnen positioniert.
Runder Tisch zur Erarbeitung eines
Konzepts
Als positives Beispiel für „gute Nachbarschaft“ gilt das Gebäude
Enfieldstraße 241, hier feiern die Bewohner jährlich gemeinsam mit
den Bewohnern des Seniorenzentrums ein Fest. Es gibt zwar noch
das eine oder andere Haus, in dem das Miteinander gut zu funktionieren scheint, es sind aber auch kritische Häuser bekannt, in denen
die fehlende Gemeinschaft zu gravierenden Problemen führt. Es
treten häufig Vandalismusprobleme auf oder es bestehen Nachbarschaftskonflikte. Das Stadtteilbüro sollte die Hausmeister, Hausverwaltungen bzw. Eigentümer und Multiplikatoren zu einem Runden Tisch ins Stadtteilbüro einladen, um zunächst die Situation in
den Häusern zu ermitteln. Danach wird eine Prioritätenliste entwickelt, um für die kritischen Häuser nach und nach entsprechend der
jeweiligen Problemstrukturen ein Konzept zu erarbeiten. Während
der Analyse werden sich möglicherweise vergleichbare Problemstrukturen herauskristallisieren, so dass Synergieeffekte durch den
Austausch der einzelnen Akteure möglich sind. Denn Ziel soll ebenso
sein, das Selbsthilfepotential zu verbessern. Denkbar ist, dass auch
ein Netzwerk oder ein Arbeitskreis zu diesem Thema initiiert werden. Für die Umsetzung der Maßnahmen wird letztendlich der
Hausmeister bzw. die Hausverwaltung verantwortlich sein. Das
Stadtteilbüro sollte jedoch nachhaken und sich über die Entwicklungen berichten lassen. Mögliche Bausteine des Konzepts können
sein:
ƒ
Schulung von Bewohnern, damit sie als Vertrauensleute sowohl
bei Nachbarschaftskonflikten vermitteln können, als auch bei
Städtebauliches Entwicklungskonzept Rentfort-Nord
51
Vandalismus eingreifen und Hilfe holen sowie andere Bewohner
für mehr Aufmerksamkeit sensibilisieren
ƒ
Die Vertrauenspersonen informieren neue Bewohner sowohl
über die Hausordnung als auch die Angebote des Stadtteils
ƒ
Organisation eines Hausfests, um das Gemeinschaftsgefühl im
Haus zu stärken
ƒ
Verbesserung des Belegungsmanagements durch einen Austausch der Hausmeister und Eigentümer bzw. Hausverwaltungen über schwierige Mieter, um „Miettourismus“ zu vermeiden
5.7
Müllkonzept
Der Runde Tisch zum Thema Nachbarschaften kann auch genutzt
werden, um sich über das Thema Müll und Sauberkeit auszutauschen. Ein Nachteil bei Geschosswohnungsbauten aus den 60er
Jahren ist, dass es keine einzelnen Aufschlüsselungen für die Haushalte und damit auch keinen Anreiz für die einzelnen Bewohner für
Einsparungen gibt. „Warum soll ich sparen, das bringt doch eh
nichts?“ wird häufig von Bewohnern geantwortet. Dass bei den Nebenkosten durch Mülltrennung jedoch jährlich bis zu 100 EUR pro
Wohneinheit eingespart werden können, ist vielen nicht klar. Mit
einem Aktionstag sollte zunächst die Aufmerksamkeit für das Thema geweckt werden. Den Bewohnern muss deutlich werden, welche
Vorteile Einsparungen bringen. Unterstützt wird die „Aufklärungsarbeit“ durch regelmäßige Informationen und weiterführende
Maßnahmen – z. B. Mülltonnen, in die aufgrund kleiner Öffnungen
kein Sperrmüll entsorgt werden kann und Müllstandorte, die Mülltourismus verhindern. Auch die Kennzeichnung der Tonnen mit
Symbolen kann die Orientierung zur Mülltrennung erleichtern. Die
Verantwortung bzw. Unterstützung zur Erarbeitung des Konzepts
sollte bei der zuständigen Stelle für Abfallberatung bei der Stadt
Gladbeck und dem Ordnungsamt liegen.
Bewohner sensibilisieren
52
Städtebauliches Entwicklungskonzept Rentfort-Nord
Städtebauliches Entwicklungskonzept Rentfort-Nord
6
Handlungsfeld Schwechater Straße 38
6.1
Fragestellungen für eine Detailbetrachtung
53
Nachdem bereits in Kapitel 2.2 ein Eindruck über die Situation des
Gebäudekomplexes Schwechater Straße 38 vermittelt wurde, sollen
im Folgenden die ökonomischen, baulichen, städtebaulichen und
rechtlichen Rahmenbedingungen analysiert werden: Welche Bauschäden liegen vor, auf welche Summen beziffern sich die Sanierungskosten? Wie stellt sich die Situation der Wohnungseigentümergemeinschaft dar und welche Probleme birgt die Rechtsform
der Wohnungseigentümergemeinschaft? Und schließlich die entscheidende Frage: Welche Perspektiven ergeben sich aufgrund der
Problemlagen? Dazu werden drei unterschiedliche Szenarien untersucht.
6.2
Technische Mängel, Bauschäden und Sanierungsbedarfe
Schon im Jahr 1994 hat die Hausverwaltung TRV im Namen der Eigentümergemeinschaft zwei Gutachten erstellen lassen: Das erste
gibt einen Überblick über die wichtigsten Bauschäden und Mängel
am Objekt sowie die sich daraus ergebenden Handlungsnotwenigkeiten. Das zweite Gutachten bewertet die technische Gebäudeausrüstung. Im Folgenden sind diese Schäden in einer Übersicht wiedergegeben; weitere Details können in den Gutachten nachgeschlagen werden.
Bauschäden
ƒ
Undichtes Flachdach, Dampfblasenbildung
ƒ
Lose Fassadenbekleidung, Schieferplatten und Befestigungsnägel können von Hand herausgezogen werden, Lücken in der Fassadenverkleidung
ƒ
Betonschäden an Brüstungselementen der Balkone innen und
außen, Betonschäden an Kragbalken und Randbalken, Frostschäden an Balkonbelägen, rissige Silikonfugen, oxydierte
Feuchtigkeitsabsperrungen
ƒ
Risse in Plattenverblendung
ƒ
Defekte Bodenbeläge in Fluren, Laubengängen und Wohnungen, Wassereintritt in Flure
ƒ
Schäden an der Folienabdeckung in der Tiefgarage, Betonschäden und undichte Folieneindichtung im Bereich der Zufahrt zur
Tiefgarage, Stahlkorrosion der Garageninnenwand
ƒ
Schäden an Eingangs und Aufzugstüren
ƒ
Sanierungsbedürftige Notausgänge und Müllstandorte
Undichtes Dach, Betonschäden, Risse, Stahlkorrosion …
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54
Die 1994 geschätzte Summe zur Behebung der Bauschäden, die zum
Teil durch konkrete Angebote hinterlegt wurden, lag für Gebäude
und Tiefgarage laut erster Schätzung bei knapp 3 Mio. EUR.10
Technische Gebäudeausstattung
Nach dem vorliegenden Gutachten zur technischen Gebäudeausstattung ergaben sich auch schon 1994 dringend notwendige Sanierungsmaßnahmen bei der technischen Ausstattung in Höhe von
insgesamt 600.000 EUR. Ohne die einzelnen Sanierungserfordernisse im Detail benennen zu wollen, wurden Schäden bei der Heizungsanlage, den Sanitäranlagen, Lüftungsanlage und Elektroanlage benannt. Ungefähr die Hälfte der Kosten wäre schon 1994 für die
Behebung der dringendsten Maßnahmen entstanden.11
Sanierungsbedarf wurde bereits
1994 auf ca. 4 Mio. EUR geschätzt
Nach Überprüfung und Ergänzung der Mängelliste durch die Hausverwaltung wurde der Sanierungsbedarf bei der Übernahme der
Verwaltung im Jahre 1994 auf knapp 4 Mio. EUR geschätzt.
Die WEG konnte nur in geringem Umfang Instandhaltungs- oder
Sanierungsmaßnahmen durchführen. Dies kann nur darin begründet sein, dass die Eigentümer erst in den Jahren 1993 und 1994 die
Wohnungen gekauft haben und durch die Erkenntnis, einen Sanierungsfall erworben zu haben, zum einen geschockt, zum anderen
aber auch hilflos waren, da sie aufgrund junger Kredite gar nicht in
der Lage waren, weitere Investitionen zu tätigen.
Es kann davon ausgegangen werden, dass sowohl der Bedarf als
auch die Kosten für die Sanierung des Gebäudes seitdem deutlich
angestiegen sind. Nach Aussagen der TRV ist heute wahrscheinlich
auch das gesamte Strang- und Rohrsystem erneuerungsbedürftig;
dies zeigt sich in der hohen Anzahl akuter Wasserschäden. Die
Schieferfassade ist weiter beschädigt worden, die Fenster und Balkontüranlagen weisen ebenfalls größere Mängel auf. Die Brandschutzauflagen können nicht im vollen Umfang erfüllt werden.
Rund 50 %der Wohnungen stehen nicht nur leer, sondern sind nach
Aussagen der Verwaltung weder verkäuflich noch vermietbar. Ein
weiteres Problem sind die Flure, in denen sich Sperrmüll ansammelt,
der regelmäßig entsorgt werden muss.
Seit 1994 Sanierungskosten deutlich
gestiegen
In einer Wohnungseigentümerversammlung 2002 wurde dann erneut eine Gesamtübersicht der notwenigen Sanierungs- und Instandhaltungsmaßnahmen durch die Hausverwaltung vorgestellt.
Darunter fielen folgende Ausgaben jeweils in 1.000 EUR:
10
11
Heinrich Soest, Dipl.-Ing. Architekt, vereidigter Sachverständiger: Gutachten
über Bauschäden und Mängel am Geschäftszentrum und Wohnhochhaus
Schwechater Straße 38. Im Auftrag der WEG Schwechater Straße 38. 1994,
unveröffentlicht.
Ingenieurbüro Hans Fey Dipl.-Ing. VDI: Gutachten zur technischen Gebäudeausrüstung für die Schwechater Straße 38. 1994, unveröffentlicht.
Städtebauliches Entwicklungskonzept Rentfort-Nord
55
Tabelle 3
Gesamtschau der notwendigen Sanierungs- und Instandhaltungsmaßnahmen, Stand 2002
Maßnahme
Kosten in
Tsd. EUR
ƒ
Erfüllung der Auflagen aus der Brandschau
ƒ
Sanierung Tiefgarage
ƒ
Fassadensanierung
ƒ
Balkonsanierung
ƒ
Verlegung Gasrampe
ƒ
Erneuerung der beiden Heizungskessel
60
ƒ
Erneuerung Türanlagen Laubengänge
40
ƒ
Fenster- und Türreparaturen in den Wohnungen
85
ƒ
Erneuerung Wohnungseingangstüren
85
ƒ
Erneuerung Steigleitungen Heizung, Wasser, Abwasser
400
ƒ
Erneuerung Hauptverteiler Elektronik
100
ƒ
Sicherheitsbeleuchtung im Keller/Treppenhaus
150
ƒ
Sonstiges
100
Gesamt
40
800
2.320
70
100
4.350
Quelle: Hausverwaltung TRV. 2002.
Somit hatte sich der Sanierungsbedarf des Gebäudes weiter erhöht.
Diese Kosten hätten schon 2002 auf den qm Wohnfläche durch eine
weitere Sonderumlage abgedeckt werden müssen. Pro WE/GEW
hätte dies 280 EUR/qm/Nutzungsfläche bedeutet. Pro Einstellplatz
wären weitere 7.843 EUR/EP hinzugekommen. Durchschnittlich hätte dies ca. 22.000 EUR pro Wohneinheit bzw. Gewerbeeinheit bedeutet.
Da die oben genannten Kostenstellen zumeist geschätzt bzw. auf
erste Angebote und Gutachten zurückzuführen sind, können die
Kosten erfahrungsgemäß deutlich höher eingestuft werden. Dies
gilt vor allem dann, wenn eine zukunftsorientierte Sanierung erfolgen soll, die zum einen ein integriertes Gesamtkonzept, bestehend
aus Gebäudesanierung, Nachbarschafts- und Sozialkonzept, Sicherheitskonzept, Belegungsmanagement etc., und zum anderen so
außergewöhnlich sein muss, dass ein deutlicher Imagewandel und
damit eine Vollvermietung erreicht werden kann. Dass dies für eine
Wohnungseigentümergemeinschaft ein ganz schwieriger Weg ist,
kann aus Erfahrung an anderen Standorten bestätigt werden.
Städtebauliches Entwicklungskonzept Rentfort-Nord
56
Hausverwaltung sieht Wohnnutzung dauerhaft gefährdet
Die entscheidende Aussage der Hausverwaltung ist die: Auf die Frage, wie lange ein sicheres und gesundes Wohnen im Hochhaus noch
gewährleistet ist, benennt die Hausverwaltung einen Zeitraum von
bis zu fünf Jahren. Damit wird die Dringlichkeit einer wie auch immer gearteten Lösung deutlich.
6.3
Die wirtschaftliche Lage der
Wohnungseigentümergemeinschaft
Die wirtschaftliche Lage der Wohnungseigentümergemeinschaft ist
das größte Problem und stellt sich nach Auskunft der TRV für das
Jahr 2003 insgesamt wie folgt dar:
ƒ
Die Wohngelder belaufen sich laut Wohngeldberechnung 2003
(6,05 EUR/qm monatlich) auf eine Summe von 962.800
EUR/Jahr, inklusive Sonderumlage (Müllgebühren). Jeder Wohnungseigentümer muss für seine Miteigentumsanteile zur Deckung der laufenden Kosten Wohngeld12 zahlen. Die Schwechater Straße 38 ist durch hohe Wohngeldrückstände und durch
überproportional hohe Kosten gekennzeichnet.
ƒ
Seit 1994 werden jährlich Sonderumlagen beschlossen, die sich
bisher auf 2.262.000 EUR belaufen, um die wichtigsten Instandhaltungsmaßnahmen durchführen zu können.
ƒ
Gemäß der am 30. November 2004 mit deutlicher Mehrheit
(96 %) beschlossenen Wohngeldabrechnung für 2003 beliefen
sich die Wohngeldrückstände auf rund 2.050.000 EUR, die per
30. November 2004 auf rund 2,5 Mio EUR angestiegen sind. Dabei liegen bei einzelnen Miteigentümern die Rückstände bis zu
225.000 EUR.
ƒ
Derzeit sind rund 50 % der Eigentümer zahlungsunfähig, was
sich durch die Vermietung an die Leiharbeiter etwas abgemildert haben dürfte. Die Mieteinnahmen aus diesen Wohnungen
gehen sofort auf das Konto der Eigentümergemeinschaft zugunsten der betreffenden Miteigentümer.
ƒ
40 Einheiten stehen unter Zwangsverwaltung.
12
Im Wohngeld sind alle Kosten inkl. Instandhaltungsrücklagen erfasst, die die
Gemeinschaft der Eigentümer einer Wohnanlage in festgelegten Zeitabständen und Teilbeträgen im Voraus zu entrichten hat, um eine ordnungsgemäße
Verwaltung des Gemeinschaftseigentums zu ermöglichen. Das auf die einzelnen Eigentümer nach Verteilungsschlüssel berechnete Wohngeld kann im Bereich der Betriebskosten (durchschnittlich monatlich 2,39 EUR/qm Wohn/Nutzfläche) bei vermieteten Wohnungen vom betreffenden Eigentümer unter der Bezeichnung "umlagefähige Mietnebenkosten" auf seinen Mieter weiterverrechnet werden. Diese Mietnebenkosten werden im Mietvertrag unter
Beachtung bestimmter gesetzlicher Vorschriften festgelegt Der Miteigentümer zahlt grundsätzlich sein monatliches Wohngeld in voller Höhe auf das
Konto der Eigentümergemeinschaft. Soweit er seine Wohnung vermietet hat,
betreibt er grundsätzlich das Mietinkasso selbst (Zahlungseingänge auf sein
Privatkonto). Es erfolgt keine Verrechnung von dem Wohngeld, ausgenommen die Wohneinheiten, in denen polnische Facharbeiter wohnen.
Städtebauliches Entwicklungskonzept Rentfort-Nord
Ein weiteres Gutachten13 hat 1997 den Verkehrswert von sieben
Wohnungen ermittelt. Alle bewerteten Wohnungen liegen im ersten Geschoss. Es wurde sowohl der Zustand der Wohnungen als
auch der des Gebäudes bewertet. Der Berechnung liegt eine Bestandsdauer des Gebäudes von 90 Jahren zugrunde. Neben den
schon oben genannten Schäden am Gebäude wurde zusätzlich der
Unterhaltungszustand der Wohnungen berücksichtigt. Demnach
sind einzelne Wohnungen durch turnusmäßige Schönheitsreparaturen durchaus in einem guten, vermietbaren Zustand, andere Wohnungen sind eher vernachlässigt. Das Gutachten geht beispielhaft
für eine 78,96 qm große Wohnung von einem Verkehrswert von
67.490 EUR (132.000 DM) aus; für ein Appartement mit der Größe
von 35,92 qm werden 35.790 EUR (70.000 DM) angesetzt. Hier ist zu
betonen, dass es sich um den rechnerischen Verkehrswert der Wohnungen handelt. Obwohl dem Amtsgericht genaue Daten vorliegen,
wurde bei der Einzelbewertung dem Umstand nicht Rechnung getragen, dass hier ein großer Investitionsbedarf (Instandhaltung, Instandsetzung) besteht und die Liquidität der Gemeinschaft sehr
gering ist.
Es ist zu hinterfragen, warum die Hausverwaltung sich so intensiv
um die Vermietung an polnische Mieter bemühte. Der Grund lag in
der Chance, durch die gesicherten Mieteinnahmen zum einen die
laufenden Kosten zu decken und zum anderen durch einen kleinen
Überschuss die Außenstände der Eigentümer beim Wohngeld auszugleichen. So werden diese Wohnungen für 6,50 EUR/qm Wohnfläche vermietet; mit durchschnittlich 6,05 EUR/qm wird das Wohngeld abgedeckt, mit 0,45 EUR/qm können Außenstände abgetragen
werden. Bei einer Leerstandssituation von 50 % versuchte die Hausverwaltung mit dieser Vermietungsstrategie die wirtschaftliche
„Lebensfähigkeit“ des Objekts zu verbessern.
Es stellt sich weiter die Frage, ob bei der aktuellen Eigentümerstruktur, der Höhe des Wohngeldes und der Wohngeldrückstände, der
vermuteten bzw. z. T. bekannten Belastung der Wohnungseigentümer bei Kreditinstituten und den erforderlichen Sanierungsaufwendungen eine zeitnahe Sanierung mit den bisherigen Eigentümern
der WEG und der heutigen Rechtsform denkbar ist. Diese Frage kann
auch ohne weitere technische Gutachten und Kostenspezifizierungen „getrost“ verneint werden. Es muss sogar so weit gegangen
werden zu fragen, ob eine derart aufwendige Sanierung bei entspanntem Wohnungsmarkt und den heutigen Anforderungen an
moderne Architektur überhaupt Sinn macht.
Die Stimmung in der Eigentümergemeinschaft kann durchaus als
verzweifelt angesehen werden. In einem relativ kurzen Zeitraum
von zehn bis zwölf Jahren seit dem Kauf der Wohnung/en hat sich
13
Manfred Müller, Dipl.-Ing. vereidigter Sachverständiger: Gutachten gemäß
§ 194 BauGB über den Verkehrswert von sieben Eigentumswohnungen als
Wohneigentumsrechte sowie sechs Pkw-Einstellplätze in der örtlichen Tiefgarage in der Wohnanlage „Schwechater Straße 38“ in Gladbeck-Rentfort. 1997.
57
Städtebauliches Entwicklungskonzept Rentfort-Nord
58
für die Einzeleigentümer mit einer oder mehreren Wohnungen ein
immenser Kapitalverlust eingestellt. Die Wohnungen wurden als
Kapitalanlage, Steuersparmodell oder Altersvorsorge gekauft, denn
nur die wenigsten Eigentümer bewohnen die Wohnung selber.
