Ganzheitliches Planungskonzept für energieeffizientes Bauen im Bestand mit Blick auf die Auswirkungen auf das architektonische Erscheinungsbild. Leitfaden "energetisch sanieren gestalten" Start Die Notwendigkeit, Energie einzusparen und effizienter zu nutzen, hat die energetische Sanierung von Gebäuden gefördert. Wie kann dabei die architektonische Qualität erhalten, wie können die äußere Gestalt und Identität der Gebäude gewahrt bleiben? Ein Leitfaden für alle an der energetischen Sanierung beteiligten Akteure wie Architekten, Bauherren und Ingenieure soll beispielhafte Lösungen vorstellen. Projektlaufzeit: September 2009 - Dezember 2010 Immer mehr Besitzer von Bestandsgebäuden denken darüber nach, ihre Gebäude energetisch zu ertüchtigen. Gründe hierfür sind steigende Energiepreise, Sorgen um die zukünftige Sicherheit der Energieversorgung, aber auch wachsendes Umweltbewusstsein und verschärfte gesetzliche Anforderungen. Zusätzliche Anreize bieten Förderprogramme des Bundes und der Länder, zinsgünstige Kredite sowie Zuschüsse mancher Kommunen und Energieversorger. Häufig fehlen jedoch das Bewusstsein und ein weitreichender Anspruch an architektonische Qualität. Aktuell werden energetische Sanierungen nicht oder nur unzureichend unter Berücksichtigung von architektonisch-gestalterischen Aspekten durchgeführt. Die Einbindung erneuerbarer Energien in den Gebäudebetrieb wirkt sich auf die Gebäudebewertung aus. Der zunächst wirtschaftliche Aspekt von Sanierungen wird hier durch eine erhöhte Akzeptanz solcher Maßnahmen in der Bevölkerung unterstützt. Eine Integration in ein ganzheitliches Gestaltungskonzept ist aufwendig und kann durch den Energieberater alleine nicht immer gewährleistet werden. Dies kann zu unbefriedigenden architektonischen Lösungen führen. Dieser Entwicklung soll durch den angestrebten Leitfaden mit der Ausbildung eines positiven Zielbildes entgegen gewirkt werden. Ziel des Projektes war es somit, einen Leitfaden zu entwickeln, der Auswirkungen energetischer Sanierungen auf das Erscheinungsbild von Gebäuden, Quartieren und Städten untersucht. Er soll dazu dienen, alle an einer energetischen Sanierung Beteiligten (Architekten, Ingenieure, Bauherren, Investoren, Nutzer etc.) zu informieren und damit die Qualität der Planung und der Architektur zu verbessern. Energieberatern soll das architektonische Erscheinungsbild als wichtiger Bestandteil einer Sanierung vermittelt werden. Für Bauherren soll der Leitfaden als Überzeugungsmaterial dienen. Eine letzte Zielgruppe sollen Kommunen sein, denn hier besteht Informationsbedarf über Zuständigkeiten. Das Aufzeigen von positiven Beispielen mit unterschiedlichen Schwerpunkten (z.B. kostengünstige Sanierung, Sanierung von denkmalgeschützten Altbauten) kann einen wichtigen Beitrag leisten. Das Hauptanliegen dieser Broschüre ist es, Wege und Lösungen anzubieten, wie sich im Zuge einer energetischen Sanierung auch die gestalterische Qualität von Gebäuden und ihre Ausstrahlung im öffentlichen Raum verbessern lassen und sogar Faszination auf ihre Benutzer auszuüben. Allen Planern sowie potenziellen Bauherren soll der Leitfaden wertvolle Entscheidungshilfen bieten. Für die Erstellung des Leitfadens waren einzelne Sanierungsszenarien unter Berücksichtigung verschiedener Bauepochen, verschiedener Bauweisen, 1 Baumaterialien