Syntax I

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Syntax I
Vorlesung: Syntax des Deutschen
unter besonderer Berücksichtigung
regionaler Varietäten
Claudia Bucheli Berger
Repetition Morphologie
Calvin:
• Ich verbe gern Wörter.
• („Jet“) Es ist geverbt worden.
• Verben skurrilt die Sprache.
Wichtig:
• syntaktisches Wort
• Wortart
Was ist Syntax?
• Nach welchen Regularitäten werden aus
Grundeinheiten grammatisch wohlgeformte
komplexere Einheiten gebildet?
• Farblose grüne Ideen schlafen wütend.
• Wütend schlafen farblose grüne Ideen.
• *Farblose grüne schlafen Ideen wütend.
• *Heute schlafen wütend.
• *Ideen schlafen mich.
• *Ideen schläfst.
• *Anna ihren Vortrag hat immer noch nicht fertig.
Was ist Syntax?
• Welche Einheiten können / müssen in
einem Satz vorkommen?
• In welcher Form müssen sie vorkommen?
• in welcher Position können / müssen sie
vorkommen?
• Sätze sind nicht einfach eine Verkettung von
Einzelwortformen, sondern sie haben eine hierarchische
Struktur (Konstituenten).
• Nicht:
• Sondern:
Satz
?
mein
?
Hund
frisst
?
sein Lieblingsfutter
Wie muss man das Lexikon behandeln, damit es die
gewünschten Einheiten für die Syntax liefert?
• Auf der untersten Ebene der Hierarchie stehen
Einzelwortformen. (= syntaktisches Wort)
• Die Satzstruktur ist maßgeblich von Merkmalen dieser
Wortformen beeinflusst:
• [mein + Hund] schläft
• *[mein + heute] schläft
• Das Lexikon muss also in unterschiedliche
Unterklassen gegliedert sein, die sich in
grammatischer Hinsicht unterschiedlich verhalten.
Wie muss man das Lexikon gliedern? In Wortarten!
•
•
Die Einteilung erfolgt zunächst aufgrund der Fähigkeit von Lexemen,
in Bezug auf bestimmte morphosyntaktische Merkmale spezifiziert zu
werden.
Ist das Lexem flektierbar?
Ja: Ist es konjugierbar?
Ja: Verb
Nein: Unflektierbare (s.u.)
Nein: festes Genus?
Ja: Nomen
Nein: komparierbar?
Ja: Adjektiv
Nein: Pronomen
/Artikel
• Problematisierung: Durch Konversion können Lexeme
syntaktisch in Positionen verwendet werden, die
typischerweise anderen lexikalischen Klassen
vorbehalten sind:
• Die Schöne und das Biest
• => schön ist im Lexikon als Adjektiv gespeichert,
wird hier aber syntaktisch als Nomen gebraucht
• => Wichtige Unterscheidung: Lexem vs. syntaktisches
Wort
Lexikalische Klassen
• Untergliederung von Unflektierbaren:
– Präposition: verlangen einen bestimmten Kasus:
mit mir (*mit mich), für den Vortrag (*für dem Vortrag)
– Konjunktion: Verknüpfungen:
ich und du, [selber laufen] oder [mit dem Bus fahren]
[er sagt] dass [er kommt]
– Adverb: nähere (modale, temporale, lokale, kausale) Umstände
heute, hier, deshalb, doch
– Interjektion: he, brr, pfui, au, ja
Lexikalische Klassen
• Eine wichtige Dichotomie in semantischer Hinsicht:
• Inhaltswörter: Nomen, Verben, Adjektive, Adverbien
=> haben eine eigene lexikalische Semantik (=auf
Außersprachliches referierende Wortbedeutung);
offene Klassen
• Funktionswörter: Pronomen/Artikel, Hilfsverben,
Präpositionen, Konjunktionen, Partikeln
=> haben ausschließlich grammatisch-relationale
Funktion;
geschlossene Klassen
Konstituentenstruktur
• Was für Elemente können in der leeren Position
stehen?
_____ schläft
• [Anna]
[sie]
[die Studentin]
[die sehr groß gewachsene Studentin]
[die Studentin aus Hamburg]
[die Studentin, die aus Hamburg stammt]
• *[kommt]
*[heute]
*[aus Hamburg]
Konstituentenstruktur
• Offensichtlich werden von der Syntax alle
Elemente der ersten Reihe trotz ihrer
erheblicher Unterschiede gleich behandelt.