Rund 50 % der Wohnungen wurden entweder wieder verkauft oder
versteigert. Aufgrund des schnell zunehmenden Leerstands, den
Schwierigkeiten, die Wohnungen auf dem entspannten Wohnungsmarkt in Gladbeck neu zu vermieten und dem hohen Wohngeld, wurden Renditevorstellungen schnell zunichte gemacht. Gerade Wohnungseigentümer, die eine bzw. mehrere Wohnungen mit
Hilfe von Darlehen erworben haben, können diese nicht mehr zurückbezahlen, Wohngelder wurden ebenfalls nicht mehr bezahlt.
Da den Eigentümern mit dem anteiligen Kauf der Immobilie eine
„sichere“ Geldanlage vorschwebte, die das Kapital vermehrt und
nicht vernichtet, ist die Verzweiflung groß. Einzelne Eigentümer mit
mehreren Wohnungen haben z. B. bis zu 225.000 EUR Schulden bei
der WEG und müssen zudem die Kredite bedienen. Andere Eigentümer wären froh, den Verpflichtungen zu entkommen und sind
bereit, die Wohnungen zu verschenken. Neben diesen persönlichen
Schicksalen ist auch die Kurzsichtigkeit einiger Eigentümer zu nennen, viele haben die Wohnung vor dem Kauf nie persönlich gesehen
und vertrauten allein auf ihren Immobilienberater. Somit waren
viele nicht im Bilde, welche Sanierungs- und Allgemeinkosten für
das Haus im Speziellen und in einer WEG im Allgemeinen auf sie
zukommen. Dementsprechend groß ist die Missstimmung gegenüber der Hausverwaltung, wenn diese Sanierungsmaßnahmen vorschlägt, die die Rendite weiter sinken lässt, ungeachtet der Tatsache, dass sich ohne Sanierung der Wertverlust besonders vergrößern
wird. Die Hausverwaltung ist somit in kritischen Objekten oft die
Zielscheibe, die für die Misere verantwortlich gemacht wird. Beschlüsse für Sanierungen sind in diesen verfahrenen Situationen nur
schwierig zu erreichen.
6.4
Wurzeln liegen im Wohnungseigentumsgesetz aus den 50er Jahren
Exkurs: Ausgewählte Probleme einer WEG in Kürze
Beschäftigt man sich mit den Problemen einer Wohnungseigentümergemeinschaft in kritischen Objekten, wird deutlich, dass Sanierung und zeitgemäße Instandhaltung eines Wohnobjekts mit vielen
Eigentümern verständlicherweise mangels Masse nicht immer zu
erreichen sind. Die Wurzel liegen in einem Wohnungseigentumsgesetz aus den 50er Jahren, das sich auf die Situation des Wiederaufbaus in Deutschland nach dem 2. Weltkrieg bezieht. Ziel war hier,
möglichst viele Wohnungen zu bauen; der Abriss einer Wohnimmobilie, wie es heute an einigen Standorten erforderlich ist, ist nicht
vorgesehen. Geregelt ist nur ein erforderlicher Wiederaufbau bei
Teil- oder ganzer Zerstörung des Hauses, z. B. durch höhere Gewalt
oder Brand. Zudem sind bauliche Veränderungen, die nicht dem
ursprünglichen Zustand und Aussehen der erstmaligen Herstellung
entsprechen, mangels so genannter Öffnungsklauseln nur mit der
Städtebauliches Entwicklungskonzept Rentfort-Nord
59
Zustimmung aller Eigentümer (Allstimmigkeit) zu erreichen. Zu den
baulichen Veränderungen gehören gemäß § 22 WEG Gesetz z. B. der
erstmalige Einbau einer Wasserenthärtungsanlage, das Verlegen
einer Gasleitung in den Keller, die Errichtung eines Kinderspielplatzes, das Verlegen eines Wäschetrockenplatzes, das Anbringen von
Markisen, Wintergärten oder Antennenanlagen bis hin zu einer
neuen Fassade, die nicht dem Aussehen der Ursprungsfassade entspricht. Die kurze Aufzählung macht schon deutlich, dass es auch
„kleinere“ sinnvolle und Kosten sparende Maßnahmen sind, die von
einem einzigen Eigentümer blockiert werden können. Die Allstimmigkeit kann nur dann in Frage gestellt werden, wenn bestehende
Vorschriften einzuhalten sind. Dies könnte bei der neuen Energieeinsparverordnung zutreffen. Amortisiert sich jedoch eine umweltschonende und energiesparende Dämmung z. B. erst nach 20 Jahren, kann diese an sich als modernisierende Instandhaltung einzustufende Maßnahme nach geltenden Vorschriften nicht mehrheitlich, sondern nur allstimmig beschlossen werden.
Insbesondere bei der WEG Schwechater Straße 38 wird das Stimmrecht abweichend vom Wohnungseigentumsgesetz nach dem Objektprinzip ausgeübt, d. h. der Eigentümer eines Einstellplatzes und
der Eigentümer des Supermarktes haben jeweils eine Stimme.
Ein weiteres Hemmnis für eine gut funktionierende Wohnungseigentümergemeinschaft ist oft auch eine nicht vorausschauende
Teilungserklärung. Eine Wohnungseigentümergemeinschaft formuliert zu Beginn für sich die „Spielregeln“ des Zusammenwirkens in
der Teilungserklärung. Dort kann z. B. auch festgelegt werden, welche Maßnahmen einer Allstimmigkeit bedürfen und welche nicht.
So kann eine WEG in ihrer Teilungserklärung aufgrund der Öffnungsklausel festlegen, dass zeitgemäße und notwendige Erneuerungen der Fassade mehrheitlich beschlossen werden können oder
dass die Farbe des Fassadenanstrichs oder für die Garagen auch
mehrheitlich geändert werden kann (ansonsten ist die Farbänderung in der Regel eine bauliche Veränderung und bedarf der
Allstimmigkeit). Doch leider wird gerade hierauf wenig Wert gelegt
und es werden Standardwerke als Grundlage für die Teilungserklärung gewählt. Eine Änderung der Teilungserklärung bedarf der notariellen Bestätigung eines jeden Eigentümers. Bauliche Veränderungen sind zwar nicht oft erforderlich, viele Schäden und Verbesserungen können heute als modernisierende Instandhaltung deklariert und mehrheitlich beschlossen werden. Sollte aber ein Teilrückbau oder Rückbau erforderlich werden, ist auf jeden Fall die Zustimmung aller Eigentümer Voraussetzung.
„Spielregeln“ in der Teilungserklärung oft nicht vorausschauend
Ein weiteres großes Problem kann die Mischung aus Kapitalanlegern und Eigennutzern sein, da hier oftmals sehr unterschiedliche
Interessen vertreten werden. Besonders kritisch wird die Situation,
wenn eine Immobilie in sanierungswürdigem Zustand geteilt und
an Einzeleigentümer verkauft wird. Wenn die Ersttilgung noch läuft,
gibt es kaum Spielräume für umfassende Sonderumlagen, die aber
Unterschiedliche Interessen bei Kapitalanlegern und Eigennutzern
60
Städtebauliches Entwicklungskonzept Rentfort-Nord
erforderlich sein könnten, um den Verfall und damit die Vernichtung des Immobilienwerts zu verhindern. Ein weiteres Problem tritt
auf, wenn ältere Menschen eine sanierungsbedürftige Wohnimmobilie als Altervorsorge erwerben und Sonderumlagen fällig werden.
In vielen WEG, die in den 60er und 70er Jahren gegründet wurden,
oder wie in Gladbeck 1984, ist nicht nur die Immobilie im Rentenalter, sondern auch die Eigentümer sind es. Diese bekommen aufgrund ihres Alters jedoch keine Kredite mehr. Die Zahlungsunfähigkeit tritt auch oft bei sozialschwächeren oder finanziell schlechter
gestellten Eigentümern auf, die zudem nicht über ihre Rechte und
Pflichten innerhalb der WEG informiert sind. Ein Zitat: „ Wieso muss
ich Heizungsgeld zahlen, ich habe doch eine Eigentumswohnung“
oder „Die Wohnung stand doch lange Zeit leer!“
Kompetenz des Verwaltungsbeirats
häufig unzureichend
Jede Wohnungseigentümergemeinschaft wählt einen Verwaltungsbeirat, der die Geschicke der WEG mit steuert und die Hausverwaltung bei der „Führung“ des Objekts unterstützt und die Beschlüsse der WEG mit vorbereitet. In vielen problematischen WEG
ist der Verwaltungsbeirat nicht in der Lage, die schwierigen rechtlichen und wirtschaftlichen Angelegenheiten einer WEG bewerten zu
können. So haben wir mit Verwaltungsbeiräten zu tun, in denen drei
von vier Mitgliedern nur wenig Deutsch verstehen. Dann ist es für
eine Hausverwaltung ein Leichtes, zu tun und zu lassen, was sie will.
In einer anderen WEG haben wir mit „Hobby-Klägern“ zu tun, in
einem Beispiel mussten die gesamten Rücklagen eines Jahres für
Prozesskosten aufgebracht werden. Jeder Beschluss einer WEG wird
erst nach vier Wochen rechtsgültig. Ist in dieser Zeit der Beschluss
gerichtlich angefochten worden und kann begründet abgelehnt
werden, gilt er als nichtig. So kann ein einzelner Eigentümer alle
Maßnahmen, die für den Erhalt sinnvoll und erforderlich sind, nicht
nur zeitlich, sondern in vielen Fällen auch ganz blockieren. Im Fall
der Schwechater Straße 38 werden von einer kleinen Gruppe von
Miteigentümern, die insgesamt rund 516.000 EUR Wohngeldrückstände haben, seit August 2003 alle Beschlüsse angefochten.
Nach herrschender Rechtsprechung erfolgt die Abrechnung nach
dem Einnahmen-/Ausgabenprinzip. Bei einer großen Eigentümergemeinschaft wie der Schwechater Straße 38 ist dies ein erhebliches
Problem. Nur ein Vermögensvergleich gibt Aufschluss über die tatsächlichen wirtschaftlichen Verhältnisse (Überschuldung/Illiquidität).
Schwierige Position der Hausverwaltung
Kritisch ist auch die Rolle der Hausverwaltung zu betrachten. Die
Handlungsfähigkeit der Hausverwaltung ist gemäß Wohnungseigentumsgesetz klar begrenzt. Die Aufgaben sind das Aufstellen einer Hausordnung, die ordnungsgemäße Instandhaltung und Instandsetzung des Gemeinschaftseigentums, (...) Ansammlung einer
angemessenen Instandhaltungsrückstellung, Aufstellung eines
Wirtschaftsplans, (…). Es sind vorrangig ausstehende Wohngelder
einzutreiben. Die Verwaltung umfasst alle Maßnahmen, die im Sinne einer ordnungsgemäßen Verwaltung des Wohnungseigentums
Städtebauliches Entwicklungskonzept Rentfort-Nord
notwendig und wirtschaftlich nicht wesentliche Veränderungen
sind. In der Praxis bedeutet dies, dass bei drohender Gefahr, z. B.
wenn Balkonbrüstungen nicht mehr standhalten und abzufallen
drohen, das Recht und die Pflicht besteht, Gegenmaßnahmen zu
ergreifen. Schlägt aber die Hausverwaltung „vorausschauende“ Sanierungsmaßnahmen vor, muss sie immer befürchten, dass ihr Vertrag gekündigt wird, weil sie „zu viele Kosten verursacht“. Daher
sind viele Hausverwaltungen, die wir kennen gelernt haben, mit
umfassenden Gebäuderenovierungen durchaus vorsichtig.
Die Liste der Probleme, die uns in unserer bisherigen Zusammenarbeit mit WEG bekannt wurden, kann lange fortgeführt werden. Das
beginnt bei der Veruntreuung von Rücklagenkonten durch die Verwaltung, wenn keine Bilanzierung erfolgt und der Verwaltungsbeirat die Unterlagen nicht ausreichend prüft, und geht bis zur totalen
Verweigerung oder Insolvenz bzw. dem Nichtmehrauffinden von
Eigentümern. Auch wenn das Wohnungseigentumsgesetz in vielen
Bereichen den Eigentümern gut begründet Schutz und Rechtssicherheit bietet, ist es auf jeden Fall eines, das zeitnah an die modernen Anforderungen von Wohnen angepasst werden muss. Dazu
zählt insbesondere die Verpflichtung zur Bilanzierung, das Vorhandensein einer Öffnungsklausel (Teilungserklärung) und die Vorrangigkeit von Wohngeldrückständen im Falle der Versteigerung/Verwertung. Hierzu gibt es erste Gesetzesinitiativen, die jedoch bislang noch nicht zu einer Veränderung geführt haben.
6.5
Gesprächskreis Schwechater Straße 38
Wegen der Einmietung der polnischen Leiharbeiter hat sich eine
Gruppe von Be- und Anwohnern zusammengeschlossen, um dies
zunächst zu verhindern. Die Stadt Gladbeck hat diese Akteure zu
einem Gesprächskreis Schwechater Straße 38 eingeladen, damit die
Probleme und Ängste gemeinsam besprochen werden konnten. Seit
April 2004 trifft sich dieser Gesprächskreis regelmäßig, um die Problematik im Stadtteil aktiv anzugehen. Zu den rund 15 ständigen Mitgliedern gehören auch Vertreter der Hausverwaltung, der Polizei
sowie die Schulleiterin der Gesamtschule. Unterstützt wird der Arbeitskreis durch das Stadtteilbüro. Es werden Probleme analysiert,
Ziele definiert und Arbeitsschritte entwickelt. Zu den beim ersten
Treffen gesammelten Zielen für den Stadtteil zählen u. a.:
ƒ
Bewohnbarer Stadtteil
ƒ
Erhalt der Lebensqualität sichern
ƒ
Abriss oder Teilrückbau des Hochhauses
ƒ
Sicherheit im Quartier gewährleisten
ƒ
Aufwertung der Geschäfte, Gastronomie im Center ansiedeln
ƒ
Qualität für Senioren, Kinder und Jugendliche verbessern
61
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62
ƒ
Vorurteile abbauen
ƒ
Bessere Erreichbarkeit des Stadtteilbüros, Ansprechpartner bekannt machen, Information über weitere Entwicklung des Hauses an Anwohner weitergeben
ƒ
Treffen mit Arbeitern organisieren
ƒ
Bauliche Öffnung des Geschäftszentrums
Im Arbeitskreis wurde der Wunsch formuliert, die Stadt Gladbeck
und die Eigentümer der Immobilie Schwechater Straße 38 mögen
gemeinsam an einem Lösungsweg arbeiten. Dabei soll eine sozialverträgliche Lösungsstrategie für Eigentümer und Mieter das Ziel
sein. Ein weiterer Vorschlag bezieht sich auf die Prüfung einer Nutzungsänderung der leer stehenden Wohnungen. Diese könnten beispielsweise zu altengerechten und betreuten Wohnungen umgenutzt werden. Die Genehmigung der Stadt Gladbeck, Wohnungen
„gewerblich“ an polnische Gastarbeiter zu vermieten, liegt bereits
vor.
Bei weiteren Treffen wurden Lösungsvorschläge zu Problemen aus
den Themenschwerpunkten „Sicherheit“ und „Sauberkeit und Ordnung“ entwickelt. Weiterhin informierte die Stadt Gladbeck die
Teilnehmer über die Situation der Belegung der Wohnungen mit
polnischen Gastarbeitern, um bestehende Vorurteile und Sorgen
über mögliches Konfliktpotential zu entkräften.
6.6
Gründung einer Auffanggesellschaft im Sommer 2004
Die ersten Schritte zur Lösung des Problems- Die
Auffanggesellschaft Wohnpark Rentfort-Nord GmbH
Um einen Weg aus der misslichen Situation zu finden, hat die Hausverwaltung den Banken bzw. der Stadt Gladbeck als ersten Schritt
den Vorschlag unterbreitet, eine Auffanggesellschaft zu gründen. In
die Auffanggesellschaft sollten möglichst viele bis alle Eigentumsanteile übertragen werden. Erstes Ziel ist dabei, wieder handlungsfähig zu werden, denn trotz mehrerer Versuche waren mit den heutigen Eigentümern und dem vorhandenen Misstrauen keine Lösungsansätze mehr zu diskutieren. Obwohl die Hausverwaltung die
Gründung der Auffanggesellschaft den Banken bzw. der Stadt Gladbeck angeboten hat, zeigte es sich im Laufe der Diskussion als „realistischer, dass die Eigentümer selbst die Auffanggesellschaft gründen und betreiben. So wurde von Eigentümern die Auffanggesellschaft Wohnpark Rentfort-Nord GmbH gegründet, die am 19. April
2004 ins Handelsregister eingetragen wurde. Bis Ende November
wurden 40 Miteigentume durch notarielle Kaufverträge von der
Auffanggesellschaft für jeweils 1,00 EUR übernommen. Hauptsächlich handelt es sich hierbei um Miteigentümer, die ihre Immobilie
(Wohneinheit/Tiefgarage) bei der Hypo-Vereinsbank finanziert hatten. Diese Miteigentümer konnten mit ihrer Bank Vereinbarungen
treffen, so dass die Pfandfreigabe/Grundschuldlöschung ohne Probleme erfolgt. Als nächstes werden Einheiten übernommen, die von
Städtebauliches Entwicklungskonzept Rentfort-Nord
63
der Badenia finanziert sind. Die Gespräche werden von der HypoVereinsbank eingeleitet und von der Verwaltung durchgeführt. Darüber hinaus laufen bereits in Einzelfällen Gespräche mit anderen
finanzierenden Banken.
Nach Einschätzung der Hausverwaltung ist der überwiegende Teil
der Miteigentümer im Bereich des Hochhauses und der Tiefgarage
bereit, in Verhandlungen mit der Auffanggesellschaft zu treten.
Daher dürfte derzeitig nur ein geringer Teil der Miteigentümer den
vorgesehenen Revitalisierungsmaßnahmen negativ gegenüber stehen.
Großteil der Eigentümer bereit, mit
Auffanggesellschaft zu verhandeln
Das weitere Procedere ist wie folgt geplant: Alle Eigentümer sind
über Wohnungseigentümerversammlungen oder deren Protokolle
über die Auffanggesellschaft informiert. Durch gezielte Gespräche
der Auffanggesellschaft werden die Eigentümer überzeugt, ihre
Eigentumsanteile im Wohnturm abzutreten.
Deutlich ist, dass bei der Fülle von Miteigentümern, zwei Großbanken und mehreren kleineren lokalen Kreditinstituten ein erheblicher
kommunikativer Aufwand mit hohem zielorientiertem Verhandlungs- und Moderationsgeschick erforderlich ist.
6.7
Exkurs: Entwicklungen in anderen Städten
Die beschriebene Problematik macht deutlich, dass eine Sanierung
des Objekts Schwechater Straße 38 mit der jetzigen Eigentümerstruktur nur unter schwierigen Bedingungen in Betracht kommt.
Dies würde eine solch große finanzielle Anstrengung für die restlichen, solventen Eigentümer bedeuten, dass davon auszugehen ist,
dass auch diese von ihrem Eigentum „Abstand“ nehmen, wenn sie
im solidarischen Sinne der WEG für die ausfallenden Miteigentümer
aufkommen müssen. Welche Folgen eine solche Entwicklung - kein
Eigentümer zahlt mehr und kein Eigentümer ist mehr verantwortlich - haben kann, zeigen verschiedene Beispiele in NRW, die im Folgenden kurz skizziert werden.
Schwechater Straße 38 kein Einzelfall
Beispiel Hochhaus Kielstraße in der Dortmunder Nordstadt
Erst 1993 wurden 102 Wohnungen des ehemals öffentlich geförderten sozialen Wohnungsbaus in dem Gebäude an der Kielstraße aus
den 60er Jahren über mehrere Veräußerungsschritte an 70 verschiedene Eigentümer, vorwiegend im süddeutschen Raum, verkauft. Keiner der Käufer hat selbst eine Wohnung im Objekt bezogen. Bis zum Zeitpunkt der Teilung und dem Verkauf an Einzeleigentümer war das Objekt voll belegt; die Anzahl der Mieter reduzierte
sich jedoch zusehends, da sich fehlende Instandsetzung und Pflege
schnell bemerkbar machten.