und Nutzungsanforderungen zu recherchieren und zu analysieren. Aus dem Pool dieser Projekte war eine sinnvolle Auswahl zu treffen, die beispielhaft realisierte Projekte und eine möglichst umfassende Abbildung häufiger Sanierungsszenarien zeigt. Mit dem Auftraggeber zusammen ausgewählte Projekte wurden schließlich für die Darstellung im Leitfaden in Form einer detaillierten Projektbeschreibung visualisiert. Weitere Inhalte des Leitfadens wurden zudem innerhalb eines begleitenden Expertenworkshops vorgestellt und diskutiert. Technische und bauphysikalische Grundlagen sind dargestellt, soweit sie zum Verständnis unbedingt notwendig sind. Ein thematisch geordnetes Glossar erklärt Fachbegriffe. Kein Leitfaden kann aber die Ausbildung und Erfahrung von Fachleuten ersetzen. Akteure, Zuständigkeiten und Leistungsprofile der verschiedenen Beteiligten werden erläutert, Qualität sichernde Prozesse beschrieben. Der Fokus der Betrachtung wird auf Wohngebäude gelegt, die das Bild unserer Städte maßgeblich prägen. Die gezeigten Lösungsansätze sind jedoch in vielerlei Hinsicht auf Nichtwohngebäude übertragbar. Der Leitfaden ist Ergebnis und gleichzeitig Dokumentation des Untersuchungskonzeptes, welches sich entlang verschiedener Arbeitspakete entwickelt hat. Konzept Ansatz und Arbeitsprozess Bei der Projektauswahl liegt der Schwerpunkt auf Objekten, die in einem urbanen Kontext stehen, also einen Einfluss auf Stadt- und Straßenbild haben. Das Thema der Überformung ist hier nur als Teilaspekt oder Ausnahmefall berücksichtigt. Im Umgang mit Bestandsgebäuden soll keine Ermutigung zur vollständigen Verfremdung gegeben werden. Der Fokus liegt grundsätzlich auf Wohngebäuden. In Bezug auf Baualtersklassen sind in erster Linie Projekte interessant, die älter als 30 Jahre sind. Die Anfrage an Bauherren, Architekten und weitere Projektbeteiligte ist zunächst per Mail erfolgt. Ein siebenseitiger Fragebogen wurde entwickelt um die Projekte besser vergleichbar zu machen und die Fülle von Daten verwalten zu können. Für alle recherchierten Projekte wurden Ansprechpartner gesucht. Der Rücklauf betrug ca. 30%. Die Ergebnisse wurden stetig in die Unterlagen und Auswertungsmatrix eingearbeitet. Die Fragen des siebenseitigen Fragebogens gliedern sich in die Themen Standort, Gebäudestruktur, Gebäudehülle, Anlagentechik, Kennwerte und Wirtschaftlichkeit. Die Projekte aus der ersten Projektphase sind in die Kategorien Einfamilienhaus, Mehrfamilienhaus, Quartier und Nicht-Wohnungsbau unterteilt. Die Gruppe der NichtWohngebäude ist, obwohl sie im Hinblick auf ihre Energieeinsparpotentiale als schwierig angesehen werden, wichtig zu erwähnen; der Fokus wird eindeutig auf Wohngebäude gelegt. Drei Kategorien zur Einteilung der Wohntypologien wurden diskutiert: 1. nicht verändertes Erscheinungsbild (Rekonstruktion) 2. vollständig verändertes Erscheinungsbild (Transformation) 3. Zwischenbereich (Weiterbauen) 2 Mit einer konsequenten Einteilung können die Projekte im Bezug auf ihren Umgang mit Architektur eingeteilt werden. Es gibt einen Konsens, dass häufige Bauaufgaben, also die "Alltagssituation" abgedeckt sein müssen. Am schwierigen Beispiel der Wohnhochhäuser wird vorgeschlagen, negative Aspekte an drei Objekten differenziert aufzuzeigen. 1. Wo gelingt die Sanierung mit Erhalt des Erscheinungsbildes? 