10 Naturstoffe sung vorläufige Fas 10.1 Aufbau und Eigenschaften der Fette Zu den Aufgaben A1 O C3H7 C H O C H H C O C H O C CH2 7 CH CH CH2 7 CH3 O C3H7 C O H A2 Ob sich ein Stoff in einem anderen Stoff löst, wird maßgeblich durch die Polarität der Teilchen bestimmt. Dabei gilt: Ähnliches löst sich in Ähnlichem, bezogen auf die Polarität. Wasser ist kein geeignetes Lösungsmittel, um Fette von der Faser von Kleidungsstücken zu lösen, da sich Fette nicht in Wasser lösen. Sie sind hydrophob. Der hydrophobe Charakter der Fette lässt sich erklären, wenn man die Fettmoleküle hinsichtlich ihrer Polarität betrachtet. Der Einfluss der langen, unpolaren Fettsäurereste überwiegt den Einfluss der polaren Estergruppen. Fette lösen sich daher gut in lipophilen Stoffen, die aus unpolaren Teilchen bestehen, wie z. B. Tetrachlorethen. Sie lösen sich dagegen nicht in Wasser, das aus Dipolmolekülen besteht. Zum Versuch V1 Mit Wasser und Ethanol entsteht eine Emulsion, die sich nach und nach wieder auftrennt. Mit Heptan entsteht eine Lösung. 10.2 Fette als Nährstoffe Zu den Aufgaben A1 Aus B1 lassen sich die Brennwerte von Fett und Stärke entnehmen: Stärke: 17 kJ/g Fett: 39 kJ/g Geht man von fünf Tagen mit einem Verbrauch von 15 000 kJ pro Tag aus, so ist ein Bedarf von 75 000 kJ zu decken. Damit ergibt sich ein Abbau an körpereigener Substanz beim „Verbrennen“ von a) Stärke: 75 000 kJ : 17 kJ/g ≈ 4 400 g = 4,4 kg b) Fett: 75 000 kJ : 39 kJ/g ≈ 1 900 g = 1,9 kg A2 a) – Es war schwierig, das Fleisch zu kühlen oder auf andere Weise zu konservieren. Daher verdarb es meistens schnell, wenn es nicht rasch verzehrt wurde. – Es war schwierig, eine umfangreiche Beute zu transportieren. – Das Lagern von Fleischresten konnte Raubtiere anlocken. b) Das „steinzeitliche Ernährungsverhalten“ bedeutete Nahrungsmangel für einige Tage, gekoppelt mit einem Übermaß an Nahrung nach erfolgreicher Jagd. Solch ein Muster an man­ gelnder bzw. übermäßiger Energiezufuhr steht nicht im Einklang mit dem Leben in der modernen Gesellschaft, das von den Menschen täglich ein gleiches Arbeitspensum mit fest vorgegebenen Zeiten verlangt. Beide Phasen, die des Mangels und des Überflusses, würden zu einer ein­ geschränkten Leistungsfähigkeit führen. Elemente Chemie 2 1 1 0 N aturstoffe Wenn (wie z. B. in Deutschland) fast immer Nahrung im Überfluss vorhanden ist, reagieren manche Menschen so, dass sie auch immer viel essen. Damit sorgen sie unbewusst für den kommenden Nahrungsmangel vor. Da dieser Nahrungsmangel aber i. d. R. nicht eintritt, ist die Folge Übergewicht. A3 Rizinusöl wirkt abführend. Unverdautes Öl wirkt als „Gleitmittel“ im Darmkanal und kann sogar zu Durchfällen führen. A4 Gallseife wird verwendet, um Flecken aus Textilien zu entfernen. Sie besteht aus Kernseife und Rindergalle. Die in der Rindergalle enthaltenen Salze der Gallensäuren können hydrophobe Stoffe gut emulgieren. Die Anionen besitzen polare und unpolare Molekülteile. 10.3 Margarine und Fetthärtung Zur Aufgabe A1 Bei der Hydrierung entstehen Octadecansäurereste (hier zur besseren Übersichtlichkeit mit Halbstrukturformeln dargestellt): H H O C O C CH2 O H C O C CH2 7 7 CH CH CH2 CH CH CH2 CH CH CH2 CH CH CH2 CH CH CH2 CH2 CH2 CH2 CH2 CH2 CH2 CH2 CH2 CH2 CH2 CH2 CH2 CH2 CH2 CH2 7 CH3 4 CH3 + 5 H2 O H C O C CH2 H 7 H O H C O C H C O H C O CH2 O � C CH2 7 7 7 4 CH3 CH3 4 CH3 O H C CH2 7 4 CH3 Zum Versuch V1 Nach dem Abkühlen besteht der Überstand aus einem pasteähnlichen bis festen Material. Die ungesättigten Fettsäurereste der Moleküle des Pflanzenöls wurden (teilweise) hydriert zu gesättigten Fettsäureresten. 10.5 Fette als Energieträger und nachwachsende Rohstoffe Zu den Aufgaben A1 Mit „Diesel“ meint man umgangssprachlich Kraftstoff für Dieselmotoren. Biodiesel ist ein Kraftstoff für Dieselmotoren, der aus einem biologisch (d. h. von Lebewesen) erzeugten Rohstoff gewonnen wird: Die Synthese des Biodiesels (Rapsölmethylester, RME) beruht auf der Umeste­ rung von Rapsöl. Das dafür benötigte Methanol wird allerdings aus fossilen Rohstoffen gewon­ nen (s. A2). Obwohl fossile Rohstoffe letztendlich auch von Lebewesen stammen, verwendet man 2 Elemente Chemie 2 1 0 N a t u r st of f e für sie nicht die Bezeichnung „Bio“. Insofern ist die Bezeichnung „Biodiesel“ nur teilweise zutreffend. Mit „Bio“ meint man aber auch meistens „umweltfreundlich“; auch der Slogan auf der Zapfsäule in B4 im Schülerbuch suggeriert dies. Dass der Einsatz von Biodiesel umweltfreundlich ist, ist allerdings umstritten. In Kapitel 10.4 werden verschiedene Pro- und Contra-Argumente angeführt. Für die Verwendung von Biodiesel spricht, dass es zum Teil aus nachwachsenden Rohstoffen hergestellt wird, dass es kein krebs­erregendes Benzol enthält, schwefelfrei und biologisch abbaubar ist. Ein Gegenargument ist, dass es ethisch bedenklich ist, Lebensmittel als Kraftstoff zu verwenden, weil dadurch Lebensmittelpreise in die Höhe getrieben werden können. Die Herstel­ lung von Biodiesel vom Anbau des Rapses bis zu dessen Verarbeitung ist außerdem energie­ aufwändig, und durch die Düngung der Felder wird das Treibhausgas Distickstoffmonooxid (N2O) freigesetzt. A2 Methanol wird durch katalytische Reduktion von Kohlenstoffmonooxid mit Wasserstoff gewonnen. Die Reaktion findet unter hohem Druck und bei hoher Temperatur statt, wobei ein Kupfer-Zinkoxid-Chrom(III)-oxid-Katalysator verwendet wird: CO + 2 H2 CH3OH Das für die Methanolsynthese benötigte Kohlenstoffmonooxid-Wasserstoff-Gasgemisch (Synthe­ segas, „Wassergas“) wurde ehemals durch die Reaktion von Kohlenstoff (Koks) mit Wasserdampf gewonnen, heute vor allem durch die partielle Oxidation von Methan (Erdgas) oder durch die Umsetzung von Methan (Erdgas) mit überhitztem Wasserdampf. Hinweis: Die wichtigsten Nachteile der Verwendung von Methanol sind: – Methanol wird aus fossilen Rohstoffen gewonnen. – Für die Reformierungsreaktion zur Bildung des Synthesegases benötigt man viel Energie. A3 Benzinbrände lassen sich nicht mit Wasser löschen. Wasser vermischt sich nicht mit dem hydrophoben Benzin. Aufgrund der größeren Dichte sinkt das Löschwasser unter das Benzin, sodass es die Flammen nicht ersticken kann. Stattdessen wird die Brandfläche vergrößert, da sich das schwimmende Benzin auf dem Wasser verteilt. Brennende niedere Alkohole wie Ethanol lassen sich dagegen mit Wasser löschen. Ethanol ist hydrophil und vermischt sich mit dem Löschwasser. Ab einem bestimmten Mischungsverhältnis entstehen nicht mehr ausreichend brennbare Alkoholdämpfe über der Lösung, sodass der Brand erlischt. A4 Die Viskosität eines Stoffes hängt von den zwischenmolekularen Wechselwirkungen ab. – Dieselkraftstoff ist ein Gemisch aus Kohlenwasserstoffen, deren Moleküle unpolar sind, sodass ausschließlich Van der Waals-Kräfte vorliegen. – Rapsöl und Biodiesel sind Ester, bei denen zusätzlich Dipol-Dipol-Kräfte auftreten; diese sind stärker als Van-der-Waals-Kräfte. – Die Moleküle im Rapsöl sind ungefähr dreimal so groß wie die Moleküle im Biodiesel (Rapsöl­ methylester, s. B4 im Schülerbuch). Durch die größeren Moleküloberflächen sind die zwischen­ molekularen Wechselwirkungen im Rapsöl insgesamt stärker. Zu den Versuchen V1 Das Entzünden gelingt erst nach Erhitzen der Flüssigkeiten. Diesel und Rapsölmethylester benötigen eine ähnliche Temperatur, um sie entzünden zu können. Rapsöl muss noch stärker erhitzt werden. Hinweis: Entzündungstemperaturen: Diesel: ca. 220 °C; Rapsöl: ca. 300 °C; RME: ca. 250 °C Elemente Chemie 2 3 1 0 N aturstoffe V2 Beobachtung: In Dieselkraftstoff, Heizöl und Octan löst sich Polystyrol nicht. In Biodiesel und Essigsäureethylester löst es sich nach kurzer Zeit; es entsteht eine klebrige Masse (nachdem man evtl. etwas umgeschwenkt hat). Am deutlichsten zu sehen ist der Effekt bei geschäumtem Polystyrol (z. B. Styropor). Gibt man ein paar Stücke hinzu und schwenkt um, so sacken die Stücke ziemlich schnell in sich zusammen. Hinweis: Biodiesel, ein Gemisch aus Estern, ist auch ein gutes Lösungsmittel für andere Kunst­ stoffe. Daher kann es bestimmte Gummidichtungen in Motoren angreifen. 