Durch die zunehmenden Finanzierungsschwierigkeiten der Eigentümer mussten die Mieter ihre Miete schon bald direkt an die Banken zahlen. Als die Eigentümer bzw. die Hausverwaltung dann auch
die Betriebskosten nicht mehr zahlen konnte, war das Ende für die
In der Dortmunder Nordstadt rasante Talfahrt eines Gebäudes mit 102
Wohnungen
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64
letzten ca. 40 Bewohnerhaushalte absehbar: Die Stadtwerke kündigten den Lieferstopp von Gas und Strom an.
Gesperrtes Gebäude Kielstr. 26
Das Amt für Wohnungswesen konnte gemeinsam mit den Stadtwerken eine Übergangsregelung für die restlichen Mieter erreichen,
bis ausreichend Ersatzwohnraum zur Verfügung stand. Anfang 2002
beendete das Bauordnungsamt die vorläufige Geschichte der Kielstraße 26 mit dem Zumauern und Abriegeln des Gebäudes. Dass für
viele Mieter, die seit 1969 hier wohnten, ein Stück Heimat verloren
ging, ist die eine Seite der traurigen Medaille. Die andere Seite ist,
dass die Akteure der Stadt seitdem um eine gemeinsame Lösung
mit den Banken ringen, die derzeit kein Interesse an einer Einigung
zeigen. Die Suche nach Instrumenten, mit denen die öffentliche
Hand eine Eingriffsmöglichkeit hat, wird intensiv betrieben. Im
Moment bleibt der Kommune nur die Aufgabe, Kosten für die Sicherung des privaten Gebäudes zu übernehmen, ohne Aussicht darauf,
sie jemals erstattet zu bekommen.
Beispiel Kerpen - Maastrichter Straße
Bauaufsichtsbehörde lässt Gebäude
in Kerpen räumen
In der Maastrichter Straße in Kerpen steht ein Hochhaus mit ca. 150
Wohnungen. Zwei Drittel der Wohnungen waren im Eigentum
zweier Firmen, die jedoch insolvent wurden und seit Jahren keine
Wohngelder und Nebenkosten zahlten. Folge war, dass keine Rückstellungen für größere Reparaturen, wie z. B. am Dach, auf dem
Spielplatz oder für eine Balkonsanierung, gebildet werden konnten.
Neben den insolventen Firmen waren auch andere Wohnungseigentümer nicht mehr auffindbar. Leidtragende waren die Eigentümer,
die ihre Wohnung selbst bewohnten oder gerade erst vor wenigen
Jahren gekauft hatten. Auch in Kerpen musste die Bauaufsichtsbehörde das Gebäude räumen lassen, da durch bauliche Mängel Gefahr für Leib und Leben bestand. Im März 2003 wurde das Haus von
der Stadt Kerpen versiegelt.
Für die Selbstnutzer ist die Schließung des Objekts eine persönliche
Katastrophe, da die Kredite zur Finanzierung der Eigentumswohnung erst vor wenigen Jahren aufgenommen wurden und nun zudem die Miete für eine neue Wohnung aufzubringen ist. Auch hier
stellt sich der Kommune die Frage, wer die Kosten für die Sicherung
des Gebäudes bezahlt, an dem jetzt schon Teile der Fassade abzufallen drohen. Im Rahmen ihrer Sicherungsaufgaben muss die öffentliche Hand eintreten und die Kosten übernehmen, die durch jahrelange fehlende Investitionsbereitschaft von Eigentümern entstanden sind. Ist es auch eine öffentliche Aufgabe, derartige Objekte
abzureißen, wenn die Eigentümer nicht mehr greifbar sind, Banken
keinen Zugriff auf Eigentümer zulassen und selber die Verluste abschreiben? Wie kann eine Stadt einen Abriss durchsetzen, wenn
Eigentümer nicht handlungsfähig sind, und wie sichert sie sich gegen Schadensersatzansprüche ab?
Städtebauliches Entwicklungskonzept Rentfort-Nord
65
Beispiel Duisburg - Ottostraße
Die Hochhaussiedlung Hochheide ist seit etwa Mitte der 80er Jahre
von einem Nachfragerückgang nach Wohnraum betroffen. In den
Jahren zuvor zählte dieser Standort noch zu den beliebten
Wohnlagen. Die eintretenden gelockerten Verhältnisse auf dem
Wohnungsmarkt führten dazu, dass sich Leerstände bis über 50 %
bildeten und dass sich der Stadtteil zu einem „Auffangbecken für
die Zuwanderungswellen von Aussiedlern und Flüchtlingen aus
Kriegsgebieten“ ausbildete. Die hohe Fluktuation begünstigte eine
problematische Entwicklung im Stadtteil: Sozial schwache Familien
bildeten eine wachsende Gruppe im Hochhausgebiet und eine Integration wurde zunehmend schwieriger.
Besonders betroffen von diesen negativen Tendenzen sind die
Wohngebäude Ottostraße 24 - 30 und Hanielstraße 36 - 38. Bis
Sommer 2003 mussten die Mieter der 320 Wohnungen der Ottostraße 24 - 30 ausgezogen sein, da die Bausubstanz sowie die Sicherheitsansprüche nicht mehr dem Standard genügen. Ähnliches
galt für die Hanielstraße 36 - 38, obwohl der Eigentümer durch
Mietpreissenkungen noch versuchte, die Mieter zu halten. Aber generell fehlt es an Investoren für Entwicklungskonzepte, so dass die
Zukunft der Wohngebäude fraglich ist.
6.8
Szenarien für die Schwechater Straße 38
6.8.1
Mögliche Handlungsoptionen
Eine wichtige Aufgabe des Bausteins zum Städtebaulichen Entwicklungskonzept „Analyse und Handlungsempfehlungen“ ist es zu untersuchen, welche möglichen Handlungsoptionen sich für die
Schwechater Straße 38 ergeben können. Dabei hat die Auffanggesellschaft bereits die Kosten für eine Variante ermittelt. Dennoch
sollen die folgenden alternativen Szenarien beschrieben werden:
ƒ
Szenario 1: Beibehalt der Situation ohne Sanierung
Am Gebäude werden keine oder nur die allernötigsten Sicherungsmaßnahmen vorgenommen. Die Auffanggesellschaft
bleibt handlungsunfähig, da zu wenig Eigentümer ihr Eigentum
an die Gesellschaft abtreten. Die Anzahl der Zahlungsunfähigen
und Zahlungsunwilligen steigt. Es gilt darzustellen, welche
raumrelevanten Auswirkungen auf den Stadtteil ohne
Veränderung am Gebäude zu erwarten sind.
ƒ
Szenario 2: (Teil-)Rückbau des Hochhauses und Erhalt des
Ladenzentrums
Die Auffanggesellschaft wird handlungsfähig und reißt den
Wohnturm bis zu einer bestimmten Etage ab; das Atrium und
Restwohnungen werden saniert, das Stadtteilzentrum bleibt in
heutiger Form erhalten. Es gilt darzustellen, welche Vor- und
Nachteile sich für den Stadtteil ergeben und wie die
Umsetzungsstrategie aussieht.
In Duisburg-Hochheide fehlt es an
Investoren und Entwicklungskonzepten
Städtebauliches Entwicklungskonzept Rentfort-Nord
66
ƒ
Szenario 3: Rückbau des Hochhauses und des Ladenzentrums
Die Auffanggesellschaft wird handlungsfähig und beschließt
den Abriss des gesamten Gebäudes inkl. Atrium. Ein neues
Stadtteilzentrum wird geplant und gebaut. Es gilt darzustellen,
welche Vor- und Nachteile sich für den Stadtteil ergeben und
wie die Umsetzungsstrategie aussieht.
6.8.2
Szenario 1: Raumrelevante Auswirkungen auf den Stadtteil
ohne Veränderung am Gebäude – Vor- und Nachteile
Nach Einschätzung der Hausverwaltung ist das Gebäude Schwechater Straße 38 ohne jegliche Sanierungsmaßnahmen noch bis zu fünf
Jahre bewohnbar. Innerhalb dieses Zeitraums werden sich nach
Aussagen der Hausverwaltung die Wasserschäden durch Undichtigkeiten im Rohrsystem und dadurch bedingte Rohrbrüche etc. so verschlimmert haben, dass immer mehr Wohnungen unbewohnbar
sind. Durch die Feuchtigkeit werden Schimmelschäden auftreten,
die das gesunde Wohnen in Frage stellen. Auch weitere Bestandteile
der Haustechnik müssen saniert werden; wenn dies nicht geschieht,
ist von weiteren Funktionsstörungen auszugehen.
Mieter werden sich um alternativen
Wohnraum bemühen
Zudem ist von weiteren Beschädigungen an Haustüren, Aufzügen
und in Fluren und Laubengängen auszugehen, so dass auch die Sicherheit der Bewohner zunehmend nicht mehr gewährleistet ist. So
könnten unerwünschten Personengruppen in das Gebäude eindringen, die das sichere Wohnen zunehmend unmöglich machen. Es ist
davon auszugehen, dass die verbleibenden Mieter, die eine andere
Chance auf dem Gladbecker Wohnungsmarkt haben, sich um alternativen Wohnraum bemühen werden.
Durch diese Faktoren wird der Anteil an leer stehenden Wohnungen
steigen. Zurück bleiben werden jene Mieter, die keine andere Chance auf dem Wohnungsmarkt haben, vielleicht die letzten Selbstnutzer und vermutlich solche Personengruppen, die nicht zur sozialen
Stabilität beitragen können. Das heutige schlechte Image des Gebäudes wird sich verstärken, die Schwechater Straße 38 wird immer
stärker zum Schandfleck im ruhigen Rentfort-Nord.
Leerstand sowohl im Wohngebäude
als auch im Atrium wird zunehmen
Es ist dann davon auszugehen, dass auch die Geschäfte im Atrium
durch das schlechte Image und den hohen Leerstand weiter in Mitleidenschaft gezogen werden. Die Kundschaft direkt aus dem Haus
ist nicht mehr vorhanden und die Kunden aus dem Stadtteil werden
die entstehende Geisterstadt zunehmend meiden. Die Zahl der Leerstände wird sich erhöhen. Die verbleibenden Läden werden es zunehmend schwerer haben, Kundschaft zu binden. Da auch an den
Ladenlokalen die notwendigen Erneuerungen und Modernisierungen bis hin zur Zusammenlegung von Ladenlokalen, um attraktive
Verkaufsflächengrößen zu erreichen, nicht vorgenommen werden,
wird die Attraktivität stark leiden. Lediglich der Supermarkt wird
durch seine nach außen hin orientierte Lage und die günstige Lage
zum Parkplatz vom ganzen Stadtteil besucht werden.
Städtebauliches Entwicklungskonzept Rentfort-Nord
67
Auch der bauliche Zustand der Tiefgarage wird sich verschlechtern.
Schon heute kann der Wochenmarkt auf dem Tiefgaragendeck/Parkplatz nur noch mit einer reduzierten Anzahl an Ständen
durchgeführt werden; die ursprüngliche Anzahl an Ständen wäre
eine zu hohe Gewichtsbelastung für das Parkdeck, bei der das Bauordnungsamt die Sicherheit nicht mehr gewährleistet sieht. Ebenfalls schon heute ist der gesamte Parkdeckbereich für Lkw gesperrt.
Zudem besteht durch herab fallende Fassadenteile Gefahr für das
Ladenzentrum bzw. dessen Kunden.
Es ist insgesamt zu befürchten, dass sich der bauliche Zustand von
Wohnturm und Tiefgarage in absehbarer Zeit so verschlechtern
wird, dass die Stadt Gladbeck gezwungen sein wird, dass Gebäude
zu räumen und zu versiegeln. Eigentümer und Banken werden sich
immer weniger verantwortlich zeigen.
Marode Tiefgarage
Räumung und Versiegelung sind
absehbar
Der Druck, für das bekannte Problem Schwechater Straße 38 eine
Lösung zu finden, würde zeitlich verschoben und wahrscheinlich
dann zu einem späteren Zeitpunkt X allein durch die Kommune zu
lösen sein. Die meisten Eigentümer sind heute schon zahlungsunfähig und die Eigentümer, die noch zur Haftung herangezogen werden können, werden sich weigern, trotz ihrer solidarischen Eigentümergemeinschaft alle Kosten in Gänze zu übernehmen.
Für die Mieter ist das Szenario 1 zu vertreten. Da schon jetzt ein sehr
hoher Leerstand zu verzeichnen ist, kann davon ausgegangen werden, dass in den folgenden Jahren die Mieter sukzessive ausziehen
werden und nur zum Schluss einige Restmieter gleichzeitig neuen
Wohnraum finden müssen. Da aber Gladbeck über einen entspannten Wohnungsmarkt verfügt und auch zukünftig nicht von einer
Anspannung ausgegangen werden kann, werden bei entsprechender Vorbereitung keine Probleme bei dem Umsetzen der Mieter gesehen.
Wie sich die leere Immobilie auf den Stadtteil auswirkt, kann aus
heutiger Sicht – wie auch die vorherigen Annahmen - nur hypothetisch beantwortet werden. Dennoch ist zu erwarten, dass die Mieten
und die Immobilienwerte im gesamten Stadtteil Rentfort-Nord und
im näheren Umfeld des dann weiter „abrutschenden“ Gebäudes
Schwechater Straße 38 sinken werden. Da heute bei der Vermarktung bzw. Veräußerung von Wohneigentum, besonders bei entspannten Wohnungsmärkten, ein positives und attraktives Umfeld
eine entscheidende Rolle spielt, kann mit hoher Wahrscheinlichkeit
davon ausgegangen werden, dass eine Veräußerung von Eigentum
in einem Stadtteil mit immer schlechter werdendem Image nur mit
finanziellen Einbußen zu erwarten ist. Die schon heute aktiven Bewohner aus dem Gesprächskreis Schwechater Straße 38 beklagen
besonders diesen Imageverlust des Stadtteils; so werden die Rahmenbedingungen durch einen Leerstand des Gebäudes schlechter.
An dieser Stelle soll die Frage beantwortet werden, ob das Gebäude
aufgrund seiner Architektur und seines Zustands bei entsprechen-
Massiver Imageverlust des Stadtteils
Städtebauliches Entwicklungskonzept Rentfort-Nord
68
der Sanierung eine reelle Chance auf Vollvermietung hätte. Die
Antwort setzt sich aus zwei Teilaspekten zusammen. Die Wohnform
Hochhaus kann auch bei entspanntem Wohnungsmarkt nicht
grundsätzlich als nicht mehr zukunftsfähig bezeichnet werden. Entscheidend für eine gute Vermietbarkeit ist auch nicht, dass sozial
Schwache einen großen Anteil der Mieter ausmachen. Entscheidend
ist hingegen, dass die Wohnungen in einem guten Zustand sind, die
Haustechnik und -pflege funktioniert, Schäden behoben werden
und die Miete günstig ist. Das Image des Hauses darf nicht unter
eine gewisse Schwelle sinken, an der sich die Mieter mehr schämen,
dort zu wohnen, als dass die günstige Miete von Vorteile wäre.
Positives Sanierungsbeispiel Dortmund Clarenberg
Für diese These können positive Beispiele angeführt werden. Die
sanierten Wohnhochhäuser der Clarenberg-Siedlung in DortmundHörde zeigen, dass eine Vollvermietung auch für 15 Etagen möglich
ist. Die Wohnhochhäuser haben mit einer neuen Fassade ein komplett neues Erscheinungsbild bekommen, Identifikationsmerkmale
wie große Hausnummern und Bullaugen unterstützen die Identität
der Mieter und Zugehörigkeit zu einem Haus. Die Außenanlagen
sind in verschiedenen Stufen gemeinsam mit den Mietern in
Workshops und am „Küchentisch“ erarbeitet worden, Concierges
überwachen die Eingänge, ein Mieterbüro steht für Fragen zur Verfügung und ein umfassendes Sozialbetreuungskonzept sorgt für
sozialen Frieden. Allerdings ist anzumerken, dass sich diese Gebäude
im Eigentum einer Wohnungsbaugesellschaft befinden. Somit bestehen hier ganz andere Rahmenbedingungen für die Finanzierung
und Umsetzung, als dies bei einer Wohnungseigentümergemeinschaft der Fall ist.
Es kann sogar behauptet werden, dass für nahezu jedes Wohnobjekt
mit entsprechendem architektonischen und sozialen Konzept eine
Lösung gefunden werden kann. Auch nach den Sanierungen der
Plattenbauten in Ostdeutschland sind heute viele positive Beispiele
zu besichtigen. Würde die Schwechater Straße mit einer übergeordneten Gesamtidee, eingebunden in ein Stadtteilleitbild, eine neue
attraktive und interessante Fassade bekommen, die Haustechnik
erneuert, Wohnungen renoviert, der Parkplatz neu gestaltet, der
öffentliche und halböffentliche Raum neu strukturiert und als Markt
oder öffentlicher Platz attraktiv gestaltet, das Ladenzentrum geöffnet, Ladenflächen zeitgemäß erweitert und für ein Stadtteilzentrum
zeitgemäß belegt werden, wären kaum noch Zweifel auszuräumen,
dass die Wohnungen wieder vermietbar wären. Vielleicht könnten
die Wohnungen mit ihren nahe gelegenen Versorgungseinrichtungen gerade für Senioren interessant werden. Es muss aber deutlich
unterstrichen werden, dass nur mit einem umfassenden Gesamtkonzept ein solch marodes Gebäude eine Chance hat, ansonsten ist
jede Investition zu viel. Nicht die Wohnform ist zukunftsunfähig,
sondern der Zustand des Gebäudes.
Doch dieses Gesamtkonzept hat seinen Preis. Schon jetzt sind die
notwendigen Maßnahmen auf knapp 4 Mio. EUR beziffert. Kommen
Städtebauliches Entwicklungskonzept Rentfort-Nord
die zusätzlichen Bausteine wie öffentlicher Raum, Parkplatz, aufwendige Wohnumfeldgestaltung, Identifikationsmerkmale und
Sozialkonzept hinzu, wird eine deutlich höhere Summe zu beziffern
sein.
Eine öffentliche Förderung im Rahmen einer Festbetragsförderung
oder nach Quadratmeter sanierter Fläche, wie es möglicherweise im
Rahmen von Stadtumbau-West möglich ist, wäre in Anbetracht der
zu erwartenden Gesamtsumme „nur“ ein geringer Bruchteil der
Kosten. Dazu kommt die Schwierigkeit, dass eine WEG realistischer
Weise Beschlüsse nur für Maßnahmen der Instand haltenden Modernisierung herbeiführen kann, da eine Allstimmigkeit bei baulichen Veränderungen und über 100 Einzeleigentümern utopisch ist.
Sollte trotzdem eine Sanierung des Gebäudes durch die WEG beschlossen werden, ist mit langjährigen Prozessen zu rechnen, da mit
der Sanierung erst begonnen werden kann, wenn alle Eigentümer
ihre Sonderumlagen gezahlt haben bzw. bis eine Bank den Kredit
stellt. Ob sich dafür eine Bank bereit findet, wurde schon zuvor bezweifelt. Eine Chance wäre allerdings gegeben, wenn die WEG als
Ganzes einen Kredit bekommen könnte. Hier sind Beispiele bekannt.
Eine andere Alternative ist, dass sich die Wohnungseigentümergemeinschaft auflöst, das Eigentum an einen Investor übergeht, der
die Sanierung in beschriebener Form und hohem Standard übernimmt und dann die Wohnungen wieder veräußert oder an eine
Verwaltungsgesellschaft übergibt. So könnten z. B. Seniorenwohnungen mit entsprechendem Serviceangebot im Haus angeboten
werden, gemischt mit Familien- oder Singlewohnungen, für die das
Serviceangebot ebenfalls gelten kann.
Das Fazit zum Szenario 1 ist, dass sich der Zustand des Gebäudes
schon kurz- bis mittelfristig so dramatisch verschlechtern wird, dass
nur ein sofortiges und zeitnahes Handeln den Negativtrend stoppen, den Imageverlust aufhalten und die negativen Auswirkungen
auf den Stadtteil verhindern kann. Sollte sich nichts verändern und
der Zustand sich so dramatisch wie beschrieben verschlechtern,
droht die Schließung des Gebäudes. Es besteht dann die große Gefahr, dass die Kommune allein die Kosten für die Sicherung übernehmen muss und aufgrund einer nicht geklärten Rechtslage noch
nicht einmal die Handhabe hätte, das Gebäude auf eigene Kosten
abzureißen.