• Wir nehmen an, dass Sätze aus hierarchisch
gegliederten Einheiten aufgebaut sind:
Konstituenten (Satzglieder).
• Konstituenten haben zwar die Mindestgröße von
einem Wort, können aber auch aus mehreren
Wörtern zusammengesetzt sein.
• Verschiebe-, Weglass- und Ersatzprobe
Konstituentenstruktur
Alle Leute lieben Tulpen aus Amsterdam
Alle Leute
lieben Tulpen aus Amsterdam
Alle Leute
lieben
Tulpen aus Amsterdam
Tulpen
aus Amsterdam
aus
Amsterdam
Konstituentenstruktur
• Konstituenten umfassen minimal ein Wort, potenziell
aber unendlich viele Wörter:
• [Tulpen]
• [Tulpen aus Amsterdam]
• [frisch geschnittene Tulpen aus dem schönen
Amsterdam in Holland]
• [frisch geschnittene Tulpen aus dem schönen
Amsterdam in Holland, wo wir letztes Jahr unsere Ferien
verbracht haben]
• => Syntax ist rekursiv.
Konstituentenstruktur
• Bei der strukturellen Organisation von Konstituenten
muss zwischen Kopf und der Ebene der Phrase
unterschieden werden.
• In [Tulpen aus Amsterdam] bildet Tulpen das 'Zentrum',
d.h. den Kopf. Er wird durch weitere Elemente wie [aus
Amsterdam] näher spezifiziert.
• Da der Kopf ein Nomen ist, liegt somit eine
Nominalphrase vor.
• NP Nominalphrase
PP Präpositionalphrase
VP Verbalphrase
etc.
Konstituentenstruktur
NP
N
Tulpen
PP
P
aus
NP
N
Amsterdam
Konstituentenstruktur
Präpositionalphrase:
PP
P NP
Anna kommt aus Hamburg
NP
PP
N
P
NP
Ich nehme Kaffee mit Zucker
Konstituentenstruktur
Adjektivphrase:
AP
Adv A
Anna ist sehr müde
Konstituentenstruktur
Verbalphrase:
VP
V
Anna schläft
VP
NP
V Det N
Anna liest ein Buch
• Verschiebeprobe: Wenn eine Wortfolge gesamthaft
verschoben werden kann, liegt eine Phrase vor:
[Tulpen aus Amsterdam] lieben [alle Leute]
• Weglassprobe: wenn eine Wortfolge gesamthaft
weggelassen werden kann, liegt eine Phrase vor:
Tulpen [aus Amsterdam]
=> Tulpen, *Tulpen aus, *Tulpen Amsterdam
• Ersatzprobe: Wenn eine Wortfolge gesamthaft
ersetzt werden kann, liegt eine Phrase vor:
[Sie] lieben Tulpen aus Amsterdam
*Alle Leute lieben [sie] Amsterdam
• Frageprobe: Wenn eine Wortfolge gesamthaft
erfragbar ist, liegt eine Phrase vor:
Was lieben alle Leute? – [Tulpen aus
Amsterdam]
Topologische Felder
• Die Stellungsregularitäten des Deutschen :
• Verberststellung:
Kommst du auch zur Vorlesung?
Bring mir einen Kaffee!
Ist die Katze aus dem Haus, (tanzen die
Mäuse)
• Verbzweitstellung:
Harry fährt den Wagen vor.
Harry hat den Wagen vorgefahren.
Den Wagen hat Harry vorgefahren.
Topologische Felder
• Verbletztstellung:
(Ich habe gesehen, dass) Harry den Wagen
vorgefahren hat
• Generalisierungen:
– Nichtfinite Verbteile stehen am Satzende:
Verbletztstellung
– Im Aussagesatz steht genau eine Phrase vor dem
finiten Verb: Verbzweitstellung
• Verbalklammer: Wir orientieren uns an der
Position der finiten und nichtfiniten verbalen
Bestandteile
Topologische Felder des
Deutschen
Vorfeld
Linke
Mittelfeld
Satzklammer
Rechte
Satzklammer
Hat
Anna ein Auto
gekauft?