10.6 Spiegelbildisomerie und optische Aktivität Zu den Aufgaben A1 a) 2-Methylheptan: nicht chiral b) 3-Methylheptan: chiral c) 4-Methylheptan: nicht chiral d) 1,1-Dibrompropan: nicht chiral e) 1,2-Dibrompropan: chiral f) 1,3-Dibrompropan: nicht chiral A2 Tasse: achiral Propeller: chiral Kühlschrank: chiral Fußball: achiral Messer: achiral A3 CHO CHO H C OH HO C H CH2OH CH2OH Die Moleküle sind optisch aktiv. Es handelt sich um Enantiomere. Sie drehen die Schwingungs­ ebene des linear polarisierten Lichts um den gleichen Betrag, jedoch in entgegengesetzte Richtung. Hinweis: Der Name der Verbindung ist Glycerinaldehyd. A4 H HOOC C H C H OH Äpfelsäure 4 Elemente Chemie 2 COOH HO H 2C COOH C COOH H 2C COOH Citronensäure COOH H C H OH Glykolsäure 1 0 N a t u r st of f e Zum Versuch V1 Betrachtet man ungefähr senkrecht zur Glasoberfläche durch ein Polarisationsfilter sein eigenes Spiegelbild, so ist es fast unabhängig vom Drehwinkel des Polarisationsfilters deutlich sichtbar. Betrachtet man ein Spiegelbild in einem schrägen Winkel zur Glasoberfläche, so kann man es durch Drehen des Polarisationsfilters nahezu ausblenden. 10.7 Fischer-Projektionsformeln Zu den Aufgaben A1 Das 2,3,4,5,6-Pentahydroxyhexanal besitzt 4 Chiralitätszentren. Es existieren 24 = 16 Stereo­ isomere, d. h. 8 Enantiomerenpaare. Die folgende Abbildung zeigt die Strukturformeln der 8 D-Konfigurationen, zusätzlich mit den Namen der Verbindungen. Das jeweils andere Enantiomer ergibt sich durch Spiegelung an der durch die Kohlenstoffatome gehenden Achse. CHO CHO CHO H HO OH H H OH H OH H OH H OH H H OH H OH HO H OH CH2OH CH2OH CH2OH D(+)-Allose D(+)-Altrose D(+)-Glucose H H OH OH H H H H OH HO H OH HO OH H CHO CHO HO OH H CH2OH D(+)-Mannose H OH CH2OH D(–)-Gulose CHO HO H HO H H CHO CHO H OH HO H OH HO H HO H H HO H HO H OH CH2OH D(–)-Idose H OH CH2OH D(+)-Galactose OH H CH2OH D(+)-Talose A2 H O H H O C C OH C HO C H CH2OH CH2OH DLGlycerinaldehyd A3 H H H H H C ∗ H C OH HO H C∗ OH H H C H H H meso-Butan-2,3-diol C ∗ C H H H H H C∗ OH C HO H H C C ∗ H OH C∗ H C H H H D-Butan-2,3-diol L-Butan-2,3-diol A4 O III O OH H H 0 C –III C H H I C C O H H H H 0 C 0 O C H C –III O H H H H Elemente Chemie 2 5 1 0 N aturstoffe A5 D-2-Hydroxypropanal; D-2-Hydroxybutansäure; L-3-Hydroxybutansäure Enantiomere: O H O C HO OH O C C H CH3 HO C H H C H H C H H C OH CH3 L-2-Hydroxypropanal OH C CH3 L-2-Hydroxybutansäure D-3-Hydroxybutansäure A6 O H C H C HO C H O C OH H CH2OH L-Threose HO C H C O H C H HO C OH HO C CH2OH D-Threose H O C H H C H H C CH2OH L-Erythrose OH OH CH2OH D-Erythrose H H O 10.8 OStrukturen der Aminosäuren C C C HO H H C OH Zu den Aufgaben A1 HO Arginin, Lysin und C H C OH tragen im Rest zusätzliche Aminogruppen, die Protonen aufneh­ H Histidin men können. Daher reagieren diese Aminosäuren basisch. CH2OH L-Erythrose CH2OH D-Erythrose A2 Methionin- und Cysteinmoleküle enthalten das Element Schwefel. A3 COOH H C NH2 CH2 COOH 10.9 Der isoelektrische Punkt Zu den Aufgaben A1 Der pH-Wert 6,0 entspricht dem IEP von Glycin. Hier liegen fast nur Zwitterionen vor (B1 im Schülerbuch). Sie richten sich im elektrischen Feld aus, wobei die Ladungen sich den entsprechen­ den Elektroden zuwenden, wandern aber nicht von der Stelle. A2 a) Saure Aminosäuren besitzen eine zusätzliche Carboxylgruppe. Diese ist in alkalischer und neutraler Lösung deprotoniert, folglich liegen Anionen vor. Nur in einer sauren Lösung liegt die zusätzliche Carboxylgruppe in der protonierten Form vor, sodass (bei einem bestimmten pH-Wert) insgesamt ein Zwitterion existieren kann. Beispiele: Asparaginsäure: IEP = 2,8 Glutaminsäure: IEP = 3,2 6 Elemente Chemie 2 1 0 N a t u r st of f e Basische Aminosäuren besitzen eine zusätzliche Aminogruppe. Diese ist in saurer und neutraler Lösung protoniert, folglich liegen Kationen vor. Nur in einer alkalischen Lösung liegt die zusätzli­ che Aminogruppe in der nicht protonierten Form vor, sodass (bei einem bestimmten pH-Wert) insgesamt ein Zwitterion existieren kann. Beispiele: Arginin: IEP = 11,1 Lysin: IEP = 9,7 ⇒ Allgemeingültige Regel: Die IEP saurer Aminosäuren sind kleiner als 7; die IEP basischer Aminosäuren sind größer als 7. b) Die Phenyl-OH-Gruppe des Tyrosinmoleküls kann ein Proton abgeben: COO COO H2N C C H2N H CH2 + H2O CH2 � H + H3O + O OH Die Säurestärke der Phenyl-OH-Gruppe ist aber sehr gering. Im Bereich von pH = 5,7 liegt das Gleichgewicht dieser Protolyse fast ganz auf der linken Seite (die NH2-Gruppe ist bei diesem pH-Wert außerdem protoniert), d. h., an praktisch keinem Tyrosinmolekül ist die Phenyl-­OH­Gruppe deprotoniert. Tyrosin ist folglich eine neutrale Aminosäure und hat damit einen IEP-Wert im Bereich zwischen etwa 5 und 6. Hinweise: Die pKS-Werte von Tyrosin sind: pKS(–COOH) = 2,2; pKS(–NH3+) = 9,1; pKS(–OH) = 10,1. Die PhenylOH-Gruppe wird also erst in nennenswertem Umfang deprotoniert, wenn die NH2-Gruppe schon unprotoniert vorliegt, also im alkalischen Bereich. Der IEP-Wert von Tyrosin ist etwas kleiner als der von Alanin; dies kann man mit der elektronen­ ziehenden Wirkung des Phenylrings erklären (–I-Effekt). Der IEP-Wert von Tyrosin ist etwas größer als der von Phenylalanin; dies kann man mit der elektronenschiebenden Wirkung der OH-Gruppe erklären (+M-Effekt), die die elektronen­ziehende Wirkung des Phenylrings teilweise aufhebt. A3 a) pH = 1 b) pH = 3 COOH H3N C H c) pH = 10 COO COO H3N C H H2N C H CH2 CH2 CH2 COOH COOH COO Elemente Chemie 2 7 1 0 N aturstoffe 10.10 Trennung von Aminosäuren Zum Versuch V1 Ein Ergebnis dieser elektrophoretischen Trennung zeigt B1 im Schülerbuch. Bei pH = 6 ist Glycin ein Zwitterion und wandert nicht im elektrischen Feld. Lysin liegt als Kation vor und wandert daher zum Minuspol. Cystein liegt in der anionischen Form vor und wandert aus diesem Grund zum Pluspol. 10.11 Impulse Aminosäuren im Alltag Zu den Aufgaben A1 Die Sichelzellenanämie ist eine Erbkrankheit. Der Name der Krankheit leitet sich von sichel­ förmig deformierten roten Blutkörperchen ab. Die Verformung der Blutkörperchen wird dadurch hervorgerufen, dass in einer Untereinheit des Hämoglobin­moleküls die Glutaminsäure durch Valin ersetzt ist. Folgen der homozygoten (reinerbigen) Form der Sichelzellenanämie sind Blutarmut, Thrombosen, Nieren­versagen und Komazustände. Sie führt häufig vor dem 30. Lebensjahr zum Tod. Die heterozygote (mischerbige) Form der Sichelzellenanämie macht sich kaum bemerkbar, schützt aber ihre Träger vor schweren Verlaufsformen der Malaria. Aus diesem Grund ist sie vermutlich in Malaria­gebieten ein Selektionsvorteil. In manchen Gegenden in Afrika ist fast ein Drittel der Bevölkerung heterozygoter Träger des Sichelzellenallels. A2 Eine Liste aller in der EU zugelassenen Zusatzstoffe (inklusive der Klasse der Geschmacks­ verstärker (GV) findet man z. B. auf der Homepage des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (www.bmelv.de). Informationen zu Zusatzstoffen findet man u. a. auf der Homepage des Deutschen Zusatzstoffmuseums (www.zusatzstoffmuseum.de), eines Projektes der Hamburger Lebensmittelstiftung. A3 Mukoviszidose (Cystische Fibrose, CF) ist eine rezessiv vererbbare Stoffwechselerkrankung. Zäher Schleim verstopft lebenswichtige Organe. Quälender Husten, Atemnot und schwere Verdauungsstörungen sind die Folge dieser Drüsenfunktionsstörung. 1948 wurde festgestellt, dass im Schweiß der Erkrankten zu viel Natriumchlorid enthalten ist. Der Natriumchlorid-Schweiß-Test ist auch heute noch die übliche Diagnosemethode für Muko­ viszidose. Ab 1980 konnte gezeigt werden, dass bei den Mukoviszidose-Patienten die Zellmembran der Schleimhautzellen eine gestörte Chloridionendurchlässigkeit hat. Ursache dafür ist ein Chlorid­ ionenkanal, der sich nicht öffnet. Die Chloridionenkanäle sorgen im Darm und in den Atemwegen dafür, dass der abgesonderte Schleim die benötigte Fließfähigkeit aufweist. Von den Chlorid­ ionen­kanälen auf der Schleimhaut­oberfläche werden aktiv Chloridionen ausgeschieden. Diese ziehen osmotisch Wasser an. Dadurch bleibt der Schleim fließfähig. Ist dieser Prozess gestört, kommt es u. a. zu einer erhöhten Anfälligkeit für Entzündungen der Atemwege und der Lunge. In den Schweißdrüsen werden durch diese Kanäle normalerweise Chloridionen rückresorbiert. Bei einer Störung kann diese Rückresorption nicht erfolgen. Es bildet sich Natriumchlorid, wodurch der Schweiß der Betroffenen deutlich salzhaltiger wird. Das CFTR-Gen codiert das Protein CFTR (cystic fibrosis transmembrane conductance regulator), welches in der Zellmembran als Ionenkanal für den Durchgang von Chloridionen dient. Bei der am häufigsten vorkommenden Mutation fehlt im CFTR-Protein die Aminosäure Phenylalanin an Position 508. Muskoviszidose ist nicht heilbar. Die Krankheitssymptome müssen lebenslang behandelt werden. 