Jenseits des Unendlichen Dierck-E.Liebscher www.aip.de/People/deliebscher Zwei Geraden der Ebene, die sich in keinem Punkt der Ebene schneiden, nennen wir Parallelen. Wir sagen locker, Parallelen schneiden sich im Unendlichen. Was sind Geraden? Was ist das Unendliche? Gibt es das: Geraden, die sich auch im Unendlichen nicht schneiden? Jawohl, und wir wollen es sehen. Dabei finden wir etwas wirklich Merkwürdiges: Jenseits des Unendlichen ist ein Umweg kürzer als der direkte. Die Abbildungen erläutern die speziellen Konstruktionen. Wer nur den roten Faden verfolgen will, kann sie übergehen. Abbildung 1: Die Projektion auf das Gesichtsfeld und der Horizont als Bild des Unendlichen Worum es geht aber jetzt unsere Aufmerksamkeit nicht ablenken sollen. Projektive Abbilder werden durch Verkettung von Zentralprojektionen erzeugt. Es ist einfach zu sehen, dass Geraden immer auf Geraden abgebildet werden. Eine Gerade der Ausgangsebene spannt nämlich mit dem Projektionszentrum eine Ebene auf, deren Schnitt mit der Gesichtsfeldebene eben wieder eine Gerade ist. Die benutzten Projektionen nennen wir daher geradentreu. Andere Projektionen, wie man sie etwa aus der allgemeinen Kartendarstellung kennt, interessieren hier nicht. Sehen wir von der Krümmung und den Unebenheiten der Erdoberfläche ab, erscheint das Unendliche im Gesichtfeld ebenfalls als eine Gerade, der Horizont (Abb. 1). Das abgebildete Unendliche ist daher im weiteren Sinne eine Gerade, die Ferngerade heißt. Die Erfahrung mit der Geometrie der euklidischen Ebene zeigt, dass sich parallele Geraden auf dieser Ferngeraden schneiden. In der Projektion wird das zum Anschauen sichtbar. Stellt man das ebene Bild eines dreidimensionalen Körpers her, sieht man, dass sich parallele waagerechte Geraden auf dem Horizont schneiden. Die Entdeckung dieses Zusammenhangs ermöglichte es Brunelleschi im 15. Jahrhundert, die Gesetze der Perspektive zu finden und zu demonstrieren. Nun können wir auf so einer Gesichtsfeldebene – der Projektion unserer Ausgangsebe- Nichteuklidische Geometrie ist nicht so schwierig und verständnisfern, wie oft vorgetäuscht wird. Es gibt vieles, was mit den Strategien der gewohnten Geometrie erschlossen werden kann. Hier sollen einige einfache Zusammenhänge behandelt werden. Wir stoßen dabei nicht nur auf verblüffende Feststellungen, sondern auch auf tieferliegende Probleme, die gewöhnlich nicht berührt werden. Ein wenig soll auch die Einsicht befördert werden, dass Hypothesen nicht bewiesen werden können oder müssen, dass sie ihre Güte ausschließlich in der Fruchtbarkeit der aus ihnen gezogenen Folgerungen nachweisen, und dass gerade deshalb die Folgerungen und deren Gerüst die Farbe der Unabweisbarkeit erhalten. Dies heißt auch, dass alles was eine Zeichnung nahelegt, auch bewiesen werden muss. Die Abbildung ist nicht immer Wegweiser, sondern gelegentlich auch Fallensteller. Deshalb ist es eigentlich gar nicht ratsam, Abbildungen zu genau zu zeichnen, wenn man an Beweisen interessiert ist. Euklid hat seine Zeichnungen in den Sand gemalt, berichtet die Anekdote. Etwas Projektion Es sind die Projektionen, die dem Unendlichen Gestalt und Anschaulichkeit verleihen. Wir meinen Projektionen der Ebene. Im Höherdimensionalen kommen andere Dinge dazu, die 1 Abbildung 2: Schnitte eines Kreiskegels Ebene Schnitte eines Kreiskegels sind je nach Lage der Schnittebene Ellipsen, Parabeln oder Hyperbeln. Geht die Schnittebene durch die Kegelspitze, entarten diese zu einem Punkt, einer Geraden oder einem Geradenpaar. Abbildung 3: Euklidische Konstruktion der Spiegelung Zwei Mal (in B und C) muss der Zirkel eingestochen, eingestellt und gedreht werden, um das Spiegelbild von A an BC zu erhalten. gen betrachten müssen, stellen wir zunächst die Eigenschaften der Spiegelung fest, die wir von der Ausgangsebene kennen und die nun auf die Gesichtfeldebene übertragen werden: ne – nicht mehr mit dem Lineal wie gewohnt Längen übertragen, auch können wir den gewohnten Kreis nicht mehr als geometrischen Ort der Punkte fester Entfernung von einem Mittelpunkt ansehen. Das projizierte Bild eines richtigen Kreises in der Ausgangsebene ist ja nun in der Gesichtfeldebene ganz allgemein ein Kegelschnitt (Abb. 2). Auch ist das projizierte Bild einer Drehung in der Ausgangsebene keine gewöhnliche Drehung der Gesichtsfeldebene mehr. Vielmehr müssen Drehungen und Verschiebungen jetzt