6.8.3
Szenario 2: (Teil-)Rückbau des Hochhauses und Erhalt des
Ladenzentrums - Vor- und Nachteile
Die zweite Handlungsalternative beschäftigt sich mit zwei Varianten eines Szenarios: Der kompletten Rücknahme des Wohnturms
oder dem Teilabriss des Wohngebäudes, was derzeit auch von der
Auffanggesellschaft verfolgt wird. Bei beiden Szenarien soll das Atrium mit den Ladenlokalen erhalten werden. Für den Fall, dass der
69
Städtebauliches Entwicklungskonzept Rentfort-Nord
70
Wohnturm zum Teil erhalten bleibt, sollen die Wohnungen sowie
das Gebäude umfassend saniert werden, so dass von der architektonischen Ist-Situation nichts mehr zu erkennen sein wird, so die
Auffanggesellschaft. Das Atrium soll den modernen Ansprüchen an
ein Nahversorgungszentrum angepasst werden. Das Szenario soll
zunächst aus städtebaulicher Sicht beleuchtet werden, ehe auf die
besondere Problematik der WEG eingegangen wird.
Folgende Frage stellt sich bei beiden Varianten: Ist durch den Teiloder gesamten Rückbau des Hauses und bei Beibehalt des Atriums
das Ziel zu erreichen, das Negativimage umzukehren und ein attraktives Stadtteilzentrum zu entwickeln?
Kompletter Rückbau löst grundlegende Probleme
Durch den kompletten Rückbau des Wohnturms sind die grundlegenden Probleme der Gebäudetechnik, des architektonischen Zustands und der sozialen Belegung gelöst. Für die polnischen Leiharbeiter ist zunächst keine Sorge zu tragen, da die Serviceagentur für
die Zurverfügungstellung von Wohnraum verantwortlich ist. Die
entspannte Situation auf dem Wohnungsmarkt erlaubt es, wie in
Szenario 1 bereits dargestellt, für die restlichen Mieter bei deutlichem Vorlauf und einem guten Umzugsmanagement entsprechenden Wohnraum zu finden.
Baulücke muss geschlossen werden
Zurück bleibt eine Lücke zwischen Supermarkt und Atrium, die
durch städtebauliche und architektonische Lösungen zu schließen
ist. Auch wenn heute die meisten Befragten einen Abriss des Gebäudes favorisieren, ist kritisch zu fragen, ob das Gebäude Schwechater Straße 38 nicht aufgrund seiner Höhe und Lage eine identitätsstiftende Ausprägung hat. Es ist das höchste Gebäude im Stadtteil und steht einer Kirche vergleichbar mitten im Stadtteilzentrum.
Bestehen hier Bindungen und visuelle Gewohnheiten? Ein Ruhrgebiet ohne Fördertürme, das hat der Strukturwandel gezeigt, bedeutet für die Menschen Identitätsverlust, und für die Ostdeutschen ist
Wohnen in der Platte vertrauter Alltag. Für das Hochhaus Schwechater Straße 38 ist diese Frage jedoch zu verneinen. Schon heute
äußern sich so viele Bewohner des Stadtteils negativ über das Haus,
befürchten ein Abrutschen des Stadtteils und bangen um ihren Immobilienwert, dass der Abriss oder auch eine Sanierung nur begrüßt
werden wird. Außerdem hat der Wohnturm weder eine besondere
prägende Architektur noch ist er von zeitgeschichtlicher Bedeutung.
Bei der Neuplanung muss also keine neue städtebauliche Dominante geschaffen werden, die die Höhe des Gebäudes aufgreift. Da aber
eine Lücke im Herzen des Stadtteils entstehen wird, sollte eine Planung erfolgen, die die Identität des Stadtteils widerspiegelt bzw.
einen neuen Identitätspunkt ausmacht. Ein „einfacher“ gepflasterter Übergang zwischen Supermarkt und Atrium wäre nicht ausreichend. Es gilt städtebauliche und architektonische Ideen zu entwickeln, wie die Lücke geschlossen werden kann. Es ist zu berücksichtigen, dass bei der Realisierung des kompletten Rückbaus zwar ein
„fauler Zahn“ entfernt wurde, dass aber eine Wunde entsteht, die
sehr sorgfältig behandelt werden muss. Das Stadtteilzentrum
Städtebauliches Entwicklungskonzept Rentfort-Nord
71
braucht eine komplett neue städtebauliche Ordnung, auch wenn die
Geschäftsgebäude erhalten bleiben. Es muss signalisiert werden,
dass hier ein modernes Stadtteilzentrum entsteht, das die Bedürfnisse des Stadtteils abdeckt, einen Impuls in Richtung Verjüngung
auch für den ganzen Stadtteil setzt und die Anforderungen an modernen Einzelhandel erfüllt.
Um ein attraktives Stadtteilzentrum zu schaffen, muss nicht nur die
Lücke geschlossen, sondern das Atrium umfassend saniert und das
komplette Umfeld inkl. Wegebeziehungen, Platznutzung etc. neu
gestaltet, der Einzelhandel sowie Service- und Dienstleistungsangebote den aktuellen Anforderungen des Stadtteils angepasst werden
(siehe auch Kap. 7). Das bedeutet auch, dass die Belegung der Läden
im Atrium durch ein Management gesteuert werden muss. So muss
daran gearbeitet werden, z. B. einen höherwertigen Drogeriemarkt,
verschiedene Frische- und Ladenhandwerksbetriebe anzusiedeln
und den Serviceaspekt deutlich zu verbessern. Neben dem Handel
könnten auch Angebote im Bereich der Gesundheitsvorsorge bzw.
-versorgung angesiedelt werden.
Attraktives Stadtteilzentrum nur
durch Sanierung des Atriums und
Baulückenschließung
Bleibt ein Teil des Wohnturms erhalten, ergeben sich vergleichbare
Anforderungen. Dann müssen Wohnungen, Atrium und Umfeld
umfassend saniert und es muss ein neues städtebauliches Konzept
entworfen werden, das die Wege der Kunden zwischen Supermarkt
und Atrium zielgerichtet führt und die Attraktivität deutlich erhöht.
Eine Kombination von Wohnen und Versorgen im Stadtteil könnte
dann auch für Senioren von besonderem Interesse sein. Die Verbindungen zu den benachbarten öffentlichen Einrichtungen wie Schulen und Kirchen sind herzustellen.
Städtebauliche Anforderung auch
bei Teilrückbau hoch
Auch an die Gestaltung des Atriums sind zeitgemäße Anforderungen zu stellen. So wird gutachtlich bezweifelt, dass die kleinteiligen
Ladenflächen auf Dauer gute Vermietungschancen haben. Wie oben
dargestellt, plädieren wir für eine Zusammenlegung von Verkaufsflächen, einer attraktiven Außengestaltung und einer Öffnung der
Läden zum Parkplatz, um den heutigen Ansprüchen von Nahversorgungsanbietern gerecht zu werden.
Mit beiden Varianten kann bei entsprechend hochwertigen und
sensiblen, stadtteilbezogenen und Identität stiftenden Planungen
eine nachhaltige Stabilität der städtebaulichen Strukturen erreicht
werden. Der komplette Rückbau liefert zwar mehr Gestaltungsfreiheit, stellt aber gleichzeitig höhere Anforderungen an die Planung,
bei dem vorhandenen Bestand ein attraktives Einkaufszentrum zu
schaffen. In beiden Fällen sind erhebliche Investitionen erforderlich.
Es bleibt aber eine Fülle von Fragen zu klären:
ƒ
Eine Auflösung der WEG oder ein Abriss von Wohnungseigentum ist per Wohnungseigentumsgesetz nicht vorgesehen. Wie
kann der Abriss juristisch vollzogen werden?
Zu klärende Fragestellungen
Städtebauliches Entwicklungskonzept Rentfort-Nord
72
ƒ
Wenn die Auffanggesellschaft Eigentümerin aller Wohnungen
ist, die abgerissen werden, löst sich die Auffanggesellschaft
dann zeitgleich wieder auf? Werden alle ehemaligen Miteigentumsanteile gleich Null gesetzt? Zweifelsfrei müssen alle
verbleibenden Eigentümer dem Abriss per WEG-Beschluss zustimmen, ist aber ein solcher allstimmiger Beschluss und die
Änderung der Teilungserklärung zu erreichen? Dazu müssen alle Eigentümer eine notarielle Erklärung abgeben.
ƒ
Wenn die Wohnungen, die bei einem Teilrückbau erhalten bleiben, denjenigen Eigentümern gehören, die nach wie vor kein Interesse an der Sanierung des Gebäudes haben, wie kann dann
die technisch und architektonisch aufwendige Sanierung erreicht werden?
ƒ
Bleiben Eigentümer von Wohnungen und Ladenlokalen weiterhin in einer Wohnungseigentümergemeinschaft oder kann eine
Änderung der Teilungserklärung erreicht werden, so dass zwei
WEG möglich werden?
Das Fazit zu Szenario 2 ist, dass sich bei Erreichen einer modernen
Gebäudesanierung (Wohngebäude und/oder Atrium) und einer ansprechenden städtebaulichen Gestaltung von Stadtteilplatz, Anbindung und Übergängen sowohl für die Variante des kompletten
Rückbaus als auch beim Teilabriss des Wohnturms durchaus eine
gute Entwicklungschance für den Stadtteil ergibt. Mit der Sanierung
entsteht ein neues Erscheinungsbild, der heutige Charakter des gesamten Areals wird nicht mehr wieder zu erkennen sein.
Um aber einen Teilabriss oder einen Gesamtabriss des Wohnturms
zu erreichen, ist eine intensive Zusammenarbeit von Eigentümern,
Kommune und Moderatoren in Form einer Prozessbegleitung erforderlich. Schon jetzt hat die Auffanggesellschaft eine Sanierungsberechnung für einen Teilabriss des Wohnturms und die Sanierung des
Atriums, die nur mit erheblichen öffentlichen Mitteln zu realisieren
ist. Das bedeutet, dass neben der engen Zusammenarbeit zu jeder
Zeit die Wahrung der öffentlichen Interessen im Sinne einer ganzheitlichen Stadtteilerneuerung sichergestellt werden muss und
auch nur in dem Maße öffentliche Mittel in das Projekt fließen, wie
zur Zielerreichung gerade notwendig sind. Dieses Maß auszuloten,
wird viel Geschick erfordern.
Für einen Teilabriss kann aber aus jetzigem Kenntnisstand eine
deutlich einfachere Prozessgestaltung angenommen werden, als
wenn alle Eigentümer ihr Eigentum zum Abriss freigeben müssten.
Zudem sind es vor allem die Einzelhändler, die mit großem Engagement an der Stabilität des Geschäftszentrums arbeiten. Nachteil für
beide Varianten von Szenario 2 ist, dass die Möglichkeiten, neue
städtebauliche Qualitäten zu schaffen, begrenzt sind. Das erforderliche Öffnen des Ladenzentrums wird deutlich erschwert.
Städtebauliches Entwicklungskonzept Rentfort-Nord
6.8.4
73
Szenario 3: Rückbau des Hochhauses und des
Ladenzentrums - Vor- und Nachteile
Der komplette Abriss des gesamten Ensembles würde aus städtebaulicher Sicht die größten Chancen ergeben, ein zeitgemäßes Einkaufszentrum und Stadtteilzentrum zu schaffen. Es ergäben sich
absolute Gestaltungsfreiheiten, z. B. eine Nutzungskombination aus
Wohnen, Versorgen und Freizeit zu erreichen. Eine neue Bebauungsstruktur, die sich an der Umgebung orientiert, eine Öffnung der
Geschäfte zum Straßenraum hin zulässt sowie die Identität fördert,
würde dem Stadtteil einen neuen Impuls geben. Es ist davon auszugehen, dass durch ein modernes, neues Stadtteilzentrum ein erheblicher Erneuerungs- und Modernisierungsimpuls im ganzen Stadtteil
ausgelöst wird.
Größte Chance für modernes Stadtteilzentrum: kompletter Abriss
Zu empfehlen wäre ein neues Konzept, bei dem Kirche, Gesamtschule und Kindergärten mit dem neuen Einkaufszentrum und dem
sich anschließenden Park eine funktionale und stadträumliche Einheit bilden. Die Wegebeziehungen dieser Einrichtungen und auch
zum Neubaugebiet Uechtmannstraße müssen auf die Einkaufsfunktion gelenkt werden.
In dem neuen Einkaufszentrum sollten neben einem Vollsortimenter, einem leistungsstarken Drogeriemarkt, Bäcker und Fleischer,
einem Blumen- und Dekogeschäft, Kiosk mit Getränken und Tabakwaren sowie eventuell einem Discounter auch wohnungsnahe Serviceangebote untergebracht werden. Dazu zählen Ärzte, Versicherungen, ein Friseur, eventuell eine Reinigung bzw. Schuhreparatur.
Wenn es möglich ist, bei verbesserter Kaufkraftbindung in den Nahversorgungssegmenten eine städtebaulich ansprechende Kombination aus Vollsortimenter, Drogerie und Discounter zu etablieren,
kann dies für den Stadtteil den deutlichsten Impuls geben. Einige
Expertenstimmen unterstützen dieses Szenario, denn „man sollte
nicht versuchen, die baulichen Fehler der Vergangenheit zu reparieren, was nur zweifelhaft gelingen kann. Es sollte die Chance genutzt
werden, dass wenn man schon neu gestalten kann, es auch richtig
zu machen“. Aus gutachtlicher Sicht ist die städtebauliche Neuordnung das interessanteste Szenario ist.
Fraglich ist, ob die Eigentümer der Ladeneinheiten bereit sind, sich
dem Verkauf bzw. der kostenfreien Abgabe an die Kommune oder
Auffanggesellschaft zum jetzigen Zeitpunkt anzuschließen, wenn
ihr Geschäft, Kanzlei oder Praxis gut funktioniert. Diese Frage kann
durchaus verneint werden. Erst wenn sich der Leerstand eines
Hochhauses auf die Wirtschaftlichkeit des Betriebes auswirkt, wird
mit verändertem Verhalten zu rechnen sein. Sollte dieses Szenario
Realität werden, müssen durch eine Zwischenlösung (Unterbringung der Geschäfte und Praxen in Containern) die Versorgung im
Stadtteil und die wirtschaftliche Existenz der Betriebe auch während der Bauphase gesichert sein.
Auch hier wurde schon angemerkt, dass dies für einen Imbiss oder
Rechtsanwalt durchaus vorzustellen ist; die ansässige Zahnarztpra-
Einkaufszentrum mit attraktiven
Einzelhandelsangeboten und Dienstleistungen
Städtebauliches Entwicklungskonzept Rentfort-Nord
74
xis so provisorisch unterzubringen, wird jedoch schwierig sein. Die
neuen Geschäftsräume müssten dann von den ansässigen Gewerbetreibenden entweder gekauft werden oder sie würden ihr Geschäft zur Miete betreiben. Zumindest sollte den Betrieben und Gewerbeeinheiten die Chance eingeräumt werden, im neuen Einkaufszentrum einen neuen Laden zu beziehen.
Der Abriss einer Wohnanlage im Besitz einer Wohnungseigentümergemeinschaft sowie das Schließen der Grundbücher ist nur
dann möglich, wenn alle Miteigentumsanteile in einer Hand oder in
nur wenigen Händen liegen und die restlichen Eigentümer die gleiche Strategie verfolgen. Dann kann mit der Mehrheit aller Miteigentumsanteile bzw. mit allen Stimmen das Niederlegen des Wohnturms und das Schließen der Grundbücher beschlossen werden.
Fraglich bleibt auch, wer dann Eigentümer des Grundstücks ist. Eine
Variante ist, dass bei Übernahme der Abrisskosten durch die Stadt
Gladbeck die Grundstückseigentumsrechte an die Stadt oder die
städtische Wohnungsbaugesellschaft übergehen. Diese kann das
Grundstück an einen Investor weitergeben, der die dann zu konkretisierenden Anforderungen an ein Stadtteilzentrum umzusetzen
hat.
Der komplette Abriss scheint dann zu realisieren sein, wenn die Kosten für die Niederlegung entweder nicht bei den restlichen Eigentümern liegt oder der verwertbare Nutzen durch das frei werdende
Grundstück oder durch den Neubau des Einkaufszentrums trotz
hoher Anforderungen an die städtebauliche Gestaltung die Kosten
für die Niederlegung des Gebäudes und das Freiräumen amortisiert.
Das Procedere für dieses Szenario kann wie folgt beschrieben werden: Es müssen möglichst viele bis alle Eigentümer der Auffanggesellschaft beitreten und ihre Eigentumsanteile an die Auffanggesellschaft übertragen. Der Auffanggesellschaft können bei jetzigem
Konstrukt keine Kosten für den Erwerb von Wohnungen entstehen,
da sie nicht über Kapital verfügt. Dann ist zu entscheiden, ob die
Auffanggesellschaft die Neubebauung selbst übernimmt oder an
einen Investor verkauft.
Fazit zu Szenario 3 ist, dass der komplette Abriss aus städtebaulicher
Sicht die besten Impulse für eine moderne Stadtteilentwicklung
geben kann. Aber alle Eigentumsanteile in eine Hand zu bekommen,
um im Sinne des Szenarios handlungsfähig zu werden, ist schwierig.
6.9
Handlungsempfehlungen und Anforderungen an das
Prozessmanagement und die Förderwürdigkeit
Zum Abschluss bleibt die Frage, welchen Weg die Stadt Gladbeck im
Rahmen der Stadtteilerneuerung unterstützen soll. Unstreitig ist die
Tatsache, dass Handlungsdruck besteht. Auch wenn viele Aussagen
gutachtlich zu prüfen sind, muss die Prognose der Hausverwaltung,
die sich intensiv mit dem baulichen Zustand des Gebäudes beschäf-
Städtebauliches Entwicklungskonzept Rentfort-Nord
75
tigt, hellhörig machen, dass die Bewohnbarkeit nur noch ca. fünf
Jahre gesichert ist. Damit bleibt für eine Lösung gemeinsam mit den
restlichen Eigentümern nicht mehr viel Zeit. Ist das Gebäude erst
einmal geräumt und entmietet, wird es erfahrungsgemäß immer
schwieriger, die Eigentümer haftbar zu machen. Es gilt zu verhindern, dass am Ende des Verfalls die Stadt Gladbeck nicht nur in der
Sicherungspflicht ist, sondern auch das Problem alleine lösen muss.
Die gegründete Auffanggesellschaft bietet damit einen gangbaren
und richtigen Ansatz, möglichst viele Eigentumsanteile in eine Hand
zu bekommen. Die Stadt sollte alle möglichen Anstrengungen unternehmen, die Zielsetzung der Auffanggesellschaft zu unterstützen, um deutlich höhere Kosten zu verhindern. Dabei scheint es aus
gutachtlicher Sicht zunächst irrelevant, ob Szenario 2 oder 3 zum
Tragen kommt. Beide können – wenn sie den formulierten städtebaulichen Kriterien entsprechen - im Ergebnis eine attraktive Stadtteilmitte schaffen. Wichtig ist nur, dass Szenario 1 verhindert wird.
Sollte die Auffanggesellschaft nicht handlungsfähig werden und
genügend Eigentümer überzeugt haben, muss gemeinsam mit der
Auffanggesellschaft und der Hausverwaltung über neue Handlungsoptionen beraten werden. Dann muss intensiv direkt mit den
Eigentümern verhandelt werden.
Wenn die Wohnungseigentümergemeinschaft aus eigener Kraft
eine Lösung für die Wohnimmobilie findet, sind die Einflussmöglichkeiten der Stadt naturgemäß sehr gering. Sollten aber Fördermittel, öffentlich vergünstigte Kredite und öffentlich bezahlte gutachtliche oder planerische Dienstleistungen etc. in Anspruch genommen werden, müssen die Einflussmöglichkeiten der Stadt zunächst klar abgestimmt und während des Prozesses zu jeder Zeit
gewahrt bleiben. Über klare Absprachen und Regelungen müssen
die Positionen und Einflussnahmen geregelt sein. Da bereits abzusehen ist, dass eine Lösung ohne öffentliche Hilfe nicht zu erreichen
ist, muss auf diesen Punkt ganz besonderer Wert gelegt werden.