8 Elemente Chemie 2 1 0 N a t u r st of f e A4 Mit dem Guthrie-Test kann auf das Vorliegen einer erhöhten Phenylalanin-Konzentration im Blut getestet werden, welche ein Hinweis auf die Krankheit Phenylketonurie ist. Der Test ist in einigen Ländern noch Bestandteil der Screening-Untersuchung von Neugeborenen. In Deutsch­ land ist er durch empfindlichere Nachweismethoden ersetzt worden. 10.12 Peptide und Peptidbindung Zu den Aufgaben A1 Eine Peptidbindung entsteht, wenn eine Aminogruppe (NH2-Gruppe) mit einer Carboxyl­ gruppe (COOH-Gruppe) unter Abspaltung eines Wassermoleküls reagiert. Bei einer Esterbildung reagiert statt der Aminogruppe eine Hydroxylgruppe (OH-Gruppe), ebenfalls unter Abspaltung eines Wassermoleküls. Statt der NH-Gruppe der Peptidbindung enthält die Estergruppe ein O-Atom. Hinweis: Analog zur alkalischen Esterhydrolyse können durch Hydroxidionen auch Peptide gespalten werden. Da das zentrale C-Atom der Peptidgruppe keine so hohe positive Partialladung trägt, benötigt man dazu allerdings eine stark alkalische Lösung, während zur Esterspaltung eine schwach alkalische Natriumcarbonatlösung genügt. Außer einem Carboxylation entsteht bei der alkalischen Hydrolyse eines Peptids ein Amin, bei der alkalischen Hydrolyse eines Esters entsteht ein Alkohol. A2 Wegen besseren Übersichtlichkeit ist hier die Skelettformel dargestellt: OH Tyr O H 2N O N H Cys Cys Pro Leu O H2N N H N Gly N H O O S Ile HN S HN O O H N N H O O O Asn O Gln NH2 NH2 Oxytocin Hinweis: In einem Teil der Auflage des Schülerbuchs ist die Struktur in B3 fehlerhaft. Die richtige Struktur ist: S S O H2N — Cys ——Tyr —— ¯le —— Gln —— Asn —— Cys —— Pro —— Leu —— Gly–C — NH2 Die freie Carboxylgruppe des rechts dargestellten Glycin-Bausteins ist amidiert, d. h., die OH­Gruppe ist durch eine NH2-Gruppe ersetzt. Elemente Chemie 2 9 1 0 N aturstoffe A3 H O H H H N H C O C H N H C H N H C H C H H N H C C H Glycylalanin C H Glycylalanin H O H H N H C O C H N H N H H H H C C C H N C H H O C O C O H H O H H H O H H H N H C O C H N H C H N H C H C N C H H H GlycylglycinH Glycylglycin H H H C C H H O C O C O H O H O H O H H C O C O H O H O C H N H C C H N H C H N H H H H C C N C H H C O C O C O H H O H C H H H C H H Alanylglycin H H Alanylalanin H Alanylglycin Alanylalanin 10.13 Struktur von Peptiden und Proteinen Zu den Aufgaben A1 H H N H O H H O H H O H H C C N C C N C C N C CH3 CH2 CH2 OH CH2 CH2 CH2 H N C O C OH N NH2 H NH A2 Da Lysin zu den basischen Aminosäuren zählt und Valin zu den neutralen, wird die Protonie­ rung an einem Stickstoffatom des Lysinbausteins stattfinden. Liegt das Dipeptid in zwitter­ ionischer Form vor, so ist die Aminogruppe am a-C-Atom (C-Atom 2) des Lysinbausteins bereits protoniert. Das Stickstoffatom der Peptidbindung lässt sich weniger leicht protonieren. (Begründung, siehe auch Schülerbuch Kap. 10.12, B2: Man kann für die Peptidbindung eine mesomere Grenzformel formulieren, bei der das Stickstoffatom eine positive Partialladung trägt und das freie Elektronen­ paar in die C — N-Bindung unter Ausbildung einer Doppelbindung einbezogen wird.) Die Protonie­ rung wird daher bevorzugt an dem endständigen Stickstoffatom des Restes des Lysinbausteins erfolgen, der am C-Atom 6 hängt. A3 Beispiele für Proteine mit b-Faltblatt-Struktur: Proteinketten der Naturseide, Immunglobuline (Antikörper) Beispiele für Proteine mit a-Helix-Struktur: Hämoglobin, Myoglobin (Sauerstoffträger im Muskel), a-Keratin (Hauptbestandteil der Haare) 10 Elemente Chemie 2 1 0 N a t u r st of f e A4 Kuru („Muskelzittern“) ist eine durch Prionen ausgelöste Hirnkrankheit, die in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu einer fast völligen Auslöschung des Volkes der Fore im zentralen Bergland von Neuguinea führte. Die Symptome der tödlich verlaufenden Krankheit sind Bewegungsstörungen wie Gang- und Standunsicherheit, Tremor und ein unnatürliches Lachen. Ursache der Krankheit sind infektiöse Proteine (Prionen), die vermehrt im Gehirn auftreten. Diese wurden durch eine Art rituellen Endokannibalismus übertragen. Dabei wurde das Gehirn von verstorbenen Stammesmitgliedern von den nächsten weiblichen Verwandten und deren Kindern verzehrt. 10.14 Eigenschaften und Nachweis von Proteinen Zu den Versuchen V1 Von der Seite ist ein „Lichtstreifen“ erkennbar. Hinweis: Der Tyndall-Effekt kommt dadurch zustande, dass die Proteinmoleküle groß genug sind, um Licht zu streuen. Wenn sie angestrahlt werden, wirken sie wie winzige „Lichtquellen“, die in alle Richtungen strahlen. V2 Die Lösung wird violett, siehe B3 im Schülerbuch. Hinweis: Der Name Biuret-Reaktion geht auf den Stoff Biuret zurück, der beim Erhitzen von Harnstoff unter Abspaltung von Ammoniak entsteht: H2N — CO — NH2 + H2N — CO — NH2 H2N — CO — HN — CO — NH2 + NH3 Biuret bildet mit Cu2+-Ionen eine farbige Lösung, die die folgenden Komplexionen enthält: H N C H O C 2+ Cu N O H H H N O N H C C N O N H H H H Die mit Polypeptiden entstehende Komplexverbindung hat eine ähnliche Struktur: O H C H N N H C N R H 2+ Cu N O C C H H R V3 Die Oberfläche des Eies wird gelb. Hinweis: Die Xanthoproteinreaktion beruht auf der Nitrierung des Phenylrings aromatischer Amino­säuren, wobei gelbe aromatische Nitroverbindungen entstehen. Sie ist also streng genommen ein Nachweis für bestimmte Aminosäuren (Phenylalanin, Tyrosin, Tryptophan). Beispiel-Reaktion mit Tyrosin: NH2 HO CH2 C H COOH + HONO2 � HO NO2 NH2 CH2 C COOH + H2O H Elemente Chemie 2 11 1 0 N aturstoffe 10.15 Denaturierung Zur Aufgabe A1 a) Fieber dient der körpereigenen Infektabwehr. Durch die erhöhte Temperatur wird der Stoff­ wechsel beschleunigt und die körpereigenen Abwehrmaßnahmen werden gestärkt. Dadurch wird die Vermehrung der Krankheitserreger behindert. b) Bei sehr hohem Fieber können Proteine, wie lebensnotwendige Enzyme, denaturieren. Die Denaturierung ist irreversibel bei Temperaturen über 42 °C oder bei hohem Fieber (über 40 °C), falls dieses länger als sechs Stunden anhält. Zum Versuch V1 a), b), c) Bei diesen drei Ansätzen koaguliert das Eiweiß. d) Man beobachtet eine Trübung durch Koagulation, außerdem eine Violett­färbung. Erklärung: Dies ist ein Beispiel für die Denaturierung durch Schwermetallionen. Die Violett­ färbung beruht auf einem Kupfer-Eiweiß-Komplex (Biuret-Reaktion, s. Kap. 10.14). 10.16 Impulse Synthese von Proteinen aus der Nahrung A1 Durch die Kombination unterschiedlicher Lebensmittel kann die biologische Wertigkeit einer proteinhaltigen Mahlzeit deutlich erhöht werden. Die meisten tierischen Lebensmittel enthalten alle essenziellen Aminosäuren, während in pflanzlichen Proteinen häufig eine oder mehrere essenzielle Aminosäuren fehlen. Trotzdem ist es günstig, pflanzliche mit tierischen Lebensmitteln zu kombinieren. Die biologische Wertigkeit ist i. d. R. höher als die der Einzelkomponenten, häufig über 100. Beispiel: Die Kombination von Hühnerei (100) mit Kartoffeln (90) hat eine biologische Wertigkeit von 136. Insbesondere Veganer müssen auf eine ausreichende biologische Wertigkeit der Proteine achten. Durch Kombination verschiedener pflanzlicher Lebensmittel, wie Getreide mit Hülsenfrüchten, Sojaprodukten oder Ölsamen (nicht unbedingt mit derselben Mahlzeit), können sie sich mit allen essenziellen Aminosäuren versorgen. Internet-Quellen (Stand August 2011): http://www.vebu.de/gesundheit/naehrstoffe/eiweiss http://www.protein.de/ernaehrung/53-protein/137-protein-in-lebensmitteln http://www.suite101.de/content/gesund-und-fit-mit-proteinen-und-aminosaeuren-a72011 A2 Ein hoher Konsum von tierischem Eiweiß begünstigt die Entstehung von verschiedenen Zivilisationskrankheiten. Diskutiert werden: Gicht, Diabetes, Arthrose, Krebserkrankungen (v. a. Darmkrebs) sowie Herz- und Kreislaufkrankheiten. Weitere Aspekte sind ökologische Auswirkungen der Massentierhaltung (hoher Trink­wasser­ verbrauch, riesige Abwassermengen, Freisetzung der Treibhausgase Kohlenstoffdioxid und Methan) sowie Tierschutzaspekte. Internet-Quellen (Stand August 2011): http://www.vebu.de/gesundheit/naehrstoffe/eiweiss http://www.brennglas.com/der_tierleichenfresser/13_vegetarisch.html http://www.stern.de/ernaehrung/aktuelles/fleischkonsum-und-krebs-gefahr-auf-demteller-658956.html 12 Elemente Chemie 2 1 0 N a t u r st of f e A3 a) Da Lysin eine essenzielle Aminosäure ist, die hauptsächlich in Fleisch vorkommt, kann es bei Vegetariern zu Lysinmangel kommen. b) Lebensmittel, in denen Lysin in größeren Mengen vorkommt, sind Fleisch, Fisch, Milchproduk­ te und Eier. Auch pflanzliche Produkte enthalten Lysin, insbesondere Buchweizen, Amaranth und Quinoa. Geringere Mengen sind auch in Walnüssen, Weizenvollkornmehl, Reis, Linsen, Erbsen und Soja enthalten. c) Lysin ist eine essenzielle Aminiosäure, d. h., der menschliche Organismus kann sie nicht synthetisieren. Beispiele für wichtige Verbindungen, zu deren Synthese Lysin benötigt wird: – Carnitin, ein Rezeptormolekül für aktivierte Fettsäuren, ist für den Fettstoffwechsel unverzicht­ bar. (Carnitin wird bisweilen als Nahrungsergänzungsmittel empfohlen, um einen besseren Fettabbau zu erzielen, was jedoch von Experten kontrovers diskutiert wird. Viele Sportler erhoffen sich durch die Einnahme eine erhöhte sportliche Ausdauer.) – Kollagen ist vor allem in Wachstumsphasen von Kindern für den Aufbau von Haut, Knochen und Blutgefäßen unverzichtbar. – Hormone und Antikörper. Lysinmangel kann daher zu Wachstumsstörungen und Störungen des Immunsystems führen. – In der Medizin wird Lysin bei der Heilung und Vorbeugung von Herpes und anderen Virusinfek­ tionen verwendet. Da Lysin die Calciumresorption aus dem Darm und die Calciumeinlagerung in den Knochen unterstützt, wird es auch zur Behandlung von Osteoporose eingesetzt. Internet-Quellen (Stand August 2011): http://ruhr-naturkost.de/html/amaranth.html http://www.wirkstofflexikon.com/data/de/L-Lysin.html http://www.orthopaedie-sinsheim.de/lysin-gegen-herpes.htm A4 Es gibt eine Fülle von Informationen zum Thema „Aminosäuren als Nahrungsergänzungs­ mittel“, die allerdings nur zum Teil als seriös eingestuft werden können. Aminosäuren werden vor allem für Sportler als Nahrungsergänzungsmittel für den Muskelaufbau angeboten. Eine muskelaufbauende (anabole) Wirkung konnte jedoch bisher wissenschaftlich nicht bestätigt werden. Bei hoher Dosierung von Aminosäurepräparaten treten zudem häufig Nebenwirkungen wie Magen-Darmbeschwerden auf. Überdosierung über einen längeren Zeitraum kann zu Leber- und Nierenschäden und auch Gicht führen. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung kommt zu dem Schluss, dass bei einer ausgewogenen, gesunden Ernährung auch für Sportler die zusätzliche Einnahme von Aminosäuren bzw. Proteinen nicht sinnvoll ist. Internet-Quellen (Stand August 2011): http://www.gesundheit.de/ernaehrung/rund-ums-lebensmittel/wissen-rund-um-lebensmittel/ nahrungsergaenzung-fuer-sportler-was-ist-drin-und-was-ist-dran http://www.medicom.de/ratgeber/news/themenfelder/essen-und-trinken/aminosaeuren-sind-sieals-nahrungsergaenzungen-sinnvoll Elemente Chemie 2 13 1 0 N aturstoffe 10.18 Klassifizierung der Kohlenhydrate Zu den Aufgaben A1 H O H C C H O C OH HO CH2OH C CH2OH H C CH2OH D-2,3-Dihydroxypropanal O CH2OH L-2,3-Dihydroxypropanal 1,3-Dihydroxypropan-2-on Enantiomere A2 O H CH2OH C C H C* OH H C* OH O H C* OH H C* OH H C* OH CH2OH CH2OH Aldopentose (3 Chiralitätszentren) Ketopentose (2 Chiralitätszentren) Die Aldopentosen besitzen drei Chiralitätszentren. Es gibt 2n, also 23 = 8 Stereoisomere, also 4 Enantiomerenpaare. Die folgende Abbildung zeigt (zusätzlich zur Aufgabenstellung) die Strukturformeln der vier D-Aldopentosen. Das jeweils andere ­Enantiomer ergibt sich durch Spiegelung an der durch die Kohlenstoffatome gehenden Achse. CHO CHO H OH HO H OH H OH H H CH2OH H OH HO OH H CH2OH D(–)-Ribose D(–)-Arabinose CHO CHO H OH HO H H HO H OH H OH CH2OH CH2OH D(+)-Xylose D(–)-Lyxose Die Ketopentosen besitzen zwei Chiralitätszentren. Es gibt 22 = 4 Stereoisomere, also 2 Enantio­ merenpaare. Die folgende Abbildung zeigt (zusätzlich zur Aufgabenstellung) die Strukturformeln der zwei D-Ketopentosen. Das jeweils andere ­Enantiomer ergibt sich durch Spiegelung an der durch die Kohlenstoffatome gehenden Achse. CH2OH CH2OH C O C O HO C H H C OH H C OH H C OH CH2OH D-Xylulose 14 Elemente Chemie 2 CH2OH D-Ribulose 1 0 N a t u r st of f e 10.19 Glucose und Fructose A1 CHO CHO H C OH HO C H H C OH H C OH H C OH O H3C + 5 CH3COOH C � H O H C O C CH3 O C H O H C O C O CH3 + 5 H2O H C O C O CH3 H C O C CH3 H A2 Am einfachsten ist die folgende Vorgehensweise: Man baut zunächst die kettenförmige Struk­ tur (nach B1 im Schülerbuch) und schließt dann den Ring durch eine intra­molekulare Halbacetal­ bildung. Danach dreht man den Ring so, dass die CH2OH-Gruppe oben steht und prüft, ob die halbacetalische OH-Gruppe am anomeren C-Atom unten (a) oder oben (b) steht. A3 Stereoisomere, die keine Enatiomere sind, bezeichnet man als Diastereomere; dies trifft auf a- und b-D-Glucose zu. Begründung: In der Haworth-Projektionsformel der a-D-Glucose steht die OH-Gruppe am anomeren C-Atom nach unten, in der Haworth-Projektionsformel der b-D-Glucose steht sie nach oben (B2 im Schülerbuch). Da ansonsten alles gleich ist, sind die beiden Verbindungen Stereoisomere. Am anomeren C-Atom stehen die OH-Gruppen unterschiedlich, an den anderen (ebenfalls asymmetrischen) C-Atomen stehen sie bei beiden Verbindungen gleich. Folglich kann man a- und b-D-Glucose nicht durch Spiegelung ineinander überführen, sie sind also keine Enantiomere. A4 6 OH 5 H OH 4 H 6 CH2OH 3 H O H OH H 1 4 2 OH 5 H OH H 3 H OH a-D-Galactose CH2OH O OH H 1 2 H OH b-D-Galactose A5 O O Furan O Pyran Zu den Versuchen V1 Glucose löst sich gut in Wasser. In Heptan (auch im Wasserbad erwärmt) löst sie sich nicht. V2 a) Bei Verwendung eines fettfreien Reagenzglases erhält man bei der Silberspiegelprobe mit Glucose einen schönen Silberspiegel. Die Fehling‘sche Probe ergibt einen orangeroten bis ziegelroten Niederschlag. Beide Versuchsergebnisse weisen auf das Vorliegen einer Aldehyd­ gruppe hin. b) Bei Zugabe von Glucose zu Fuchsinschwefliger Säure tritt keine Farbveränderung auf. Die Aldehyd­gruppe der Glucose lässt sich damit also nicht nachweisen. Elemente Chemie 2 15 1 0 N aturstoffe 10.20 Exkurs Zuckerersatzstoffe A1 Süßstoffe werden häufig im Rahmen einer Diät verwendet, da sie keinen oder nur einen sehr geringen Brennwert haben. Immer wieder geraten sie aber auch wegen möglicher Gesundheits­ schäden und Zweifeln an ihrem Nutzen in die Kritik. Gibt es gesundheitliche Risiken? Nach Angaben der DGE (Deutsche Gesellschaft für Ernährung) führt ein normaler Konsum von Süßstoffen zu keinem erhöhten Krebsrisiko. Laut einer einzigen Studie steigt jedoch das Risiko für Blasenkrebs bei sehr hohen Dosen leicht an. Das BfR (Bundes­ institut für Risikobewertung) hält den Verzehr zugelassener Süßstoffe unterhalb einer bestimm­ ten Höchstmenge für gesundheitlich unbedenklich. Somit sollten Süßstoffe zumindest nicht bedenkenlos in größeren Mengen konsumiert werden. In die Kritik geraten ist immer wieder der Süßstoff Aspartam. Auf diversen Internetseiten findet man Berichte über Nebenwirkungen der Aspartam-Stoffwechselprodukte Asparaginsäure, Phenylalanin und Methanol. Diese reichen von Kopfschmerzen und Allergien bis hin zu Epilepsie und Hirntumoren. Eingehende Überprüfungen konnten dies jedoch nicht bestätigen. Neuere Süßstoffe der zweiten Generation wie Acesulfam-K, Sucralose, Alitam oder Neotam können noch nicht abschließend bewertet werden, da sie erst seit relativ kurzer Zeit zugelassen sind. Auch über die Langzeitwirkungen von Süßstoffkombinationen gibt es bisher nur wenig gesicherte Erkenntnisse. Machen Süßstoffe dick? Die Aussage, dass Süßstoffe „dick machen“ beruht auf der Hypothese, dass diese Stoffe ebenso wie Zucker über die Geschmacksempfindung „süß“ eine verstärkte Ausschüttung von Insulin kurz nach ihrer Aufnahme bewirken. Da jedoch keine Glucose zugeführt wird, komme es zu einem starken Abfall des Blutzuckerspiegels, wodurch Hungergefühl ausgelöst werde. Diese Theorie konnte in mehreren Studien nicht bestätigt werden. Es zeigte sich vielmehr, dass Insulinausschüttung und Blutzuckerkonzentration durch Süßstoffe nicht beeinflusst werden. Auch eine verstärkte Energieaufnahme durch die vermutete Appetitsteigerung, die zu Über­ gewicht führen würde, konnte nicht bestätigt werden. Kompensatorisches Essverhalten, wonach der Körper eingesparte Energie bei einer Mahlzeit durch verstärkte Energieaufnahme bei