als Ergebnis zweier hintereinander ausgeführter Spiegelungen konstruiert werden. Das kennen wir. Die Spiegelung ist schon in der gewohnten Geometrie der Ausgangsebene die gemeinsame Wurzel von Drehungen und Verschiebungen (Klassenstufe 6). In der gewohnten Geometrie dieser Ebene ist das jedoch zunächst von geringer Bedeutung, weil die Spiegelung an einer Geraden mit dem Zirkel, also unter Zuhilfenahme von Drehungen, konstruiert wird (Abb. 3). Jetzt aber können zum Vergleich von Längen und Winkeln das gewohnte Maßband, der gewohnte Zirkel und der gewohnte Winkelmesser nicht mehr benutzt werden. Da wir später ohnehin allgemeine Spiegelun- 1. Das Spiegelbild des Spiegelbildes einer Figur ist wieder die Figur selbst. 2. Das Spiegelbild einer Geraden ist wieder eine Gerade, d.h., Spiegelungen sind geradentreu. 3. Die Spiegelung lässt die Punkte des Spiegels selbst an ihrem Platz. 4. Die Verbindung eines Punktes A mit seinem Spiegelbild s[A] steht auf dem Spiegel s lotrecht, ist also ein Lot auf dem Spiegel1 . Damit ist definiert, was lotrecht heißen soll und was ein rechter Winkel ist. Die Spiegelung lässt die Lote auf dem Spiegel an ihrem Platz. Wir wollen die Spiegelung benutzen, um Längen und Winkel zu vergleichen. Also fordern wir noch: 1 Eckige Klammern hinter einer Bezeichnung schließen Variablen ein, von denen das bezeichnete Objekt abhängt, bzw. von denen das bezeichnete Objekt abgeleitet ist. 2 5. Stecken oder Winkel, die durch eine Folge von Spiegelungen zur Deckung gebracht werden können, erhalten das gleiche Maß, so daß Spiegelungen längen- und winkeltreu bleiben und den Längen- und Winkelvergleich ermöglichen, der ja mit dem gewohnten Maßband und dem gewohnten Winkelmesser nicht mehr erreicht werden kann. Also: Jeder Punkt auf dem Spiegel s ist von einem gespiegelten Punkt A und seinem Spiegelbild s[A] gleich weit entfernt. Die Spiegelung lässt das Unendliche an seinem Platz. Ob das widerspruchsfrei konstruierbar ist, lassen wir zunächst unbeachtet. Abbildung 4: Eine Überraschung Zwischenfrage: Was ist eine Gerade? nach unsere Vorurteile. Wir versuchen uns an einer Karte, auf der das Unendliche als Kreis U und unsere Ebene als das Innere dieses Kreises dargestellt ist, und auf der Geraden noch das übliche Aussehen haben. Natürlich weichen die geometrischen Eigenschaften einer solchen Ebene von denen der gewohnten Ausgangsebene ab: Es gibt nun Geraden, die sich weder im Innern noch auf dem Kreis, also weder im Endlichen noch im Unendlichen schneiden (Abb. 4). Ihr Schnittpunkt liegt erst jenseits des Unendlichen. Es gibt zu einer Geraden g und durch einen Punkt Q abseits der Geraden viele andere Geraden h, die g weder im Endlichen (d.h. im Innern) noch im Unendlichen (d.h. auf dem vorgezeichneten Kreis) schneiden. Locker gesprochen, ist die Parallele zu g durch Q nicht mehr eindeutig. Etwas strenger kann man sagen, dass es zu einem Punkt Q außerhalb g nun zwei Geraden gibt, die g im Unendlichen schneiden (Abb. 5). Wenn wir nun Längen und Winkel vergleichen wollen, müssen wir die Spiegelungen konstruieren können. Eine solche Konstruktion gelingt bereits allein mit den Eigenschaften 1-5 (Abb. 6). Schließlich muss wegen der Längentreue ein Punkt auf dem Unendlichen U bei jeder Spiegelung wieder auf U landen. Auch muss eine Tangente nach jeder Spiegelung wieder genau einen Punkt auf U enthalten, also wieder eine Tangente sein. Dumme Frage. Wir nehmen das Lineal. Eine Kante prüfen wir auch, wenn wir an ihr entlangpeilen. Es hat also den Anschein, als könne man durch Messung festlegen, was eine Gerade ist. Das ist aber nicht so einfach, wenn man bedenkt, dass man eigentlich auch von den Messgeräten nachprüfen muss, ob sie sich bei Drehung und Verschiebung so verhalten, wie wir erwarten, und da sind wir in einem Zirkelschluss gefangen. Schon die Geradheit lässt sich nicht an irgendwelchen Gerätschaften prüfen, sondern nur an den notwendigen Eigenschaften der Geraden. Die zentrale Eigenschaft ist die, dass sich zwei Geraden höchstens einmal schneiden, und dass durch zwei Punkte höchstens eine Gerade geht. Geraden sind also nicht als einzelne Kurven bestimmt. Nur eine ganze Familie von Kurven kann als Familie von Geraden bestimmt sein. Wenn wir eine stetige Kurve y = f [x] in eine Familie y = mx + n + f [x] einbetten, dann ist das eine Familie von Geraden. Auf einer Karte mit der Abbildungsvorschrift {ξ = x, η = y −f [x]} erhält diese Familie auch das gewohnte Aussehen von Geraden. Felix Klein und die geradentreue Abbildung der nichteuklidischen Ebene Nun springen wir mitten hinein in die nichteuklidische Geometrie und diskutieren erst da3 Abbildung 5: Zwei Parallelen Eine Gerade g schneide das Unendliche in zwei Punkten F1 und F2 . Dann gehen durch Q zwei Geraden h1 und h2 , die g im Unendlichen schneiden. Alle Geraden durch Q im verschatteten Sektor schneiden g erst jenseits des Unendlichen. Abbildung 6: Spiegelung einer Geraden, die das Unendliche erreicht Gegeben sei der vorgezeichnete Kreis U (das Unendliche), eine Gerade g durch das Innere, deren Spiegelbild gesucht werden soll, und die Spiegelgerade s. g schneide U in ihren Fernpunkten F1 [g] und F2 [g]. Die Tangenten t1 [g] und t2 [g] in diesen Punkten schneiden den Spiegel s in den zwei Punkten S1 und S2 . Die Spiegelbilder der Tangenten t1 [g] und t2 [g] sind dann die jeweils anderen Tangenten v1 und v2 , die U in W1 und W2 berühren mögen. Es gibt keine andere Möglichkeit. W1 und W2 sind damit die Spiegelbilder von F1 und F2 . Folglich ist die Verbindung h = W1 × W2 das Spiegelbild von g. Können wir eine Gerade spiegeln, wissen wir auch, wie ein Punkt zu spiegeln ist. Wenn sich kein anderer Weg findet, stellen wir den Punkt eben als Schnitt zweier Geraden g1 und g2 dar. Das Spiegelbild s[A] ist dann der Schnitt der Spiegelbilder s[g1 ] und s[g2 ] dieser Geraden. Da jeder Punkt (auch außerhalb U ) als Schnittpunkt zweier Geraden durch das Innere dargestellt werden kann, und jede Gerade außerhalb U zwei Punkte verbindet, ist mit der Konstruktion von Abbildung 6 die Spiegelung bereits vollständig bestimmt. Für einen Punkt A außerhalb U geht es auch direkter (Abb. 7). Nun können wir uns überzeugen, dass der vorgezeichnete Kreis U tatsächlich das Unendliche darstellt, d.h., dass auf einer Geraden ein Intervall beliebig oft abgetragen werden kann, ohne dass die Peripherie von U wirklich erreicht wird (Abb. 8). len, gegeben ist. Zwei Tangenten bestimmen ihren Schnittpunkt P und die Verbindungsgerade p ihrer Berührpunkte. Zwischen beiden gibt es eine bemerkenswerte Beziehung, die Polarität genannt wird und die harmonische Lage der Schnittpunkte mit einer beliebigen Geraden durch P betrifft. Harmonische Teilung, erinnern wir uns, entsteht als Lage zweier Diagonalen eines Vierecks mit den durch ihren gemeinsamen Punkt gehenden Seiten oder als Lage zweier Diagonalpunkte eines Vierseits mit den auf ihrer Verbindung liegenden Ecken (Abb. 9). Doch zurück zu den Tangenten an den Kegelschnitt. Schneidet eine Gerade g durch den Schnittpunkt P den Kegelschnitt in zwei Punkten K1 und K2 , so teilen diese beiden Punkte das Intervall von P zum Schnittpunkt g ×p von g mit p harmonisch (Abb. 10). Suchen wir die Tangenten an den Kegelschnitt von einem äußeren Punkt P , so kon- Abstecher zur harmonischen Teilung Im Eifer des Gefechts ist untergegangen, dass zur Konstruktion der Tangenten noch angemerkt werden muss, dass diese mit dem Lineal allein ausgeführt werden kann, wenn der Kegelschnitt, dessen Tangenten gefunden werden sol4 Abbildung 7: Spiegelung eines Punktes jenseits des Unendlichen Sei das Unendliche U, der Spiegel s und der Punkt A gegeben, dessen Spiegelbild gesucht werden soll. Wir ziehen aus A die Tangenten t11 und t12 an das Unendliche U und suchen die Schnittpunkte S1 bzw. S2 mit dem Spiegel s. Diese Schnittpunkte bleiben fest, die Tangenten werden jeweils in die anderen Tangenten gespiegelt, t11 in t21 und t12 in t22 . Der Schnittpunkt von t21 und t22 muss das Spiegelbild B von A sein. Abbildung 8: Spiegelung eines Punktes und Verlängerung einer Strecke Auf einer Geraden g sei eine Strecke SA gegeben. Sie soll über S hinaus abgetragen werden. Das muss mit einer Spiegelung geschehen, die g auf sich selbst abbildet, die Tangenten in den Schnittpunkten mit U aufeinender und den Pol G = P [g] (den Schnittpunkt dieser Tangenten) auf sich selbst. Der erste Spiegel ist daher die Verbindung GS. Mit der in Abbildung 6 erklärten Konstruktion finden wir B1 A = 2SA, danach B2 A = 4SA und B3 A = 8SA. Die Folge der Ak kann g mit endlich vielen Schritten nicht erreichen, die Folge der Bk kann den Schnittpunkt B∞ von g und U nicht erreichen, obwohl der Abstand von A jeden Wert übersteigen kann. struieren wir zunächst die vierten harmonischen Punkte zu zwei Geraden