Sobald die Entscheidung getroffen ist, wie das weitere Procedere
bzw. welches der Szenarien verfolgt werden soll, müssen die Absprachen und „Spielregeln“ zwischen Stadt, Hausverwaltung und
Auffanggesellschaft sowie den Eigentümern klar geregelt werden.
Hier wird ein Prozessmoderator, der bereits mit dem ersten Förderantrag Stadtumbau West beauftragt wurde, eine entscheidende
Antriebskraft und Kontrollinstanz bilden. Der Prozessmoderator
sollte daher auch immer bei der Stadt angesiedelt bzw. von ihr beauftragt sein.
Darüber hinaus ist hervorzuheben, dass im weiteren Procedere die
Hauptinitiative und Hauptverantwortung immer bei den Akteuren
der WEG liegt. Hier werden alle notwendigen Schritte zu initiieren
und zu leisten sein. Die Stadt Gladbeck unterstützt, kontrolliert und
begleitet über das Prozessmanagement.
An dieser Stelle soll auf eine immer wieder eingebrachte „empfundene Ungerechtigkeit“ eingegangen werden. Warum muss die öf-
Auffanggesellschaft erster Schritt zur
Lösung
Städtebauliches Entwicklungskonzept Rentfort-Nord
76
fentliche Hand privaten Wohnungseigentümern öffentliche Förderung gewähren, wenn der Wohnungskauf wegen Steuervorteilen,
Renditeabsichten etc. getätigt und diese Vorteile bereits über Jahre
abgeschöpft wurden, ohne Rückstellungen für Sanierungen etc. zu
bilden? Jetzt, wo sich diese Vorteile wegen Unvermietbarkeit der
Wohnung in Luft auflösen und Investitionen erforderlich werden,
wird der Ruf nach staatlicher Unterstützung laut. Auf diese Frage
kann nur geantwortet werden, dass das, was unsere Gesetzgebung
erlaubt (Steuersparmodelle, Abschreibungen, Immobilienspekulationen etc. ohne nachzuweisendes vorsorgendes Handeln) natürlich
nicht zu Ende gedacht ist und insbesondere die raumrelevanten
Folgen für unserer Stadtstrukturen und auch die persönlichen
Schicksale hier nicht berücksichtigt sind. In diesem Moment nach
der öffentlichen Hand zu rufen, kann von Unreflektiertheit und Verantwortungslosigkeit zeugen. Den Eigentümern kann also eigentlich nicht geholfen werden. Die Frage muss also lauten: Was passiert
im Stadtteil, wenn keine Hilfe gewährt wird? Die Folgen sind mit
den Negativszenarien beschrieben worden, beginnend von zugemauerten Gebäuden mit entsprechender Auswirkung auf das Umfeld bis hin zu unauffindbaren Eigentümern. Die Nachsorge erfordert dann eine oft viel höhere Kraftanstrengung, wenn eine Lösung
dann überhaupt noch zu erreichen ist. Von daher muss zu einem
möglichst frühen Zeitpunkt gemeinsam mit den Eigentümern versucht werden, noch so viel Eigenverantwortung wie möglich zu mobilisieren. Dies ist kein einfacher Weg. Wie kann hier Unterstützung
aussehen? Die Stadt sollte in engem Kontakt mit der Hausverwaltung und der Auffanggesellschaft alle notwenigen Schritte und deren zügiges Umsetzen unterstützen. Die Hausverwaltung sagt zwar
zu Recht, dass sie eigentlich nicht in der Verantwortung steht, da sie
solche Leistungen auch nicht bezahlt bekommt. Nichtsdestoweniger
sollten aber die Kontakte und Erfahrungen der TRV für die Projektabwicklung genutzt werden. Dazu zeigt die Hausverwaltung auch
die Bereitschaft.
Unterstützung des Prozesses durch
Verwaltung und Externe erforderlich
Aus jetziger Sicht scheint zur zeitlichen Straffung der Vorgänge ein
Projektteam erforderlich, das die Vorgänge forciert. Das Team sollte
bestehen aus:
ƒ
Mitglieder der Stadtverwaltung, Stadtplanung, Bauaufsicht
Hochbau
ƒ
Hausverwaltung und Auffanggesellschaft
ƒ
Jurist, spezialisiert auf WEG-Recht, der Interesse hat, modellhaft
an der Lösung des Problems mitzuarbeiten
ƒ
Projektentwickler, der zunächst „uneigennützig“ sein Wissen in
baulichen Projektentwicklungen einbringt und möglicherweise
dann Investor wird
ƒ
Moderation, die die Gesamtkoordination sowie das Zeitcontrolling übernimmt und darüber „wacht“, dass Vereinbarungen ein-
Städtebauliches Entwicklungskonzept Rentfort-Nord
gehalten und Ziele in einem gemeinschaftlichen Sinne verfolgt
werden
Zum jetzigen Zeitpunkt können nur die ersten Ansätze einer möglichen Umsetzung skizziert werden:
ƒ
Bislang scheint in den WEG-Versammlungen der Ernst der Lage
nur im „Groben“ skizziert worden zu sein, hier gilt es aber in einer außerordentlichen Versammlung möglichst zeitnah den
Ernst der Lage und die fehlenden Alternativen deutlich zu machen.
ƒ
Ganz dringlich - Forcierung der Gespräche mit Eigentümern und
Banken durch die Auffanggesellschaft bzw. mit ihr.
ƒ
Weitere Abklärung der rechtlichen Bedingungen der Auffanggesellschaft: Unter welchen Bedingungen ist was möglich (Teilabriss/Abriss/Neubau)? Wer ist dann für was verantwortlich?
ƒ
Klärung des weiteren rechtlichen Procedere. Welche Funktion
hat die Auffanggesellschaft nach dem Abriss oder Teilabriss?
Es gilt, der Auffanggesellschaft jegliche Unterstützung zukommen
zu lassen. Zum jetzigen Zeitpunkt erscheint vor allem eine personelle und organisatorische Unterstützung erforderlich. Zu einem späteren Zeitpunkt, wenn sich ein Lösungsweg deutlicher abzeichnet,
muss auch über die finanziellen Möglichkeiten der Unterstützung
beraten werden. Die Problemlösung muss in die Richtung gelenkt
werden, dass möglichst wenig Kosten auf die öffentliche Hand zukommen. Ohne diese Förderung wird eine Lösung nicht zu erzielen
sein. Die Förderung und ein hoher Personaleinsatz von öffentlicher
Seite aus kann damit begründet werden, dass der gesuchte Weg ein
modellhafter ist, der bislang noch nicht beschritten wurde.
Es soll an dieser Stelle nicht der Eindruck erweckt werden, dass die
Hürden und Hemmnisse höher sind als die Chancen zur Umsetzung
einer stadtteilverträglichen Lösung – nichts ist unmöglich. Dass es
sich aber um eine besonders schwierige Aufgabe handelt, sollte allen bewusst sein.
6.10
Zusammenarbeit mit der städtischen
Wohnungsbaugesellschaft
Eine wichtige Alternative für den Fall, dass die Wohnungseigentümergemeinschaft keine Lösung erzielen kann, ist die Zusammenarbeit mit der städtischen Wohnungsbaugesellschaft GWG. So könnte
die GWG die Eigentumsanteile von den Eigentümern zurückerlangen und gemeinsam mit der Stadt einen Lösungsweg erarbeiten.
Die Wohnungsbaugesellschaft sollte daher möglichst zeitnah über
den Stand der Entwicklungen informiert und die Handlungsoptionen der GWG ausgelotet werden. Die GWG sollte je nach eingenommener Position auch am Projektteam teilnehmen können.
77
78
Städtebauliches Entwicklungskonzept Rentfort-Nord
Städtebauliches Entwicklungskonzept Rentfort-Nord
7
Handlungsfeld Versorgung und Einzelhandel
7.1
Einführung in die Thematik
79
Die Zahl der Stadtteile ohne ausreichende Versorgungsmöglichkeiten in fußläufiger Erreichbarkeit nimmt durch die Verlagerung des
Einzelhandels auf die Grüne Wiese und verstärkten Wettbewerb
immer stärker zu. Das Angebot im Geschäftszentrum Rentfort-Nord
weist hingegen derzeit noch eine relativ stabile Angebotsstruktur
auf und ist damit als ein wesentliches positives Kriterium für die
Lebens- und Wohnqualität im Stadtteil zu sehen. Ziel sollte es daher
sein, das Geschäftszentrum zu stärken und durch ergänzende Angebote die Attraktivität für Jung und Alt zu erhöhen. Hierzu sind
sowohl städtebauliche als auch flankierende Maßnahmen, wie z. B.
ein professionelles Management, erforderlich.
7.2
Management für die Ladenpassage
In Zusammenarbeit mit den Geschäftstreibenden und Eigentümern
sollte ein professionelles Management organisiert werden, das für
die Vermietung und Vermarktung der Ladenpassage sorgt. Zu den
Aufgaben des Managements könnten vergleichbar mit einem Shopping Center z. B. die Steuerung der Belegung der Läden, die Entwicklung einer Corporate Identity in Verbindung mit der Organisation
einheitlicher Werbeaktionen sowie die Belebung leerer Ladenlokale
zählen. Weiterhin könnte das Management auch eine Beratung bei
der Gestaltung der Ladenlokale und Gastronomiebetriebe anbieten.
Die bestehende Interessengemeinschaft Rentfort-Nord sollte dabei
von der Wirtschaftsförderung der Stadt Gladbeck unterstützt werden. Neben der Wirtschaftsförderung sollte auch professionelle Hilfe von externen Beratern „eingekauft“ werden, da der Blick von außen oft neue Impulse gibt. Die Geschäftsleiter teilen sich dann die
Aufgaben mit den Externen. Gemeinsam wird ein entsprechendes
Konzept mit Maßnahmenpaket, Finanzierungs- und Zeitplan aufgestellt werden.
7.3
Steuerung der Belegung, Entwicklung eines CI, einheitliche Werbung
Neue Nutzungen für das Geschäftszentrum
Die Qualität des Angebots muss aufgewertet werden, z. B. durch
einen höherwertigen Drogeriemarkt und die Ansiedlung von weiteren verschiedenen Frische- und Ladenhandwerksbetrieben. Auch der
Serviceaspekt könnte deutlich verbessert werden. In Ergänzung zu
den Arztpraxen könnten sich verschiedene medizinische Dienstleistungen etablieren, wie z. B. Physiotherapie oder eine Alten- und
Pflegedienststation. Wichtig ist, dass ein Konzept ausgearbeitet
wird, das sowohl die Nachfrage im Stadtteil als auch die Attraktivität des Geschäftszentrums gleichermaßen berücksichtigt. Zu groß
ist die Gefahr, dass das Geschäftszentrum durch eine hohe Fluktuation von so genannten „1-EUR“-Läden weiterhin an Qualität verliert.
Die Steuerung eines Branchenmixes wird eine Aufgabe innerhalb
des professionellen Managements sein.
Serviceaspekt verbessern
Städtebauliches Entwicklungskonzept Rentfort-Nord
80
7.4
Städtebauliche Maßnahmen
Die baulichen Veränderungen im Bereich des Atriums sind unweigerlich verbunden mit den Entwicklungen im Bereich des Wohnhauses Schwechater Straße 38. Da zum derzeitigen Zeitpunkt die weitere Entwicklung noch vollkommen offen ist, muss auch bei den baulichen Veränderungen des Atriums in Alternativen gedacht werden.
Fakt ist jedoch, dass Aufwertungsmaßnahmen erforderlich sind.
Diese wurden bereits in Verbindung mit den Szenarien in Kapitel 6
beschrieben. Daher erfolgt an dieser Stelle noch einmal eine Darstellung der verschiedenen Anforderungen, die an eine bauliche Gestaltung des Geschäftszentrums generell zu stellen sind:
ƒ
Anpassung an die Anforderungen eines modernes Geschäftszentrums (Überprüfung der Verkaufsflächen, eventuell Zusammenlegung von Ladenlokalen)
ƒ
Sicherung der Parkplätze (Rückbau der Tiefgarage, da die Statik
die Sicherheit derzeit gefährdet)
ƒ
Öffnung des Geschäftszentrums, z. B. durch Rückbau eines Ladenlokals, Verbesserung der Beleuchtung., Schaffung eines „gedachten Bandes“ bzw. einer Wegeführung von der Bushaltestelle über den Parkplatz bis zu den Grünbereichen. Dieses Band
könnte durch Bepflanzung, Aufpflasterungen, Wasser oder Licht
die Bewohner und Besucher durch das bzw. zum Geschäftszentrum leiten
ƒ
Öffnen des Zugangs zum Geschäftszentrum von der Straße.
Kurzfristig ist der Rückschnitt von Bäumen und Sträuchern erforderlich, um Blickbeziehungen zu schaffen. Grünflächen sollten weiterhin zur Abgrenzung des öffentlichen Gehwegs zum
Parkplatz hin dienen. Diese sollten jedoch nicht als Barrieren
wirken. Um das Niedertreten von Sträuchern zu verhindern, sind
mehrere Durchgänge zu schaffen. Bei der Planung wird auf
Trampelpfade zu achten sein.
7.5
Belebung von Ladenlokalen, Verbesserung der Sicherheit
Kurzfristige Maßnahmen zur Attraktivierung
Die Umsetzung von städtebaulichen Maßnahmen im Bereich der
Schwechater Straße 38 wird von allen Beteiligten noch einen langen
Atem erfordern. Daher ist es dringend erforderlich, die Situation des
Geschäftszentrums auch unter den aktuellen Rahmenbedingungen
zu verbessern. Hierzu zählen ordnungspolitische Maßnahmen wie
Polizeipräsenz. Das Sicherheitsgefühl konnte hierdurch in den vergangenen Monaten bereits erheblich verbessert werden. Geprüft
werden sollte auch, wie die Schaufenster durch ein Lichtkonzept
inszeniert werden könnten. Dadurch wird sich das Sicherheitsgefühl
ebenfalls erhöhen. Durch eine Belebung der leeren Ladenlokale wird
sich vor allem die Attraktivität der im Innenbereich liegenden Geschäfte erhöhen. Hier kann z. B. die Gesamtschule Projekte aus dem
Kunstunterricht ausstellen oder der Jugendtreff einen Workshop zur
Städtebauliches Entwicklungskonzept Rentfort-Nord
Schaufenstergestaltung durchführen. Auch eine Ausstellung von
Künstlern, eine Krimilesung, ein Konzert der Musikschule oder eine
Ferienaktion des Freizeittreffs sind vorstellbar. Erfahrungen aus anderen Städten zeigen, dass sich hierdurch viel Aufmerksamkeit erzielen lässt und ein positives Signal an potentielle Nutzer gesendet
werden kann.
7.6
Prüfung des Wochenmarkt-Konzepts
Aus Sicht vieler Gesprächspartner „funktioniert“ der Betrieb des
Wochenmarkts derzeit nicht. Von Bewohnern wurde kritisiert, dass
das Angebot stetig abgenommen hat. Aufgrund der massiven baulichen Mängel bzw. der Statik der Tiefgarage mussten die Marktstände nach und nach reduziert werden. Daher ist es erforderlich, bis zu
einer möglichen Sanierung des Bereichs über Übergangslösungen
nachzudenken, die die Funktion des Wochenmarkts sichern, um
einen Magnet für die anderen Angebote im Geschäftszentrum zu
erhalten. Zu prüfen ist z. B., ob im Randbereich Marktstände platziert werden könnten.
81
82
Städtebauliches Entwicklungskonzept Rentfort-Nord
Städtebauliches Entwicklungskonzept Rentfort-Nord
8
Handlungsfeld Kinder und Jugendliche
8.1
Einführung in die Thematik
83
Kindern und Jugendliche einen guten Start ins Leben zu ermöglichen, ist sowohl gesamtgesellschaftlich als auch im Stadtteil Rentfort-Nord ein wichtiges Thema. Der Anteil der unter 18-Jährigen liegt
derzeit bei rund 18 %. Mit dem Freizeittreff in der Fritz-Erler-Straße
besteht bereits ein inhaltlich attraktives Angebot für die Freizeitgestaltung. Doch in verschiedenen Gesprächen wurde angemerkt, dass
zusätzliche Angebote erforderlich sind. Insbesondere Kindern und
Jugendlichen aus sozial benachteiligten Familien fehlt es häufig an
Halt durch das eigene Familienumfeld. Durch fehlende Freizeitangebote suchen sie sich ihren eigenen Raum, treffen sich an zentralen Plätzen und dies führt häufig zu Konflikten mit Bewohnern. Entziehen sie sich der sozialen Kontrolle, z. B. abends im Bereich der
Gesamtschule, sind ebenfalls Konflikte vorprogrammiert. Ziel ist es,
den Stadtteil Rentfort-Nord für alle Kinder und Jugendlichen attraktiv zu gestalten und ihre Lebensbedingungen nachhaltig zu verbessern.
8.2
Verlagerung des Freizeittreffs
Besondere Dringlichkeit hat die Verlagerung des Freizeittreffs FritzErler-Straße. In Gesprächen wurde diskutiert, dass das Zentrum sich
weiterhin im unmittelbaren Umfeld der Schule befinden sollte. Hierfür würde sich vor allem der Bereich des derzeitigen ToilettenHauses im Südosten des Schulhofs eignen. Für die Wahl des Standorts wird eine Abstimmung sowohl mit dem Jugendamt, als auch
mit dem Schulverwaltungsamt und dem Schulamt erforderlich sein.
Um die Akzeptanz bei den zukünftigen Nutzern zu erhöhen, sollen
sie sowohl bei der Planung als auch Umsetzung beteiligt werden. So
könnten die Jugendlichen z. B. bei der Gestaltung der Räumlichkeiten einbezogen werden.
8.3
Stärkung des Freizeittreffs Fritz-Erler-Straße und Schaffung
neuer Angebote
Unabhängig von der Standortwahl ist das Angebot im Freizeittreff
zu erweitern und dahingehend weiterzuentwickeln, dass unterschiedliche Zielgruppen angesprochen werden. Auch wenn es in
erster Linie darum geht, Angebote für so genannte „Problemkids“
anzubieten, um sie zu unterstützen und zu fördern, sollte das Konzept des Freizeittreffs auch die ansprechen, die aus sozial stabilen
Familien stammen. Hierdurch kann zum einen die soziale Mischung
gefördert werden, aber auch denjenigen Freizeitmöglichkeiten geboten werden, die sonst weniger Beachtung finden, jedoch in ihrer
Entwicklung ebenfalls unterstützt werden sollten. Die Entwicklung
in der Jugendförderung wird zukünftig eine verstärkte Kooperation
zwischen Schule und Jugendhilfe erfordern. Daher ist die Erweiterung von Betreuungsangeboten in Kooperation mit der Gesamt-
Angebote nicht nur für Problemkids
Städtebauliches Entwicklungskonzept Rentfort-Nord
84
schule notwendig. Dabei ist auch zu prüfen, inwiefern Angebote für
Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund weiterentwickelt werden können. Angebote von Moscheen oder Kulturvereinen
bestehen im Stadtteil nicht. Dadurch fehlen natürliche „Auffangmöglichkeiten“. Viele dieser Jugendlichen wachsen „zwischen zwei
Welten“ auf und fühlen sich manchmal sprichwörtlich „sprachlos“.
Wer sich aber unverstanden und dadurch hilflos fühlt, neigt eher zu
aggressivem Verhalten. Mit Unterstützung von Projekten, in denen
sie ihre Lebenssituation darstellen, z. B. in einem Kunstprojekt oder
einer Geschichtswerkstatt, könnten sie ihren Migrationshintergrund
jedoch als Stärke erkennen und größeres „gesundes“ Selbstbewusstsein gewinnen.