späteren Mahlzeiten ausgleicht oder überkompensiert, wurde ebenfalls nicht beobachtet. Gibt es Gewöhnungeffekte? Der aid infodienst Ernährung, Landwirtschaft, Verbraucherschutz e. V. empfiehlt trotzdem, mit Süßstoff grundsätzlich sparsam umzugehen. Bei häufigem Konsum könne der starke Süßgeschmack dazu führen, dass die Geschmacksnerven für süß unempfindli­ cher werden und den natürlichen Süßgeschmack von Lebensmitteln wie Obst nicht mehr so gut wahrnehmen. Dies steigere letztlich das Verlangen nach Süßem. Internet-Quellen (Stand August 2011): http://www.bfr.bund.de/cm/208/bewertung_von_suessstoffen.pdf http://www.dge.de/modules.php?name=News&file=article&sid=720 http://de.wikipedia.org/wiki/S%C3%BC%C3%9Fstoff http://www.aid.de A2 Die Steviapflanze (Süßkraut) stammt aus Südamerika, wo die Ureinwohner sie seit Jahrhun­ derten als Süßstoff und Medizin verwenden. Die Blätter der Pflanze enthalten Stevioside (Diterpenglycoside) mit einer im Vergleich zu Saccharose ca. 300-fachen Süßkraft. Der Geschmack wird ähnlich wie der von synthetischen Süßstoffen beschrieben, mit einem leicht bitteren, lakritzartigen Nachgeschmack. Stevia ist nicht kariogen (Karies fördernd), hat einen sehr kleinen Brennwert und keinen Einfluss auf den Blutzuckerspiegel. Von der WHO (World Health Organization) wurden Stevia-Extrakte 2008 als sicher eingestuft, und auch nach einer Feststellung der EFSA (Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit) 2010 konnte weder eine Genotoxizität noch eine krebserregende oder fruchtschädigende Wirkung nachgewiesen werden. Untersuchungen in Brasilien und Japan zeigten, dass bei einem Konsum von weniger als 38,5 mg Steviosid je Kilogramm Körpergewicht und Tag keine Toxizität zu erwarten ist. 16 Elemente Chemie 2 1 0 N a t u r st of f e Trotzdem ist Stevia als Süßstoff in Deutschland und großen Teilen der EU bisher nicht zugelassen. Dagegen wird Stevia in vielen asiatischen Ländern (v. a. Japan) und auch in Israel und Mexiko angebaut und verwendet. Auch in den USA ist Stevia zugelassen. Die EU-weite Zulassung von Stevia gilt inzwischen als sehr wahrscheinlich. Im April 2011 hat der Europäische Gerichtshof entschieden, dass getrocknete Stevia-Blätter in Teemischungen enthalten sein dürfen. Aufgrund der fehlenden Zulassung werden Stevia-Produkte nicht durch die Lebensmittelbehör­ den kontrolliert. Daher muss besonders auf die Produktqualität und Zusammensetzung geachtet werden. Internet-Quellen (Stand August 2011): http://de.wikipedia.org/wiki/Stevia_rebaudiana http://de.wikipedia.org/wiki/Stevia_(Süßstoff) http://www.stern.de/tv/sterntv/suesspflanze-wie-stevia-zucker-ersetzen-koennte-655051.html A3 Früher wurde der süße Geschmack einer Verbindung auf eine große Anzahl von Hydroxyl­ gruppen in deren Molekülen zurückgeführt. Insbesondere Hydroxylgruppen an zwei benachbar­ ten Kohlenstoffatomen sollten für den süßen Geschmack verantwortlich sein. Da dies auf viele synthetische Süßstoffe nicht zutrifft, veröffentlichten Robert S. Shallenberger und Terry E. Acree im Jahr 1967 ein Modell des süßen Geschmacks, das später von Kier erweitert wurde. Demnach können auch andere Gruppen in einer bestimmten Anordnung süßen Geschmack hervorrufen, und zwar eine als AH bezeichnete Gruppe (Protonendonator) und eine als B bezeichnete Gruppe (Protonenakzeptor). Das Rezeptormolekül in den Geschmacksknospen verfügt über eine ähnliche, komplementäre AH-B-Einheit. Durch die Bildung von zwei parallelen Wasserstoffbrücken zwischen dem Süßstoffmolekül und dem Rezeptor­molekül wird der Rezeptor gereizt. Zwar weisen alle Moleküle von Verbindungen mit süßem Geschmack dieses Strukturmerkmal auf, aber es gibt auch viele Stoffe mit entsprechender Struktur, die nicht süß schmecken. Deshalb wurde das Modell modifiziert. Kier erweiterte das AH-B-System um eine dritte hydrophobe Bindungsstelle X, die über Van-der-Waals-Kräfte an eine entsprechende hydrophobe Region des Rezeptormoleküls gebunden wird. Der hydrophobe Bereich im Süßstoffmolekül liegt dem AH-B-System gegenüber und bildet mit diesem ein AH-B-X-System, das „Dreieck des süßen Geschmacks“: AH B pm W 300 asse r räft e H stof Was fbrü sers Rezeptormolekül als-K toff cke ke OH brüc CH2OH O H OH OH H C AH Van 550 pm -Wa 360 -der pm X Van 550 pm 360 pm X -der als-K sers Rezeptormolekül räft stof Was H H OH b-D-Glucose -Wa B pm W 300 asse r fbrü toff cke e X HA brüc ke B Süßstoffmolekül Aber auch diese Theorie liefert keine vollständig zuverlässigen Aussagen über den süßen Geschmack. Beispielsweise gibt sie keine Erklärung für die unterschiedliche Süßkraft verschiede­ ner Süßstoffe und für die großen Schwankungen der Süßkraft bei Variation von Substituenten an einem Grundkörper. Internet-Quellen (Stand August 2011) und Literatur: R. S. Shallenberger, T. E. Acree: Molecular theory of sweet taste. Nature 216 (1967), 480 – 482 http://chemiedidaktik-graz.at/content/pdf/glucose_aspartam_saccharin.pdf http://www.zum.de/Faecher/Gk/RP/13251_Warum_schmecken_Zucker_suess.pdf Stefan Irmel: Computersimulation chemischer und biologischer Eigenschaften von Sacchariden. Dissertation, Technische Hochschule Darmstadt 1995. http://csi.chemie.tu-darmstadt.de/ak/immel Elemente Chemie 2 17 1 0 N aturstoffe 10.21 Maltose, Saccharose, Lactose Zu den Aufgaben A1 Maltose ist ein Disaccharid, das im Gegensatz zur Saccharose in einer a- und einer b-Form vorkommt. Dies liegt daran, dass bei der Maltose nur die OH-Gruppe des anomeren C-Atoms eines der beiden Glucosebausteine an der glycosidischen Bindung teilnimmt. Die OH-Gruppe des anomeren C-Atoms des anderen Glucosebausteins kann somit in a- oder b-Konfiguration vorliegen. Bei der Saccharose nehmen dagegen die OH-Gruppen der anomeren C-Atome beider Bausteine (D-(+)-Glucopyranose und D-(–)-Fructofuranose) an der Bindung teil. A2 H CH2 OH H O H OH H OH H OH H H H OH O H CH2 OH OH O OH OH Tetralose Trehalose ist nicht reduzierend, da im Molekül keine halbacetalische OH-Gruppe vorhanden ist. Daher ist – wie auch bei Saccharose – keine Ringöffnung zu einer Form mit einer (reduzierenden) Aldehydgruppe möglich. A3 Schätzungsweise 80 bis 90 Prozent der Weltbevölkerung sind von Lactoseintoleranz betroffen. Sie ist eher als Normalfall zu betrachten und nicht als Krankheit. Am häufigsten ist die Lactose­ intoleranz bei den Völkern im südlichen Südamerika, im südlichen Afrika und im östlichen Asien (einschließlich China), dort liegen die Raten bei 80 – 100 %. In den skandinavischen Ländern beträgt der Anteil der betroffenen Menschen nur etwa 5 %. In Deutschland und in den übrigen Ländern Mitteleuropas sind schätzungsweise 15 – 20 % betroffen, in den süd­euro­päischen Ländern Griechenland, Spanien und Italien 40 – 60 %. Kinder vertragen Lactose i. Allg. ohne Probleme; sie können Muttermilch verdauen. Diese Fähigkeit verliert sich jedoch häufig im Laufe des Heranwachsens, d. h., das Enzym Lactase wird nur noch in sehr kleinen Mengen produziert. Nur bei den Völkern, die seit langer Zeit Milchwirt­ schaft betreiben, hat sich eine Mutation durchgesetzt, die dazu führt, dass auch im erwachsenen Organismus genügend Lactase produziert wird. Dies sind hauptsächlich die europäischen Völker und die von ihnen abstammenden Menschen, z. B. in Nordamerika. Eine weitere Theorie geht davon aus, dass es für die im Norden lebenden Völker besonders vorteilhaft war, Milchwirtschaft zu betreiben. Aufgrund der geringen Sonnenstrahlung wird zu wenig Vitamin D gebildet, das für die Calciumresorption notwendig ist. Bei Vitamin-D-Mangel unterstützt Lactose die Calciumresorption, sodass es ein Vorteil ist, wenn man Lactose zu sich nimmt. Folglich ist die Mutation, die dazu führt, dass man auch als Erwachsener Lactose verträgt, vor allem in Ländern mit geringer Sonnenstrahlung ein Selektionsvorteil. Internet-Quellen (Stand August 2011): http://www.nahrungsmittel-intoleranz.com http://de.wikipedia.org/wiki/Laktoseintoleranz 18 Elemente Chemie 2 1 0 N a t u r st of f e Zum Versuch V1 a) Untersuchung der Zuckerlösungen: Lösung von Maltose Cellobiose Saccharose Fehling‘sche Probe + + – Seliwanow-Probe – – – Glucosetest – – – Erklärung (siehe auch Kap. 10.25): Maltose- und Cellobiosemoleküle besitzen jeweils eine Glucose­einheit, die offenkettig vorliegen kann, da die beiden Ringe in den Disaccharidmolekülen jeweils 1,4-glycosidisch verknüpft sind (d. h. unter Einbeziehung