durch P und finden die Verbindung p (sie heißt Polare des Punktes P , so wie dieser Pol der Geraden p heißt). Die Polare schneidet den Kegelschnitt in den Berührpunkten der beiden Tangenten aus P . Suchen wir die Tangente an einen Punkt Q des Kegelschnitts, wählen wir eine Gerade p durch Q und auf p zwei äußere Punkte P1 und P2 . Deren Polaren schneiden sich im Pol P von p. Die Verbindung P Q ist die gesuchte Tangente. ren. Die Frage lautet also: Muss das Bild des Unendlichen ein Kegelschnitt sein? Allerdings. Das liegt an Eigenschaften, die Spiegelungen haben müssen, die aber bis jetzt noch nicht benutzt worden sind, weil sie erst bei Verkettung von Spiegelungen wichtig werden. Wir haben schon festgestellt, dass mit zwei aufeinanderfolgenden Spiegelungen Drehungen und Verschiebungen entstehen sollen. In der gewohnten Ausgangsebene kann man leicht sehen, dass ein bestimmtes Ergebnis von der relativen Lage der beiden Spiegelungen, nicht aber von der Lage der einzelnen Spiegel abhängt — solange sie nur durch den gemeinsamen Schnittpunkt gehen (Abb. 12). Abstecher in die allgemeine metrischprojektive Geometrie An dieser Stelle spätestens sollten wir uns wundern, dass das alles so einfach gehen soll. Warum muss das Bild des Unendlichen denn ein Kreis sein? Nun, ein Kreis ist hier nur die spezielle Form eines Kegelschnitts, der Einfachheit halber so gewählt, aber nicht der Notwendigkeit halber. Bei weiter Projektion der Zeichnungen würde er ohnehin seine Kreisgestalt verlie- 6. Drei aufeinander folgende Spiegelungen, die einen gemeinsamen Fixpunkt haben, sind einer vierten Spiegelung mit eben diesem Fixpunkt äquivalent. 5 lar zur Transitivität der Gleichheit dargestellt. Sei M der Schnittpunkt der Mittelsenkrechten auf AB und BC, dann gilt für die Abstände sowohl MA = MB als auch MB = MC. Dann muss auch MC = MA sein, M also auch die Mittelsenkrechte auf CA tragen. Soweit muss natürlich alles bleiben. Eins aber wird neu sein: Eine Strecke hat im allgemeinen zwei Mittelsenkrechten (Abb. 15), so wie jeder Winkel im allgemeinen zwei Winkelhalbierende hat. Wir sehen das, wenn die Mittelsenkrechte m auf AB als Spiegel benutzt wird. Der Spiegel steht senkrecht auf g = AB, geht also durch deren Pol G = P [g]. Der Pol N = P [m] des Spiegels m wiederum liegt auf AB. Daraus folgt, dass die Verbindung n = P [g]P [m] beider Pole auch auf AB senkrecht steht und bei der Spiegelung unverändert bleibt. Da die Spiegelung an n mit der an m identisch ist, sind beide Geraden m und n Mittelsenkrechten der Strecke AB. Nur liegt die zweite jenseits des Unendlichen2 . Diese Eigenschaft wollen wir für alle Spiegelungen generell festhalten. Sie sorgt dafür, dass in jedem Dreieck der Höhensatz gilt, und dass in jedem Dreieck durch den Schnittpunkt zweier Mittelsenkrechten auch eine Mittelsenkrechte auf der dritten Seite geht. Die Beweise benötigen nur ein wenig Algebra, aber das ist jetzt nicht unser Ziel. Man kann sie bei F.Bachmann [1] studieren. In [4] sind sie zitiert. Es kann nun gezeigt werden, dass das Unendliche U ein Kegelschnitt sein muss. Dabei ist der Höhensatz wichtig. Er ist eine Verallgemeinerung der Feststellung, dass alle Lote auf einer gegebenen Geraden (d.h. alle Spiegel, die diese Gerade an ihrem Platz lassen) durch den Pol der Geraden, d.h. den Schnittpunkt der beiden Tangenten gehen müssen. Wenn die Höhen (die Lote aus den Eckpunkten auf die gegenüberliegenden Seiten) eines Dreiecks immer durch einen Punkt gehen, dann müssen alle Lote auf einer Geraden durch einen Punkt gehen. (Wir sehen das an Dreiecken, wo der dritte Punkt auf der Verbindung der beiden anderen liegt.) Wir nennen ihn Pol P [g] der Geraden g. Wir haben ihn schon in Abbildung 8 verwendet. Die Tangenten sind etwas Besonderes. Die Tangente ist eine Gerade, die ihren eigenen Pol enthält. Der Pol einer Tangente an das Unendliche ist der Berührpunkt. Alle Lote auf der Tangente müssen also durch diesen Pol, an allen anderen Punkten ist die Tangente auf sich selbst senkrecht. Nur in ihrem Pol sind andere Geraden lotrecht, dort aber gleich wieder alle. Umgekehrt, Geraden die ihren eigenen Pol enthalten, müssen in diesem das Unendliche berühren, da nur die Geraden durch den Berührpunkt alle den gleichen Winkel bilden können (Abb. 13). Zeichnen wir ein Tangentendreiseit, so sind die Verbindungen der Ecken mit den gegenüberliegenden Berührpunkten Lote und