8.4
Gründung einer Schülerfirma
In Kooperation mit Beschäftigungsförderung, Freizeittreff, Stadtteilhausmeister, Handwerkern und Gesamtschule könnte eine Fahrradwerkstatt in Form einer Schülerfirma gegründet werden. Die
Schüler erhalten damit die Chance, ihre persönlichen Stärken und
Fähigkeiten zu entdecken und sammeln erste Erfahrungen fürs Berufsleben: Sie lernen, Verträge abzuschließen, termingerecht Aufgaben zu erledigen, Einnahmen und Ausgaben zu verwalten und
werden natürlich auch im handwerklichen Bereich geschult. Um
unter den 1.300 Schülern und 8.000 Bewohnern Kunden zu werben,
muss selbstverständlich auch Öffentlichkeitsarbeit geleistet werden. Eine Betreuung der Schüler wird durch Lehrer, ehrenamtliche
Handwerker und Rentner aus dem Stadtteil erfolgen.
8.5
Aufsuchende Jugendarbeit
Vor allem Jugendliche aus sozial benachteiligten Familien versuchen
sich bewusst der sozialen Kontrolle zu entziehen und suchen den
„pädagogisch freien Raum“. In Rentfort-Nord trifft man sie z. B. im
Umfeld des Geschäftszentrums oder abends unter den Brückenbauten der Gesamtschule an. Sie zählen häufig zu denjenigen, die eine
besondere Unterstützung bzw. auch den Rat von Erwachsenen benötigen – sei es bei Problemen in der Schule, in der Familie oder bei
der Jobsuche. Um sie zu erreichen, ist eine aufsuchende Jugendarbeit erforderlich. Sie müssen an den Orten angesprochen werden,
wo sie sich treffen. Geeignet ist dafür eine Person, die im Auftrag
des Jugendamts eventuell mehrere Gebiete in Gladbeck aufsucht,
bei der die Jugendlichen aber wissen, dass sie an einem bestimmten
Tag bzw. zu einer bestimmten Uhrzeit im Stadtteil ansprechbar ist.
8.6
Persönliche Stärken erkennen und
für den Stadtteil einsetzen
Streetwork
Perspektiven aus der Arbeitslosigkeit
Die Zahl der Jugendlichen ohne Perspektive auf einen Ausbildungsplatz oder Beruf steigt zunehmend. Manche haben ihre Stärken und
Berufswünsche noch nicht herausgefunden, anderen fehlt die Moti-
Städtebauliches Entwicklungskonzept Rentfort-Nord
vation oder der erforderliche Schulabschluss. Es gibt zwar Beratungsangebote, wie z. B. im Stadtteilbüro, doch viele werden den
Weg dorthin aus eigener Initiative nicht finden. Daher gilt es, diese
Jugendlichen gezielt anzusprechen und in Projekte einzubinden, bei
denen sie ihre Stärken erfahren und einzusetzen lernen. Sie könnten
beispielsweise bei der Gestaltung von Spielplätzen im Rahmen der
Erneuerungsmaßnahmen in Rentfort-Nord einbezogen werden oder
bei einem Kunstprojekt, mit dem „Wegweiser“ durch die neu gestalteten Grünzonen im Stadtteil geschaffen werden. Die Jugendlichen
werden während des Projekts durch die Betreuer motiviert, ein weiterführendes Praktikum zu absolvieren, an weiteren Qualifizierungsmaßnahmen teilzunehmen oder ihren Berufsabschluss zu machen. Sie könnten ebenfalls dazu motiviert werden, ihren „Werdegang“ in einem leeren Ladenlokal oder in der Zeitung zu dokumentieren, um damit auch anderen Mut zu machen.
8.7
Steinbaustelle
Kinder und Jugendliche könnten in Kooperation mit Künstlern oder
Handwerkern, z. B. einem Steinmetz, gemeinsam etwas „Bleibendes“ schaffen: Sie gestalten Sandsteine, die später im Park aufgestellt werden, eine Sitzgruppe umrahmen oder den Eingang zu einem Spielplatz markieren. Diese Aktion kann in den Sommerferien
in den Grünanlagen nördlich des Stadtteilzentrums oder im Geschäftszentrum stattfinden, damit möglichst viele Bewohner die
Aktivitäten der fleißigen kleinen Handwerker mitbekommen.
85
86
Städtebauliches Entwicklungskonzept Rentfort-Nord
Städtebauliches Entwicklungskonzept Rentfort-Nord
9
Handlungsfeld Image und Nachbarschaften
9.1
Einführung in die Thematik
87
Von Bürgern und Akteuren wird bedauert, dass das „Wir-Gefühl“ im
Stadtteil fehlt. Als Gründe werden die fehlenden gewachsenen Bewohnerstrukturen und die hohe Fluktuation im Geschosswohnungsbau genannt. Vereinsstrukturen sind weder für deutsche noch
für Bewohner mit Migrationshintergrund vorhanden. Ein Ansatz, die
Begegnung der Bewohner im Stadtteil zu fördern, ist das seit drei
Jahren stattfindende Stadtteilfest. Es gilt jedoch dauerhaft Kommunikationsstrukturen und –räume aufzubauen, um das Nebeneinander hin zu einem Miteinander im Stadtteil zu verbessern. Dabei
muss aber berücksichtigt werden, dass von einigen Bewohnern die
Anonymität bewusst vorgezogen wird, und dies nicht grundsätzlich
negativ zu betrachten ist. Letztlich gilt es daher, auch ein „friedvolles Nebeneinander“ als positiv zu bewerten.
9.2
Image- und Öffentlichkeitsarbeit
Die Identifikation der Bewohnerschaft mit ihrem Stadtteil ist in den
vergangenen Jahren zurück gegangen und ist heute nur wenig ausgeprägt: Ein „Wir-Gefühl“ wird vermisst. Zudem zerfällt der Stadtteil im Bewusstsein der Bevölkerung in mehrere Teilräume. Für eine
positive Entwicklung ist es aber von Bedeutung, dieses negativ geprägte Bild zu korrigieren, zumal es wohl nur in Teilen der heutigen
Realität entspricht. Dies wird ein langfristiger Prozess sein, der einerseits durch konkrete bauliche und soziale Maßnahmen, andererseits durch eine verbesserte Außen- und Selbstdarstellung zu beeinflussen ist. Wichtig ist es, durch eine gezielte Öffentlichkeitsarbeit
die Qualitäten des Stadtteils nach innen und außen zu präsentieren.
Beteiligt werden sollten dabei auch die Bewohner, da sie mit dazu
beitragen werden, dass ein „glaubwürdiges“ Bild und keine inszenierte Imagekampagne entstehen wird. Der Stadtteil sollte sich als
familienfreundlicher Stadtteil präsentieren, der Qualitäten für Jung
und Alt bietet. Ein neues Logo sollte entwickelt werden, mit dem
zukünftig auch die Geschäftsleute aus dem Geschäftszentrum werben könnten.
9.3
Logo und Slogan für den Stadtteil
Pressearbeit
Das Image des Stadtteils wird derzeit vor allem durch das Gebäude
Schwechater Straße 38 negativ beeinflusst. Die Presseberichte konzentrieren sich hauptsächlich auf diese Schwachstelle im Stadtteil,
ungeachtet dessen, was der Stadtteil sonst noch zu bieten hat. Zwar
lässt sich auf negative Berichte nur wenig Einfluss nehmen. Ziel
muss aber sein, die vielen positiven Veränderungen nachdrücklich
zu kommunizieren und an die Presse weiterzugeben. Damit wird
auch die ein oder andere negative Schlagzeile weniger Beachtung
finden.
Positive Veränderungen kommunizieren
Städtebauliches Entwicklungskonzept Rentfort-Nord
88
9.4
Aktionen für Groß und Klein
Bespielung des Stadtteils
Zur „Bespielung des Stadtteils“ und zur Verbesserung des Miteinanders hat sich das seit drei Jahren stattfindende Stadtteilfest bewährt. Dieses von den Gewerbetreibenden sowie weiteren Akteuren
organisierte Fest sollte auch weiterhin vom Stadtteilbüro unterstützt werden. Zudem kann die Einweihung der Spielplätze inszeniert und hiermit die Veränderungen im Stadtteil auch über die
Stadtteilgrenze hinaus bekannt gemacht werden. Insbesondere für
Familien aus anderen Stadtteilen, deren Kinder die Gesamtschule
besuchen, wird hierdurch ein positives Image des Stadtteils vermittelt. Spielplatzpaten können die Spielplätze im Sommer bespielen,
z. B. durch ein Wasserfest: Nach Herzenslust plantschen, mit Matsch
spielen und sich gegenseitig nass spritzen. Für Kinder ohne eigenen
Garten eine große Freude, die man z. B. in Kooperation mit der Jugendfeuerwehr verwirklichen kann. Gleichzeitig können die Kinder
hierbei aber auch den Umgang mit der kostbaren Ressource Wasser
lernen: Wie viel Wasser benötigen wir pro Tag? Woher kommt eigentlich das Leitungswasser? Als Kooperationspartner könnte dabei
neben dem Freizeittreff auch das Umweltamt beteiligt werden.
9.5
Mein Lieblingsplatz hat einen Namen
Wichtig für ein neues Image und die Stärkung der Identifikation der
Bewohner mit ihrem Stadtteil sind auch „klangvolle und einprägsame Namen“. Gemeinsam mit den großen und kleinen Bewohnern
können während der Planungen Namen für die Highlights im Stadtteil gefunden werden, damit diese sich an der Gestaltung bzw. dem
Leitthema orientieren. Der derzeitige „Holzspielplatz“ im Park nördlich der Schwechater Straße könnte z. B. zukünftig der „Inselspielplatz“ sein, da er zwischen Gesamtschule und dem Ortsteilspielplatz
liegt.
9.6
Ein Ort der Kommunikation und
Begegnung
Bürgertreff Rentfort-Nord
Jeden Donnerstag findet im evangelischen Pfarrhaus ein Markttreff
statt. Hierauf sollte aufgebaut werden und ein mehrmals in der Woche geöffneter Bürgertreff in einem leeren Ladenlokal gefördert
werden. Damit könnten auch diejenigen erreicht werden, die kirchlichen Einrichtungen gegenüber weniger Akzeptanz zeigen. Senioren
aus dem Stadtteil könnten mit Unterstützung des Stadtteilbüros
den Betrieb des Cafés ehrenamtlich übernehmen. Sie können Kaffee
und Kuchen zum Selbstkostenpreis anbieten. Einmal in der Woche
könnte hier auch ein internationales Erzählcafé stattfinden. Zu einem vorher festgelegten Thema berichten Besucherinnen und Besucher über ihre ganz persönlichen Erfahrungen und Erlebnisse. Passend zu einigen Themen werden auch kleine Ausstellungen organisiert, die Anregungen für die Berichte und Erzählungen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer bieten. Dieses Erzähl-Café kann in
Kooperation mit der Gesamtschule und dem Seniorenzentrum or-
Städtebauliches Entwicklungskonzept Rentfort-Nord
ganisiert werden. Die ältere und jüngere Generation sowie unterschiedliche Nationen aus dem Stadtteil kommen zusammen, um zu
einem vorher ausgewählten Thema von ihrer eigenen Lebenssituation und ihren Lebenserfahrungen zu erzählen. So wird im Erzählcafé der Bogen von gestern über heute möglicherweise zu morgen
gespannt, wobei sich jeder einbringen kann und Alt und Jung in einen Dialog treten. Aber auch Vorträge speziell für Senioren könnten
in Kooperation mit verschiedenen karitativen Einrichtungen und
Institutionen veranstaltet werden, z. B. zur Renten- und Gesundheitsreform.
89
90
Städtebauliches Entwicklungskonzept Rentfort-Nord
Städtebauliches Entwicklungskonzept Rentfort-Nord
10
91
Ausblick
Nicht nur der Wohnturm Schwechater Straße 38 ist in die Jahre gekommen. Auch das Einkaufszentrum, der Straßenraum, die Schule
und viele andere Wohnbereiche und Wohnhäuser machen deutlich,
dass es dem Stadtteil Rentfort-Nord an modernen Impulsen, an Innovationskraft, baulicher Erneuerung und Pflege mangelt. Noch
aber halten der erste beschauliche und friedliche Eindruck und der
Charme des Vergangenen die Waage. Die Stadt Gladbeck hat mit
der Initiative zum Städtebaulichen Entwicklungskonzept einen für
Rentfort guten Zeitpunkt gewählt, um strategisch die Ziele der
Stadtteilentwicklung festzulegen.
Erste herausragende Aufgabe wird die Lösung des Problems Schwechater Straße 38 sein, die von allen Seiten eine deutliche Kraftanstrengung bedeutet. Hier ist eine umfassende Prozessbegleitung
ratsam. Es ist davon auszugehen, dass dieser Weg viel Kreativität
und Überzeugungskraft erfordert. Wie auch immer die Lösung aussehen kann, das Schicksal der Nahversorgung im Stadtteil ist eng
damit verknüpft. Ziel einer jeden Lösung muss es daher sein, ein
attraktives Stadtteilzentrum mit ausreichendem Angebot an Nahversorgung zu schaffen. Die heutige Situation wird zwar von den
Bewohnern als durchaus ausreichend angesehen. Die Erfahrungen
lehren aber, dass sich das Einkaufsverhalten schnell ändern kann
und die Ansprüche an die Attraktivität der Geschäfte stetig steigen.
Es ist zu befürchten, dass ein weiterer Negativtrend auch die Nahversorgung in Mitleidenschaft zieht und die Versorgung gefährdet.
Je nachdem, wie die Entwicklung im kommenden Jahr 2005 verläuft
und je nachdem, ob die Auffanggesellschaft Erfolge verzeichnen
kann, muss die Stadt Gladbeck anfangen, in Alternativszenarien zur
Sicherung der Nahversorgung zu denken.
Erste Herausforderung Schwechater
Straße 38
Auch die anderen Mehrgeschossbauten stammen aus den 60er und
70er Jahren; hier ist der Sanierungsbedarf abzuklären bzw. heute
schon abzusehen. Hier gilt es, die Eigentümer frühzeitig von einer
ganzheitlichen Sanierung zur Vermeidung einer Negativentwicklung zu überzeugen. Hat eine Wohnungseigentümergemeinschaft
vier bis fünf Jahre Zeit, durch Rücklagen ein entsprechendes Kapital
für die Sanierungs- und Verschönerungsmaßnahmen anzusparen,
ist eine zeitgemäße Anpassung deutlich einfacher zu erreichen. Zum
einen können sich die Eigentümer über einen langen Zeitraum darauf einstellen, zum anderen bleibt Zeit genug, sich auf eine Planungsvariante zu einigen. Dazu müssen den Wohnungsbaugesellschaften und Wohnungseigentümergemeinschaften die Zielsetzungen der Stadt Gladbeck in Sachen Stadtteilerneuerung nahe gelegt
werden. Durch ein stetiges Stadtteilmanagement müssen die Eigentümer dazu gedrängt werden, sich mit der begrenzten „Lebensdauer“ und Funktionsfähigkeit ihrer Immobilien zu beschäftigen. Dieses
Drängen muss strategisch geschickt eingefädelt und organisiert
werden. Ohne genauere bauliche Analyse kann für weitere Objekte
die Frage nicht beantwortet werden, ob auch hier ein Abriss in Frage
Weiteren Sanierungsbedarf klären
Städtebauliches Entwicklungskonzept Rentfort-Nord
92
kommt. Aus gutachtlicher Sicht stellt sich die Frage nach der Vernichtung von Bausubstanz und Wohnungen im Westen Deutschlands auch erst dann, wenn eine Sanierung und ein langfristiger
Erhalt teurer sind als Abriss, Entschädigung und Neubau mit geringeren Wohndichten. Hier sind detaillierte Wirtschaftlichkeitsberechnungen erforderlich, die von vielen Faktoren abhängig sind.
Erneuerungen müssen demografischem Wandel gerecht werden, aber
auch Attraktivität für Familien bieten
Die Erneuerung des Wohnumfelds und der Infrastruktur muss zum
einen dem demografischen Wandel gerecht werden, zum anderen
aber auch dem Ziel, den Stadtteil weiterhin für Familien attraktiv zu
halten. Der Wettbewerb um Einwohner in entspannten Wohnungsmärkten wird sich aus unserer Sicht über ein gutes PreisLeistungsverhältnis entscheiden. Wenn sich eine Familie den
Wunsch nach einem Eigenheim nicht erfüllen kann, macht eine
preisgünstige Wohnung in attraktivem Wohnumfeld mit modernen
Spiel- und Freizeitangeboten sowie einem guten Bildungsangebot
die Entscheidung für die Geschosswohnung einfacher.
Stärkung des Bewohnerengagements
Das bereits vorhandene Engagement der Bewohner muss gestärkt
werden. Für alle Kommunen wird das bürgerschaftliche Engagement in Zukunft an Bedeutung gewinnen, um Kosten zu sparen.
Hier kann von Patenschaften für Kinder oder Spielgeräte bis hin zu
Aufräumaktionen im Wohnumfeld kreativ gedacht werden. Ein
Stadtteilmanagement kann eine Fülle von Maßnahmen anstoßen.
Auch die vielfach erwähnten Beteiligungsaktionen können hier ihren Start finden.
Stadtteilmanager mit baulichfachlichen und kommunikativen
Fähigkeiten
An vielen Stellen der Analyse wird deutlich, dass ein direkter „Kümmerer“ vor Ort oder ein Stadtteilmanagement mit weiterreichenden
Funktionen erforderlich ist – dies erfordert mehr, als es das derzeitige Stadtteilbüro leisten kann. Im Zuge der städtebaulichen Planungen gilt es insbesondere die Bereitschaft der Eigentümer für die Sanierung ihrer Gebäuden zu gewinnen, aber auch eine stetige Bürgerbeteiligung und die Zusammenarbeit mit den Akteuren vor Ort
sollte gewährleistet sein. Wichtig ist daher ein „Kümmerer“, der
über kommunikative und moderative Fähigkeiten verfügt und als
Schnittstelle zur Verwaltung dient. Hier stellt sich für die Stadt die
Frage der Kosten-Nutzenrechnung. Kann ein Stadtteilmanagement
günstiger sein als die nachsorgenden Kosten bei Fehlentwicklungen
im Stadtteil? Aus gutachtlicher Sicht wird empfohlen: Auch wenn im
Vorfeld nicht zu garantieren ist, dass ein Stadtteilmanagement Kosten spart, ist die Investition sinnvoll, um möglichen weiteren Negativentwicklungen nicht zusehen zu müssen. Aufgabe des Stadtteilmanagements darf es aber nicht sein, Hausaufgabenhilfe anzubieten – dazu sind andere Institutionen gefragt – Aufgabe muss die
ganzheitliche Stadtteilerneuerung sein.
Abschließend soll die wichtigste Aufgabe und Zielsetzung für den
Stadtteil Rentfort-Nord zusammengefasst werden: Es gilt eine zeitgemäße Anpassung des Stadtteils an das Leitbild „Familienfreundlicher Stadtteil“ zu erreichen. Das Erreichen einer Lösung für die
Schwechater Straße 38 wäre nicht nur für den Stadtteil ein wichtiger
Städtebauliches Entwicklungskonzept Rentfort-Nord
93
Meilenstein, sondern kann Beispielcharakter haben für die vielen
Wohnungseigentümergemeinschaften, die vergleichbare Probleme
noch vor sich haben.
Die Umsetzung der Verbesserungsmaßnahmen im Stadtteil wird
nur Schritt für Schritt zu erreichen sein: Zunächst muss mit allen
Kräften versucht werden, die Wohnungseigentümergemeinschaft
Schwechater Straße 38 „handlungsfähig“ zu machen. Zudem muss
gemeinsam an der Lösung des Problems gearbeitet werden: Kann
Szenario 2 oder Szenario 3 weiterverfolgt werden? Dieser Prozess
muss intensiv durch ein Management begleitet werden, denn um
den Meilenstein zu erreichen, gilt es, noch einige Stolpersteine „aus
dem Weg zu räumen“ - finanzielle Fragen sind zu klären und Eigentümer zu überzeugen. Parallel dazu könnte jedoch bereits das Stadtteilmanagement aufgebaut werden und die Ansprache der anderen
WEG, Eigentümer und Wohnungsbaugesellschaften erfolgen, um
auch hier weiteren Negativentwicklungen so früh wie möglich begegnen zu können. Die Umbaumaßnahmen im Bereich der Gesamtschule und der Grünflächen sind dann ein nächster Schritt, um die
Lebens- und Wohnqualität des Stadtteils nachhaltig zu sichern.