Anna
hat
ein Auto
gekauft
Ein Auto
hat
Anna
gekauft
Anna
hat
ein Auto
gekauft
dass
Anna ein Auto
gekauft hat
Nachfeld
das viel kostet
• Vorfeldbesetzung:
[NP Anna]
hat ein Auto gekauft
[NP ein Auto] hat Anna gekauft
*[N Auto] hat Anna ein gekauft
*[NP Anna] [NP ein Auto] hat gekauft
[VP ein Auto gekauft] hat Anna
• Nachfeldbesetzung: Faustregel: Je größer
die Konstituente, desto eher ist
Verschiebung ins Nachfeld möglich (oder
sogar nötig)
• *Anna hat erzählt [es]
• *Anna hat erzählt [eine Geschichte]
• Anna hat erzählt [dass sie ein Auto
gekauft hat]
Dependenz
• Grundidee der Dependenzgrammatik (Tesnière 1959):
Zwischen den Elementen in Sätzen und Phrasen
herrschen Abhängigkeitsverhältnisse. Das Regens kann
die morphosyntaktischen Merkmale der abhängigen
(‘regierten’) Elemente steuern, aber nicht umgekehrt:
• für
dich (*du, *dir)
• kaufen
den Maserati (*der Maserati, *des Maseratis)
Dependenz
• die Kleider
meines Freundes (*mein Freund, *meinen Freund)
• mit
den Kleidern (*die Kleider, *der Kleider)
meines Freundes (*mein Freund, *meinem Freund)
• Valenz (‘Wertigkeit’): Valenz ist eine Eigenschaft
von Lexemen, im Satz ‘Leerstellen’ zu eröffnen,
die gefüllt werden müssen.
• Verben fordern eine bestimmte Anzahl und Art
von (abhängigen) Mitspielern:
• kaufen: fordert zwei Mitspieler, und zwar eine
nominativische und eine akkusativische
Nominalphrase:
Hans kauft Blumen. *Hans kauft. *Kauft Blumen.
• husten: fordert einen Mitspieler, und zwar eine
nominativische Nominalphrase:
Der Lehrer hustet. *Den Lehrer hustet. *Hustet.
*Der Lehrer hustet den Stuhl.
• wohnen: fordert zwei Mitspieler, und zwar eine
nominativische Nominalphrase und eine
Ortsangabe:
Hans wohnt in Hamburg. Hans wohnt hier.
*Hans wohnt.
• Neben Verben und Präpositionen haben auch
einige Adjektive Valenzeigenschaften:
• treu: einwertig, regiert eine dativische
Nominalphrase:
Sie ist ihren Prinzipien treu.
*Sie ist ihre Prinzipien treu.
Valenz
• Drei Ebenen der Valenz:
• a) Logische Valenz: Anzahl der geforderten Mitspieler
planen2
• b) Morphosynkatische Valenz: morphosyntaktische
Form der geforderten Mitspieler
planen: Nom.-NP
Akk.-NP
• c) semantische Valenz: semantische Ausprägung der
Mitspieler ('thematische Rolle'):
planen: Nom.-NP: AGENS
Akk.-NP: PATIENS
Valenz
• Semantische/Thematische Rollen:
• Agens: Handelnde, Verursacher
Die Lokführer streiken.
• Patiens: Betroffener/Verändertes
Die Bahn sperrt die Lokführer aus.
• Rezipient: Empfänger
Die Lokführer erhalten einen Brief.
• Experiencer: Träger mentaler Prozesse/Emotionen
Die Lokführer ärgern sich.
• Stimulus: Ursache eines (emot.) Prozesses
Manche bewundern deren Hartnäckigkeit.
Valenz
• Benefaktiv: Nutznießer einer Handlung
Die Lokführer genießen breite
Unterstützung.
• Instrument: Mittel für einen best. Zweck
Die Lokführer hoffen mit dem Streik auf
mehr Geld.
Valenz
• Die Argumentstruktur eines Verbs gehört zu dessen
Lexikoneintrag. Sie gibt darüber Auskunft, welche
Anzahl und Art Mitspieler vom jeweiligen Verb gefordert
sind.
• Beispiel: lesen 1(+1)=2
• Thematische Rollen:
Realisierungsformen:
Agens
(Patiens)
Nom.-NP
(Akk.-NP) ODER
(dass+Nebensatz)
Synt. Funktionen (s.u.): Subjekt
(Akkusativobjekt)
Valenz
• Beispiel: sagen 1+1=2
• Thematische Rollen:
Realisierungsformen:
Agens
Patiens
Nom.-NP
Akk.-NP ODER
dass+Nebensatz
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