müssen sich wegen des Höhensatzes in einem Punkt schneiden. Damit sind Berührpunkte und Tangenten Elemente eines Kegelschnitts. Man kann nun von jeder anderen Gerade zeigen, dass sie diesen Kegelschnitt berühren muss, soll sie ihren Pol enthalten. Der Pol einer vierten Geraden ist nämlich bestimmt, wenn die Pole eines Dreiecks anderer Geraden bekannt sind [1, 4]. Wenn zu einer Strecke nun ein Mittelsenkrechtenpaar gehört, gibt es vier Schnittpunkte von Mittelsenkrechten auf den drei Seiten und vier Umkreise um die Ecken des Dreiecks. Liegt das Dreieck im Innern von U , liegt auch nur einer der Schnittpunkte im Innern und kann zu einem Umkreis gehören, der ganz im Innern liegt. Die anderen drei liegen jenseits des Unendlichen und die zu ihnen gehörenden Umkreise berühren das Unendliche3 . 2 In der euklidischen Geometrie und generell bei Gültigkeit der Parallelenaxioms entartet das Unendliche zu einer Linie, der Ferngeraden, die die Rolle der zweiten Mittelsenkrechten für alle Strecken übernimmt. 3 In der euklidischen Geometrie sind die drei zusätzlichen Mittelpunkte die Pole der Dreieckseiten und die drei zusätzlichen Umkreise entarten zu Parallelenpaaren. Der Mittelsenkrechtensatz wird in der gewohnten euklidischen Geometrie oft als Corro6 Abbildung 9: Harmonische Lage Gegeben sei ein Vierseit, d.h. vier Geraden a1 bis a4 . Es hat 6 Punkte B12 , ..., B34 , weil es 6 verschiedene Geradenpaare gibt. Es gibt drei verschiedene Punktepaare ohne gemeinsame Geraden ([P12 , P34 ], [P13 , P24 ] und [P14 , P23 ]), die die drei Diagonalen d1 , d2 und d3 bestimmen, das Diagonalendreiseit. Die Lage zweier Punkte dieses Dreiseits heißt harmonisch zu den zwei Punkten des Vierseits, die auf der gemeinsamen Diagonalen liegen. Zwei Punktepaare teilen einander harmonisch, wenn es eine Kette von Projektionen gibt, die zu nichts weiter als der Vertauschung der Punkte eines der Paare führt. In unserem Falle projizieren wir [B24 , P, B13 , S] aus B12 auf [B23 , F, B14 , S] und dies aus B34 auf [B13 , P, B24 , S]: die Vertauschung ist erreicht. Die Punkte P und S werden durch die Folge [B24 , P, B13 , S] aus B14 auf [B34 , P, B12 , F ] aus B24 auf [B14 , S, B23 , F ] aus B34 auf [B24 , S, B13 , P ] erreicht. Auf jeder Diagonalen teilen die Ecken des Vierseits die Ecken des Diagonalendreiseits harmonisch. Abbildung 10: Zwei Tangenten und die Polarität Gegeben seien zwei Tangenten t1 und t2 mit ihren Berührpunkten B1 und B2 . Die Tangenten schneiden sich in P , die Verbindung der Berührpunkte ist p. Eine Gerade g durch P definiert die Schnittpunkte F mit p und G und H mit dem Kegelschnitt. Dann teilen G und H die Punkte P und F harmonisch. Wir sehen das an dem Sechseck [B1 , B1 , H, B2 , B2 , G]. B1 und B2 sind Doppelpunkte, deren Verbindungen durch die Tangenten t1 bzw. t2 gegeben sind. Dann müssen die Schnittpunkte P = t1 t2 , Q = B2 H × B1 G und R = B1 H × B2 G auf einer Geraden liegen (Pascalscher Satz). Nun ist [B1 G, GB2 , B2 H, HB1 ] ein Vierseit. Die Ausgangsgerade g = HG ist eine seiner Diagonalen. F und P sind Diagonalpunkte auf g und teilen G und H harmonisch. 7 Abbildung 12: Drei Spiegelungen sind eine Spiegelung Das Produkt der Spiegelungen an drei Geraden, die einen gemeinsamen Punkt M haben, ist wieder eine Spiegelung, die M fest lässt. Sa Sc Sd = Sb . Abbildung 11: Die Konstruktion von Tangenten Gegeben sei ein Punkt P . Wir wählen zwei Geraden g1 und g2 durch P und konstruieren die vierten harmonischen Punkte F1 und F2 zu P bezüglich G1 H1 und G2 H2 . Die Verbindung p = F1 F2 ist die Polare von P und schneidet den Kegelschnitt in den Berührpunkten B1 und B2 der Tangenten t1 und t2 . Sind andererseits zwei Punkte B1 und B2 des Kegelschnitts gegeben und die Tangenten gesucht, müssen wir den Pol P der Verbindungsgeraden p finden. Dazu wählen wir zwei Punkte P1 und P2 außerhalb des Kegelschnitts. Zu jedem der beiden Punkte konstruieren die Polaren nach dem eben gefundenen Muster. Sie schneiden sich in P . Die Verbindungen zu B1 und B2 sind wieder die gesuchten Tangenten. Abbildung 13: Schneiden sich zwei Geraden im Unendlichen, hat der von ihnen gebildete Winkel das Maß Null Wir wählen in Abbildung 6 einen zweiten Spiegel s∗ durch den Punkt S2 . Dann bleibt W1 unverändert, nur W2 liegt an anderer Stelle W2∗ . Nun ist der Winkel 6 F2 F1 W1 nicht nur gleich 6 W2 W1 F1 , sondern auch gleich 6 W2∗ W1 F1 . Der Winkel 6 W2 W1 F2 kann aber nur dann das gleiche Maß wie eins seiner Vielfachen haben, wenn das Maß Null ist. Die Winkel mit den Vertices F1 oder W1 sind wie nun alle Winkel mit dem Vertex auf U Null. 8 Abbildung 15: Zwei Mittelsenkrechten auf einer Strecke Gegeben seien zwei Punkte A und M im Innern des Unendlichen. Wir spiegeln A an M , genauer am Lot m auf der Geraden g = AM in M . Dieses Lot geht durch den Pol G der Geraden g. Mit der Methode von Abbildung 6 finden wir B. Das Lot m ist eine Mittelsenkrechte. Bei der Spiegelung an m bleibt aber auch der Pol N von m, der auf g liegen muss, unverändert und mit ihm die Linie n = GN . Auch diese Linie ist eine Mittelsenkrechte. Das Sechseck A1 S4 B2 B1 S3 A2 entspricht wie A1 S1 B1 B2 S2 A2 dem Sechseck F1 S1 W1 W2 S2 F2 von Abbildung 6. Man sieht unter anderem, dass A1 B1 B2 A2 ein Viereck ist, dessen drei Diagonalpunkte durch G, M und N gegeben sind. AG und A1 A2 teilen einander harmonisch, ebenso wie BG und B1 B2 , ebenso wie M N und AB. Ein Punkt A und sein Spiegelbild B teilen den Schnitt M mit dem Spiegel s und seinen Pol N = P [s] harmonisch. Abbildung 14: Höhensatz und Brianchon Enthalten drei Geraden a, b und c ihren Pol, so sind diese (P [a], P [b] und P [c]) die Höhenfußpunkte im gebildeten Dreiseit. Die Verbindungen der Ecken mit diesen müssen sich deshalb in einem Punkt B schneiden. Dieser Punkt ist nun aber der Brianchon-Punkt des Sechsecks der drei Geraden, die doppelt gezählt werden müssen und deren Pole dann die drei noch fehlenden Ecken sind. 9 Abbildung 16: Ein Drachenviereck mit drei rechten Winkeln Wir zeichnen ein Viereck mit rechten Winkeln. Die erste Seite sei g, ihr Pol P [g]. Sollen die zwei Nachbarseiten a und b senkrecht auf g stehen, müssen sie durch diesen Pol gehen. Der Pol von b sei P [b]. Mit seiner Hilfe errichten wir in B ∗ das Lot g ∗ . Nun haben wir drei rechte Winkel (bei A, B und B ∗ ). Der Pol P [g ∗ ] von g ∗ muss nun auch auf b liegen, aber er muss nicht mehr mit dem Pol P [g] von g zusammenfallen. Liegt er an anderer Stelle, kann a nicht mehr senkrecht auf g ∗ sein, denn a passiert P [g], nicht P [g ∗ ] Abbildung 17: Parkettierung der nichteuklidischen Ebene mit regelmäßigen Fünfecken Fassen wir eine bestimmte Gerade ins Auge und konstruieren ihren Pol, sehen wir, dass alle von ihr geschnittenen Geraden des Parketts durch diesen Pol gehen. Die Geraden des Parketts bilden also ein orthogonales Netz. die Höhenfußpunkte eines Dreiecks nicht mehr die Seiten), andere verlieren ihre Entartung (so gibt es, wie bei den vier Ankreisen eines Dreiecks auch vier richtige Umkreise und nicht nur einen wie in der euklidischen Geometrie), andere bleiben schlicht wie sie sind (in einem Dreieck ist die Summe der Längen zweier Seiten immer größer als die Länge der dritten Seite). Es bleibt auch dabei, dass zwei Geraden, die sich auf U schneiden (in der euklidischen Geometrie sind das die vertrauten Parallelen), einen Winkel vom Maße Null einschließen (Abb. 13). Diesseits des Unendlichen Solange wir Figuren innerhalb des Kreises – diesseits des Unendlichen – betrachten, finden wir Formen, die denen der vertrauten Geometrie sehr ähnlich sind und nur ein wenig verzerrt scheinen, weil eben – wie auf einer Karte der Erdkugel – die Maßstäbe ortsabhängig sind. Nur gibt es nun durch einen Punkt Q außerhalb einer Geraden g mehrere Geraden, die g im Endlichen nicht schneiden: das Paralellenaxiom ist nicht gültig. Die Winkelsummen in Vielecken bleiben hinter der euklidischen Erwartung zurück: Im Dreieck sind es weniger als zwei Rechte, im Viereck weniger als vier Rechte (Abb. 16). Man kann das Gebiet innerhalb des Unendlichen etwa mit regelmäßigen Fünfecken parkettieren, deren Seiten rechtwinklig aufeinander stehen (Abb. 17). Verschiedene Eigenschaften der euklidischen Figuren gehen verloren (z.B. halbiert der Feuerbachkreis durch Jenseits des Unendlichen Nun aber soll es um das Gebiet außerhalb des Unendlichen U gehen. Wir finden natürlich alles wieder, was schon innerhalb des Unendlichen merkwürdig ist. Eins ist jedoch neu: Aus jedem Punkt können zwei Tangenten an das Unendliche gezogen werden. Die Konstruktion des Spiegelbilds eines Punktes A vereinfacht sich (Abb. 7). Das Spiegelbild einer Geraden könnten wir als Verbindung der Spiegelbilder zweier Punkte der Geraden bestimmen. Schneidet jedoch die Gerade das Unendliche U, können 10 wir auch zuerst