Was sind die weiteren Schritte?
94
Städtebauliches Entwicklungskonzept Rentfort-Nord
Städtebauliches Entwicklungskonzept Rentfort-Nord
11
95
Maßnahmenkatalog - Kosten
Zeitraum 2005 – 2008
Maßnahme
Kosten
Planungskosten
Erarbeitung des Städtebaulichen Entwicklungskonzepts
50.000
(Baustein 1 und 2)
Erarbeitung der Städtebaulichen Rahmenplanung sowie
25.000
einer architektonischen Machbarkeitsstudie für das
Stadtteilzentrum (Schwechater Str. 38)
Prozesssteuerung für die Zeit der Entmietung, des Rück-
40.000
baus und des Neubau pro Jahr, Kostenschätzung
Quartiersmanagement für den Stadtteil, mit Fokus auf
240.000
die Sanierung der weiteren Hochhäuser, Sanierungsmanagement, Personalkosten
Ersatz für das heutige Stadtteilbüro, Anmietung, Be-
48.000
triebskosten
Schwechater Straße 38
Abbruch des Gebäudes bis zur 3. Etage, (33 Wohneinhei-
2.000.000
ten bleiben erhalten), Sanierung bzw. Verfüllung der
Tiefgarage
Modernisierung des verbleibenden Gebäudes, Attrakti-
1.980.000
vierung der Stadtteilversorgung
Aufwertung der Aufenthaltsqualität im Geschäftszent-
150.000
rum Schwechater Str. 38
Umzugsbeihilfen 1.000 EUR pro 60 WE
60.000
Stadtteilerneuerung
Wohnumfeldverbesserung im Stadtteil, insbesondere
600.000
zwischen den Hochhäusern und um das Stadtteilzentrum, 20.000 m² x 30 EURO
Aufwertung der Gesamtschule inkl. Außenbereiche
450.000
Aufwertung bzw. Ausweitung und Vernetzung der
350.000
Parkanlagen
Umsiedlung Jugendzentrum
500.000
Qualitative Verbesserung der Spielräume
150.000
Verbesserung der Grünachse
100.000
Maßnahmen im Straßenraum
250.000
Gesamtsumme 2005 - 2008
6.993.000
Städtebauliches Entwicklungskonzept Rentfort-Nord
96
Zeitraum 2005
Maßnahme
Kosten
Planungskosten
Erarbeitung des Städtebaulichen Entwicklungskonzepts
50.000
(Baustein 1 und 2)
Quartiersmanagement für den Stadtteil mit Fokus auf
60.000
die Sanierung der weiteren Hochhäuser, Sanierungsmanagement, Personalkosten
Ersatz für das heutige Stadtteilbüro, Anmietung, Be-
12.000
triebskosten
Stadtteilerneuerung
Wohnumfeldverbesserung im Stadtteil, insbesondere
150.000
zwischen den Hochhäusern und um das Stadtteilzentrum,
Aufwertung bzw. Ausweitung und Vernetzung der
175.000
Parkanlagen
Verbesserung der Grünachse
100.000
Maßnahmen im Straßenraum
125.000
Gesamtsumme 2005
672.000
Zeitraum 2006
Maßnahme
Kosten
Planungskosten
Erarbeitung der Städtebaulichen Rahmenplanung sowie
25.000
einer architektonischen Machbarkeitsstudie für das
Stadtteilzentrum (Schwechater Str. 38)
Prozesssteuerung für die Zeit der Entmietung, des Rück-
20.000
baus und des Neubau pro Jahr, Kostenschätzung
Quartiersmanagement für den Stadtteil mit Fokus auf
60.000
die Sanierung der weiteren Hochhäuser, Sanierungsmanagement, Personalkosten
Ersatz für das heutige Stadtteilbüro, Anmietung, Be-
12.000
triebskosten
Schwechater Straße 38
Umzugsbeihilfen 1.000 EUR pro 60 WE
60.000
Stadtteilerneuerung
Wohnumfeldverbesserung im Stadtteil, insbesondere
zwischen den Hochhäusern und um das Stadtteilzentrum
150.000
Städtebauliches Entwicklungskonzept Rentfort-Nord
97
Zeitraum 2006
Maßnahme
Kosten
Aufwertung der Gesamtschule inkl. Außenbereiche
225.000
Aufwertung bzw. Ausweitung und Vernetzung der
175.000
Parkanlagen
Qualitative Verbesserung der Spielräume
150.000
Maßnahmen im Straßenraum
125.000
Gesamtsumme 2006
1.002.000
Zeitraum 2007
Maßnahme
Kosten
Planungskosten
Prozesssteuerung für die Zeit der Entmietung, des Rück-
20.000
baus und des Neubau pro Jahr, Kostenschätzung
Quartiersmanagement für den Stadtteil mit Fokus auf
60.000
die Sanierung der weiteren Hochhäuser, Sanierungsmanagement, Personalkosten
Ersatz für das heutige Stadtteilbüro, Anmietung, Be-
12.000
triebskosten
Schwechater Straße 38
Abbruch des Gebäudes bis zur 3. Etage, (33 Wohneinhei-
2.000.000
ten bleiben erhalten), Sanierung bzw. Verfüllung der
Tiefgarage
Aufwertung der Aufenthaltsqualität im Geschäftszent-
150.000
rum Schwechater Str. 38
Stadtteilerneuerung
Wohnumfeldverbesserung im Stadtteil, insbesondere
150.000
zwischen den Hochhäusern und um das Stadtteilzentrum,
Aufwertung der Gesamtschule inkl. Außenbereiche
225.000
Umsiedlung Jugendzentrum
250.000
Gesamtsumme 2007
2.867.000
Städtebauliches Entwicklungskonzept Rentfort-Nord
98
Zeitraum 2008
Maßnahme
Kosten
Planungskosten
Quartiersmanagement für den Stadtteil mit Fokus auf
60.000
die Sanierung der weiteren Hochhäuser, Sanierungsmanagement, Personalkosten
Ersatz für das heutige Stadtteilbüro, Anmietung, Be-
12.000
triebskosten
Schwechater Straße 38
Modernisierung des verbleibenden Gebäudes, Attrakti-
1.980.000
vierung der Stadtteilversorgung
Stadtteilerneuerung
Wohnumfeldverbesserung im Stadtteil, insbesondere
150.000
zwischen den Hochhäusern und um das Stadtteilzentrum
Umsiedlung Jugendzentrum
Gesamtsumme 2008
250.000
2.452.000
Anlage
Stadt- und Regionalplanung
Dr. Paul G. Jansen GmbH
Städtebauliches
Entwicklungskonzept für den
Stadtteil Gladbeck Rentfort-Nord
Ergebnisse der Bewohnerbefragung
Geschäftsführung:
Dr. Paul G. Jansen
Dipl.-Geogr. Ursula Mölders
Dipl.-Ing. Dominik Geyer
HRB Köln 36154
Bachemer Str. 115
50931 Köln-Lindenthal
Postfach 41 05 07
50865 Köln
Fon 0221 94072-0
Fax 0221 94072-18
[email protected]
www.stadtplanung-dr-jansen.de
Stadt- und Regionalplanung
Dr. Paul G. Jansen GmbH
Städtebauliches
Entwicklungskonzept für den
Stadtteil Gladbeck Rentfort-Nord
Ergebnisse der Bewohnerbefragung
Bearbeitung
Dipl.-Geogr. Ursula Mölders
Dipl.-Geogr. Bettina Gringel
Mitarbeit
Andreas Schmitz cand. geogr.
Dorothee Rodermann M. A.
In dem nachfolgenden Text verzichten wir zugunsten einer besseren Lesbarkeit auf
die Schreibweise „Innen“ bei Bürger, Nutzer, Anlieger etc. Selbstverständlich sind
immer gleichzeitig und chancengleich Männer und Frauen angesprochen.
Dieses Gutachten unterliegt dem Urheberrecht. Vervielfältigungen, Weitergabe
oder Veröffentlichung des Gutachtens in Teilen oder als Ganzes sind nur nach vorheriger Genehmigung und unter Angabe der Quelle erlaubt, soweit mit dem Auftraggeber nichts anderes vereinbart ist.
Köln, September 2004
Inhalt
1
1.1
1.2
BEFRAGUNG
Zielsetzung und Durchführung
Teilnehmerstruktur
1
1
1
2
2.1
BEWERTUNG DES STADTTEILS RENTFORT-NORD
Wie zufrieden sind Sie mit Ihrem Wohnumfeld?
(Frage 1)
Was stört Sie am Wohnumfeld am meisten? (Frage 2)
Was finden Sie am Wohnumfeld besonders gut?
(Frage 3)
Wie soll es Ihrer Meinung nach mit dem Haus
Schwechater Straße 38 weitergehen? (Frage 4)
Fühlen Sie sich als Bewohner dies Stadtteils sicher oder
was muss Ihrer Meinung nach mehr für die Sicherheit
der Bewohner getan werden? (Frage 5)
Bewertung der Freizeitmöglichkeiten
(Fragen 6, 7 und 8)
Bewertung der Versorgungsmöglichkeiten
(Fragen 9 und 10)
Wie bewerten Sie die Freizeitmöglichkeiten für Kinder
und Jugendliche, was fehlt Ihrer Meinung nach?
(Fragen 11 und 12)
Stellen Sie sich vor, Sie wären Bürgermeister von
Gladbeck. Was würden Sie als erstes verbessern?
(Frage 13)
Abschließende Betrachtung
3
2.2
2.3
2.4
2.5
2.6
2.7
2.8
2.9
2.10
ANHANG: FRAGEBOGEN
3
4
5
6
7
8
10
11
12
13
14
Abbildungen
Abbildung 1
Abbildung 2
Abbildung 3
Abbildung 4
Abbildung 5
Abbildung 6
Teilnehmerstruktur Befragung Gladbeck
Rentfort-Nord, unterschieden nach
Nationalitäten (dargestellt in absoluten
Zahlen)
2
Teilnehmerstruktur Befragung Gladbeck
Rentfort-Nord unterschieden nach
Altersverteilung (dargestellt in absoluten
Zahlen)
2
Teilnehmerstruktur Befragung Gladbeck
Rentfort-Nord unterschieden nach Geschlecht
(dargestellt in absoluten Zahlen)
3
Bewertung der Wohnzufriedenheit von „sehr
zufrieden“ bis „sehr unzufrieden“ (dargestellt
in absoluten Zahlen) Mehrfachnennungen
möglich
4
Was stört Sie persönlich am meisten?
(dargestellt in absoluten Zahlen)
Mehrfachnennungen möglich
5
Was finden Sie besonders gut? (dargestellt in
absoluten Zahlen) Mehrfachnennungen
möglich
6
Inhalt
Abbildung 7
Abbildung 8
Abbildung 9
Wie sollte es ihrer Meinung nach mit dem Haus
Schwechater Straße 38 weitergehen?*
(dargestellt in absoluten Zahlen)
Mehrfachnennungen möglich
7
Fühlen Sie sich als Bewohner dieses Stadtteils
sicher oder muss Ihrer Meinung nach im
Stadtteil mehr für die Sicherheit getan werden?
(dargestellt in %)
8
Bewertung Freizeitmöglichkeiten (dargestellt
in absoluten Zahlen)
9
Abbildung 10 Bewertung Versorgungsmöglichkeiten
(dargestellt in absoluten Zahlen)
Abbildung 11
Bewertung der Freizeitmöglichkeiten für
Kinder und Jugendliche (dargestellt in %)
10
11
Befragung
1
Befragung
1.1
Zielsetzung und Durchführung
Für das Städtebauliche Entwicklungskonzept ist es wichtig zu erfahren, wodurch sich der Stadtteil auszeichnet und welche Stärken und
Schwächen aus Sicht der Bewohner im Gebiet bestehen, damit deren Äußerungen und Wünsche bei Planungen berücksichtigt werden
können. Zu diesem Zweck wurde bereits im Jahr 2003 auf Initiative
des Stadtteilbüros Rentfort-Nord eine Befragung durchgeführt, die
im August 2004 im Rahmen der Erarbeitung des Städtebaulichen
Entwicklungskonzept ergänzt wurde.
Bei der Befragung im August 2004 wurde der Fragenkatalog aus
dem Jahr 2003 teilweise verändert.1 Der Fragebogen der Befragung
aus dem Jahr 2004 ist dem Anhang zu entnehmen. Er umfasst neben Fragen zu persönlichen Angaben dreizehn inhaltliche Fragen,
mit denen nach dem Grad der Zufriedenheit der Bewohner, Defiziten und Potentialen gefragt wurde. Die Fragen selbst wurden teils in
geschlossener, teils in offener Form gestellt, wodurch den Bewohnern die Möglichkeit gegeben wurde, sich zu Missständen, wünschenswerten Veränderungen, aber auch den Vorzügen von Rentfort-Nord zu äußern.
Da die beiden Befragungszeiträume knapp ein Jahr auseinander
liegen, war es teilweise möglich, Entwicklungen herauszuarbeiten.
Dies war jedoch nicht das Hauptziel für die Ergänzung der Befragung, sondern es sollte ein möglichst breites Stimmungsbild erfasst
werden.
Die Bewohner wurden sowohl vor dem Geschäftszentrum Schwechater Straße 38 und in den Wohnstraßen des Stadtteils als auch an
deren Haustüren angesprochen.
1.2
Teilnehmerstruktur
An der ersten, im Jahr 2003 durchgeführten Befragung im Rahmen
eines Stadtteilfests nahmen 59 Personen teil. Die zweite Erhebung
wurde an zwei Tagen im August 2004 durchgeführt. Dabei konnten
weitere 66 Personen befragt werden. Die Teilnehmerstruktur der
insgesamt 125 befragten Personen kann man den Abbildungen 1 bis
3 entnehmen. Anhand der Anzahl ist offensichtlich, dass keine repräsentativen Ergebnisse erreicht werden konnten; die Ergebnisse
unterstützen jedoch aus Bürgersicht, die von den Experten bei einer
im August erfolgten Begehung des Stadtteils beschriebenen Problemstrukturen und liefern damit ein wichtiges Stimmungsbild.
1
Da mehrere Fragen aus dem Jahr 2003 nicht mehr aktuell waren, wurden sie
nicht mehr aufgenommen, dafür wurden zwei qualitative Fragen ergänzt.
1
Befragung
2
Abbildung 1
Teilnehmerstruktur Befragung Gladbeck Rentfort-Nord, unterschieden
nach Nationalitäten (dargestellt in absoluten Zahlen)
Personen mit
Migrationshintergrund
20
Keine Angaben
7
Deutsche
98
Quelle: Darstellung Stadt- und Regionalplanung Dr. Paul G. Jansen GmbH auf der
Basis der Bewohnerbefragung in Gladbeck Rentfort-Nord 2003/2004.
Die Gliederung der Befragten nach ihrer Staatsangehörigkeit ergibt
folgendes Bild: 98 der befragten Personen (78,4 %) besitzen die
deutsche Staatsangehörigkeit. Nicht enthalten sind Aussiedler und
eingebürgerte Migranten. Deren Anteil wird der Personengruppe
mit Migrationshintergrund zugerechnet, die damit insgesamt 20
Personen (16 %) ausmacht. Als Grund für den relativ niedrigen Wert
ausländischer Befragter kann der sehr geringe Ausländeranteil im
Stadtteil angeführt werden. Zudem wurde die Befragung zur Urlaubs- bzw. Ferienzeit durchgeführt, so dass vor allem türkische Familien verreist waren. Durch Haustürgespräche war es dennoch
möglich, Bewohner verschiedener Nationalität zu erreichen. Neben
der Türkei waren weitere Herkunftsländer Polen, Russland, Italien,
Marokko und Nigeria.
Abbildung 2
Teilnehmerstruktur Befragung Gladbeck Rentfort-Nord unterschieden
nach Altersverteilung (dargestellt in absoluten Zahlen)
älter als 65 Jahre
15
Keine Angaben
4
0 bis 18 Jahre
14
19 bis 65 Jahre
92
Quelle: Darstellung Stadt- und Regionalplanung Dr. Paul G. Jansen GmbH auf der
Basis der Bewohnerbefragung in Gladbeck Rentfort-Nord 2003/2004.
Bewertung des Stadtteils Rentfort-Nord
3
Abbildung 3
Teilnehmerstruktur Befragung Gladbeck Rentfort-Nord unterschieden
nach Geschlecht (dargestellt in absoluten Zahlen)
keine Angaben
6
männlich
53
weiblich
66
Quelle: Darstellung Stadt- und Regionalplanung Dr. Paul G. Jansen GmbH auf der
Basis der Bewohnerbefragung in Gladbeck Rentfort-Nord 2003/2004.
2
Bewertung des Stadtteils Rentfort-Nord
2.1
Wie zufrieden sind Sie mit Ihrem Wohnumfeld? (Frage 1)
Die erste Frage zielte auf die Zufriedenheit der Bewohner hinsichtlich ihres Wohnumfelds, der Qualität der Wohnung und der Wohnlage ab. Auf einer Skala von 1 (sehr zufrieden) bis 5 (sehr unzufrieden) konnten die Befragten ihre persönliche Wohnsituation bewerten.
Demnach sind insgesamt zwölf Personen mit ihrem Wohnumfeld
sehr zufrieden (9,6 %), 35 Personen zufrieden (28 %) und 48 Personen im Großen und Ganzen zufrieden (38,4 %). Immerhin sind noch
19 Bewohner unzufrieden (15,2 %) und elf sehr unzufrieden (8,8 %).
Insgesamt gesehen sind die Bewohner im Durchschnitt mit ihrem
Wohnumfeld im Großen und Ganzen zufrieden (Durchschnittsnote:
2,85).
Bewertung des Stadtteils Rentfort-Nord
4
Abbildung 4
Bewertung der Wohnzufriedenheit von „sehr zufrieden“ bis „sehr unzufrieden“ (dargestellt in absoluten Zahlen) Mehrfachnennungen möglich
11
sehr unzufrieden
19
unzufrieden
48
im Großem und
Ganzen zufrieden
35
zufrieden
12
sehr zufrieden
0
10
20
30
40
50
Quelle: Darstellung Stadt- und Regionalplanung Dr. Paul G. Jansen GmbH auf der
Basis der Bewohnerbefragung in Gladbeck Rentfort-Nord 2003/2004.
2.2
Was stört Sie am Wohnumfeld am meisten? (Frage 2)
Als besonders störend wurde von der Mehrzahl der Befragten das
Hochhaus an der Schwechater Straße 38 empfunden. Dies wurde vor
allem durch das negative Erscheinungsbild des Hochhauses bzw.
dem schlechten Zustand der Fassade begründet. Weiterhin bewerteten ein Großteil der Befragten die Sauberkeit im Bereich des Geschäftszentrums, aber auch an Spielplätzen und Grünflächen als
schlecht. Beachtlich ist, dass viele Stadtteilbewohner den Ausländeranteil als zu hoch empfinden, obwohl er weit unter dem Durchschnitt der Stadt liegt. Von Seiten der Bewohner wurde angemerkt,
dass die Integration im Stadtteil schlecht sei. Einige der befragten
Personen beklagten den schlechten Zustand des eigenen Hauses
bzw. dessen Umgebung. Dies betrifft insbesondere die Hochhäuser
an der Schwechater Straße 75/77 und das Hochhaus Berliner Straße
14. Speziell der private Spielplatz einer Wohnungsbaugesellschaft
für die Kinder des Hochhauses an der Berliner Straße 14 soll sich in
einem unbrauchbaren Zustand befinden.
Bewertung des Stadtteils Rentfort-Nord
5
Abbildung 5
Was stört Sie persönlich am meisten? (dargestellt in absoluten Zahlen)
Mehrfachnennungen möglich
3
Schlechte Integration der Ausländer
3
Fehlende Spielmöglichkeiten für Kinder
4
Zustand des eigenen Hauses und Umgebung
6
Lärm
7
Fassade Schw echater Str. 38
16
hoher Ausländeranteil
30
Mangelnde Sauberkeit
41
Hochhaus Schw echater Str. 38 bzw . Umfeld
0
10
20
Quelle: Darstellung Stadt- und Regionalplanung Dr. Paul G. Jansen GmbH auf der
Basis der Bewohnerbefragung in Gladbeck Rentfort-Nord 2003/2004.
