„…in vollkommen ungenügender Weise mietweise untergebracht…“ Notizen zur Ubikation österreichischer Vertretungsbehörden 1918-1959 Da im Gegensatz zu den USA, Frankreich, Italien, Schweden und anderen Staaten mit wesentlich kürzerer Tradition eines diplomatischen Dienstes über die Unterbringung der österreichischen diplomatischen und konsularischen Vertretungsbehörden bedauerlicherweise so gut wie keine Literatur existiert153, wird nachstehend der Versuch unternommen, diesem offensichtlichen Mangel zumindest teilweise abzuhelfen.154 Dabei zeigt sich, dass die Republik Österreich nicht dem Vorbild des k.u.k. Ministeriums des Äußern folgte – dieses „perhorreszierte“ den Kauf von Gebäuden im Ausland und bevorzugte bis 1888 die mietweise Unterbringung ihrer Vertretungsbehörden. Die Republik Österreich begann rasch mit dem Ankauf von Gebäuden zur Unterbringung der Gesandtschaften, und konnte dabei auf „Tauschmaterial“ aus der Monarchie zurückgreifen. So wurden z.B. die Gebäude in Berlin und Paris aus dem auf Österreich entfallenden Anteil am Erlös aus dem Verkauf der k.u.k. Botschaftspalais finanziert, andere Gebäude wie in Sofia und Moskau durch Tausch gegen Österreichs Anteil am ehemaligen k.u.k. Palais erworben. Ab 1928 begann der Ballhausplatz mit dem Kauf von Objekten – in Rom – Hl. Stuhl und Washington. Auch die 2. Republik begann schon drei Jahre nach der Entsendung der ersten Vertreter ins Ausland Gebäude anzukaufen; so geschehen 1949 in Paris und Bern (Residenz). 153 Maria Pia VECCHI, Le Ambasciate d’Italia nel Mondo, Mailand 1969; Jan MARTENSON – Ralf TURANDER, Swedish embassies in the member countries of the EU, Stockholm 1997; Jane C. LOEFFLER, The Architecture of Diplomacy – Building America’s Embassies, New York 1998; J. E. HOARE, Embassies in the East – The Story of the British and their Embassies in China, Japan and Korea from 1859 to the Present, Richmond 1999. Als mustergültig und richtungweisend ist die opulent ausgestattete Reihe „Ambassades de France“, herausgegeben vom französischen Außenministerium und Éditions Perrin, Paris, anzusehen. 154 Zur Verwaltung dieser Liegenschaften siehe Michael ZIMMERMANN, Eine Immobilienverwaltung – 83 Rechtssysteme. Das österreichische Außenministerium und seine Liegenschaften, Festschrift Zankl, Wien 2009. – ­63 – Von Kaisern und Konsuln II In London155 nahm die Gesandtschaft am 18. August 1920 im ehemaligen k.u.k. Botschaftspalais ihren Dienstbetrieb auf. Die Auseinandersetzung zwischen Österreich und Ungarn über die Mietrechte am Londoner Gesandtschaftspalais zog sich bis 1935. Dabei war Österreich der beatus possidens. Am 26. Februar 1923 war in Budapest die Schaffung eines österreichischungarischen Schiedsgerichts zur Klärung der Divergenzen hinsichtlich mehrerer von früheren k.u.k. Behörden verwalteten Besitztümern vereinbart worden. Am 28. Mai 1928 einigten sich die Schiedsrichter über eine Reihe strittiger Punkte, die in Artikel 7 des Badener Schiedsspruchs festgeschrieben wurden. Später vertrat Ungarn die Ansicht, dass die Frage des Mietrechts am Londoner Gesandtschaftspalais nicht Gegenstand der Einigung war. Endgültig wurde die Frage durch Artikel 5 des zwischen der Republik Österreich und Ungarn am 12. Januar 1934 in Rom geschlossenen „Übereinkommens betreffend die von den ehemaligen k.u.k. gemeinsamen Behörden verwalteten Stiftungen, das Konsularakademiegebäude, das Botschaftspalais in London und die bosnischherzegowinischen Aktiven“ geregelt. Art. 5 (1) legte fest, dass „alle Ansprüche Ungarns gegen Österreich bezüglich des ehemaligen österreichisch-ungarischen Botschaftspalais in London …. gänzlich und endgültig vergleichsweise geregelt“ sind In Abs. (5) erteilte Ungarn seine ausdrückliche Zustimmung, dass die bestehenden Rechte (long lease) am ehemaligen Botschaftspalais in London, 18, Belgrave Square, auf Österreich, beziehungsweise auf dessen Vertreter, übertragen werden. Ungarn verpflichte sich überdies, über Verlangen der österreichischen Regierung alle Urkunden und Erklärungen auszustellen, beziehungsweise abzugeben, die nach großbritannischem Recht behufs Festlegung der Alleinberechtigung Österreichs, beziehungsweise seines Vertreters, am ehemaligen Botschaftspalais in London etwa noch erforderlich sein sollten. Allfällige Kosten dieser Übertragung trägt die österreichische Bundesregierung. Das Übereinkommen wurde mit 5. April 1934 in Kraft gesetzt. Im Verlauf der Auseinandersetzung mit Ungarn war sich der Ballhausplatz überraschend klar geworden, dass die von Graf Deym156 1892 abgeschlossene lease auf den Namen dieses längst verstorbenen k.u.k. Botschafters lautete. Wien beabsichtigte die lease ehestens auf „Republik Österreich“ umzuschreiben. Obwohl die Gesandtschaft in London dies als überflüssig ansah, begann der Ballhausplatz eine jahrelange Suche nach Deyms Erben, die in der 155 Rudolf AGSTNER, Von Chandos House zum Belgrave Square – Österreichs Botschaft in London 1815-1997, Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs Band 45, Wien 1997, S. 1-47. 156 * Neuschloß (Böhmen) 25.8.1838, † Eckersdorf bei Glatz 3.9.1903. – ­64 – „…in vollkommen ungenügender Weise mietweise untergebracht…“ Tschechoslowakei, Deutschland und Frankreich aufgespürt wurden. 1935 hatte man schließlich von allen, weitverstreuten Erben nach Graf Deym bzw. dessen Nachkommen, notariell beglaubigte Verzichtserklärungen beigeschafft, eine Umschreibung der lease auf „Republik Österreich“ dürfte aber nicht erfolgt sein. Nach dem Anschluss wurde das Gesandtschaftspalais am 15. März 1938 von der Botschaft des Deutschen Reiches übernommen, die darin die Konsularabteilung errichtete. Eine formelle Übertragung der lease auf das Deutsche Reich erfolgte nicht, was sich nach Kriegsende als vorteilhaft herausstellen sollte. Nach dem Ausbruch des 2. Weltkriegs übernahm die Schweizer Gesandtschaft die Schutzmachtfunktion über die deutschen Interessen, und damit auch das ehemalige österreichische Gesandtschaftsgebäude. Am 2. Oktober 1940 informierte das Eidgenössische Politische Departement die deutsche Gesandtschaft in Bern, „dass das Gebäude der ehemaligen österreichischen Gesandtschaft, 18 Belgrave Square, in dem sich vor dem Kriege große Teile der Konsularabteilung der Botschaft befanden, durch zwei Bomben schwer beschädigt worden ist…“ Am 12. Oktober 1940 erfuhr diese Näheres über die Schäden, die der Bombenangriff der deutschen Luftwaffe in der Nacht vom 30. September auf den 1. Oktober angerichtet hatte. Mobiliar und Wandgemälde waren schon „seinerzeit“ durch die Firma Bishop verpackt und in den verschiedenen Räumen belassen worden. Sie überstanden den Bombenangriff ohne Schaden. Kandelaber und Wandspiegel blieben ebenfalls unbeschädigt. Die Schweizer Schutzmachtfunktion endete am 31. Juli 1945. Danach stand das Gesandtschaftspalais vom 1. August 1945 bis zum 28. September 1948 unter der Verwaltung des britischen Ministry of Works. Die im Februar 1946 errichtete politische Vertretung, ab 4. November 1947 Gesandtschaft, war damals provisorisch in 1, Hyde Park Gate, London SW 7 untergebracht. Erst am 29. September 1948 kehrte das schwer beschädigte Gebäude in österreichische Hände zurück und am 29. November 1948 wurde die lease bis 2034 verlängert. Am 21. Januar 