das Spiegelbild ihres Pols, der ja außerhalb U liegen muss, aufsuchen und dann von ihm die Tangenten an U ziehen und deren Berührpunkte verbinden. Punkte und Figuren innerhalb U bleiben auch bei Spiegelungen innerhalb, Punkte und Figuren außerhalb U bleiben auch bei Spiegelungen außerhalb. Das haben wir eigentlich nicht anders erwartet. Für das Außengebiet bedeutet dies jedoch, dass die Geraden in drei Klassen zerfallen, je nachdem, ob sie das Unendliche U schneiden, berühren oder meiden. Für jede dieser drei Klassen gilt, dass Spiegelbilder wieder zur gleichen Klasse gehören. Das Spiegelbild einer Geraden, die U meidet, kann U weder berühren noch schneiden, und so fort. Diese Existenz von drei Klassen von Geraden unterscheidet die Geometrie im Gebiet jenseits des Unendlichen in vieler Hinsicht von den bisher gefundenen geometrischen Verhältnissen. Man muss sich erst einmal daran gewöhnen, dass es Geraden gibt, die nur jenseits des Unendlichen verlaufen und dass es Geraden gibt die das Unendliche nur berühren, sonst aber auch nicht zu bemerken sind. Abbildung 18: Auf einer Tangente an das Unendliche haben alle Strecken das Maß Null Wir wählen in Abbildung 7 einen zweiten Spiegel s∗ durch den Punkt S2 . Es ergibt sich ein zweites Spiegelbild B ∗ . Nun hat S2 A die gleiche Länge wie das Spiegelbild S2 B und die gleiche wie das Spiegelbild S2 B ∗ . Das geht nur, wenn die Maße aller drei Strecken Null sind. Im Dreieck S2 BS1 hat der Weg von S1 nach S2 über B das Maß Null. Er ist also kürzer als der direkte Weg S1 S2 . Wechseln wir also die Seiten. Das Stück der Karte außerhalb des Kreises wird dann unser Diesseits, und die Frage ist, was beim Vergleich von Längen und Winkeln geschieht. de physikalische Anwendung, nämlich die Vermessung der Spuren auf einem Registrierstreifen. Im Kleinen finden wir wieder, was wir auf den in der Relativitätstheorie benutzten OrtsZeit-Diagrammen gelegentlich schon gesehen haben. Die Geraden, die das Unendliche U schneiden, heißen zeitartig und sind die Spuren inertialer Bewegungen. Die Geraden, die U berühren, heißen lichtartig und sind die Spuren von Lichtsignalen (genauer der Bewegung mit der absoluten Geschwindigkeit), und die Geraden die das Unendliche meiden, heißen raumartig. Die erste und verblüffende Beobachtung ist, dass es jetzt Strecken der Länge Null gibt, deren Endpunkte nicht zusammenfallen. Es sind dies die Strecken auf den Tangenten an das Unendliche (Abb. 18). Wenn wir mit irgendeiner Strecke und zwei Tangenten ein Dreieck zeichnen, hat der Umweg über die Tangenten schlicht die Länge Null. Da man mit Tangentenstücken polygonale Verbindungen zwischen irgend zwei Punkten herstellen kann, gibt es zwischen allen Punkten Verbindungen der Länge Null (die aber im allgemeinen keine geraden Verbindungen sind). Umwege können nicht mehr generell länger sein als der direkte. Im Gegenteil, im Außenraum sind Umwege generell kürzer als die direkten (Abb. 19). Das Tangentenviereck, das in Abbildung 7 zur Konstruktion der Spiegelung benutzt wurde, ist das Lichteck, das in den MinkowskiDiagrammen der (speziellen) Relativitätstheorie als Konstruktionsstrategie benutzt wird. Die hier benutzte Vorschrift, Tangenten an U wieder in solche Tangenten zu spiegeln, entspricht dem Einsteinschen Axiom der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit (Konstanz heißt hier Unabhängigkeit von der Geschwindigkeit des Spiegels). So ungewohnt, ja absurd eine solche Situation scheint: Gerade sie hat eine grundlegen11 Abbildung 19: Jenseits des Unendlichen sind Umwege kürzer als der direkte Wir betrachten ein Dreieck ABC aus Geraden, die alle das Unendliche erreichen. Kennen wir die Spiegel SA und SB , die AC bzw. BC auf AB spiegeln, finden wir BSB [C] als Spiegelbild von BC und ASA [C] als Spiegelbild von AC. Der Weg ACB ist somit kürzer als AB: AC + CB = ASA [C] + SB [C]B < AB. Wenn wir die physikalische Interpretation der Geraden AB, AC und CA als zeitartige Strecken (d.h. deren abstrakte Länge die zwischen den Endereignissen verstreichende Zeit ist) akzeptieren, ist dies gerade die Aussage des Zwillingsparadoxons. Abbildung 20: Konstruktion des Pols einer vierten Geraden Gegeben sind drei Geraden g1 , g2 und g3 mit ihren Polen P1 , P2 und P3 (volle Kreise). (Sind zwei Pole gegeben, muss der dritte auf einer Linie liegen, die aus den anderen Stücken über den Höhenschnittpunkt H des Dreiecks ABC bereits konstruiert werden kann.) Nun soll der Pol einer vierten Geraden g4 konstruiert werden. Die Gerade g4 erzeugt die Schnittpunkte D, E und F . Zu den drei so entstehenden Dreiecken BDE, CDF und AEF findet man die Höhenschnittpunkte (leere Kreise) HCDF , HBDE usw., weil jeweils zwei Höhen konstruiert werden können. Die dritten Höhen der drei Dreiecke (CHCDF , BHBDE usw.) schneiden sich im Pol P4 von g4 . Auch im Außenraum (den wir nun RaumZeit nennen können) gilt, dass sich kein Viereck mit vier rechten Winkeln konstruieren lässt: Die Raum-Zeit ist hier gekrümmt. Wenn wir nur ganz kleine Figuren betrachten oder den Kegelschnitt U über eine hauchdünne Ellipse zu einer Strecke zusammendrücken, verschwindet die Krümmung und das Außengebiet wird zur Minkowski-Ebene. entartet und die Konstruktion der Pole nicht mehr auf Tangenten zurückgreifen kann. Lassen wir also den reellen Kegelschnitt, erlauben wir das Unendliche als imaginäre Figur. Festhalten wollen wir dagegen am Höhensatz, speziell an der Eigenschaft der Lote auf einer Geraden, alle durch einen gemeinsamen Punkt, den Pol der Geraden zu gehen. Zur Konstruktion des Pols einer Geraden kann der nun imaginäre Kegelschnitt nicht mehr benutzt werden. An seiner Stelle geben wir drei nicht konkurrente Geraden und ihre Pole vor. Der dritte Pol kann dabei schon nicht mehr ganz frei gewählt werden: Schließlich soll auch in diesem Dreiseit der Höhensatz gelten. Dann ist für jede weitere Gerade der Pol bestimmt (Abb. 20). Zur Konstruktion des Spiegelbildes benut- Geht es noch allgemeiner? Es geht immer allgemeiner, man muss nur (explizite) Voraussetzungen oder (implizite) Vorurteile fallen lassen. Wenn man an der Geradentreue der Karten festhalten will, kann man immer noch auf den reellen Kegelschnitt verzichten. Wir wissen ja schon, dass er im gewohnten Fall der euklidischen Ebene zu einer Geraden 12 te generische Fall ist das projektive Bild der sphärischen Geometrie. Er ergibt sich, wenn die Kugel aus ihrem Mittelpunkt auf eine Ebene projiziert wird (Azimutalprojektion des Globus). Entartungsfälle gibt es fünf. Einer von ihnen ist die euklidische Geometrie, ein anderer die OrtsZeit-Ebene der Relativitätstheorie. Das wird aber ein neues Thema. Literatur [1] F.Bachmann (1959): Der Aufbau der Geometrie aus dem Spiegelungsbegriff, Springer, Heidelberg. [2] I.M.Jaglom (1969): Princip otnositelnosti Galileja i neevklidova geometrija, Izd. Nauka, Moskva. Abbildung 21: Spiegelung und harmonische Teilung Gegeben sei ein Punkt A, die Spiegelgerade s (strichpunktiert) und ihr Pol N = P [s]. Dann muss das Spiegelbild S = s[A] auf der Verbindung AN liegen. Es ergibt sich der Schnittpunkt M . Das Spiegelbild B muss zusammen mit A die Punkte M N harmonisch teilen. Wir müssen also ein Viereck konstruieren, dessen eine Seite M N und dessen Diagonalpunkt auf dieser Seite A ist. Dann geht die A gegenüberliegende Diagonale durch den gesuchten Punkt B. Wir können s als Seite des Vierecks wählen, eine andere muss aber A passieren. Sie schneide s in Q, dem dritten Punkt des Vierecks, und geht auch noch durch den vierten, den wir in R wählen. Nun konstruieren wir die beiden anderen Diagonalpunkte: B als Schnitt von M Q mit N R und C als Schnitt der Seiten N Q und M R. Die dem Diagonalpunkt A gegenüber liegende Diagonale BC schneidet AN im gesuchten Punkt S. [3] B.Klotzek, E.Quaisser (1978): Nichteuklidische Geometrie, Deutscher Verlag der Wissenschaften, Berlin [4] D.-E.Liebscher (1999): Einsteins Relativitätstheorie und die Geometrien der Ebene, J.A.Barth, Leipzig [5] H.Struve, R.Struve (1988): Zum Begriff der projektiv-metrischen Ebene, ZS f.math.Logik u. Grundlagen d.Mathematik 34, 79-88. zen wir die harmonische Lage der Seitenmitten, wie wir sie in Abbildung 15 kennengelernt haben (Abb. 21). Es gibt zunächst einmal zwei generische Fälle. Den einen haben wir untersucht. Es ist der Fall, dass es Geraden gibt, die ihren Pole enthalten, und dass diese Geraden einen nicht entarteten Kegelschnitt einhüllen. Im Innern des Kegelschnitts finden wir die klassische nichteuklidische Geometrie. Die Verhältnisse im Außenraum gehören der deSitter-Geometrie der Ebene. Die Erweiterung auf die vierdimensionale Raum-Zeit kann auf zwei Arten geschehen, je nachdem, ob die den Kegelschnitt schneidenden Geraden oder gerade die anderen als zeitartige Linien behandelt werden. Der zwei13