der halbacetalischen OH-Gruppe des einen Glucosemoleküls am C-Atom 1 und der alkoholischen OH-Gruppe am C-Atom 4 des zweiten Glucosemoleküls). Die halbacetalische OH-Gruppe des zweiten Glucosemoleküls ist dadurch nicht blockiert; dieser Ring kann sich öffnen. Die beiden Disaccharide sind folglich reduzierend, die Fehling‘sche Probe ist positiv. Die Glucoseeinheit des Saccharosemoleküls kann nicht offenkettig vorliegen, da im Saccharose­ molekül ein Glucosemolekül mit einem Fructosemolekül 1,2-glycosidisch verknüpft ist. Damit sind beide halbacetalischen OH-Gruppen blockiert; die Ringe können nicht in die offenkettige Form übergehen. Saccharose ist folglich ein nicht reduzierendes Disaccharid, die Fehling‘sche Probe ist negativ. Die Seliwanow-Probe ist ein Test auf Ketosen (Zucker mit einer Ketogruppe). Man gibt zu der Zuckerlösung das Seliwanow-­Reagenz (10 mg Resorcin (1,3-Dihydroxybenzol) in 20 ml Salzsäure (w ≈ 10 %) lösen und mit 40ml Wasser verdünnen) und erwärmt einige Minuten vorsichtig mit dem Gasbrenner. Bei Vorliegen einer Ketose (z. B. Fructose) tritt rasch eine rote Lösung auf. Ketosen spalten unter sauren Bedingungen Wasser ab; es entsteht Hydroxymethylfurfural. Dieses reagiert mit Resorcin und Luftsauerstoff zu einer roten Verbindung. Aldosen reagieren nicht oder nur sehr langsam zu Hydroxymethylfurfural. Die Seliwanow-Probe ist folglich bei allen Lösungen negativ, da keine Fructose oder sonstige Ketose vorliegt. Bei längerem Erhitzen entsteht aller­ dings auch bei Glucose eine rote Lösung. Der Glucosetest ist bei allen Lösungen negativ, da keine Glucose vorliegt. b) Untersuchung der Lösungen nach Aufkochen mit Salzsäure und anschließender Neutralisation: Lösung von Maltose Cellobiose Saccharose Fehling‘sche Probe + + + Seliwanow-Probe – – + Glucosetest + + + Erklärung: Die Disaccharide wurden durch die Säure hydrolysiert, d. h. in Monosaccharide gespal- ten. Folglich liegt in allen Lösungen Glucose vor und sowohl die Fehling‘sche Probe als auch der Glucosetest sind positiv. Aus Saccharose entsteht außerdem Fructose, daher ist hier auch die Seliwanow-Probe positiv. c) Untersuchung der Lösungen nach Zusatz von Hefe: Lösung von Maltose Cellobiose Saccharose Fehling‘sche Probe + + + Seliwanow-Probe – – + Glucosetest + – + Erklärung: Die Enzyme der Hefe können Maltose und Saccharose in Monosaccharide spalten, Cellobiose aber nicht. Das Ergebnis unterscheidet sich daher nur bei der Cellobiose vom Teil­ versuch (b). Elemente Chemie 2 19 1 0 N aturstoffe 10.23 Exkurs Stärkefolien – Kunststofffolien V1 Stärkefolien „zerfließen“ bei Zugabe von Wasser. Gibt man die Folien in ein Gefäß mit Wasser und rührt um oder lässt die Probe längere Zeit stehen, lösen sich die Folien ganz auf. Alle auf Stärke basierenden Verpackungen zeigen mit Lugol‘scher Lösung eine sofortige tiefblaue bis schwarze Färbung. Es gibt jedoch auch wasserlösliche Verpackungsbeutel aus anderen Materiali­ en (z. B. PVA, Polyvinylalkohol), die mit Lugol‘scher Lösung nicht reagieren. (Lugol‘sche Lösung ist ein Nachweisreagenz für Stärke, s. Kap. 3.22.) 10.24 Stärke und Cellulose Zu den Aufgaben A1 Bei der Reaktion bildet sich eine blaue Einschlussverbindung von Triiodidionen in der Amylosehelix. Beim Erhitzen nimmt die Wärmebewegung der Teilchen stark zu, sodass ein Teil der Triiodidionen die Helix verlässt; die blaue Färbung verschwindet. Beim Abkühlen lagern sich die Triiodidionen wieder in den Windungen der Helix ein; die Blaufärbung tritt wieder auf. A2 Zunächst berechnet man die molare Masse M einer Repetiereinheit des Amylosemoleküls. Mit jeder Repetiereinheit fällt ein Wassermolekül verglichen mit reiner Glucose weg, sodass die Repetiereinheit die Summenformel C6H10O5 und damit die folgende molare Masse hat: M(C6H10O5) = (12 · 6 + 1 · 10 + 16 · 5) g/mol = 162 g/mol Die durchschnittliche Anzahl der Glucoseeinheiten pro Molekül erhält man durch eine Division der mittleren molaren Masse der Amyloseart durch die molare Masse der Repetiereinheit: M(Amylose) M(Glucose) 48 600 g/mol 162 g/mol ______ = ______ = 300 In der Amyloseart sind durchschnittlich 300 Glucoseeinheiten pro Molekül enthalten. Hinweis: In einem Teil der Auflage ist M(Amylose) = 48 000g/mol angegeben statt 48 600g/mol. A3 In einem Amylosemolekül sind Glucoseeinheiten a-1,4-glycosidisch miteinander verknüpft. Endständig weist das Molekül daher eine halbacetalische OH-Gruppe auf, die beim Übergang in die offenkettige Form eine oxidierbare Aldehydgruppe bilden kann. Bei einer Kettenlänge von etwa 300 bis 1000 Glucoseinheiten in einem Amylosemolekül ist der Einfluss dieser Aldehyd­ gruppe jedoch verschwindend gering und der Nachweis der reduzierenden Gruppen optisch kaum wahrnehmbar. A4 Bei der Spaltung von Cellulose entstehen b-D-Glucosemoleküle. Aufgrund der Mutarotation wandelt sich das Anomer über die offenkettige Form spontan in die a-D-Glucose um, bis sich in der Lösung ein Gleichgewicht von ca. 38 % a-D-Glucose und ca. 62 % b-D-Glucose eingestellt hat. Zu den Versuchen V1 Beim Zutropfen von Lugol’scher Lösung (Iod-Kaliumiodid-Lösung) tritt sofort eine tiefblaue Färbung der Lösung auf. Beim Erhitzen verschwindet die Färbung, beim Abkühlen tritt sie wieder auf. Erklärung: siehe A1 V2 Der Lichtstrahl der Taschenlampe ist in der Amyloselösung als „milchiger Streifen“ deutlich sichtbar. 20 Elemente Chemie 2 1 0 N a t u r st of f e V3 Bei dieser Versuchsreihe werden die Stärkemoleküle durch saure Hydrolyse nach und nach abgebaut. Dementsprechend ist zu Beginn der Stärkenachweis mit Lugol’scher Lösung positiv, der Nachweis von Aldehydgruppen mit Fehling’scher Lösung und der Nachweis von Glucose mit dem Glucoseteststreifen negativ. Mit fortschreitender Zeit und zunehmender Anzahl der Proben nimmt die Intensität des Stärkenachweises ab, die beiden anderen Reaktionen fallen immer deutlicher aus, bis keine Stärke mehr vorliegt. Der Nachweis mit Lugol’scher Lösung ist dann negativ, die anderen beiden Nachweise fallen deutlich positiv aus. 10.25 Praktikum Kohlenhydrate Zu den Versuchen V1 Glucose ist sehr gut in Wasser löslich. In Lösungsmitteln wie Heptan, die aus unpolaren Molekülen bestehen, ist sie dagegen unlöslich. Glucosemoleküle sind stark polar, sie besitzen fünf polare Hydroxylgruppen, über die sie mit den polaren Wassermolekülen in Wechselwirkung treten und Wasserstoffbrücken ausbilden können. Für die Löslichkeit eines Stoffes in einem anderen gilt allgemein: Ähnliches löst sich in Ähnlichem. V2 Die Fehling‘sche Probe ist eine Nachweisreaktionen für Aldehyde. Glucose, Fructose und Maltose zeigen positive Reaktionen (rot-oranger Niederschlag von Kupfer(I)-oxid), Saccharose reagiert nicht. Reaktionsgleichung: I O III O + 3 OH– H � R 2 Cu2+ + 2 e– + 2 OH– � Cu2O + H2O Redoxreaktion: R CHO + 2 Cu2+ + 5 OH– � R COO– + Cu2O + 3 H2O R Oxidation: Reduktion: C II C O –+ 2 e– + 2 H2O I Erklärung der einzelnen Versuchsergebnisse: Allgemein ist die offenkettige Form der Zuckermole­ küle für die reduzierende Wirkung verantwortlich, da nur sie eine Aldehydgruppe haben kann. – Glucose besitzt am C-Atom 1 eine halbacetalische OH-Gruppe. Das Molekül kann daher in die offenkettige Form mit einer Aldehydgruppe übergehen (Kap. 10.19). – Saccharose zählt aufgrund der a,b-1,2-glycosidischen Verknüpfung des Glucopyranose- und des Fructofuranosebausteins zu den nicht reduzierenden Disacchariden, da durch die Bindung beide halbacetalischen OH-Gruppen der Moleküle blockiert sind und so ein Übergang der Ringe in die offenkettige Form mit einer Aldehyd- bzw. Ketogruppe nicht möglich ist (Kap. 10.21). – Maltose zählt zu den reduzierenden Disacchariden, da in ihren Molekülen zwei a-Gluco­ pyranose­bausteine a-1,4-glycosidisch verknüpft sind, d. h. die Bindung zwischen den beiden Ringen kam durch eine Kondensationsreaktion einer halbacetalischen OH-Gruppe am C-Atom 1 mit einer alkoholischen OH-Gruppe am C-Atom 4 des zweiten Rings zustande. Der Ring mit der alkoholischen OH-Gruppe besitzt am C-Atom 1 noch eine halbacetalische OH-Gruppe, sodass das Molekül in Lösung in die offenkettige Form mit einer Aldehydgruppe übergehen kann (Kap. 10.21). – Fructose ist eine Ketose und daher eigentlich ein nicht reduzierendes Monosaccharid. Die positive Reaktion der Fructose ist auf die Keto-Endiol-Tautomerie zurückzuführen, bei der in alkalischer Lösung aus Fructose über die