2.3
Was finden Sie am Wohnumfeld besonders gut? (Frage 3)
Die größte Stärke des Gebiets stellen die Grünflächen bzw. Parkanlagen dar. Insbesondere der Teich nördlich des Altenzentrums mit
dem neu gestalteten Spielplatz wurde häufig als Ort zum Spazieren
gehen und Erholen genannt. Weitere positive Merkmale des Stadtteils sind das Einkaufszentrum bzw. generell die gute Versorgungssituation. Insgesamt wurde der Stadtteil als ruhig bezeichnet.
30
40
50
Bewertung des Stadtteils Rentfort-Nord
6
Abbildung 6
Was finden Sie besonders gut? (dargestellt in absoluten Zahlen) Mehrfachnennungen möglich
4
ruhige Wohngegend
13
Einkaufszentrum,
Einkaufsmöglichkeiten
27
Durchgrünung, Parks,
Grünanlagen
0
10
20
30
Quelle: Darstellung Stadt- und Regionalplanung Dr. Paul G. Jansen GmbH auf der
Basis der Bewohnerbefragung in Gladbeck Rentfort-Nord 2003/2004.
* Fragestellung nur bei der zweiten Befragung im August 2004.
2.4
Wie soll es Ihrer Meinung nach mit dem Haus Schwechater
Straße 38 weitergehen? (Frage 4)
Die nächste Frage bezieht sich ausschließlich auf das Hochhaus an
der Schwechater Straße 38. Obwohl die Frage offen formuliert war
(„Wie soll es Ihrer Meinung nach mit dem Hochhaus an der Schwechater Straße 38 weitergehen?“), ist die Vielfalt der Antworten eher
gering. Diese Frage wurde nur bei der ergänzenden Befragung im
Jahr 2004 gestellt.
Bei dieser Frage waren Mehrfachnennungen möglich. Es zeigt sich
deutlich, dass von Seiten der Bevölkerung vor allem ein Abriss gewünscht wird (45 Nennungen). Selbst beim Spazieren gehen wird
das Hochhaus als „Belästigung“ wahrgenommen. Für eine Sanierung sprechen sich immerhin noch elf Passanten aus. Gleichzeitig
sollte allerdings auf eine neue und ausgewogenere Mieterstruktur
geachtet werden (3 Nennungen). Einen Erhalt mit keinerlei Veränderung, „da das Haus, so wie es ist, irgendwie zum Stadtbild gehört“,
befürworten lediglich zwei der befragten 66 Personen. Ebenfalls
wurde von einigen wenigen Bewohnern ein teilweiser Abriss bevorzugt. Als Nutzungsalternative zum Wohnen regten zwei der Befragten an, zusätzlich zum Stadtteilbüro weitere Aufgabenbereiche der
städtischen Verwaltung im Haus zu integrieren. Darüber hinaus
wurde vermehrt der Wunsch nach einer Neugestaltung des Geschäftszentrums geäußert (9 Nennungen).
Bewertung des Stadtteils Rentfort-Nord
7
Abbildung 7
Wie sollte es ihrer Meinung nach mit dem Haus Schwechater Straße 38
weitergehen?* (dargestellt in absoluten Zahlen) Mehrfachnennungen
möglich
2
Erhalt
3
neue Mieterstruktur
5
teilweise abtragen
11
Sanierung
45
Abriss
0
10
20
30
40
Quelle: Darstellung Stadt- und Regionalplanung Dr. Paul G. Jansen GmbH auf der
Basis der Bewohnerbefragung in Gladbeck Rentfort-Nord 2003/2004.
* Fragestellung nur bei der zweiten Befragung im August 2004.
2.5
Fühlen Sie sich als Bewohner dies Stadtteils sicher oder was
muss Ihrer Meinung nach mehr für die Sicherheit der
Bewohner getan werden? (Frage 5)
Abschließend wurde zum Thema Wohnumfeld die Frage nach der
Sicherheit im Stadtteil gestellt. Hier lässt sich eine Entwicklung ausmachen, die eine Verbesserung der Sicherheitssituation erkennen
lässt. Während im Fragebogen von 2003 insgesamt noch 21 Konfliktsituationen (bei 59 Befragten), hervorgerufen durch Pöbeleien, Bedrohungen oder Belästigungen, geschildert worden sind, konnten
bei der Befragung 2004 nur noch neun verzeichnet werden (bei 66
Befragten). Die Bemerkungen einiger Bewohner, dass durch die erhöhte Polizeipräsenz die Sicherheit erhöht werden konnte, unterstreicht diese Erkenntnis. Orte, an denen es nach wie vor zu Einschüchterungen und Unhöflichkeiten kommen kann, sind laut Aussagen der Bewohner das Umfeld des Hochhauses und der Bereich
der Gesamtschule. Abbildung 8 soll das gestiegene Sicherheitsgefühl widerspiegeln. Demnach ordnen sich heute über 70 % der Befragten im sicheren Bereich ein. Dem gegenüber stehen immer noch
knapp 8 %, die sich in Rentfort-Nord nicht sicher fühlen. Erfreulich
ist, dass bei der Befragung in 2003 noch knapp 18 % der Befragten
sich „sehr unsicher“ fühlten, unter den Befragten im Jahr 2004 jedoch nur 1,5 % diese Antwort gaben.
50
Bewertung des Stadtteils Rentfort-Nord
8
Abbildung 8
Fühlen Sie sich als Bewohner dieses Stadtteils sicher oder muss Ihrer Meinung nach im Stadtteil mehr für die Sicherheit getan werden? (dargestellt
in %)
90
80
72,7
70
60
50
42,7
%
39,7
40
31
27,4
30
18,5
16,7
20
8,6
10
3,4
1,5
17,2
8,9
7,8
2,4
1,5
0
sehr sicher
sicher
ausreichend sicher
2003
2004
nicht sicher
Gesamt
Quelle: Darstellung Stadt- und Regionalplanung Dr. Paul G. Jansen GmbH auf der
Basis
der Bewohnerbefragung in Gladbeck Rentfort-Nord 2003/2004.
2.6
Bewertung der Freizeitmöglichkeiten (Fragen 6, 7 und 8)
Von der Mehrheit der Befragten werden in Rentfort-Nord Angebote
zur Freizeitgestaltung vermisst. Nur drei Personen bezeichnen das
aktuelle Angebot als sehr gut und 18 als gut. Ein großer Teil der Bewohner stuft das Angebot an Freizeitmöglichkeiten als „ausreichend“ ein (39 Befragte). Mehr als ein Drittel der Befragten bezeichnen das Freizeitangebot im Stadtteil als „schlecht“. 14 befragte Passanten sind der Meinung gewesen, das Angebot an Freizeitgestaltung sei „sehr schlecht“.
Einzig die Grünflächen und Parks werden intensiv zur Erholung genutzt (38 Nennungen). Weiterhin stellen der Bolzplatz (elf Nennungen) an der Gesamtschule, die kirchlichen Angebote (zehn Nennungen) und donnerstags das Marktcafé (drei Nennungen) aus Sicht der
Befragten die einzigen Möglichkeiten zur Freizeitgestaltung dar.
sehr unsicher
Bewertung des Stadtteils Rentfort-Nord
9
Abbildung 9
Bewertung Freizeitmöglichkeiten (dargestellt in absoluten Zahlen)
14
sehr schlecht
46
schlecht
39
ausreichend
18
gut
3
sehr gut
0
10
20
30
40
50
Quelle: Darstellung Stadt- und Regionalplanung Dr. Paul G. Jansen GmbH auf der
Basis der Bewohnerbefragung in Gladbeck Rentfort-Nord 2003/2004.
An dieser Stelle wurde auch nach den Wünschen bzw. Verbesserungsmöglichkeiten gefragt. Allen voran wurde der Wunsch nach
einem Stadtteilschwimmbad (elf Nennungen) und nach einem Kino
(elf Nennungen) zum Ausdruck gebracht. Von einzelnen Personen
konnten noch folgende Vorstellungen gesammelt werden:
ƒ
Bessere Gestaltung der Grünflächen
ƒ
Mehr Verweilmöglichkeiten im Park schaffen
ƒ
Mehr Platz für Kinder, nicht für Hunde
ƒ
Mehr Hundewiesen (ohne Leinenzwang)
ƒ
Öffentlicher Tennisplatz/Erweiterung der Tennisanlage
ƒ
BMX-Bahn
ƒ
(Musik-)Sommerfest
ƒ
Minigolf
ƒ
Stadtteiltheater
ƒ
Fitnessstudio
ƒ
Disco
Bewertung des Stadtteils Rentfort-Nord
2.7
10
Bewertung der Versorgungsmöglichkeiten (Fragen 9 und
10)
Der Stadtteil wird von Seiten der Bewohner hinsichtlich der Versorgungslage als gut eingestuft. Nur fünf Leute (4 %) bewerten die Einkaufmöglichkeiten als schlecht und darüber hinaus wird sie von
niemandem als sehr schlecht bezeichnet. Insgesamt bewerten 74
der Befragten (60 %) ihre Versorgungslage als gut und sind mit den
vorhandenen Geschäften zufrieden. Auf die Frage hin, was vor Ort
fehlt bzw. welche Art von Ladenlokalen man integrieren könnte,
kamen folgende Antworten (in Klammern die Anzahl der Nennungen):
ƒ
Café/Eisdiele (18)
ƒ
Kneipe/Gaststätte (12)
ƒ
Bekleidungs-, Textilgeschäft (11)
ƒ
Größere Auswahl auf dem Markt (8)
ƒ
Videothek (4)
ƒ
Schuhgeschäft (3)
Andere jeweils nur einmal genannte fehlende Branchen oder Geschäfte waren eine Bank, ein Kaufhaus und eine Fahrschule.
Abbildung 10
Bewertung Versorgungsmöglichkeiten (dargestellt in absoluten Zahlen)
0
sehr schlecht
5
schlecht
32
ausreichend
74
gut
12
sehr gut
0
10
20
30
40
50
60
70
80
Quelle: Darstellung Stadt- und Regionalplanung Dr. Paul G. Jansen GmbH auf der
Basis der Bewohnerbefragung in Gladbeck Rentfort-Nord 2003/2004.
Bewertung des Stadtteils Rentfort-Nord
2.8
11
Wie bewerten Sie die Freizeitmöglichkeiten für Kinder und
Jugendliche, was fehlt Ihrer Meinung nach? (Fragen 11 und
12)
Mit dieser Frage wurden explizit die Freizeitmöglichkeiten für Kinder und Jugendliche erörtert. Auch hier hatten die Passanten die
Möglichkeit, auf einer Skala von 1 (sehr gut) bis 5 (sehr schlecht) das
Angebot an Spiel- und Sportstätten zu bewerten. Insgesamt bezeichneten sieben Befragte die vorhandenen Möglichkeiten als
„sehr schlecht“ (5,9 %) und 23 Befragte als „schlecht“ (19,5 %). Demgegenüber stehen neun Aussagen, die das Freizeitangebot für Kinder und Jugendliche als sehr gut (7,6 %), 35 Aussagen die es als gut
(29,7 %) und 44 Angaben die es als ausreichend (37,3 %) bewertet
haben.
Abbildung 11
Bewertung der Freizeitmöglichkeiten für Kinder und Jugendliche (dargestellt in %)
7
sehr schlecht
23
schlecht
44
ausreichend
35
gut
9
sehr gut
0
10
20
30
40
50
Quelle: Darstellung Stadt- und Regionalplanung Dr. Paul G. Jansen GmbH auf der
Basis der Bewohnerbefragung in Gladbeck Rentfort-Nord 2003/2004.
Um die Situation vor Ort für Kinder und Jugendliche zu verbessern,
kam von Seiten der Befragten eine Reihe von Vorschlägen. Allen
voran wird von Seiten der Bevölkerung eine Neugestaltung der
Spielplätze gewünscht. Hiermit sind die zentral gelegenen Spielplätze im Bereich des Grünen Bandes gemeint. Der Spielplatz am Teich
nördlich des Altenzentrums wird hingegen als positiv bewertet.
Bewertung des Stadtteils Rentfort-Nord
Die Vorstellungen zur Neugestaltung reichten von Abenteuerspielplätzen über Wasserspielplätze bis hin zu einer Umgestaltung zu
Beach-Volleyballplätzen. Insgesamt wird ein erweitertes Angebot an
öffentlichen Sportplätzen gewünscht. Ein weiteres Anliegen der
Bewohner ist es, dass generell mehr Spielmöglichkeiten und ein
breiteres und besseres Freizeitprogramm für Kinder und Jugendliche
angeboten werden soll. Es wurde der Eindruck vermittelt, dass besonders für ältere Jugendliche eine Unterversorgung an Aktivitäten
vorherrscht.
2.9
Stellen Sie sich vor, Sie wären Bürgermeister von Gladbeck.
Was würden Sie als erstes verbessern? (Frage 13)
Diese Frage wurde ebenfalls nur bei der zweiten Befragung gestellt.
Ziel war es, von Seiten der Bevölkerung zu erfahren, was sie als erstes in ihrem Stadtteil verbessern würden. Dafür sollten sich die Passanten vorstellen, die Rolle des Bürgermeisters von Gladbeck zu übernehmen. Die Vielzahl der Befragten würde etwas gegen die Verschmutzung unternehmen. Diese Aussage deckt sich mit der in Abschnitt 2.1 festgestellten mangelnden Sauberkeit, vor allem im Bereich des Geschäftszentrums und der Grünflächen. Eine große Anzahl der Stadtteilbewohner würde sich zudem für die Jugendlichen
einsetzen. Zu diesem Thema wurden Vorschläge gemacht, wie etwa
Stadtteilarbeit für Jugendliche, um Jugendarbeitslosigkeit zu bekämpfen und Jugendliche zu fördern. Darüber hinaus würden viele
das Angebot des Jugendclubs an der Gesamtschule erweitern. In
diesen Zusammenhang passt auch die Anregung, Ganztagesangebote für Kinder schaffen zu wollen, damit vor allem allein Erziehende die Möglichkeit haben, eine Arbeitsstelle zu finden. Mehrere der
Bewohner würden das Hochhaus an der Schwechater Straße 38
„endlich“ abreißen. Zudem sollten an anderer Stelle Hochhäuser
zurückgebaut werden. Vereinzelte Aussagen der „neuen Bürgermeister“ lauteten wie folgt:
ƒ
Straßensanierung
ƒ
Bessere ÖPNV-Anbindung
ƒ
Bessere Integration der Ausländer
ƒ
Gestaltung des Bahnhof Gladbeck-West in rollstuhlgerechten,
barrierefreien Bahnhof
ƒ
Bessere Fürsorge für ältere Menschen
ƒ
Mehr Polizeipräsenz
ƒ
Vandalismus stoppen
ƒ
Mülleimer im Park aufstellen
ƒ
Fahrradfreundlichkeit verbessern
12
Bewertung des Stadtteils Rentfort-Nord
2.10
Abschließende Betrachtung
Zusammenfassend lässt sich für die Bewertung des Stadtteils Rentfort-Nord sagen, dass vor allem die derzeitige Situation des Hochhauses Schwechater Straße 38 als Schwachpunkt empfunden wird
und hier Verbesserungsmaßnahmen gewünscht werden. Im Hinblick auf die Zukunft des Hochhauses wird vor allem ein Abriss favorisiert. Weiterhin wird bezogen auf den gesamten Stadtteil eine
verbesserte Sauberkeit in den Parks und Grünanlagen gewünscht.
Das Stadtteilzentrum sollte jedoch erhalten bleiben, wobei eine attraktivere Gestaltung befürwortet wird. Diesbezüglich besteht auch
der Wunsch nach einem Lokal als Begegnungs- und Kommunikationsort, das nach Möglichkeit in ein „neues“ Geschäftszentrum integriert werden sollte.
Mit den gegebenen Einkaufsmöglichkeiten ist man im Stadtteil generell zufrieden, könnte sich jedoch eine Erweiterung des Wochenmarkts vorstellen.
Im Rahmen einer Verbesserung der Freizeitangebote für Kinder und
Jugendliche sollte eine Neugestaltung der Spielplätze oberste Priorität haben. Als dringend erforderlich erweisen sich zudem mehr Freizeitangebote sowie Spiel- und Treffmöglichkeiten für ältere Jugendliche. Hierin wird auch eine Möglichkeit gesehen, Pöbeleien und
Belästigungen zu verhindern und somit den Trend hin zu einer erhöhten Sicherheit verstärken. Erfreulich ist, dass sich in den vergangenen Monaten das Sicherheitsgefühl unter den Befragten deutlich
verbessert hat.
Anzumerken ist aber auch, dass von den Befragten Verbesserungsmaßnahmen angeregt wurden, wie z. B. ein Stadtteiltheater oder
ein Musik-Sommerfest, die auch durch bürgerschaftliches Engagement der Bewohner umgesetzt werden könnten.
Zu den größten Stärken in Rentfort-Nord, zählen die Grün- und Parkanlagen. Diese werden insbesondere zum Spazierengehen und zur
Erholung intensiv genutzt. Aus Sicht der Befragten bieten diese jedoch durchaus Potential, attraktiver gestaltet zu werden, vor allem
für Spielmöglichkeiten für Kinder.
13
Anhang
14
Befragung der Bewohner in Gladbeck Rentfort-Nord im August 2004
I.
Allgemeines/Umfeld
1.
Wie zufrieden sind Sie mit Ihrem Wohnumfeld? (Qualität der Wohnung,
Wohnlage, Grün, Sauberkeit, Nachbarschaft, Ruhe, Lärm etc.)
2.
… sehr zufrieden
… zufrieden
… im Großen und Ganzen zufrieden
… unzufrieden
… sehr unzufrieden
Was stört Sie persönlich am meisten?
______________________________________________________________
______________________________________________________________
3.
Was finden Sie besonders gut?
______________________________________________________________
______________________________________________________________
4.
Wie soll es Ihrer Meinung nach mit dem Haus Schwechater Str. 38
weitergehen?
______________________________________________________________
______________________________________________________________
5.
Fühlen Sie sich als Bewohner dieses Stadtteils sicher oder muss Ihrer Meinung
nach im Stadtteil mehr für die Sicherheit der Bewohner getan werden?
… sehr sicher
… sicher
… ausreichend sicher
… nicht sicher … sehr unsicher
Wenn Sie sich nicht sicher oder sehr unsicher fühlen, woran liegt das?
(Belästigungen, Bedrohungen, Pöbeleien, Einbrüche, Diebstahl etc.)
______________________________________________________________
______________________________________________________________
II.
Freizeit/Einkaufsmöglichkeiten
6.
Wie bewerten Sie das Freizeitangebot in Ihrem Stadtteil? (Festlichkeiten,
Kino, Sport, Unterhaltungsmöglichkeiten, Theater etc.)
… sehr gut
… gut
… ausreichend
… schlecht
… sehr schlecht
Anhang
7.
15
Was nutzen Sie?
______________________________________________________________
______________________________________________________________
8.
Was fehlt Ihrer Meinung nach ganz dringend?
______________________________________________________________
______________________________________________________________
9.
Wie beurteilen Sie die Einkaufsmöglichkeiten in Rentfort-Nord?
… sehr gut
10.
… gut
… ausreichend
… schlecht
… sehr schlecht
Was fehlt Ihrer Meinung nach?
______________________________________________________________
______________________________________________________________
III.
Jugend/Gesundheit/Soziales
11.
Wie beurteilen Sie die Freizeitmöglichkeiten für Kinder und Jugendliche (Spiel- und
Sportplätze, Freizeittreffs, Angebote von Kirchengemeinden etc.) ?
… sehr gut
12.
… gut
… ausreichend
… schlecht
… sehr schlecht
Was fehlt Ihrer Meinung nach?
______________________________________________________________
______________________________________________________________
13.
Stellen Sie sich vor, Sie wären Bürgermeister von Gladbeck. Was würden Sie als
erstes verbessern?
______________________________________________________________
______________________________________________________________
IV.
Persönliche Daten
14.
Alter
15.
Nationalität
_____________________________
16.
Geschlecht
T männlich
_____________________________
T weiblich
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