2. Wo funktioniert das Sanierungskonzept nicht? 3. Wo ist etwas ganz neues passiert? In diesem Zusammenhang wird allerdings bereits für wesentlich erachtet, dass der Gesamtblick nicht verloren gehen darf. Für die Vermittlung der Inhalte an unterschiedliche Zielgruppen (Fachplaner und Laien) muss deutlich werden, wie die Qualität entstanden ist und woraus sie besteht. Ergebnisse Kategorisierung der Sanierungsobjekte Wie sich im Zuge einer energetischen Sanierung auch die Gestalt positiv entwickeln kann, wird an Beispielprojekten gezeigt. Sie illustrieren unterschiedliche Konzepte ambitionierter energetischer Zielsetzungen mit hohem architektonischen Anspruch. Für die Betrachtung der äußeren Gestalt macht es Sinn, zwei grundsätzlich verschiedene Konzepte zu unterscheiden. Zum einen der Erhalt bzw. die Wiederherstellung der ursprünglichen Erscheinung, zum anderen die Transformation oder die gezielte Veränderung des Erscheinungsbildes. Hohe Freiheitsgrade bei der Sanierung des Bestands führen leider häufig zu gestalterischem Wildwuchs. Die Darstellung vermeintlicher Individualität schwächt das Ensemble, der Stadtraum zerfällt in Einzelkörper. Gerade die freie Weiterentwicklung der bestehenden Architektur erfordert einen fachlich sehr kompetenten und verantwortungsbewussten Umgang und eröffnet den Weg zu einer eigenständigen und meist technisch kompromisslosen Neuinterpretation, die das Gebäude in Nutzung und Wirkung verändern kann. Auf diesem Wege kann Wohnraum auch neuen Anforderungen leicht angepasst, erweitert oder sogar in Teilen rückgebaut werden. Im Leitfaden werden jeweils acht Objekte den beiden Kategorien zugeordnet. Jede Kategorie wird von einem "Leitprojekt", einer Wohnsiedlung eingeleitet. Bei jedem Projekt werden andere Schwerpunkte hervorgehoben, die für die jeweilige Maßnahme mitbestimmend oder charakteristisch ist. Energetische Auswertung der Praxisbeispiele im Vergleich Im Bezug auf den Entwurfsansatz ist eine Tendenz erkennbar. Projekte mit erhaltendem Konzept (orange) erzielen eine geringfügig niedrigere Einsparung. Dies ist darauf zurückzuführen, dass zu Gunsten der Gestaltung ein Kompromiss beim Wärmeschutz und der Integration solarer Systeme gesucht werden musste. Projekte, bei denen das Erscheinungsbild gezielt verändert und neu gestaltet wurde (blau), können neue Materialien und Technologien vergleichweise frei anwenden. Neben dem immensen Einsparpotenzial im Bestand wird auch der Einfluss der Typologie der gezeigten Beispiele im energetischen Vergleich sichtbar. Besonders die Größe und Bebauungsdichte wirken sich auf das Einsparpotenzial aus, aber auch Bauweise und Baualtersklasse. Das größte prozentuale Einsparpotenzial liegt 3 demnach bei kleinen Gebäuden. Es bedarf aber einer Vielzahl von Sanierungen, um auch absolut einen merklichen Effekt zu erzielen. Quartiere profitieren pro Wohnfläche weniger, dafür ist die Sanierung kompakter Gebäude günstiger. Veröffentlichungen BMVBS (Hrsg.): energetisches sanieren gestalten. Leitfaden Baubestand nachhaltig weiterentwickeln. Sonderveröffentlichung. Berlin 2010. Kontakt Ricarda Ruland Referat I 7 - Baukultur und Städtebaulicher Denkmalschutz Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) im Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR), Bonn Tel: +49 228 99401-2301 [email protected] 4