Endiolform Glucose gebildet wird: Elemente Chemie 2 21 1 0 N aturstoffe H H HO H O H C 1 OH C1 C2 O C2 OH C3 H HO � H O C1 C3 H H HO � C 2 OH C3 H H C 4 OH H C4 OH H C4 OH H C 5 OH H C5 OH H C5 OH C 6 OH H C6 OH H H C6 OH H H H D-Fructose Endiolform D-Glucose V3 Auch die Silberspiegelprobe (Tollensprobe) ist eine Nachweisreaktion für Aldehyde. Glucose, Fructose und Maltose zeigen positive Reaktionen (Silberspiegel in einem fettfreien Reagenzglas), Saccharose reagiert nicht. Die Hintergründe sind in der Erklärung zu V2 aufgeführt. Oxidation: Reduktion: R I C O + 3 OH– H I Ag+ + e– + Redoxreaktion: R CHO + 2 Ag + 3 OH – � R � Ag � 0 III C O O –+ 2 e– + 2 H2O ·2 – R COO + 2 Ag + 2 H2O V4 Bei Ethanal tritt sofort nach Zusatz von Fuchsinschwefliger Säure (Schiffs Reagenz) eine Rotfärbung auf. Bei Glucose ist nach 2 bis 3 Minuten eine äußerst schwache Rosafärbung zu erkennen. Erklärung: Die Schiff‘sche Probe ist eine Nachweisreaktion für Aldehyde. Die Moleküle der Glucose liegen jedoch überwiegend als sechsgliedrige Ringe vor, die durch eine intramolekulare Halbacetalbildung zwischen der Aldeydgruppe am C-Atom 1 und der OH-Gruppe des C-Atoms 5 entstehen. Die offene Form der Glucose mit oxidierbarer Aldehydgruppe liegt in nur sehr geringer Konzentration vor, sodass die Schiff‘sche Probe nur äußerst schwach positiv ausfällt. Ethanal­ moleküle zeigen keine intramolekulare Halbacetalbildung, daher tritt sofort eine Rotfärbung auf. V5 Die Glucotestprobe ist mit Fructoselösung negativ. Nach dem Erhitzen mit Natronlauge und Neutralisieren ist die Glucotestprobe positiv. Das Ergebnis wird mit der Keto-Endiol-Tautomerie erklärt (s. V2). Es stellt sich ein Gleichgewicht ein, in dem Glucose überwiegt. V6 Filterpapier besteht hauptsächlich aus Cellulose. Nach der Hydrolyse mit Schwefelsäure und Neutralisieren zeigt die Lösung einen positiven GOD-Test und eine positive Fehling‘sche Probe. Erklärung: Durch die Hydrolyse wird die Cellulose u. a. in Glucosemoleküle zerlegt. V7 Der GOD-Test ist nur bei Glucose positiv. Auf dem Testfeld tritt eine Grün- bis Blaufärbung auf. Erklärung: Der GOD-Test ist ein spezifischer Glucosenachweis, bei dem ein Enzym, die Glucose­ oxidase, die Oxidation der Glucosemoleküle katalysiert. Bei der Reaktion mit Seliwanow-Reagenz tritt bei Fructose rasch eine rote Lösung auf. Bei längerem Erhitzen entsteht auch bei Glucose eine rote Lösung. Erklärung: Glucose gehört zu den Aldosen, Fructose zu den Ketosen. Ketosen spalten unter sauren Bedingungen Wasser ab; es entsteht Hydroxymethylfurfural. Dieses reagiert mit Resorcin und Luftsauerstoff zu einer roten Verbindung. Aldosen reagieren nicht oder nur sehr langsam zu Hydroxymethylfurfural. 22 Elemente Chemie 2 1 0 N a t u r st of f e 10.26 Impulse Kohlenhydrate und Proteine in der Küche Zu den Aufgaben A1 1. Teigzubereitung durch Kneten (Zimmertemperatur) 2. Wirkungsphase der Enzyme (bis 70°C) 3. Proteindenaturierungs- und Verkleisterungsphase (ab ca. 70°C) 4. Verdampfungsphase des Wassers an der Oberfläche (bis ca. 100°C) 5. Bräunungsphase mit Bildung von Aromastoffen (ab ca. 130°C) A2 SH H H2N C H H O C C C H H CH2 H N C C H H O N H C COOH H COOH Cystein Glutaminsäure Glycin Glutamyl-cysteyl-glycin NH2-Glu-Cys-Gly-COOH A3 COOH H2N H H C C C C H H H O H H O N C C CH2 H N C H H H H N C COOH S S H2N H H H O C C C C H H CH2 N C C H H O COOH H COOH A4 Acrylamid bildet sich v. a. in gerösteten, frittierten und gebratenen kohlenhydratreichen Lebensmitteln, wie z. B. frittierten Kartoffeln (Pommes frites, Kartoffelchips) und Getreideproduk­ ten, besonders wenn sie in Gegenwart von Fett hoch erhitzt werden. Für die Bildung von Acrylamid spielt die Aminosäure Asparagin eine große Rolle. Beim Erhitzen mit reduzierenden Zuckern, z. B. Glucose, kommt es zur Bildung von Acrylamid. Dabei reagiert zunächst die Aminogruppe des Asparaginmoleküls mit der halbacetalischen OH-Gruppe des Glucosemoleküls. Elemente Chemie 2 23 1 0 N aturstoffe CH2OH O H OH H H + H OH OH H O N CH H COOH CH2 C NH2 OH a-Glucose Asparagin CH2OH Maillard-Reaktion O H ������ OH OH Zersetzung + H2O O N CH C H COOH H OH H H CH2 NH2 O CH2 CH C NH2 Acrylamid (Propensäureamid) Einige Gegenmaßnahmen: – Senkung der Erhitzungsdauer und -temperatur – Auswahl bestimmter Kartoffelsorten – Lagerung und Aufbereitung der Rohware (Kartoffeln und Mehl) – Entfernen von Asparagin und reduzierenden Zuckern durch Auslaugen im Wasserbad – Zusatz von Säuren, z. B. Citronensäure kurz vor dem Frittieren oder Backen Nach: W. Ternes: Naturwissenschaftliche Grundlagen der Lebensmittelzubereitung. B. Behr’s Verlag, Hamburg 2008 10.27 Nucleinsäuren – vom Gen zum Protein Zu den Aufgaben A1 Als Makromoleküle können genannt werden: Kohlenhydrat-, Protein- und Nucleinsäure­ moleküle. Kohlenhydratmoleküle sind charakterisiert durch einen monotonen Aufbau aus jeweils nur einer Einheit. Als einzige Möglichkeit zur Codierung von Informationen könnte die Art der Verzweigung z. B. der Glykogenmoleküle angesehen werden. Proteinmoleküle können in ihrer speziellen Aminosäurensequenz Informationen gespeichert enthalten, ebenso Nucleinsäuremoleküle in ihrer Basensequenz. A2 DNA Doppelstrang Bis zu 3 · 109 Basenpaare Molekülbausteine: Desoxyribose und Phosphorsäure, dazu die Basen Thymin, Adenin, Cytosin und Guanin RNA Einzelstrang, Basenpaarung nur abschnittsweise Molekülketten kürzer als die der DNA Molekülbausteine: Ribose und Phosphorsäure, dazu die Basen Uracil, Adenin, Cytosin und Guanin Mögliche Basenpaarungen: A — T, C — G Mögliche Basenpaarungen: A — U, C — G A3 Die Basenfolge in einem bestimmten Bereich der DNA codiert die Reihenfolge der Amino­ säureeinheiten in einem Proteinmolekül. Eine Gruppe von drei Basen auf dem codogenen Strang der DNA, die eine bestimmte Aminosäure codiert, wird Codogen genannt. Transkription: Die DNA liegt in teilweise entspiralisierter Form im Zellkern vor. Einer der beiden Stränge ist der codogene Strang. Er wird durch das Enzym RNA-Polymerase als solcher erkannt. Mit komplementärer Basenfolge wird ein RNA-Molekül aus Ribose-Nucleotiden aufgebaut. Statt der Base Thymin wird Uracil eingesetzt. Eine dem Codogen der DNA entsprechende Basenfolge 24 Elemente Chemie 2 1 0 N a t u r st of f e der RNA wird Codon genannt. Das gebildete m-RNA-Molekül löst sich vom DNA-Molekül und wandert aus dem Kern ins Cytoplasma. An speziellen Syntheseorten, den Ribosomen, findet der zweite Schritt, die Translation, statt. Hier tritt eine zweite Art von RNA-Molekülen in Funktion, die t-RNA-Moleküle. An einem Molekülende sind sie mit einem Aminosäuremolekül verbunden. Außerdem besitzen sie eine charakteristische Dreiergruppe von Basen, die Anticodon genannt wird. Für jede Aminosäure existiert mindestens eine spezifische Art von t-RNA mit einem für sie typischen Anticodon. Ein Anticodon eines t-RNA-Moleküls geht eine Basenpaarung mit dem entsprechenden komplementären Codon des m-RNA-Moleküls ein. Dadurch werden die am Ende des t-RNA-Moleküls befindlichen Aminosäure­ moleküle in eine benachbarte Position gebracht und miteinander verbunden. Die miteinander verknüpften Aminosäure-Einheiten lösen sich von den t-RNA-Mole­külen. A4 Codogene der m-RNA Codierte Aminosäuren DNA, codogener Strang UUA Leu AAT CGU Arg GCA GAA Glu CTT GAG Glu CTC UAA (Stop) ATT DNA, nicht codogener Strang TTA CGT GAA GAG TAA A5 Die Stellungnahme soll folgende Gesichtspunkte enthalten: – Eine exakte Weitergabe ist natürlich erforderlich, damit z. B. die Information zum Bau von Enzymmolekülen mit einer für ihre Funktion wichtigen Sequenz von Aminosäuren weiter­ gegeben (vererbt) werden kann. – Ein System, das ausschließlich fehlerfreie exakte Kopien der Information erstellt, also keine Mutationen zulässt, ist zu keiner Entwicklung (Evolution) fähig. – Viele Mutationen sind für den Organismus ohne Bedeutung. Es treten aber auch solche auf, die sich positiv oder negativ in der Auseinandersetzung des Individuums mit der Umwelt auswir­ ken. Die Variabilität der DNA in Zusammenhang mit einer Selektion bietet daher die Voraus­ setzung für den Ablauf der Evolution. A6 Die Wasserstoffbrückenbindungen zwischen den Basen der beiden Stränge des DNA-Moleküls werden geöffnet. Enzymatisch werden Nucleotide mit den komplementären Basen angefügt. Es entstehen zwei identische DNA-Moleküle, die je aus einem alten und einem neu gebildeten Strang aufgebaut sind. A7 Die folgende Beschreibung bezieht sich auf B8 im Schülerbuch: Die Spender-DNA wird durch bestimmte Enzyme aufgeschnitten. Dabei liegen die Schnittstellen auf beiden DNA-Strängen nicht genau einander gegenüber, sondern um einige Einheiten versetzt. Dadurch entstehen überhängende Stücke von Einzelsträngen. Wird die Empfänger-DNA (in B8 das Plasmid) von gleichartigen Enzymen zerschnitten, können sich Transplantat und Empfänger zu einer Einheit verbinden. Anschließend können die Plasmide in Bakterienzellen eingeschleust werden. Argumente für Gentechnik: – Fortschritte in der Medizin, z. B. Erzeugung von Humaninsulin durch Bakterien – Schnellere Züchtung von Pflanzen für die Landwirtschaft, die z. B. gegen Schädlinge resistent sind, verbesserte Erträge bringen oder besser an das Klima angepasst sind – Allgemeiner Erkenntnisgewinn in der Forschung Argumente gegen Gentechnik: – Gefahr der unkontrollierten Verbreitung veränderter Organismen, deren Folgen auf das Ökosystem nicht überschaubar sind – Gefahr der Entwicklung „verbesserter“ biologischer Waffen, die evtl. auch von Terroristen genutzt werden – Ethische Probleme bei der Anwendung auf das Genom des Menschen (Züchtung von „Über­ menschen“?) Elemente Chemie 2 25 1 0 N aturstoffe A8 PCR bedeutet Polymerase-Kettenreaktion (Polymerase Chain Reaction). Die PCR stellt heute eine der wichtigsten Arbeitsmethoden der Molekularbiologen und Biochemi­ ker dar. Sie wurde 1985 von Kary Mullis erfunden (Nobelpreis Chemie 1993). Es handelt sich um ein DNA-Syntheseverfahren, das DNA durch wiederholte Verdopplung in mehreren Zyklen mithilfe des Enzyms DNA-Polymerase vervielfacht. Die Produkte vorhergehender Zyklen dienen als Ausgangsstoffe für den nächsten Zyklus und ermöglichen so eine exponentielle Vervielfältigung. Erforderlich sind: – die Original-DNA, die den zu vervielfältigenden Abschnitt enthält. Bei der PCR wird ein kurzer, genau definierter Teil eines DNA-Stranges vervielfältigt; – zwei Primer, die den für die Vervielfältigung gewünschten Bereich auf beiden DNA-Strängen festlegen. Dadurch wird dieser Bereich von beiden Seiten begrenzt. Primer sind kurze DNAStücke (Oligonucleotide, die aus 15 bis 30 Nucleotiden bestehen), die komplementär auf die Ziel-DNA passen; – DNA-Polymerase, die bei hohen Temperaturen nicht zerstört wird, um den festgelegten Abschnitt zu kopieren; – Desoxyribonucleosidtriphosphate, als Bausteine für den von der DNA-Polymerase zu syntheti­ sierenden DNA-Strang; – Magnesiumionen, die für die Funktion der DNA-Polymerase sorgen; – Pufferlösung, damit ein für die DNA-Polymerase geeigneter pH-Wert eingestellt werden kann; – ein Thermocycler, also eine Maschine, welche die in ihr befindlichen Reaktionsgefäße präzise auf die Temperatur erhitzt oder kühlt, die für den jeweiligen Zyklusschritt erforderlich ist. Der Ablauf: Jeder PCR-Prozess besteht aus einer Anzahl von bis zu 50 Zyklen, die in einem Thermocycler durchgeführt werden. Jeder Zyklus besteht aus drei Schritten: 1. Denaturierung der DNA (Schmelzen der DNA): Die doppelsträngige DNA wird auf 94 bis 96 °C erhitzt, um die Stränge voneinander zu trennen. Die vorhandenen Wasserstoffbrücken werden dabei aufgebrochen, sodass nur noch Einzelstränge vorliegen. 2. Primer-Hybridisierung: Die Temperatur wird ca. 30 Sekunden auf einem Wert gehalten, der eine spezifische Anlagerung der Primer an die DNA erlaubt. Die genaue Temperatur wird hierbei durch die Länge und die Sequenz der Primer bestimmt (meist 55 bis 65 °C). 3. Polymerisation (Extension, Elongation): Die DNA-Polymerase füllt die fehlenden Stränge mit freien Nucleotiden auf. Sie beginnt am 3’-Ende des angelagerten Primers und folgt dann dem DNA-Strang. Der Primer bildet den Anfang eines neuen Einzelstrangs. Die Temperatur beträgt 68 bis 72 °C. Im nächsten Zyklus werden die beiden DNA-Stränge wieder getrennt, die Primer angelagert und mittels DNA-Polymerase wieder die DNA-Stränge ergänzt. Das PCR-Produkt kann durch Gelelektrophorese anhand seiner Größe identifiziert werden. Dazu lässt man bei der Elektrophorese ein Gemisch mit unterschiedlich großen DNA-Fragmenten bekannter Größe mitlaufen („DNA-Leiter“). Entscheidende Verbesserung: Die Verwendung von thermostabilen DNA-Polymerasen war der Faktor, der die entscheidende Verbesserung der PCR-Technologie erbrachte. Es handelt sich um Enzyme, die auch bei Temperaturen von annähernd 100 °C ihre Aktivität beibehalten, z. B. TaqPolymerase, die aus dem in heißen Quellen lebenden Bakterium „Thermus aquaticus“ gewonnen werden kann. Dadurch bestand keine Notwendigkeit mehr, bei jedem Zyklus Polymerase zu­ zugeben; der PCR-Prozess konnte dadurch erheblich vereinfacht und automatisiert werden. 10.28 Durchblick Zusammenfassung und Übung A1 a) Fette dienen im Körper als Speicherstoff („Brennstoff“), Wärmeisolator, „Stoßdämpfer“, Baustoff und Stoffwechselbaustein. 26 Elemente Chemie 2 1 0 N a t u r st of f e b) Teigwaren bestehen hauptsächlich aus Kohlenhydraten. Übermäßiger Verzehr von Teigwaren führt ebenfalls zu Übergewicht, da der Körper überschüssige Kohlenhydrate zu Fett umbaut. A2 H O H C C O C H H C C H H H H H H H H C C C H H H H C H C C H H C C H C H C H H C H H C H H C H H H Strukturformel von Octadeca-(Z,E,E)-9,11,13-triensäure O H O Zur besseren Übersichtlichkeit: Skelettformel von Octadeca-(Z,E,E)-9,11,13-triensäure A3 H H O H H OH CH2OH O H H OH OH OH OH H H CH2OH H H b-D-Tagatopyranose CH2OH CH2OH C O C O HO C H H C OH HO C H H C OH H C OH HO C H CH2OH OH OH a-D-Tagatopyranose OH CH2OH L-Tagatose D-Tagatose Die Moleküle der D-Tagatose und L-Tagatose sind Enantiomere. Ein Gemisch von D-Tagatose und L-Tagatose im Stoffmengenverhältnis 1 : 1 bezeichnet man als Racemat. Die Lösung des Gemischs ist nicht optisch aktiv, d. h., sie dreht die Schwingungsebene linear polarisierten Lichts nicht. A4 H OH CH2OH O H OH H H H OC2H5 OH a-Ethylglucosid + H OH CH2OH O H OH H H OC2H5 H OH b-Ethylglucosid Elemente Chemie 2 27 1 0 N aturstoffe A5 COO– H 2N C H COO– + H 3O+ � H 3N + CH 2 COO– COO– COO– H 3N + C H COO– + H3 O+ � H 3N + C H 3N CH 2 CH 2 COOH C H + H2O H COO– COOH COO– + + H2O H C CH2 + H3 O+ H 3N � + C + H2O H CH 2 CH 2 COOH COOH Bei pH = 2,8 ist der IEP erreicht. Es liegen fast ausschließlich Zwitterionen vor. Hinweis: Die pKS-Werte sind: pKS(— NH2) = 9,60 pKS(c— COOH) = 3,65 pKS(a— COOH) = 1,88 A6 Oxidation: H –I H C OH H C OH O H I C H C OH HO C H H C OH HO C H H C OH H C OH H C OH H C OH H C OH � + 2 OH + 2 e + 2 H2O H H Reduktion: II 2 Cu 2 + 2e + 2 OH I � Cu2O + H2O Gesamtredoxgleichung: H H C OH H C OH +2 Cu2 + 4 OH � H C OH C H HO C H H C OH H C OH H C OH H C OH OH H C OH C H Elemente Chemie 2 H C HO H 28 O H + Cu2O + 3 H2O 1 0 N a t u r st of f e A7 a) Saccharose ist ein nicht reduzierendes Disaccharid. Begründung: Der Glucose- und Fructosering des Saccharosemoleküls sind a, b-1,2-glycosidisch aneinander gebunden. Damit sind beide halbacetalischen OH-Gruppen durch eine Bindung blockiert. Die Ringe können nicht in die offenkettige Form mit einer Aldehyd- bzw. Ketogruppe übergehen, die eine Voraussetzung für die positive Fehling‘sche Probe darstellen (Fructose erst nach einer Keto-Endiol-Tautomerie in alkalischer Lösung). b) Inversion: Saccharose ist rechtsdrehend (asp = +66° · ml · g–1 · dm–1). Bei Zusatz von verdünnter Salzsäure beginnt die hydrolytische Spaltung der Moleküle in Glucose- und Fructosemoleküle. Die ­D-Glucose hat einen spezifischen Drehwert von asp = +54,7° · ml · g–1 · dm–1, die D-Fructose von asp = –92,4° · ml · g–1 · dm–1. Da sich ­D-Glucose und D-Fructose im Verhältnis 1:1 bilden, überwiegt nach vollständiger Spaltung die Links­drehung durch die D-Fructose. Beim Fortschreiten der Reaktion nimmt folglich der positive Drehwinkel (Saccharose) ab und geht schließlich in einen negativen Drehwinkel (Glucose-­Fructose-­Gemisch) über. Reduzierende Wirkung: Die bei der Hydrolyse gebildete D-Glucose liegt in wässriger Lösung in einem Gleichgewicht zwischen a-Form, offenkettiger Form und b-Form vor. Die offenkettige Form mit ihrer Aldehydgruppe wirkt reduzierend, z. B. gegenüber dem Fehling-Reagenz. Die außerdem gebildete Fructose ist zwar eine Ketose, reagiert aber in alkalischer Lösung teilweise zu Glucose (Keto-Endiol-Tautomerie). Daher wirkt auch Fructose gegenüber dem (alkalischen) Fehling-Reagenz reduzierend. Elemente Chemie 2 29