1949 begann der Wiederaufbau des im Zweiten Weltkrieg zerstörten Mews-Traktes durch James Carmichael Contractors Ltd. und Architekt Walter H. Marmorek. Die gesamten Kosten von rund 100.000 LSt. wurden von einem Fonds zur Entschädigung der Opfer der Kriegsauswirkungen getragen, bei der Architekt Marmorek ein „War Damage Claim“ geltend gemacht hatte. – ­65 – Von Kaisern und Konsuln II Links: London, 18, Belgrave Square – Österreichische Gesandtschaft in den 30er Jahren Rechts: London, 18 Belgrave Mews – Neubau der Kanzlei um 1950 (©Walter H. Marmorek, London) In Sofia157 hatte Italien im November 1918 das ehemalige k.u.k. Gesandtschaftspalais besetzt. Im August 1922 wurde in Rom zwischen Österreich, Ungarn und Italien eine grundsätzliche Einigung erzielt, dass Italien für den österreichischen Anteil (63,6%) am ehemaligen k.u.k. Gesandtschaftspalais sein altes, benachbartes Gesandtschaftsgebäude an Österreich abtreten sollte. Am 4. März 1924 genehmigte Österreichs Bundesregierung „den erwähnten Tausch schleunigst zum Abschluss zu bringen“158. Nach Instandsetzung des seit 1915 unbenutzten ehemaligen italienischen Gesandtschaftspalais wurde der Tausch am 14. Februar 1925 durchgeführt. Das alte italienische Gebäude war zwischen 1905 und 1910 nach Plänen des italienischen Architekten Enrico Bovio159 errichtet worden. Nach dem Anschluss diente das Haus Boulevard Tsar Oswoboditel 13 bis 1944 als Residenz des deutschen Gesandten. 1941 wurde der große Hof auf der Rückseite des Gebäudes zur Schipka-Straße auf157 Rudolf AGSTNER, 125 Jahre diplomatische Beziehungen und 160 Jahre österreichische (österreichisch-ungarische) Vertretungsbehörden in Bulgarien, Veliko Tirnovo 2004 158 Ministerratsprotokoll Nr 316 vom 4.3.1924, Punkt 6, „Tauschtransaktion bezüglich des österreichisch-ungarischen Gesandtschaftsgebäudes in Sofia“ 159 Die bisher in der Literatur übliche Zuschreibung des Gebäudes an den österreichischen Architekten Adolf Vaclav (in Bulgarien auch Antonin) Kolar (* Horice, Böhmen 1837 oder 1838, † Sofia 18./30.12.1900), seit 1878 Stadtarchitekt von Sofia, ist falsch. – ­66 – „…in vollkommen ungenügender Weise mietweise untergebracht…“ gelassen und zwischen den beiden Flügeln ein großer Salon mit darüberliegender Terrasse errichtet. Von September 1944 bis Mai 1947 war es Sitz des sowjetischen Stadtkommandanten; im Keller des Hauses wurden Gefängniszellen errichtet. Österreich erhielt das Gesandtschaftspalais am 5. Mai 1947 wieder; der am 16. Mai 1947 in Sofia eingetroffene Gesandte Orsini-Rosenberg amtierte zunächst im „Hotel Bulgaria“, da das Gebäude nicht benutzbar war. Erst 1949 scheint als Adresse der Gesandtschaft Boulevard Rouski 13 – wie der Prachtboulevard Sofias damals hieß – auf. Sofia, Boulevard Tsar Oswoboditel 13; Österreichische Gesandtschaft / Botschaft seit 1925 (Zeichnung: R. Wassilev) In Athen amtierte ab dem 25. Februar 1930 ein österreichischer Gesandter. Als Adresse der Gesandtschaft scheint 1931 Odos Democriton 2 auf; 1934 übersiedelte sie nach 18, rue de l’Academie. Ab 1935 befanden sich die Gesandtschaft und die Residenz in der rue Righillis 18. Nach dem 2. Weltkrieg begann Österreichs Präsenz am 18. März 1948 im „Hotel Grande Bretagne“. Durch Gesetz 748/1948 wurde vom griechischen Staat die Räumung des Gebäudes des Österreichischen Archäologischen Instituts in der Leoforos Alexandras 18 durch die Familien angeordnet, die dort eingezogen waren, damit es dem österreichischen Staat zurückgegeben werden kann. Am 21. Juni 1949 bezog die Gesandtschaft dann Räume im Österreichischen Archäologischen Institut, Boulevard Alexandra 18 (später – ­67 –