25. Jahrgang / Nr. 291 / Februar 2006 Umweltinitiative Pfaffenwinkel e.V. Seite 7 Ein neues Passivhaus An der Stelle des geerbten Häuschens aus den Fünfzigerjahren – einer Energieschleuder – bauten wir ein Passivhaus auf dem Grundstück in dem Münchner Stadtteil Freimann. Wir wollten Wohnraum schaffen, der (voraussichtlich) fast ohne zusätzliche Energie geheizt werden kann: ein Schritt auf dem Weg zu nachhaltigem Leben. D rei Wohnungen sind in dem neuen Passivhaus am nördlichen Stadt rand von München auf zwei Geschoße verteilt, insgesamt hat das Haus etwas mehr als zweihundert Quadratmeter „warme“ Wohnfläche. Der Speicher und der Keller sind kalt, das heißt, sie liegen außerhalb der dreißig bis vierzig Zentimeter dicken Flachshülle, die den „warmen“ Teil umgibt. Warm ist dieser Teil, weil er nicht nur rundherum gedämmt, sondern auch luftdicht und wärmebrückenfrei gebaut ist. Die Luftdichtheit wird mit einem so genannten Blower-Door-Test überprüft. Dabei erzeugt ein Gebläse, das (nur für diesen Test) in eine Tür oder in ein Fenster eingebaut wird, einen Unterdruck im Haus und misst, wie viel Luft abgesaugt werden muss, um diesen Unterdruck zu erhalten. Gleichzeitig werden eventuelle Leckstellen aufgespürt und beseitigt. Dieser Test steht dem neuen Haus in München noch bevor. Dicht sind auch die dreifach verglasten Fenster mit speziellen korkgedämmten Rahmen und die zwölf Zentimeter starke korkgedämmte Haustür, sodass auch hier keine Wärme verloren geht. Den Übergang zwischen dem kalten und warmen Bereich bildet jeweils eine preiswerte Kühlraumtür im Keller und im Speicher. Denn die Wärme, die durch die breiten Fenstertüren auf der Südseite, durch das Duschen und Kochen oder einfach durch die Körperwärme ins Haus gelangt ist, soll im Winter nicht entweichen, sondern möglichst lang genutzt werden. Damit die verbrauchte Luft dennoch nach außen befördert wird, ist jede Wohnung mit einer Lüftungsanlage (Stromverbrauch: etwa 40 W) ausgestattet. Die tauscht alle paar Stunden die gesamte Innenluft gegen Frischluft aus. Ein Wärmetauscher entzieht der „alten“ Luft etwa neunzig Prozent der Wärme und gibt diese an die Frischluft ab. Bevor die Frischluft diesen Wärmetauscher erreicht, wird sie von einem Erdreichwärmetauscher vorgewärmt, der über eine hundert Meter lange Soleleitung seine Wärme aus dem Erdboden bezieht. Wenn es nötig ist, kann die Frischluft auch noch aus dem Warmwasserspeicher mithilfe eines LuftWasser-Wärmetauschers aufgeheizt werden. Die Lüftungsanlage, die mit einem Pollenfilter ausgestattet ist, verteilt die Wärme in der ganzen Wohnung, ohne dass es zu Zugerscheinungen kommt. So sollen alle Räume eine gleichmäßige Temperatur von zwanzig Grad erreichen. Für besonderen Komfort kann in den Bädern eine elektrisch betriebene Fußbodenheizung (circa 300 W) zugeschaltet werden. Eben weil in einem Passivhaus so gut wie keine Wärme verloren geht, genügen selbst bei ungünstigsten Witterungsbedingungen etwa zehn Watt, um einen Quadratmeter Wohnfläche zu „heizen“. Eine Glühlampe heizt mit etwa sechzig Watt, ein Mensch mit achtzig, ein Backofen mit mehr als tausend Watt. Da wird eine Fünfzig- oder Hundert-Quadratmeter-Wohnung schnell warm. Wenn mehr Energie nötig wäre, um das Haus auf zwanzig Grad zu erwärmen, wäre das Haus kein Passivhaus. Definiert ist ein Passivhaus dadurch, dass es weniger als fünfzehn Kilowattstunden (das entspricht etwa 1,5 Liter Heizöl) pro Jahr pro Quadratmeter für Heizleistung verbraucht. Da es bei uns fast nur bei klarem Himmel sehr kalt ist, hilft normalerweise an extrem kalten Tagen die Sonne beim Heizen. Die Sonne wird nicht nur von den Fenstern, sondern auch von dreißig Quadratmetern Sonnenkollektoren an der Südfassade eingefangen und erwärmt so das Wasser, das in einem sehr gut gedämmten Tank mit zweitausend Litern im warmen Bereich des Hauses gespeichert wird . Damit sich das Haus im Sommer nicht aufheizt, können die Südfenster durch automatische Außen-Jalousien verschattet werden. Im Sommer kann die Lüftungsanlage genutzt werden, um die Frischluft durch den Erdwärmetauscher abzukühlen. Aber die Lüftung kann auch ganz ausgeschaltet werden. Dann müssen zum Lüften die Fenster geöffnet werden. So sind Passivhäuser das ganze Jahr über behaglich, weil die Temperatur der Raumluft und der Oberflächen (Wände, Decken, Böden, Fensterscheiben) ausgeglichen und angenehm ist. Ein Passivhaus zu bauen kostet wegen der qualitativ besonders hochwertigen Materialien und den besonderen Anforderungen an die Verarbeitung mehr als ein konventionelles Haus. Aber es gibt spezielle Finanzierungshilfen (zum Beispiel von der Kreditanstalt für Wiederaufbau). So amortisiert sich die Mehrinvestition in wenigen Jahren. Und sie lohnt sich in mehrfacher Hinsicht. Denn wer in dem Haus lebt, hat künftig kaum mehr Heizkosten, kann eine gesunde Raumluft und behagliche Atmosphäre genießen und belastet unsere Mitwelt so wenig wie möglich. Noch ist das Haus in München nicht bezugsfertig und es liegen keine Erfahrungswerte vor. Der OHA wird jedoch künftig berichten, wie es sich in diesem Passivhaus tatsächlich lebt. Fragen oder Anmerkungen zum Passivhauskonzept oder zu diesem Haus richten Sie bitte an Claudia Fenster-Waterloo, Hammerschmiedstr. 8a, 86989 Steingaden (Fax 08862 1217 oder [email protected]) Das neue Haus in München hat einen langen schmalen Baukörper, der sich von Ost nach West erstreckt, sodass die Sonne im Winter durch das ganze Haus scheinen und sogar die Nordwände von innen wärmen kann. Zum Passivhaus wird es durch • die dicken Wände: 17,5 cm Kalksandstein, der besonders gut Wärme speichert, außen mit 30 cm Flachs gedämmt und einer dampfdiffusionsoffenen Folie und einer waagrechten Lärchenschalung gegen die Witterung geschützt, • die 40 cm Flachs auf dem Speicherboden und unter der Kellerdecke, • die auf der Südseite riesigen, sonst eher kleinen dreifachverglasten Fenster, • die luftdichte und wärmebrückenfreie Bauweise und • die Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung.